Die Habilitationsschrift von Bernhard Dietz liefert mehr, als der Titel suggeriert: „Der Aufstieg der Manager“ rekonstruiert nicht nur die Sozialgeschichte einer aufstrebenden ökonomischen Elite in der alten Bundesrepublik. Die Studie liefert vielmehr eine Untersuchung sich wandelnder ökonomischer Leitbilder, die sich in Führungskonzepten, Bildungspraktiken, Organisationsstrukturen und Public-Relations-Strategien manifestierten. Der theoretische Ansatz, mit dem Dietz deren Entwicklung nachvollzieht, ist die historische Wertewandelsforschung, die im Mainzer DFG-Projekt unter Andreas Rödder konturiert worden ist. Dietz untersucht den Wandel von Werten in den Führungsetagen der Wirtschaft in einer doppelten Perspektive: Der erste Teil der Studie ist als Wertewandelsforschung „erster Ordnung“ konzipiert, die sich den Selbstverständigungsdebatten wirtschaftlicher Führungskräfte von den 1950er- bis zu den 1970er-Jahren widmet. Im zweiten Teil historisiert Dietz die Rezeptionsprozesse der zeitgenössischen Wertewandelsforschung durch Unternehmen in den 1980er-Jahren, nimmt also eine Untersuchung „zweiter Ordnung“ vor, die den Wertewandel als Faktor und Resultat wirtschafts-, sozial- und kulturgeschichtlicher Entwicklungen interpretiert. Seine Untersuchung bezieht Stellung zu den Forschungen über die Geschichte von Produktionsregimen und Subjektivierungsformen, wie sie unter Schlagworten wie „Postfordismus“ oder „unternehmerisches Selbst“ analysiert worden sind.
Dietz nähert sich dem Wandel der Werte von Wirtschafts- und Arbeitswelt über begriffsgeschichtliche, diskursive und praxisorientierte Zugänge. Dafür werden Quellen analysiert, die im Umfeld der großen Wirtschaftsverbände und der ihnen nahestehenden Forschungs- und Bildungsinstitutionen entstanden sind. Verdienstvoll ist die Einordnung und Auswertung der umfangreichen Wirtschaftspresse, die zum Ideengeber und Sprachrohr des neuen „Standes“ der Manager avancierte. Ergänzt wird das vielfältige Quellenkorpus durch Akten aus dem Bundesarchiv sowie des Deutschen Gewerkschaftsbundes, eine Fülle publizierter Schriften und Nachlässe von Persönlichkeiten wie Ludwig Vaubel, die einen enormen Einfluss auf die im Zentrum stehenden diskursiven Aushandlungen hatten. Was man vermisst, sind Quellen, in denen die wachsende Gruppe „der Manager“ – jenseits des Topmanagements – selbst zu Wort kommt. Die Publikationen der Union leitender Angestellter vermag diese Lücke leider nur partiell zu füllen.
In sieben chronologisch strukturierten Kapiteln thematisiert Dietz ausgewählte Diskurskomplexe des Untersuchungszeitraums als Teil einer Problemgeschichte. Für die 1950er-Jahre kreisen sie um eine Neubestimmung des Führungsbegriffs in der Auseinandersetzung zwischen NS-Vergangenheit, junger Demokratie und amerikanischen Vorbildern, aber auch in der Grenzbestimmung zwischen Unternehmern und leitenden Angestellten, bei denen Fragen von Begabung, Status und Männlichkeit verhandelt wurden. In den 1960er- und 1970er-Jahren identifiziert Dietz den Beginn eines „langen Abschieds von der Autorität.“ Als Scharnier erweist sich hier das Kapitel über das „1968 der Manager“, in dem Dietz die Reaktionen der Unternehmerschaft auf die vielfältigen Herausforderungen von links rekonstruiert. Die Reform wirtschaftlicher Führungskulturen erhielt durch die Gesellschaftsreformen entscheidende Impulse: Die Konzentration auf den „Humanfaktor“ als neuer Produktionsgröße markierte einen „neuen Geist des Kapitalismus“, der Selbstverwirklichungsforderungen von der Sozialkritik abkoppelte, um sie produktiv für sich nutzbar zu machen. Dietz argumentiert überzeugend, dass dieser Paradigmenwechsel jedoch nicht ursächlich auf „1968“ zurückzuführen sei: Modernisierungen wurden bereits Anfang der 1960er-Jahre durch die soziologische Kritik der Frankfurter Schule an überholten Führungskonzepten provoziert. Sie führten zu harschen Auseinandersetzungen, in denen dem Unternehmer alten Typs der rationale, integre und humane Manager entgegengesetzt wurde, der sich durch Bewährung und nicht durch Besitz legitimierte. Neue Wirtschaftsmagazine trieben diese Entwicklung voran. Dietz widmet sich der Berichterstattung über das Missmanagement von Familienunternehmen ebenso wie den Werbeanzeigen und rekonstruiert aus den beworbenen Statussymbolen einen neuen Lebensstil der Manager, der auch zu ihrer Re-Charismatisierung beitrug.
