F. Heidemann: Die Luxemburger in der Mark

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Titel
Die Luxemburger in der Mark. Brandenburg unter Kaiser Karl IV. und Sigismund von Luxemburg (1373–1415)


Autor(en)
Heidemann, Franziska
Reihe
Studien zu den Luxemburgern und ihrer Zeit 12
Erschienen
Warendorf 2014: Fahlbusch Verlag
Anzahl Seiten
352 S.
Preis
€ 52,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Jan Winkelmann, Herderschule Rendsburg

Die Geschichte der Luxemburger in der Mark Brandenburg des späten Mittelalters ist noch kaum erzählt. Dies hat einen doppelten Grund. Einerseits rückte das 14. Jahrhundert aufgrund seiner Krisenhaftigkeit zwischen den Dynastien der Askanier und Hohenzollern lange aus dem Blick der landesgeschichtlichen Forschung, andererseits richtete sich das Interesse in der Luxemburgerforschung weniger auf deren Herrschaft in Brandenburg. Nur das Wirken Karls IV. in der Mark Brandenburg fand aufgrund des großen Forschungsinteresses an dieser Königsgestalt in verschiedenen Darstellungen Beachtung. Sigismund von Luxemburg, dessen Rolle als Markgraf, König, Kaiser in neuerer Zeit umfassend gewürdigt wird1, blieb dagegen außen vor. An dieser Forschungslücke setzt die Berliner Dissertation von Franziska Heidemann an. Sie will zugleich zwei Lücken schließen, in dem sie einen Analyse- und einen Regestenteil für die Zeit zwischen 1373–1415 vorlegt. Insbesondere der Regestenteil ist sehr zu begrüßen, denn er beabsichtigt alle bestehenden gedruckten und ungedruckten Luxemburger Urkunden auszuweisen. Mit Blick auf die unverzichtbare aber viel kritisierte Urkundenedition durch A. F. Riedel2 könnte damit für künftige Forschungsvorhaben ein sehr nützlicher, nach heutigen Maßstäben präziser Kompass durch die Urkundenlandschaft gegeben sein. Da die Auslieferung des Regestenbandes noch aussteht, darf man gespannt sein.

Die Landesherrschaft der Luxemburger unterteilt Heidemann in vier Phasen: die Vormundschaft Karls IV. für seine Söhne zwischen 1374–1378, die Zeit der ersten Markgrafschaft Sigismunds von 1374–1388, Sigismunds Herrschaft „im Land über der Oder“ in den Jahren 1381–1388 und 1396–1402 sowie Sigismunds letzte Markgrafschaft zwischen 1411–1415. Innerhalb dieser Zeitphasen greift Heidemann auf bewährte Analysekategorien landes- und herrschaftsgeschichtlicher Arbeiten zurück, wenn sie sich etwa der dynastischen Herrschaftssicherung, der Personal-, Burgen- oder Finanzpolitik der jeweiligen Landesherren widmet. Sie verzichtet damit konsequent auf einen chronologisch-ereignisgeschichtlichen Zugang, womit sie sich wohltuend von der bestimmenden landesgeschichtlichen Arbeit Johannes Schultzes3 abhebt. Heidemann begründet diese Strukturierung vor allem mit der Absicht, so Veränderungen im Herrscherhandeln erkennbar zu machen. Am Ende eines jeden Analysekapitels gibt es eine vergleichende Teilzusammenfassung, ein Personen- und Ortsverzeichnis am Ende des Buches erleichtert die Orientierung.

Die vormundschaftliche Landesherrschaft Karls IV. (Kapitel 3) bewertet Heidemann durchweg positiv als Phase der Stabilisierung und Sicherung luxemburgischer Macht in Brandenburg und belegt dies jeweils anhand der untersuchten „Politikfelder“ (S. 28). Karls Wirken wird als wohlvorgetragene dynastische Herrschaftssicherung charakterisiert, die zur Absicht hatte, dem Nachfolger Sigismund eine „ehrenvolle“ Herrschaft zu ermöglichen (S. 148). Hervorgehoben wird z.B. die zielgerichtete Finanzpolitik Karls, die geeignet war, dem Landesherrn verlorengegangene Rechte wieder zurückzugewinnen. Das Landbuch von 1375 gilt hierfür als beredtes Beispiel. Karls Landfriedenspolitik, die auch auf eine Zurückdrängung der Städte an der Friedenssicherung zielte, wird als Richtungswechsel gegenüber den Wittelsbachern bewertet. Im Rahmen des Vergleichs wird Karls Landesherrschaft der Fixpunkt für die folgenden Analysen.

Heidemann verdeutlicht im Kapitel zu Sigismunds erster Markgrafschaft (Kapitel 4), dass dieser nicht an die Erfolge des Vaters anknüpfen konnte. Stellvertretend seien zwei Wahrnehmungen herausgegriffen. Sigismund enthielt sich demnach weitgehend einer markgräflichen Landfriedenspolitik. Im Vergleich zu Karl IV. initiierte er kaum Landfriedensbündnisse, sondern überließ es seinen Hauptleuten, regionale Übereinkünfte zu schließen. Mehr noch: Heidemann sieht in der Erlaubnis von Städtebünden und regionenübergreifenden Vereinbarungen zur Friedenssicherung einen deutlichen Abfall markgräflicher Macht. Sigismunds Finanzpolitik setzte wieder verstärkt auf Verpfändungen, die Autonomie von Stadt und Adel wuchs somit erneut an.

