A. Demandt u.a. (Hrsg.): Diokletian und die Tetrarchie

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Titel
Diokletian und die Tetrarchie. Aspekte einer Zeitenwende


Herausgeber
Demandt, Alexander; Goltz, Andreas; Schlange-Schöningen, Heinrich
Reihe
Millennium-Studien 1
Erschienen
Berlin u.a. 2004: de Gruyter
Anzahl Seiten
X, 260 S.
Preis
€ 78,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Stefan Rebenich, Historisches Institut, Universität Bern

Der erste Band der neuen Reihe „Millennium-Studien“, die sich der Erforschung der Kultur und Geschichte des ersten Jahrtausends widmet, versammelt eine Reihe von Beiträgen zu dem spätrömischen Kaiser Diokletian (284–305 n.Chr.) und dem von ihm geschaffenen Herrschaftssystem der Tetrarchie. Die Autoren trafen sich im Frühjahr 2003 in Split, an dem Ort also, der dem Kaiser nach seiner Abdankung als Altersresidenz diente. Ausgewiesene Spezialisten aus Deutschland, Großbritannien, Kroatien und Slowenien diskutierten im südwestlichen Eckturm des einstigen Palastes das umfangreiche Reformwerk eines Herrschers, der nach der Krise des 3. Jahrhunderts das Imperium Romanum innen- und außenpolitisch zu stabilisieren vermochte. Der aus dem Symposion hervorgegangene Sammelband deckt zentrale Bereiche seines Wirkens ab: Eingehend wird die Herrschaftsteilung unter zwei Augusti und zwei Caesares behandelt, die nicht nur eine Reaktion auf akute Probleme war, sondern zugleich auf die straffe Organisation monarchischer Herrschaft zielte. Das Augenmerk gilt den zahlreichen Maßnahmen in Verwaltung, Heer und Wirtschaft sowie der steuer- und fiskalpolitischen Aktivitäten. Diokletians Religionspolitik wird gewürdigt, die die altrömische Religion restituieren und das tetrarchische Herrschaftsmodell sichern wollte. Die konservative Religionspolitik führte 303 n.Chr. zu einer Verfolgung der Christen, die Diokletian eine schlechte Presse bei christlichen Autoren der Antike einbrachte. Keine Berücksichtigung finden indes Diokletians Reorganisation der Provinzverwaltung und seine Außenpolitik.

Den Reigen der Aufsätze eröffnet Alexander Demandt (S. 1–9) mit einer positiven Würdigung des Reformers, den Goethe als paganes Vorbild auserkor, Jacob Burckhardt zum „emsigsten Beamten“ des Reiches erhob und Theodor Mommsen als ein „staatsmännisches Genie ersten Ranges“ feierte. Aktuelle Perspektiven der altertumswissenschaftlichen Forschung zu Diokletian, zur Entwicklung der Tetrarchie, zur kaiserlichen Repräsentation, zum Reformwerk und zur Christenverfolgung erörtert breit und zuverlässig Wolfgang Kuhoff (S. 10–26). Frank Kolb untersucht die theokratische Begründung der tetrarchischen Herrschaft, in der sich der Kaiser mit seinem jeweiligen Schutzgott identifizierte und als praesens deus adorieren ließ; in der Tradition Diokletians verstanden sich auch die christlichen Herrscher des 4. Jahrhunderts als Träger göttlicher Substanz (S. 27–37). Während Nenad Cambi die politischen (und propagandistischen) Implikationen der kaiserlichen Namensgebung würdigt (S. 38–46), argumentiert Hartwin Brandt schlüssig gegen Versuche der neueren Forschung 1, das berühmte, Ende 301 verfügte Höchstpreisedikt für Güter und Dienstleistungen nicht als Antwort auf die in Folge der vorausgehenden Währungsreform stark angestiegenen Preise zu verstehen, sondern als Reaktion auf ein Inflationsgeschehen, das seine Ursache in den militärischen Restrukturierungen der 290er-Jahre gehabt habe (S. 47–55). Simon Corcoran interpretiert ausführlich die Gesetzgebung Diokletians und seines Caesars Galerius, dem er einen beachtlichen Einfluss zubilligt; zudem versucht er, aus den Sammlungen späterer Zeit die Publikation tetrarchischer Gesetze im Codex Gregorianus und im Codex Hermogenianus zu rekonstruieren (S. 56–73).

