In die Phase der Ausdifferenzierung der illustrierten Presse in verschiedene Fach- und Themenzeitschriften fiel die Herausgabe der Frauen- und Familienzeitschrift „Der Bazar“, die von 1854 bis 1938 erschien. Bestehend aus einem illustrierten Modeteil, dem Schnittmuster beigefügt waren, sowie einem belletristischen Teil, der Prosa, Biografien und populärwissenschaftliche Artikel enthielt, avancierte „Der Bazar“ zu einer der meistgelesenen Zeitschriften des Bürgertums im 19. Jahrhundert. Obwohl der Modeteil häufig für die historische Rekonstruktion von Kleidung herangezogen wurde, blieb der literarische Teil von der Forschung nahezu unbeachtet.
Mit ihrer Dissertation möchte die Historikerin Barbara Krautwald diese Blindstelle aus dem Blickwinkel einer geschlechtergeschichtlichen Perspektive schließen. Unter der zentralen Fragestellung, welche idealtypischen Frauenbilder durch die Zeitschrift transportiert wurden, analysiert die Autorin zudem, welche Informationen den überwiegend bürgerlichen Leser:innen über die Frauenfrage und den Stand der Frauenbewegung vermittelt wurden. Krautwald nimmt in ihrer Untersuchung einen Zeitraum von rund 45 Jahren in den Blick, der vom Erscheinen der Zeitschrift 1854 bis in das Jahr 1900 reicht, in dem es zu einem redaktionellen Umbruch und einer Neuausrichtung der Zeitschrift kam. Nach den Einführungskapiteln erfolgt in Kapitel vier die äußerliche und innerliche Beschreibung der Zeitschrift. Hierbei rekonstruiert Krautwald in detaillierter Weise die Umstände der Zeitschriftengründung und ihre fortlaufende Entwicklung. Der Erfolg der Zeitschrift zeigte sich nicht nur in der recht hohen Abonnent:innenzahl von 150.000 und einem Mitarbeiterstamm von 3.000 Personen, sondern auch in ihrer internationalen Ausrichtung – neben Deutschland erschien „Der Bazar“ in Großbritannien, Spanien, Italien, den Niederlanden, Nordamerika, Österreich-Ungarn und Griechenland.
Im fünften Kapitel beschreibt Krautwald das sozialgesellschaftliche Umfeld zwischen 1850 und 1900. Sich auf die einschlägigen Standardwerke der Bürgertum- und Geschlechterforschung beziehend, verortet Krautwald die normativen Vorstellungen vermeintlich spezifischer Geschlechtercharaktere als Ursache für die eingeschränkten Lebensumstände bürgerlicher Frauen: Weibliche Bildung und Berufstätigkeiten galten nur dann als akzeptabel, wenn sie mit den bürgerlichen Vorstellungen von Weiblichkeit kompatibel erschienen und die genuin festgelegte Rolle der Ehegattin, Hausfrau und Mutter nicht gefährdeten. Gleichsam stellte sich allerdings das Problem zahlreicher gewollt oder ungewollt lediger Frauen, die aufgrund neuer technischer Errungenschaften im Haushalt der Familie keine Aufnahme und Versorgung mehr finden konnten.
In den folgenden Kapiteln widmet sich Krautwald der eingehenden Quellenanalyse. Chronologisch vorgehend, ordnet sie den Kapiteln sechs bis neun eine bestimmte Zeitphase zu und lotet durch die Auswertung einschlägiger Artikel und Leserbriefe jeweils zeitlich-spezifische Themenfelder aus, um Aussagen über den Transport „idealtypischer“ Frauenbilder treffen zu können. Die Phase von 1854 bis 1865 folgt der biedermeierlichen Gesellschaftsvorstellung, nach der die bürgerliche Familien- und Geschlechterordnung auf Gottes Willen basierend galt. Allerdings äußerten bereits vereinzelte Artikel, dass die Zukunft Änderungen in der Rolle der Frau mit sich bringen werde, die im Ernstfall eine Berufstätigkeit unverheirateter Frauen bedinge.
Die Zeitphase ab 1865 bis zur Kaiserreichsgründung 1871 war inhaltlich durch die Erörterung der Frauenfrage im Kontext der ersten großen Welle der bürgerlichen Frauenbewegung geprägt. Die Redaktion sprach sich wiederholt für die Förderung der Frauenerwerbsarbeit aus, sofern es sich um Berufe handele, die zur vermeintlich weiblichen Natur passe, wie etwa die Tätigkeit als Lehrerin, Erzieherin oder Pflegerin.
