S. Flügge: Hebammen und heilkundige Frauen

Titel
Hebammen und heilkundige Frauen. Recht und Rechtswirklichkeit im 15. und 16. Jahrhundert


Autor(en)
Flügge, Sibylla
Reihe
Nexus, 23
Erschienen
Frankfurt/M. 1998: Stroemfeld Verlag
Anzahl Seiten
556 S.
Preis
€ 49,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Bettina Wahrig-Schmidt, Technische Universität Braunschweig Abteilung für Geschichte der Naturwissenschaften/Pharmaziegeschichte;

"Die dritte ursach / darumb Gott der Allmaechtige den Weibern das Creutz der schmerztlichen Kindergeburt aufferleget / ist die / dass ein Weib von Natur ein stolz / herrlich und praechtig ding ist / zu hoffart / pracht / schoenen geschmuck / und andern suenden / sehr geneigt / dass sie auch gerne prangen / und viel sein woellen" (485)

Diese Auffassung, geäußert gegen Ende des Untersuchungszeitraums des hier zu besprechenden Buchs, wirft ein Schlaglicht auf die sich wandelnden Motive, aus denen sich in der Frühen Neuzeit Obrigkeiten mit der Regulation des Hebammenwesens beschäftigen konnten. Sie weist auch auf den kulturellen Kontext, in dem solche Regelungsversuche stattfanden.

Die Autorin situiert ihre grundlegende Studie über Geburtshilfe, heilkundige Frauen und Hebammenrecht in die Zeit vor und nach der Kirchenspaltung. Ihr Material sind vor allem Hebammeneide und -ordnungen, vorwiegend aus dem süddeutschen Raum, (1) die sie minutiös miteinander vergleicht. Dabei präsentiert sie eine Fülle von neuen Forschungsergebnissen zu den Anfängen des Hebammenrechts. Im Zentrum der Untersuchung stehen die Städte Basel, Ulm, Straßburg, Freiburg, Regensburg, Nürnberg, Augsburg und Frankfurt, von denen einige auch die Ordnungen wörtlich oder mit geringen Abwandlungen voneinander übernahmen. Die Bugenhagensche Kirchenordnung sowie die landesherrlichen Ordnungen für Württemberg im 15. und 16. Jahrhundert ergänzen das Bild und markieren vor allem den Wandel in der Nachreformationszeit. Aus diesen Vergleichen sowie aus weiteren Texten der Zeit wägt sie immer wieder Recht und Rechtswirklichkeit gegeneinander ab. "Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist, welche sozialen Interessen und welche rechtspolitischen Vorstellungen in die Formulierung der überlieferten Hebammeneide und Hebammenordnungen eingeflossen sind und inwieweit von einer Umsetzung der Normen ausgegangen werden kann." (15)

Der eigentlichen Analyse geht ein Versuch voraus, die "historische Dimension des Begriffs 'Frauenheilkunde'" zu bestimmen. In diesem Kapitel diskutiert Flügge gängige Vorstellungen über die Rolle von Frauen als Heilende und Helfende im Mittelalter. Dabei kommt sie zu dem Ergebnis, daß die Frage, inwieweit Frauen im Mittelalter und in der Frühneuzeit Tätigkeiten ausgeübt haben, die den 'Berufsbildern' des Apothekers, des Arztes, des Wundarztes, des Kräuterkundigen usw. entsprachen, noch weitgehend ungeklärt ist, zumal die Forschung noch nicht genügend berücksichtigt habe, wie vielfältig die Zahl der 'Heilberufe' in dieser Zeit gewesen ist. Während es wohl unstrittig ist, daß bis weit ins 18. Jahrhundert hinein die Geburtshilfe überwiegend in Händen von Frauen gelegen hat, muss die Frage, inwieweit Frauenwissen in die klassischen gynäkologischen Texte wie Soranus und Albertus Magnus eingegangen ist, nach Meinung der Autorin noch geklärt werden. Die Konstruktion einer männlichen 'Ahnenreihe' in der geburtshilflich-gynäkologischen Literatur ist schließlich durch männliche Autoren geschehen. Sie diente diesen als Argument, die eher handwerklich orientierte Geburtshilfe zunehmend zu hierarchisieren, zu kontrollieren und sich dann schließlich auch in ihre praktische Ausübung zunehmend einzuschalten.

