K.-M. Mallmann/M. Cüppers: Halbmond und Hakenkreuz

Cover
Titel
Halbmond und Hakenkreuz. Das "Dritte Reich", die Araber und Palästina


Autor(en)
Mallmann, Klaus-Michael; Cüppers, Martin
Reihe
Veröffentlichungen der Forschungsstelle Ludwigsburg der Universität Stuttgart, Bd. 8
Erschienen
Anzahl Seiten
288 S.
Preis
€ 49,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Johannes Platz, Universität Trier

Klaus Michael Mallmann und Martin Cüppers haben ein richtungsweisendes Buch vorgelegt, das in Deutschland neben der vorzüglichen Studie von Klaus Gensicke über den Großmufti von Jerusalem, Amin Al Husseini, und den Studien von Matthias Küntzel seinesgleichen sucht.1 Mallmann und Cüppers, beide an der Forschungsstelle Ludwigsburg und mit einer Zahl an wichtigen Studien zur Shoah und zur Täterforschung an die wissenschaftliche Öffentlichkeit getreten, nehmen sich eines Themas an, das in Deutschland bisher, wenn überhaupt, von Orientalisten und Arabisten angepackt wurde und dann auch eher selten in kritischer Perspektive.

Mallmann und Cüppers haben auf der Grundlage vorrangig deutscher Quellen ein Thema erschlossen, das in der deutschsprachigen Forschung noch unterbelichtet ist: Die Beziehungen der arabischen und insbesondere der palästinensischen Nationalbewegung zu Nazideutschland. In einem knappen einführenden Kapitel skizzieren sie den arabischen Kampf gegen die Juden Palästinas von den 1920er bis in die 1930er-Jahre. Der jüdischen Besiedelung Palästinas begegneten die arabischen Einwohner in dieser Zeit mit zunehmender Gewalt. Erste Massaker spielten sich im April 1920 in Jerusalem ab, bei dem acht Juden getötet und 216 verletzt wurden. Ein größeres Massaker folgte 1929, das von Jerusalem auf Hebron übergriff und zur Ermordung und Vertreibung der dort seit über 1000 Jahren lebenden Juden führte. Die dritte Welle der Gewalt begann schließlich im Jahr 1936 mit dem palästinensischen Aufstand und währte mit Unterbrechungen bis 1939. Mallmann und Cüppers weisen nach, dass es im Nahen und Mittleren Osten breite Sympathien für das Dritte Reich gab. Auf der Grundlage deutscher Quellen loten sie das Verhältnis der deutschen Seite zu den arabischen Anwärtern auf ein tiefergehendes Bündnis aus. Dabei zeigt sich, dass die deutsche Seite der palästinensischen Nationalbewegung gegenüber zunächst vorsichtig agierte. Zum einen geschah dies aus außenpolitischer Rücksichtnahme auf die Briten, mit denen man in den 1930er-Jahren in dieser Frage keine Konfrontation eingehen wollte. Zum anderen verfolgte man innenpolitisch das antisemitisch motivierte Ziel der Auswanderung der Juden – unter anderem in das britische Mandatsgebiet in Palästina.

Mit dem Zweiten Weltkrieg änderte sich diese Lage aber grundlegend, denn erstens trat man den Briten nun offensiv als Feind entgegen und bedurfte deswegen keiner Rücksichtnahme mehr. Zweitens verabschiedete man sich sukzessive vom Ziel einer Auswanderung nach Palästina und favorisierte die Vertreibung in den Osten, bis dann im Jahr 1941 an die Stelle der Aussiedlungspläne endgültig die Vernichtungspläne traten. Hinzu kam, dass sich auf dem Kriegsschauplatz Entscheidendes änderte. Mit dem Fall Barbarossa wurde die Eroberung der Sowjetunion auf der Liste der Kriegsziele offensichtlich, und mit den Fortschritten auf dem Mittelmeer-Kriegsschauplatz rückte man dem britischen Mandatsgebiet Palästina immer näher. Mittelfristig war eine Zangenbewegung vom Kaukasus aus im Osten auf den Nahen und Mittleren Osten sowie von Ägypten aus im Westen auf Palästina geplant. Die Gegenwehr der Briten auf dem nordafrikanischen Kriegsschauplatz erwartete man stärker als sie dann zunächst tatsächlich war.

Als sich die deutschen Truppen unter Erwin Rommel Palästina näherten, wurden die Planungen konkreter. Im Jahr 1942 bildete man ein SS-Einsatzkommando bei der Panzerarmee des Afrikakorps, das den Auftrag hatte, die Ermordung des Jischuw, der jüdischen Bevölkerung in Palästina, vorzubereiten. Diese Entdeckung in den Akten hat Mallmann und Cüppers bereits vor dem Erscheinen ihrer Monographie einige Aufmerksamkeit eingebracht, wurde ein Artikel, den sie in der Festschrift für Konrad Kwiet veröffentlicht hatten, doch mehrere Male in der Tagespresse und in einer Monatszeitschrift besprochen.2 Aus den Aktenstudien von Mallmann und Cüppers geht hervor, dass sich das noch kleine Einsatzkommando in Athen bereithielt, um beim Einmarsch der Panzerarmee das Vernichtungsprogramm im britischen Mandatsgebiet in Palästina aufzunehmen. Aus der Tatsache, dass das Kommando noch klein war, zu schließen, die Nazis hätten es ausgerechnet mit ihren Vernichtungsplänen für das Mandatsgebiet nicht so ernst gemeint und Rommel hätte das sicherlich im letzten Moment zu verhindern gewusst, ist freilich naiv. Die Arbeitsteilung in anderen rückwärtigen Gebieten und an der Front auf den Kriegsschauplätzen im Osten lässt anderes vermuten. Schließlich waren der schnelle Aufbau und die Ausweitung der Einsatzkommandos auch auf dem östlichen Kriegsschauplatz häufiger zu beobachten. Hinzu kommt, dass das Einsatzkommando mit seinem Kommandanten, SS-Obersturmannführer Walther Rauff, einen ausgewiesenen Experten des Völkermords an seiner Spitze hatte. Rauff hatte auf dem östlichen Kriegsschauplatz am Einsatz der Gaswagen zur mobilen Tötung von Juden führend mitgewirkt. Dass das Einsatzkommando in Palästina nicht zum vorbestimmten Einsatz kam, ist der Initiative der Briten sowie der Tatsache zu verdanken, dass diese die Panzerarmee bei El Alamein entscheidend schlugen und dann zurückdrängten. Das Einsatzkommando unter Rauff war übrigens danach in Nordafrika weiter tätig, indem es die Juden Tunesiens drangsalierte und terrorisierte, wenn auch die Kapazitäten für Vernichtung und Deportation dieser Gruppe in dieser Phase des Krieges zunehmend schwanden.