Mit der Untersuchung von Sigismunds Herrschaftsphasen in der Neumark (Kapitel 5) will Heidemann Vergleichsmöglichkeiten zur Bewertung von Sigismunds Politik in den übrigen Teilen der Mark Brandenburg eröffnen. Karl IV. hatte entgegen den Bestimmungen der Goldenen Bulle die Markgrafschaft Brandenburg zwischen seinen Söhnen Sigismund und Johann aufgeteilt. Johann erhielt die Gebiete östlich der Oder, auch Neumark genannt. Um Sigismunds Chancen auf den polnischen Thron zu erhöhen, trat Johann zwischen 1381–1388 das günstig gelegene Gebiet zeitweilig an seinen Bruder ab; als Johann 1396 verstarb, fiel sie dann endgültig an ihn. Die kurzen Herrschaftszeiten Sigismunds ermöglichen indes nicht sehr reichhaltige Vergleichsmöglichkeiten und Heidemann nimmt sich vielleicht auch deshalb vergleichsweise ausführlich des Verkaufs der Neumark an den Deutschen Orden an. Sie verfolgt hier gestützt auf eine neue Urkundensichtung die Verkaufsbemühungen Sigismunds chronologisch nach und kann so manche Irritation der älteren Forschung aufheben.

Aus Sicht Heidemanns trat Sigismund in seiner letzten Herrschaftszeit (1411–1415, Kapitel 6) am ehesten in die Fußstapfen des Vaters. So setzte er Landfremde als oberste Hauptleute ein, versuchte die entfremdeten markgräflichen Rechte und vor allem die Burgen als Eckpfeiler der Macht zurückzugewinnen. Sigismund blieb ferner standhaft angesichts des Widerstands der märkischen Stände. Auch aus der Wahrnehmung der Widrigkeiten in der Mark Brandenburg reifte in ihm die Erkenntnis, dass er diesem Territorium in seiner Doppelbelastung als deutscher wie ungarischer König nicht gerecht werden konnte. Aus der Übertragungsurkunde für Friedrich und aus Sigismunds Verfügung anlässlich der von ihm initiierten ehelichen Verbindung der Häuser Hohenzollern und Sachsen-Wittenberg wird für Heidemann seine gegenüber der ersten Markgrafschaft gewandelte Motivlage deutlich. Demnach handelte Sigismund nicht mehr im dynastischen Interesse, sondern im Sinne des Landes und des Königreiches (S. 263).

Die Studie vermag, gestützt auf die Quellenanalyse und bestehende Grundlagenarbeiten, Korrekturen und Neudeutungen gegenüber der alten, stärker preußisch-borussisch geprägten Forschung vorzunehmen. Heidemanns konsequente Fokussierung auf die dynastische Perspektive, die ausgewählten Analysekategorien und die Quellen schafft dabei Übersichtlichkeit und Orientierung. Indem sie Veränderungen des Personals nachverfolgt, die sich verändernden Vollmachten der Vertreter benennt oder die Landfriedensbemühungen nachzeichnet, wird die Entwicklung unter den Luxemburgern konkret gemacht.

Nachteil dieses Deutungsansatzes ist gelegentlich das Gefühl, dass weiterführende und einordnende Zusammenhänge außerhalb der Betrachtung bleiben. Die Schnittstellen zwischen vergleichender Landes- und Reichsgeschichte werden interpretatorisch nicht ausgeschöpft. So kann man sicherlich Sigismunds Vergabe der Mark Brandenburg an den Burggrafen Friedrich VI. als Ausdruck eines gereiften Herrschaftsverständnisses interpretieren, ebenso deutlich könnte man aber auch herausstellen, dass Sigismund erbenlos und der Burggraf in den ersten Jahren wichtigste Stütze seines noch nicht gefestigten deutschen Königtums war. Um die vorgenommenen Bewertungen besser nachvollziehbar zu machen, wäre eine Standortbestimmung zum Gehalt der eigenen Konzepte von Landesherrschaft oder spätmittelalterlicher Herrschaft von Fürsten wünschenswert gewesen – nicht zuletzt, um sich auch theoretisch von den Zugängen der älteren Forschung abzugrenzen.

Die Konzentration auf Karl IV. und Sigismund ist vor allem mit Blick auf die dazu zugleich geleistete Regestenarbeit nachvollziehbar. Insbesondere diese Regestenarbeit ist sehr zu begrüßen und für künftige landesgeschichtliche Arbeiten unschätzbar. Trotzdem bleibt der Wermutstropfen, dass die Markgrafschaft des Luxemburgers Jost von Mähren einmal mehr ausgeblendet wurde, deren Aufarbeitung damit ein Desiderat der Forschung bleibt. Dies ist insofern schade, als dass sie sicher auch für diese Studie aufschlussreiche Vergleichsperspektiven zwischen den Luxemburgern eröffnet hätte. So darf eingeräumt werden, dass die Analyseergebnisse aufgrund der völlig unterschiedlichen finanziellen, politischen, persönlichen und räumlichen Voraussetzungen Karls IV. und des vergleichsweise jungen Sigismunds wenig überraschen.

Anmerkungen:
1 Vgl. Karel Hruza / Alexandra Kaar (Hrsg.), Kaiser Sigismund 1368–1437. Zur Herrschaftspraxis eines europäischen Monarchen, Wien 2012.
2 Vgl. Adolph Friedrich Riedel (Bearb.), Codex Diplomaticus Brandenburgensis. Sammlung der Urkunden, Chroniken und sonstigen Quellenschriften für die Geschichte der Mark Brandenburg und ihre Regenten, 41 Bde., Berlin 1838–69.
3 Vgl. Johannes Schultze, Die Mark Brandenburg, 5 Bde., 3. Aufl. Berlin 2004 (1. Aufl. 1961–1969).

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