Ein weiterer Schwerpunkt dieses Prozesses war die Weiterbildung, in der das Manager-Sein erlernt werden konnte. Hier widmet sich Dietz den konkurrierenden Angeboten der Flaggschiff-Institute wie den Baden-Badener-Unternehmergesprächen, der Akademie für Führungskräfte und dem Universitätsseminar der Wirtschaft, die exemplarisch für einander ablösende Führungsparadigmen interpretiert werden. Die Weiterbildungspraxis innerhalb der Betriebe, die einen Großteil der Bildungsaktivitäten der Wirtschaft in dieser Zeit darstellte, wird hingegen nur am Rande gestreift. Gerne hätte man mehr erfahren über die Wirksamkeit solcher Schulungsaktivitäten, die ab 1970 vermehrt Erkenntnisse der Motivationspsychologie und Humankapitaltheorien aufgriffen, über ihre Auswirkungen auf die Individuen oder die Strukturen am Arbeitsplatz.
Ob sich Führung am Arbeitsplatz tatsächlich veränderte, rekonstruiert Dietz daher nur indirekt. Die spätestens mit der Rezession notwendig gewordene Professionalisierung der Unternehmensführung, die sich in einer Divisionalisierung der Organisation und in einer Hinwendung zum Konsumenten manifestierte, wurde durch einen Generationenwechsel in den Führungsetagen verstärkt. Dietz zeigt, wie die jungen, akademisch gebildeten Manager versuchten, die Kapitalismus- und Konsumkritik einzuhegen, indem sie unter dem Mantel der Mitbestimmung Entscheidungsvollmachten auf breitere Mitarbeiterschichten delegierten und auf eine Implementation von Verhaltenskodizes drängten, die sich an moralischen Kriterien orientierten. Zusätzlich entdeckten sie eine aktive Öffentlichkeitsarbeit als entscheidendes Kriterium für den Unternehmenserfolg.
Für die 1970er-Jahre widmet sich Dietz dann der sozialgeschichtlichen Formierung der leitenden Angestellten, die sich als „dritte Kraft“ zwischen Arbeit und Kapital zu institutionalisieren versuchten, um Mitbestimmungsrechte, soziale Absicherungen und Privilegien einzufordern. Dabei bildeten sie ein eigenes Wertesystem aus, das sich auf der einen Seite von autoritären Arbeitgeberleitbildern, auf der anderen Seite von einem solidarischen Arbeitnehmerbewusstsein abgrenzte und sich über „Leistung“, aber auch Loyalität definierte. Damit seien die leitenden Angestellten, so Dietz, zu einer „Personifizierung des sozioökonomischen Wandels“ (S. 269) geworden. Detailliert beschreibt er auch die Versuche ihrer Vereinnahmung durch Parteien, Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften.