Im Zeitraum von 1871 bis 1890 war die Tradition des Deutschen Kaiserreichs besonders einflussreich. Krautwald zeigt plausibel auf, dass es im „Bazar“ zu einer Verschiebung der zentralen Themen kam, indem nun Fragen von Nationalismus und Patriotismus dominierten. Vor diesem Hintergrund wurde vermehrt das Bild der tugendhaften, häkelnden und stickenden „deutschen Hausfrau“ entfaltet sowie die Aufrechterhaltung der bürgerlichen Geschlechtersphären propagiert. Argumentiert wurde mit einem sozialdarwinistischen Kulturstufenmodell, durch welches der deutschen Nation im internationalen Vergleich eine erhöhte Stellung zugesprochen wurde. Gleichzeitig informierte die Zeitschrift aber auch über die Entwicklungen des Frauenstudiums sowie über die Öffnung neuer Frauenberufe jenseits der Lehrerinnen- und Erzieherinnentätigkeit. Konservativismus und Fortschrittlichkeit standen somit unmittelbar nebeneinander.
Die Zeit von 1890 bis zur Jahrhundertwende stand im Zeichen von Modernität und Zukunftsvisionen. Fortan dominierten Artikel, die sich mit Gesundheit und Körperlichkeit befassten. Im Fokus stand hierbei besonders der neu aufkommende Frauensport, wobei vor allem dessen gesundheitlichen und ästhetischen Aspekte beworben wurden. So könne die moderne Frau ihre Aufgaben an der Seite ihres Mannes nur dann ideal erfüllen, wenn sie über Schönheit, Ausdauer und sanitäre Stabilität verfüge. In den Fokus gesundheitlicher Themen fiel auch die vermehrte Forderung und Unterstützung des weiblichen Medizinstudiums. Wie bereits in den vorherigen Zeitphasen wurden die polaren Geschlechtercharaktere auch in den 1890er-Jahren nicht infrage gestellt, sondern der Geschlechterdualismus mit seinen spezifisch weiblichen Eigenschaften als Verdienst für das gesellschaftliche Gemeinwohl aufgewertet. Diese Vorstellungen bezogen sich nicht nur auf Ehefrauen und Mütter, sondern auch auf ledige und kinderlose Frauen, denen das genuine Vorhandensein einer „Geistigen Mütterlichkeit“1 attestiert wurde. Vor diesem Hintergrund sprach sich der „Bazar“ gezielt für die gesellschaftliche Anerkennung lediger und kinderloser Frauen aus.
Nach der Analyse der vier Zeitphasen greift Krautwald ihre Fragestellung erneut auf und lotet insgesamt drei verschiedene Frauenbilder aus, die im „Bazar“ idealisiert wurden. Das erste Frauenbild war das der „traditionellen Frau“ (S. 305). Dieses Bild entsprach den normativen Weiblichkeitsvorstellungen des Bürgertums, nach denen die einzige Bestimmung der Frau an der Seite ihres Mannes gesehen wurde, und verortete sich vorrangig in den ersten beiden untersuchten Zeitphasen. Das zweite Frauenbild, das sich in den ersten beiden Dekaden des Kaiserreichs entwickelte und im dritten analysierten Zeitraum auf den Plan trat, verkörperte die „Emanzipierte“ (ebd.), die eine Umkehrung der Geschlechterrollen verlange und darin bestrebt sei, sich rein männliche Vorrechte anzueignen. Das Streben nach Erwerbstätigkeit folge bei der „Emanzipierten“ nicht als Beitrag zum gesellschaftlichen Gemeinwohl, sondern lediglich aus emanzipatorischen Selbstzwecken. Das dritte Frauenbild generierte sich in der letzten untersuchten Zeitphase und zeigte sich in der „modernen, gebildeten Frau“ (ebd.). In diesem Typus verbanden sich gewissermaßen die ersten beiden Frauenideale, ohne jedoch deren „schlechten Eigenschaften“ (S. 306) zu übernehmen. So vereinigte die „moderne Frau“ Erwerbstätigkeit und Familie, ohne dabei die gesellschaftliche „Schicklichkeit“ zu verletzen (ebd.), geschweige denn ihre Rolle als Hausfrau, Ehegattin und Mutter infrage zu stellen. Auch ledige Frauen seien in diesem Sinne „modern“, indem sie durch ihre geistige Mütterlichkeit dem Gemeinwohl dienen.