Neben diesen Kriegsschauplätzen des Mittelmeers untersuchen die Autoren intensiv die Politik des führenden Vertreters der palästinensischen Nationalbewegung, des Großmufti von Jerusalem, Amin Al Husseini. Dabei gelingt es ihnen nachzuweisen, von welchem eliminatorischen Antisemitismus der Großmufti, der sich ab November 1941 in Berlin im Exil aufhielt, getrieben war. Der Mufti hielt flammende Reden gegen die Juden und versuchte die arabische Nationalbewegung für das Dritte Reich zu mobilisieren. Einigende Faktoren waren der strenge Führerglauben in Teilen der arabischen Nationalbewegung, panislamische Vorstellungen von der islamischen Ummah, die dem Gedanken der Volksgemeinschaft ähnelte, vor allem jedoch der radikale Antisemitismus, den der Mufti mit den Nationalsozialisten teilte. Aber nicht nur im Raum des Politischen wirkte der Mufti mobilisierend. Auch praktisch setzte er sich für den Nationalsozialismus ein, indem er zu seiner militärischen Flankierung auf dem südosteuropäischen Kriegsschauplatz für einen muslimischen Sektor in der Wehrmacht, der Sicherheitspolizei und der Waffen-SS sorgte. Schließlich lassen sich handfeste Verbindungen und Interventionen dieses einflussreichen arabischen Führers im Bereich der Judenvernichtung nachweisen. Im Epilog der Studie werden die Nachkriegskarrieren der Hauptakteure skizziert, die für die meisten relativ bruchlos verliefen.

Alles in allem handelt es sich bei der Studie von Mallmann und Cüppers um ein Pionierwerk innerhalb der deutschen Forschungslandschaft. Auf der Grundlage vor allem militärischer und außenpolitischer Quellen informiert sie über hierzulande meist wenig beachtete Vorgänge, kommt dabei aber anders als die derzeit en vogue befindlichen postkolonialen Studien zu hochbrisanten Erkenntnissen über Bündnisse, die von vermeintlich kolonialisierten und unterdrückten Völkern bisweilen mit den verbrecherischsten Machthabern der Geschichte eingegangen wurden. Dabei gelingt es Mallmann und Cüppers, die Quellen über den Antisemitismus der Araber gegenüber den Juden zum Sprechen zu bringen. Gelungen ist zudem die Verbindung zwischen handfester Militärgeschichte und weiterreichenden Fragen zu den Gesellschaften des nahen Ostens. Erst wenige Studien haben sich dieser Art von Kollaborationen angenommen, vor allem für die Nachkriegszeit gibt es einige Studien, die sich beispielsweise des komplizierten Verhältnisses der arabischen Nationalbewegung zur radikalen deutschen Linken angenommen haben.3 Man wünscht sich eine Reihe von Folgestudien auf diesem Arbeitsfeld „antikolonialer“ Widerstandsbewegungen.

Anmerkungen:
1 Gensicke, Klaus, Der Mufti von Jerusalem, Amin Al Husseini, und die Nationalsozialisten. Frankfurt am Main 1988. Dieses wichtige, aber leider nur in Fachkreisen beachtete Buch erscheint dieses Jahr in einer Neuauflage in der Reihe der Forschungsstelle Ludwigsburg; Küntzel, Matthias, Djihad und Judenhass. Über den neuen antijüdischen Krieg. Freiburg 2002; ders., Von Zeesen bis Beirut. Nationalsozialismus und Antisemitismus in der arabischen Welt, in: Rabinovici, Doron; Speck, Ulrich; Sznaider, Natan (Hrsg.), Neuer Antisemitismus? Eine globale Debatte. Frankfurt am Main 2004, S. 271-293.
2 Mallmann, Klaus-Michael; Cüppers, Martin, Beseitigung der jüdisch-nationalen Heimstätte in Palästina. Das Einsatzkommando bei der Panzerarmee Afrika 1942, in: Matthäus, Jürgen; Mallmann, Klaus-Michael (Hrsg.), Deutsche, Juden, Völkermord. Der Holocaust in Geschichte und Gegenwart, Darmstadt 2006, S. 153-176. Dazu z.B.: Eschrich, Kerstin, Imam Hitler. Neue Erkenntnisse über die strategischen Planungen der Nationalsozialisten für den Nahen Osten, in: Konkret 4/2006, S. 15.
3 Vowinckel, Annette, Der kurze Weg nach Entebbe oder die Verlängerung der deutschen Geschichte in den Nahen Osten, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 1, 2004, S. 236-254; Kraushaar, Wolfgang, Die Bombe im jüdischen Gemeindehaus, Hamburg 2005.

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