Erstaunlich ist, dass die Wirtschaftskrise der 1970er-Jahre in Dietz‘ Analyse keine Epochenzäsur markiert. Dietz erwähnt zwar, dass das Führungspersonal von Arbeitslosigkeit bedroht war. Keine Berücksichtigung findet jedoch die Tatsache, dass viele Unternehmen die Ohnmacht des Staates „nach dem Boom“ dazu nutzten, subtilere Disziplinierungsstrategien in ihre Personalpolitik zu implementieren, die das Bekenntnis zu Demokratisierung der Führungsstrukturen und Moralisierung der Unternehmensziele zu Lippenbekenntnissen werden ließen. Hier wäre ein differenzierterer Blick wünschenswert gewesen, der das Auseinanderklaffen von Diskurs und Praxis näher betrachtet.
Im siebten und letzten Kapitel über die 1980er-Jahre zeigt Dietz, wie die sozialwissenschaftliche Wertewandelsdebatte „recht freihändig und diskursiv eingesetzt“ wurde (S. 308), um Arbeit, Leistung und Führung in der Wirtschaft neu zu bestimmen. Dafür entfaltet er ein Panorama der Rezeption und Verarbeitung, das von der Sozialfigur des Yuppies über neue Marketingstrategien bis zum „Feminine Leadership“ reicht. So interessant diese Aspekte sind, so unverbunden und etwas additiv wirken sie in der Gesamtkonzeption. Konziser wird es, wenn Dietz analysiert, wie die allerorten diagnostizierte „Krise der Arbeitsgesellschaft“ zum Ausgangspunkt für innerbetriebliche Reformen wurde. Dietz entfaltet die Debatten über den Elitebegriff in Politik und Wirtschaft, dessen Reüssierung er als Gegenreaktion auf die Demokratisierungstendenzen in der Arbeitswelt interpretiert. Die Elite, wie sie von den Wirtschaftsverbänden eingefordert wurde, entsprach einer „neoliberalen“ Orientierung an der Notwendigkeit von Funktions- und Leistungseliten für den globalen Wettbewerb und fand ihre institutionalisierte Verortung in den neuen Privatuniversitäten und Business Schools. Damit, so Dietz, leisteten sie einer langfristigen Ökonomisierung der Bildungslandschaft Vorschub. Dietz erkennt den Versuch des „Managements des Wertewandels“ in der Favorisierung von Arbeit in Teams und Netzwerken und in der Entgrenzung von Arbeit, wie sie sich besonders in den Debatten um die Flexibilisierung von Arbeitszeiten manifestierte. Von der Wirtschaft vorangetriebene Deregulierungen ließen sich hervorragend mit dem Wertewandel legitimieren. Was man im ersten Teil der Studie vermisst, wird hier eingelöst: Am Beispiel der „werteorientierten Personalpolitik“ von BMW zeigt Dietz zum Schluss die Interdependenzen von Diskursen und Strukturen im Arbeitsleben. Weitere solche Ausflüge an den Arbeitsplatz hätten der Studie eine zusätzliche Tiefendimension verliehen.
Insgesamt hat Dietz mit seiner Habilitation eine sorgfältig recherchierte und überzeugende Analyse vorgelegt, die die historische Wertewandelsforschung von ihrer produktiven Seite zeigt, neue Einblicke in die Anpassungsfähigkeit des Kapitalismus gewährt und mit den 1980er-Jahren dazu ein Jahrzehnt in den Blick nimmt, dessen historische Erforschung noch in den Kinderschuhen steckt. Von hier aus gilt es jedoch weiterzudenken: Wie manifestierte sich der diskursive Wertewandel tatsächlich in der betrieblichen Praxis? Wie wurden die Diskurse von unteren und mittleren Führungskräften jenseits des Top-Managements aufgenommen, interpretiert und gefüllt? Welche Konkurrenzen und divergierenden Leitbilder wurden hier entwickelt? Sprich: Wie tief reichte der von Dietz konstatierte Wandel eigentlich? Solche Tiefenbohrungen, die sich des Wertewandels auch als Gegenstand praxeologischer Analysen annehmen, vermögen etwaige Ambivalenzen in der so recht ungetrübten Erfolgsgeschichte des „Aufstiegs der Manager“ zu enthüllen, die ja immer auch zugleich eine Geschichte der „Geführten“ war – also des Großteils der arbeitenden Bevölkerung.