Die Andeutung einer beginnenden geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung in der Heilkunde sieht die Autorin in der Christianisierung Europas, in deren Rahmen Frauen zunehmend von der Priestermagie ausgeschlossen wurden, während umgekehrt Priester "an der Ausübung der Naturmagie gehindert wurden". (67) An diese Trennung schlossen sich laut Flügge eine Reihe von "Aufspaltungsprozessen" an - Trennung in Magie und Physiologie, in Hand- und Kopfarbeit, sowie in Männer- und Frauenbildung. Mit der tendenziellen Situierung der Frau in 'Natur-Nähe' und 'Theorie-Ferne' war ihr die Domäne des staatlich und kirchlich legitimierten Wissens nur in Ausnahmefällen zugänglich. Als Ergebnis wurden Frauen in vielen europäischen Universitäten vom Studium ausgeschlossen.
Mit dem Staatsverständnis der Frühen Neuzeit, orientiert am "Modell des christlichen Hausvaters, der für seine Untergebenen sorgt, die ihm Gehorsam schulden" (83) setzte sich dann die Auffassung durch, daß Frauen keine öffentlichen Ämter bekleiden dürfen. Damit waren sie für lange Zeit von der akademischen Medizin ausgeschlossen.

Früheste Belege für Regulierungsversuche im Bereich der Geburtshilfe finden sich in süddeutschen Städten Ende des 14. Jahrhunderts. Die gewählte Form des Rechtsetzung ist hier zunächst der Eid, der nachweisbar der Form der Hebammenordnung vorausgeht. Insgesamt stellt die Autorin fest, daß im Laufe der Zeit die Bestimmungen immer ausführlicher werden und daß sie immer mehr Bereiche der geburtshilflichen Tätigkeit zu regeln trachten. In den frühen Eiden findet sich jedoch bereits eine Reihe von "Grundelementen", die dann auch in die Ordnungen übernommen werden. Diese Elemente sind die Verpflichtung, armen und reichen Gebärenden gleich treu zu dienen, bei Komplikationen andere Frauen hinzuziehen und die Frauen nicht zu "übereilen", das heißt, sie nicht zu früh zum Pressen anzuhalten sowie dafür zu sorgen, daß das geborene Kind getauft wurde. Aus der Verpflichtung, unabhängig vom zu erwartenden Lohn die nötige Sorgfalt walten zu lassen, wie sie z.B. bereits in Koblenz und Hildesheim im 15. Jahrhundert formuliert wurde, ist zu ersehen, daß die Hebammen bereits früh auf einen "Niedriglohn" festgelegt wurden. Die Obrigkeiten wirkten hierauf zunächst im Interesse der Mütter hin; später, besonders nach der Kirchenspaltung, zeigte sich auch die Tendenz, mit der Garantie von Hebammenleistungen für alle Gebärenden unabhängig vom sozialen Status so etwas wie eine Frühform von "Embryonenschutz" zu praktizieren. In manchen Städten wurden die Entbindungskosten für arme Gebärende aus der Stadtkasse ersetzt, in anderen versuchte man, die Hebammen durch Zahlung eines kleinen jährlichen Gehalts zusätzlich zur moralischen Verpflichtung, die im Eid zum Ausdruck kam, zu motivieren.

