Natürliche Ressourcen sind im Zusammenhang mit der außereuropäischen Geschichte bislang vor allem in der Wirtschaftsgeschichte behandelt worden. Im Vordergrund steht dabei das Verhältnis zu den Ländern Europas und Nordamerikas, wobei dieses Verhältnis im Falle Lateinamerikas von der Forschung lange Zeit als Beispiel einer strukturellen Ungleichheit von Peripherie und Zentrum gedeutet wurde. In jüngerer Zeit wird der Rohstoffhandel auch als wichtiger Motor bei der Entstehung eines globalen Wirtschaftsraumes untersucht. Waren es in der Frühen Neuzeit Edelmetalle, die zu den wichtigsten Motiven europäischer Präsenz in Übersee gehörten, wurde im 19. Jahrhundert um den zur Düngung und Sprengstoffherstellung nötigen Salpeter sogar Krieg geführt. Auch in der Gegenwart bleiben südamerikanisches Kupfer und zunehmend auch Lithium eng mit dem Wachstum der sich stetig in den Pazifikraum verlagernden Weltwirtschaft verbunden. Unternehmen wie die brasilianische Vale AG gehören zu den drei größten Bergbauunternehmen der Welt; überdies ist das Unternehmen der mit Abstand größte Eisenerzexporteur.
In ‚Globalisierte Geologie‘, hervorgegangen aus einer an der Freien Universität Berlin im Jahr 2015 abgeschlossenen Dissertation geht es um ebendieses Eisenerz. Als Grundlage für die Eisen- und Stahlherstellung war Eisenerz seit dem 19. Jahrhundert ein gefragter Rohstoff. Allerdings interessiert sich Fischers Arbeit zum brasilianischen Eisenerz zwischen 1876 und 1914 weniger für die eigentliche wirtschaftliche Verwertung oder Weiterverarbeitung, sondern für die Entdeckung des Rohstoffes und Projekte zu dessen Erschließung, also für die bis zur eigentlichen Inwertsetzung zu erbringende Vorleistung.
Fischers Buch setzt mit der These an, dass im Zeitalter von Hochindustrialiserung und Imperialismus Rohstoffe nicht "einfach da" waren, sondern vermittels Wissens erst zu einer verwertbaren Ressource gemacht wurden. Natürliche Rohstoffe "sind historisierbar, indem wir sie nicht als stumme Materie und als statistische Fördergröße betrachten, sondern indem wir die Idee, die Netzwerke, Projekte und Planungen untersuchen, durch die sie zu Ressourcen in politischen, geschäftlichen und wissenschaftlichen Arenen in lokalen, nationalen, transnationalen und globalen Maßstabsebenen werden." (S. 14) Die Produktion von Wissen geht der Produktion von Eisen voraus, so könnte man Fischers These zusammenfassen. Dabei ordnet der Autor im ersten Kapitel sein Thema in den Forschungsstand ein und greift in methodischer Hinsicht auf ein umfangreiches Arsenal an Theoremen vor allem soziologischer Provenienz zurück.
Im zweiten Kapitel, dem ersten von vier etwa 50 bis 60 Seiten umfassenden Hauptabschnitten, geht es um die Entstehung der modernen Geologie, die sich von Disputen theoretischer und begrifflicher Natur seit Ende des 19. Jahrhunderts mit einer empirischen Wende absetzte. Die Betonung der eigenen Anschauung vor Ort leistete einer anwendungsbezogenen Geologie und damit auch einer globalen Praxis Vorschub. Von einer solcherart praktisch gewordenen Wissenschaft war es dann nicht mehr weit zur ‚Lagerstättenkunde‘ und der wirtschaftlichen Ausbeutung von Rohstoffen. Bevor sich Eisen und Stahl als Grundmaterial der Moderne und damit auch das zur Herstellung nötige Eisenerz internationalisierten, hatte sich, so der Autor, zuvor das Wissen davon zu internationalisieren. Fischer zeigt die Gegebenheiten auf, unter denen Eisenerz und das Wissen darum sich auf internationalen Geologiekongressen globalisierte, das heißt diskursiv verhandelbar und damit erst ausbeutbar wurde. Dem mit metallurgischen und geologischen Kenntnissen bzw. den wissenschaftlichen Diskussionen darüber weniger vertrauten Leser verlangt das Kapitel einiges ab, zeigt dafür aber auch, wie Globalgeschichte als Wissensgeschichte anhand einer detaillierten Fallstudie mit Gewinn betrieben werden kann.