Insgesamt kommt Krautwald zu dem Fazit, dass der „Bazar“ keine „übermäßig fortschrittliche Familien- und Frauenzeitschrift“ war, aber auch „nicht als durchweg rückschrittlich“ (S. 326) eingeordnet werden kann. Das Blatt suchte einen Ausgleich zwischen Tradition und Moderne, indem Frauen zwar das Recht auf eine eigenständige Berufstätigkeit zuerkannt wurde, diese aber nicht zur Aufhebung der bürgerlich normativen Geschlechterrollen führen sollte. Zugleich betont Krautwald den innovativen Charakter des „Bazar“, der sich als eine der ersten Zeitschriften zur Frauenfrage äußerte und bereits in den 1850er-Jahren eine wichtige Informationsquelle für Frauen darstellte.
Die Erkenntnisse der Untersuchung gestalten sich für fortlaufende Forschungen als überaus ertragreich: So lassen sich zum Beispiel Entwicklungen einzelner Berufe rekonstruieren, aber auch verschiedene Aspekte bürgerlich-weiblicher Lebensentwürfe aufdecken. Frauen waren demnach nicht mehr ausschließlich auf einen männlichen Ernährer oder auf den traditionellen Lehrerinnenberuf angewiesen, sondern konnten durch die fortschreitende Etablierung neuer Erwerbsfelder ihr Auskommen unter anderem im Eisenbahn-, Post- und Telegrafengewerbe bestreiten oder als Gärtnerinnen, Gefängnisbeamtinnen2 und Fleischbeschauerinnen tätig werden. Auch das Freizeitverhalten bürgerlicher Frauen veränderte sich, indem diese vermehrt aus der häuslichen Sphäre heraustraten und im Eiskunstlaufen, Radfahren, Tennis und weiteren Sportarten „emanzipierte“ Tätigkeiten fanden.
Des Weiteren stellt „Der Bazar“ durch seine konventionelle und zugleich moderne Ausrichtung eine paradigmatische Quelle für die Reflexion des Deutschen Kaiserreichs dar, in dem eben genau die beiden Parameter Tradition und Moderne nahezu parallel zueinander existierten.3 Diese beiden Extreme kann Krautwald eindrücklich und sehr plausibel an den verschiedenen, von ihr ausgeloteten Frauentypen aufzeigen.
Trotz des Verdienstes der Untersuchung seien einige kritischen Hinweise angemerkt. Besonders im Einführungskapitel fehlen Informationen zum methodischen und theoretischen Unterbau der Arbeit. Wie sich im Laufe der Untersuchung zeigt, verwendet Krautwald diskursanalytische Betrachtungsweisen, die sich mit soziologischen Habitus-Konzepten verflechten. Hier wäre es im Vorfeld lohnenswert gewesen, die methodischen Zugänge näher zu beschreiben. Eine weitere Unvollständigkeit zeigt sich in der Zitation der analysierten Artikel. Hier verzichtet Krautwald auf die namentliche Nennung der Verfasser:innen und man erfährt wenig über den biografischen Background der Protagonist:innen. Diese Informationen hätten sich für die Analyse der Fragestellung indes als sehr ertragreich erweisen können, lassen sich durch Hinweise über das soziale Herkunftsmilieu sowie über generationelle Zusammenhänge auch Aussagen über spezifische Argumentationsstrukturen machen.
Nichtsdestotrotz hat Barbara Krautwald eine spannende, instruktive und fundierte Arbeit vorgelegt, die zu hoffen lässt, dass „Der Bazar“ als überaus ertragreiche Quelle für unterschiedliche Forschungsfragen fortan eine größere Beachtung zuteilwird.
Anmerkungen:
1 Das auf Friedrich Fröbel zurückgehende Konzept der „Geistigen Mütterlichkeit“ wurde in den 1860er-Jahren durch die beiden gemäßigten Frauenrechtlerinnen Henriette Schrader-Breymann (1827–1899) und Henriette Goldschmidt aufgegriffen und weiterentwickelt. Innerhalb der vom Bürgertum konstatierten psychischen Wesensverschiedenheit der Geschlechter, welche Frauen ein besonderes erzieherisches und pädagogisches Talent zuschrieb, setzten Goldschmidt und Schrader-Breymann „Weiblichkeit“ mit „Mütterlichkeit“ gleich, indem sie letztere von der biologischen Seite entkoppelten und allen Frauen aufgrund ihrer naturgegebenen Gebärfähigkeit eine genuin vorhandene „Geistige Mütterlichkeit“ zusprachen.
2 Siehe Mette Bartels, Gärtnerin und Gefängnisbeamtin. Klasse und Geschlecht als Agitationsstrategie der bürgerlichen Frauenbewegung im Kampf um neue Berufsfelder, in: Arbeit – Bewegung – Geschichte. Zeitschrift für historische Studien (2019) H. 3, S. 51–67.
3 Siehe Hedwig Richter, Aufbruch in die Moderne. Reform und Massenpolitisierung im Kaiserreich, Berlin 2021.