In der Tendenz der Stadträte, die Hebammentätigkeit nicht nur durch einen Eid, sondern durch eine Ordnung zu regeln, zeigt sich eine Änderung in der frühneuzeitlichen Rechtsauffassung, in der weltliches Recht zunehmend theologisch motiviert und an die christliche Vorstellung von Schuld und Tugend geknüpft wurde. Es entwickelte sich mit dem Policeyrecht die Vorstellung einer "guten Ordnung", in welcher der Fürst, die Stände und alle Untertanen einen von Gott vorherbestimmten Platz in der Gesellschaft besaßen, den sie auszufüllen hatten.
Eine der ältesten überlieferten Hebammenordnungen der Vorreformationszeit stammt aus Regensburg. Die Autorin vermutet, daß es sich bei den Verfassern um zwei studierte Ärzte handelt. Auffällig ist hier - neben dem Verbot für (christliche) Hebammen, Jüdinnen zu behandeln1 - der Versuch, die Gebärenden zur Not "auch gegen ihren Willen zu schützen, vor allem aber das Leben Ungeborener gegen den Willen der Mutter zu erhalten" (212). Die Verfasser der Ordnung könnten durch die Bußpredigten des Johann von Capistrano inspiriert gewesen sein, der in der Entstehungszeit der Ordnung in Regensburg gegen Ketzer und Juden gepredigt hatte. Der Schutz des Ungeborenen, die Sorge für seine rechtzeitige Taufe, die in anderen Städten früh in der Vorschrift gipfelte, den Kaiserschnitt an der Toten auszuführen, falls vermutet wurde, daß das Ungeborene noch lebte, ist charakteristisch für die Zeit um die Reformation herum, in der von vielen Geistlichen die Auffassung vertreten wurde, daß im Kampf gegen die Machenschaften des Satans möglichst viele unschuldige christliche Seelen aufgeboten werden müßten.2
Wegweisend an der Regensburger Ordnung war auch, daß die Tätigkeit der Hebammen überwacht wurde, und zwar durch die sogenannten "ehrbaren Frauen", bei denen es sich wohl um Frauen der Oberschicht gehandelt hat. Eine Neubearbeitung 25 Jahre später zeigt eine stärkere Orientierung an den Interessen dieser Frauen, denen es vor allem um die wirksame Kontrolle der Hebammen und um die Sicherstellung einer kompetenten Geburtshilfe ging.

Neben diesen "ehrbaren Frauen", denen zum Teil auch die Einstellung und Prüfung von Hebammen vor ihrer Vereidigung oblag, weist Flügge die Existenz einer weiteren Gruppe heilkundiger Frauen nach, die in den Ordnungen mehrerer Städte des 15. und 16. Jahrhunderts Erwähnung finden: der "geschworenen Frauen". Diese Gruppe wurde in der Forschung bisher nicht klar von den "ehrbaren Frauen" auf der einen Seite und den geschworenen Hebammen auf der anderen Seite abgegrenzt. Die "geschworenen Frauen" wurden teilweise bei Geburten zusätzlich zu den Hebammen zugezogen, z.B. wenn es Komplikationen gab. Sie konnten in einigen Städten aber auch Medikamente verordnen, was darauf hinweist, daß sie Kompetenzen im Bereich der Leibmedizin, also in der Domäne der akademischen Mediziner hatten.

Die evangelischen Kirchenordnungen führten zu Akzentverschiebungen im Bereich des Hebammenrechts. Stärker als bisher wird betont, daß die Mutterschaft der Lebenszweck der Frau sei. Mann und Frau sind für die Reformatoren zwar vor Gott gleich, haben aber auf Erden verschiedene Aufgaben. Damit wird der weltliche Ämtergedanke der vom Zunftleben geprägten Städte, dem auch die Hebammen - mit einigen Besonderheiten - zugeordnet waren, zu einer Moralisierung des Privatlebens benutzt. "Mit der Propagierung der Mutterschaft als Lebenszweck der Frauen wurde der Boden bereitet für eine Zuweisung der Verantwortung für die Betreuung der Kleinkinder an die Mütter." (342)

Die frühen evangelischen Ordnungen legten außerdem großen Wert auf das Verbot magischer Praktiken. Damit konnten einerseits katholische Riten gemeint sein; die Verbote betrafen aber andererseits auch die Gebräuche der Bevölkerung betreffs Schwangerschaft und Geburt. Die Verwendung nicht zugelassener Arznei- und Zaubermittel wurde als sündhaft betrachtet, da sie einen Abfall vom rechten Glauben beinhaltete. Die in den Kirchenordnungen formulierten Anforderungen an Hebammen betrafen denn auch weniger deren Sachkompetenz, als vielmehr deren moralische und theologische Zuverlässigkeit. Hebammen wurden damit zur moralischen Kontrollinstanz, was auch darin zum Ausdruck kam, daß sie nach der Reformation verpflichtet wurden, aktiv nach dem Vater eines unehelichen Kindes zu forschen und vorehelichen Geschlechtsverkehr der Obrigkeit anzuzeigen.