Differenziert und stringent analysiert Bruno Bleckmann das Scheitern des zunächst erfolgreichen Modells einer Mehrkaiserherrschaft; Diokletians System konnte im vierten Jahrhundert nicht mit Erfolg kopiert werden, da es später an einer eindeutigen Hierarchisierung innerhalb der Kaiserkollegien fehlte und die manifeste Asymmetrie der Machtverteilung im Imperium zu permanenten Spannungen führte, die in militärischen Konflikten mündeten oder eklatante (außen-)politische Fehlentscheidungen provozierten (S. 74-94). Andreas Goltz diskutiert vor dem Hintergrund neuerer Forschungen das Problem der Ersterwähnung von Franken und Alamannen in den römischen Quellen des 3. Jahrhunderts n.Chr. und kann plausibel machen, dass die Namen beider Ethnien seit tetrarchischer Zeit als „Sammelbezeichnungen“ für die Germanen am Ober- und Niederrhein verwendet und verstärkt in die „kaiserliche Herrschaftspropaganda“ einbezogen wurden; die römische Fremdwahrnehmung der beiden Völker dürfte wiederum deren Ethnogenese beeinflusst haben (S. 95–114). Der ausführlichste Beitrag stammt aus der Feder von Rajko Bratož und untersucht auf der Grundlage hagiographischer Quellen (insbesondere spätantiker und mittelaltlicher Martyrologien) und einzelner archäologischer Funde die Folgen der diokletianischen Christenverfolgung in den Donau- und Balkanprovinzen. Unter Berücksichtigung der äußerst schwierigen Überlieferungslage versucht der Autor den Nachweis zu erbringen, dass bei den gegen die Christen gerichteten Aktionen von Frühjahr und Sommer 304 nur relativ wenige Opfer zu beklagen waren (wohl kaum mehr als 30); vor allem habe man kirchliche Strukturen zerschlagen wollen, doch die Maßnahmen seien regional ungleichmäßig durchgeführt worden; insgesamt sei das Christentum in den Gebieten nicht gefährdet worden (S. 115–140). Ein ausführlicher Anhang stellt die mehr oder weniger sicher bezeugten Opfer der Verfolgung zusammen (S. 209–252).

Zwei Beiträge dokumentieren den archäologischen Befund: Joško Belamarić trägt auf der Basis archäologischer und historischer Indizien die Hypothese vor, dass der nordöstliche Teil des Palastes als gynaeceum, also als kaiserliche Textilfaktorei, genutzt worden sei; Diokletian habe sich in dieser „factory-cum-palace“ durchaus wohl gefühlt, und weder Lärm noch Gestank hätten seine Freude an der „last residence“ in Split eingeschränkt (S. 141–162). Kurz umreißt Goran Nikšić den architektur- und baugeschichtlichen Befund wichtiger Gebäude des Diokletianspalastes: des Mausoleums, des Jupitertempels und der Porta Aurea, und führt manifeste Konstruktionsfehler vor allem auf den hohen Zeitdruck bei Planung und Bau zurück (S. 163–171).

Die letzten beiden Aufsätze sind der Wirkungs- und Wissenschaftsgeschichte gewidmet: Heinrich Schlange-Schöningen zeichnet die insbesondere von politischen Überlegungen bestimmte Rezeption Diokletians in der konstantinischen Dynastie nach. Konstantin benutzte Diokletian zunächst zur Legitimation seines Herrschaftsanspruches und distanzierte sich erst nach seinem Sieg über Licinius klar von dem nun als Christenverfolger stigmatisierten Vorgänger. Konstantius II. erblickte in Diokletian ein Vorbild für ein differenziertes Herrschaftssystem, das seine Superiorität garantierte; der Caesar Julian wiederum lobte in seinem Panegyricus auf seinen Onkel Konstantius II. aus politischem Kalkül die diokletianische Tetrarchie (S. 172–192). Das deutsche Diokletiansbild im 19. Jahrhundert betrachtet Hartmut Leppin: Der Basler Historiker Jacob Burckhardt schrieb „die Geschichte der Selbstbehauptung eines fähigen Individuums in unglückseliger Zeit“; Theodor Mommsen trug die antikatholischen Stimmungen des Kulturkampfes in seine Kaiserzeitvorlesungen und entschuldigte Diokletians Vorgehen gegen die Christen; für seinen Schüler Otto Seeck hingegen stand Diokletian für eine Epoche, die durch Niedergang und Zerfall charakterisiert war. Schlüssig zeigt Leppin, dass die wissenschaftliche Wahrnehmung Diokletians im Zeitalter des Historismus nicht von religiösen oder konfessionellen Positionen bestimmt wurde, sondern in aller Regel durch die positive Bewertung der diokletianischen Neuordnung des römischen Staates geprägt war (S. 193–208).

Ein umfangreiches Personen-, Orts- und Sachregister beschließt den Band (S. 253–259), der in einer Zeit, die sich für Konstantin den Großen begeistert, zu Recht daran erinnert, dass die Grundlagen zum Fortbestand des Imperium Romanum in der Spätantike nicht nur von dem ersten christlichen Kaiser des Römischen Reiches, sondern auch von seinem Vorgänger Diokletian geschaffen wurden.

Anmerkung:
1 Vgl. Meißner, Burkhard, Über Zweck und Anlass von Diokletians Preisedikt, in: Historia 49 (2000), S. 79–100.

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