Das dritte Kapitel wechselt die Perspektive und widmet sich dem Umgang mit diesem Wissen in Brasilien selbst. Das letzte Viertel des 19. Jahrhunderts hatte einem Verwissenschaftlichungsprozess Vorschub geleistet, der seinen institutionellen Ausdruck in der ‚Escola Politécnica‘ und der ‚Escola de Minas de Ouro Preto‘ sowie in geographischen und geologischen Kommissionen gefunden habe. Die ersten Kommissionen sowohl auf nationaler wie auf einzelstaatlicher Ebene waren dagegen nicht von Dauer. Problematisch war dabei besonders eine Erwartungshaltung, die auf möglichst rasch zu verwertende ökonomische Resultate abzielte sowie der Unterschied zwischen erhofften und tatsächlich erbrachten Forschungsergebnissen. Wechselnde politische Vorgaben für die der geologischen Erkundung vorausgehenden Vermessungsarbeiten wie etwa Grenzziehungen und der oftmals unstete politische Rückhalt erschwerten eine kontinuierliche Lagerstättenerschließung. Auch die weitere Verbreitung wissenschaftlicher Ergebnisse in Geologie, Geographie, Meteorologie und Landwirtschaft wurde nicht selten durch ein banales, gleichwohl wirkungsvolles bürokratisches Prozedere unterlaufen. Die Präsenz der vor allem im Einzelstaat Minas Gerais abgebauten Bodenschätze auf nationalen und internationalen Ausstellungen machte deutlich, wie stark die eigentliche wissenschaftliche Erkenntnis hinter den Aspekt der Inwertsetzung zurücktrat. Auch im weiteren Verlauf des Kapitels, wo es um die Diskussion um das Bergrecht, um die Anwendungsbezogenheit in der ingenieurswissenschaftlichen Ausbildung, internationale Kongresse zum Thema Eisenerz oder um innerbrasilianische politische Debatten und Entwicklungsideen geht, entwickelt der Autor seine These, nämlich dass das brasilianische Eisenerz nicht bloß existierte oder aufgefunden wurde, sondern selbst das Ergebnis eines Aushandlungsprozesses war.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Eisenerz endgültig ein Rohstoff mit internationalen Dimensionen geworden. Folgerichtig erfasst das vierte Kapitel das Eisenerz als Gegenstand transnationaler Wissensströme und Netzwerke. Eine anglo-amerikanische Investorengruppe formierte sich nicht zuletzt durch den Austausch von Einschätzungen von Wissenschaftlern, Transportunternehmern und Financiers über die natürlichen und wirtschaftlichen Aussichten des Eisenerzabbaus in Brasilien. Stehen dabei die Experten auf der Nordhalbkugel und deren Lobbyarbeit in der brasilianischen Hauptstadt Rio de Janeiro im Vordergrund, verlagert sich im letzten Kapitel die Betrachtungsebene auf den Experten vor Ort. Prospektoren traten, so Fischer, als "Aggressive Amateure", "Autonome Agenten" oder "Konkurrierende Sachwalter" auf und mussten ihr geologisches Fachwissen aufgrund zunehmender Landkonflikte auch um juristisches Wissen erweitern. Expertenwissen stand auch in einem Spannungsfeld zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und deren Verbreitung auf der einen Seite und den ökonomischen Interessen auf der anderen. Dies galt aber nur für die amerikanischen Geologen; deren wissenschaftliche und kommerzielle Dominanz wurde dagegen von vielen brasilianischen Kollegen abgelehnt.
1914 kam das ganze Vorhaben zu einem Ende, hauptsächlich aus politischen Gründen: Die Regierung unter Präsident Hermes da Fonseca war dem Projekt nicht wohlgesonnen und der Beginn des Ersten Weltkriegs hintertrieb jede weitere Bemühung darum. Gescheitert war der Eisenerzabbau in Minas Gerais aber nicht. Knapp 30 Jahre später wurde Eisenerz in großem Stil abgebaut, nun aber von der dazu 1942 gegründeten staatseigenen ‚Companhia Vale do Rio Doce‘.
Das Verdienst von Fischers Arbeit liegt nicht nur darin, entfernte geographische Räume zu verbinden, ohne dabei den Blick einseitig auf die vermeintlichen Zentren des nordatlantischen Raumes oder einen nationalbrasilianischen Rahmen zu verengen. Auch den Anspruch, verschiedene thematische Forschungsstränge, etwa die Wissenschafts-, Unternehmens- und Politikgeschichte sowie die Geschichte des Entwicklungsdenkens, in eine Global- oder Globalisierungsgeschichte zu überführen, löst der Autor erfolgreich ein, indem er historische Teildisziplinen im ‚Wissen‘ und dem Träger dieses Wissens, dem Experten, geschickt zusammenführt. Fischer unterstreicht, wie nationale und transnationale Prozesse und das Prestige des Experten, etwa im nordamerikanischen conservation movement, ineinandergriffen, hebt abschließend die "Hybridität der Wissensformation" (S. 282) hervor und betont auch immer wieder die Konstruktivität von Prozessen, die "welterzeugend" (S. 281) waren. Möglicherweise überfrachtet sich ein solcher Begriff des ‚Wissens‘ aber auch, muss er doch als Chiffre für vielerlei Entwicklungen herhalten. Dass eine empirisch fundierte Geologie sich gegen Ende des 19. Jahrhundert rasch internationalisierte, dass die Kluft zwischen vermeintlich reiner Wissenschaft und deren praktischen Bezug zunehmend schwand, der Austausch von Expertenmeinung gängige Praxis geworden war, verschiedene Teilnehmer bei Großprojekten im Rohstoffabbau vernetzt und länderübergreifend operierten und zugleich die politischen und sozialen Gegebenheiten vor Ort in Rechnung zu stellen hatten, bedarf eigentlich keines weiteren konzeptionellen Überbaus. Das Fundament von Fischers detailreicher Arbeit mit einer ansehnlichen Zahl von Quellen aus Brasilien, den USA, Großbritannien und Deutschland ist auch so solide genug, um wichtige Einsichten in einen vielschichtigen Globalisierungsprozess zu gewinnen. Störend bei der Lektüre der auch in Bezug auf die einschlägige Literatur kenntnisreichen Arbeit wirkt allenfalls die vom Autor in kommentierenden Passagen häufig benutzte Ich-Form. Dass die Qualität mancher Abbildungen im Buch zu wünschen übrig lässt, muss dagegen wohl eher dem Verlag angelastet werden.