Allgemein trug laut Flügge die Ausbreitung des Protestantismus wesentlich dazu bei, daß die Vorstellung der Unterordnung der Frau unter den Mann verinnerlicht wurde. Indem "die neue Theologie in Predigten und Druckschriften verbreitet wurde, die in der Landessprache abgefaßt waren" (360) und mit ihr ein durch kirchliche Werte geprägtes Schulwesen konzipiert wurde, hatte sie für die gesellschaftliche Stellung der Frau enorme Folgen.
Einen ersten Versuch, die Inhalte der Hebammentätigkeit landesweit obrigkeitlich zu regeln, stellt die württembergische Policeyordnung von 1549 dar, in welcher der "Rosengarten" von Eucharius Rösslin als verbindliches Hebammenwissen festgeschrieben wird. Flügge bezweifelt, daß die Vorschrift hätte befolgt werden können, da das Buch schlecht verfügbar und für Hebammen nicht erschwinglich war; dasselbe gilt für die Verpflichtung, bei Komplikationen möglichst einen Arzt zu holen. Die Bedeutung dieser Ordnung liege jedoch in dem Willen zur rechtlichen Vereinheitlichung sowie zum Aufbau eines landesweiten "Verwaltungs- und Kontrollsystems" (371).

Die Geschichte der Freiburger Hebammenordnungen ist insofern interessant, als hier eine katholisch gebliebene Stadt in der Tendenz dieselben Verschiebungen vornahm wie die protestantisch gewordenen Städte Straßburg, Nürnberg und Regensburg. Auch hier wird stärker als bisher Wert auf die moralische Kontrolle der Gebärenden gelegt. Nicht nur heimliches Gebären, Kindstötung und Aussetzung sollen möglichst verhindert werden, sondern bereits der vorgeburtliche Kindstod weckt den Verdacht auf ein unmoralisches Verhalten der Mutter während der Schwangerschaft. Flügge kommt zu dem Schluß, "daß der Embryonenschutz den Moralisten zum Vorwand diente, Frauen jede starke, insbesondere lustvolle körperliche Aktivität zu verbieten, die nicht als sinnvolle Arbeit oder eheliche Pflicht legitimiert war." (382) Die Überfrachtung von Schwangerschaft und Geburt mit theologisch-moralischen Werten ging so weit, daß in Ulm in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts Frauen, die sich vor und während der Geburt ohne den "möglichen Fleiß" verhielten und damit eine Schädigung oder gar den Tod des Kindes 'verursachten', wegen "sträflichen gefährlichen Kindergebärens" bestraft werden sollten. (450)

Die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts ist auch gekennzeichnet durch zunehmendes Interesse akademischer Ärzte an der Regelung der geburtshilflichen Tätigkeit. Dabei hatten diese wohl zunächst nicht im Sinn, selbst aktiv in das Geburtsgeschehen eingreifen; sie drängten aber gegenüber den Stadträten darauf, die Hebammentätigkeit zu hierarchisieren, indem z.B. die geschworenen Frauen, aber auch die ehrbaren Frauen immer mehr in die Rolle von Kontrolleurinnen gedrängt wurden. Auch die stärkere Durchsetzung der Ordnung mit moralischen Inhalten sowie die Schwächung der Position der gebärenden Frau gegenüber Hebammen, geschworenen bzw. ehrbaren Frauen und Ärzten geht auf ihr Konto. Das Leben des Kindes war - zumindest nach dem Gesetz - wichtiger als der Wille der gebärenden Frau (459). Trotz dieser zunehmenden Tendenz zur Hierarchisierung und Kontrolle der Geburtshilfe wird in den Ordnungen zumeist ein positives Bild der Hebammen als "verständiger und erfahrner Frauen" (so die Formulierung in Regensburg 1555) gezeichnet, die für spätere Zeiten charakteristische Abwertung der Hebammen als unwissend, grob und daher ärztlicher und obrigkeitlicher Kontrolle bedürftig ist noch nicht zu finden.

In ihrer abschließenden Analyse der Musterordnung des Arztes Adam Lonitzer für Frankfurt von 1573 zeigt die Autorin noch einmal die Tendenzen der bis hierher analysierten Ordnungen auf. Wegweisend waren weniger die aktuell verfügbaren Dispositive zur Umsetzung der Wertvorstellungen der neuen herrschenden Schicht, als vielmehr die Heraufkunft eines durch Christentum und neue Wissenschaftlichkeit sowie neues Staatsverständnis gleichermaßen gekennzeichneten neuen Weltbildes. In diesem gab es klare Hierarchien: Mensch - Natur, Mann - Frau, Theorie - Praxis usw., in deren Rahmen sich auch die Funktion des Gebärens grundlegend wandelte. War die Geburt zu Beginn der Epoche noch ein Passage-Ereignis, das jede Frau einer Gefahr sowie Schmerzen und Schwierigkeiten aussetzte, wobei sie Anspruch auf Hilfe hierbei hatte, so geriet am Ende der Periode die Erzeugung von Kindern ins Zentrum des Interesses. Diese diente "nicht nur einem jenseitigen Reich zur Erfüllung, sondern einem diesseitigen Herrschaftsbereich zum gemeinen Nutzen" was zu einer "veränderten Einstellung zur Reproduktion und zur Pädagogik" führte. (490)

Insgesamt ist dieses Werk, das die Druckfassung einer Dissertation darstellt, außerordentlich reichhaltig. Die Autorin wechselt zwischen den Ebenen der Rechtsgeschichte, der Sozial- und Mentalitätengeschichte hin und her. Ihr Material dient ihr gewissermaßen als Brennspiegel, in dem die Entwicklung des frühneuzeitlichen Staats in seinem theologisch-ideologischen Kontext, mit seinen Auswirkungen auf das Zusammenleben von Arm und Reich, von Frauen und Männern, sowie der verschiedenen Berufe und Stände zusammengefasst werden. An den Gemeinsamkeiten und Unterschieden der frühen Hebammen-Ordnungen macht sie deutlich, wie das lokale Zusammenspiel von Partialinteressen und allgemeinen Formen der Herrschaft jeweils funktioniert haben könnte und wie diese letzteren sich praktisch entwickelt haben, während sie auch in den Köpfen und Seelen der Menschen Spuren hinterließen. Flügge läßt sich weder zu Antworten auf die Frage hinreißen, "wie es denn wirklich gewesen ist", noch begnügt sie sich mit einer Auflistung verschiedener Stufen von Gesetzestexten. Mit der für diese Studie grundlegenden Einsicht, daß einerseits das Rechtsverständnis einer Epoche selbst sozialhistorisch interpretiert werden muss und daß andererseits Rechtsnormen ihre Bedeutung nicht unmittelbar zum Zeitpunkt ihrer Entstehung erlangen müssen, stellt sich nicht nur für feministische Geschichtsschreibung das Problem der Ungleichzeitigkeit. Dessen Verfolgung durch den weiteren Verlauf der Umverteilungsprozesse von Wissen und Macht in den entstehenden 'Gesundheitswesen', in denen die Kompetenzen heilender Frauen zunehmend eingeschränkt und der Erwerb und die Produktion wissenschaftlichen Wissens immer strengeren Regeln unterworfen wurden, dürfte ein sehr fruchtbarer Ansatz sein.

Anmerkungen:
1 Für die regelmäßige Übertretung dieses Verbots bringt die Autorin eine Reihe von Indizien.
2 Flügge bezweifelt allerdings, daß diese Vorschrift umgesetzt wurde, da es keine sicheren Zeichen dafür gab, daß das Ungeborene noch lebte. War es nach dem Kaiserschnitt tot, so durfte es, weil ungetauft, nicht in geweihter Erde begraben werden. So war es, sowohl aus theologischer Sicht, als auch aus derjenigen der Betroffenen, in solchen Fällen besser, wenn Mutter und Kind "beieinander blieben".

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