Die Stadt amüsiert sich – seit dem Mittelalter bis 1848. Prag als Zentrum des kulturellen Lebens

Die Stadt amüsiert sich – seit dem Mittelalter bis 1848. Prag als Zentrum des kulturellen Lebens

Organizer
Archiv der Hauptstadt Prag in Zusammenarbeit mit dem Institut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik; der Fakultät für Humanistische Studien der Karls-Universität; dem Lehrstuhl für Geschichte der Philosophischen Fakultät der J. E. Purkyně-Universität in Ústí nad Labem; dem Instytut Historii i Archiwistyki Uniwersytetu Pedagogicznego w Krakowie
Venue
Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik, Národní 3, Praha 1
Location
Prag
Country
Czech Republic
From - Until
22.10.2019 - 23.10.2019
Deadline
15.04.2019
By
Růčková, Markéta

Das Vergnügen gehört seit dem Mittelalter zu der Stadt und kann als ein Zeichen der Urbanität betrachtet werden. Dem Maß ihrer sozialen Differenzierung, ihrem wirtschaftlichen Potenzial und ihrer Funktion entsprechend wurden die Städte historisch zu Zentren des kulturellen Lebens. Die Stadt ermöglichte den vergnüglichen Zeitvertreib sowohl im öffentlichen als auch im privaten Raum. In Mittelalter und früher Neuzeit spielte sich dieser Teil des gesellschaftlichen Lebens vor allem in öffentlichen Räumen ab – auf Plätzen, Straßen, Marktplätzen, neben Rathäusern, aber auch in geschlossenen Räumen, beispielsweise in Kneipen, die später durch Kaffeehäuser und Weinstuben ergänzt wurden. Das Vergnügen war ebenfalls mit dem privaten Raum der bürgerlichen Haushalte verbunden, in denen die Bewohner ihre Freizeit mit verschiedenen Formen der Zerstreuung verbringen konnten, von Tisch- und Kartenspielen über das Lesen bis hin zu der Ausübung von Musik, Tanz oder literarischen Aktivitäten. Besondere Unterhaltungsmöglichkeiten boten dann private Feiern aus Anlass zentraler Übergangsrituale wie Taufen, Hochzeiten und Begräbnisse. Bis zur paneuropäischen Syphilis-Epidemie am Ende des 15. Jahrhunderts wurden darüber hinaus (insbesondere in den deutschen Reichsstädten) die Bäder und Bordelle als „offizielle“ Orte des Vergnügens frequentiert.
Prag (bzw. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts die Prager Städte) bot als Landesmetropole zweifellos viele Möglichkeiten für die Freizeitgestaltung. Regelmäßige Gelegenheiten, an Vergnügungsangeboten im öffentlichen Raum teilzuhaben, boten in der frühen Neuzeit insbesondere Märkte, Messen, die Fastnacht oder der Karneval wie auch verschiedene Aktivitäten der Zünfte und konfessionell geprägter Gruppen. Der Zerstreuung der Stadtbürger dienten in der Regel Musik und Tanz, Theater, Straßenfeste und später der Sport. Mit Beginn der Aufklärung und anschließend im Zuge der Industrialisierung durchliefen diese Aktivitäten einen Prozess der Institutionalisierung. In den Städten wurden ständige Bühnen errichtet, städtische Theater und Konzertsäle gegründet, der Tanz verlagerte sich in Tanzsäle und aus privaten Tanztees wurden schließlich öffentliche, kommerzielle Veranstaltungen. Gaukler, Dompteure, Sänger und andere Straßenkünstler waren nun im Zirkus, in der Menagerie oder im Panoptikum zu finden. Das Unterhaltungsgewerbe professionalisierte sich und seine Akteure wurden für ihren Beruf an spezialisierten Bildungseinrichtungen ausgebildet. Mit dem Aufkommen der Industrialisierung wurde schließlich auch die öffentliche Präsentation von technischen Erfindungen und Innovationen zu einer Form der Unterhaltung.
Im 19. Jahrhundert erhielt die Unterhaltung dann eine nationale Dimension und wurde zu einem festen Bestandteil von Bemühungen, den urbanen Raum zu beherrschen und neu zu definieren. In dieser Zeit überschritt die Freizeitgestaltung jedoch oft die Grenzen der Stadt und verlagerte sich in ihre unmittelbare Umgebung. Bereits am Ende des 17. Jahrhunderts errichteten sich die reichsten Bürger im Umkreis der Stadt von Gärten umsäumte Villen als Rückzugsorte. Später entdeckten auch weitere Segmente der Stadtbevölkerung die stadtnahe Natur. Zu ihren Freizeitaktivitäten gehörten Sonntagsausflüge und Spaziergänge in den neu errichteten Parks in Zentren der Städte. In den Vororten verschiedener europäischer Städte gab es bereits im 18. Jahrhundert Vorläufer der späteren Vergnügungsparks. Die in der Nähe von Kurorten gelegenen Städte erlebten in dieser Zeit eine Blüte der Kuraufenthalte, deren wesentlicher Bestandteil immer auch die gesellschaftliche Unterhaltung war.
Diese konnte im öffentlichen Raum nie völlig frei und ungeregelt stattfinden, sondern unterlag immer der Genehmigung und Aufsicht. Das Ausmaß der Regulierung nahm seit der frühen Neuzeit im Zusammenhang mit der Implementierung von Maßnahmen der „guten Policey“ stetig zu. Letztere wiederum standen in engem Zusammenhang mit einem wesentlichen Bestandteil der urbanen Kultur und Unterhaltung, nämlich dem Humor und der Satire, die vor allem in den Printmedien (Kalender, Almanache, Zeitungen und Zeitschriften) Ausdruck fanden.
Die Unterhaltung in der Stadt war historisch gesehen zum einen Bestandteil der Erholung, der Bildung, der Erziehung; auf der anderen Seite war sie nicht nur für viele Menschen die Lebensgrundlage, sondern diente als Mittel zur Festigung der Verbindungen innerhalb der einzelnen sozial, konfessionell, beruflich oder ethnisch definierten Segmente der Stadtgesellschaft, als gesellschaftliches „Ventil“, aber auch als Kommunikationsmittel. Den Wandel dieser Funktionen, die Frage, was in den verschiedenen Epochen der städtischen Entwicklung zum Vergnügen gehörte, wie die Stadtbewohner dieses wahrnahmen und erlebten, wie es von der städtischen Obrigkeit bzw. den Vertretern der weltlichen und kirchlichen Gewalt betrachtet wurde oder wie sich Intellektuelle diesbezüglich äußerten – all diese und weitere Aspekte möchten wir vor allem am Beispiel Prags im Zeitraum zwischen dem Mittelalter und dem Entstehen der Bürgergesellschaft Mitte des 19. Jahrhunderts diskutieren.
Zugleich möchten wir die Situation in Prag mit derjenigen in anderen Städten der böhmischen Länder, aber auch in weiteren europäischen Metropolen vergleichen.

Interessenten bitten wir, den geplanten Titel ihres Vortrags zusammen mit einem aussagekräftigen Abstract und einer Kurzbiographie bis zum 15. April 2019 an die unten angegebene Adresse einzureichen. Die Organisatoren behalten sich vor, unter den eingesandten Beiträgen eine Auswahl zu treffen. Die vorgetragenen Referate werden für die Veröffentlichung in der Reihe Documenta Pragensia berücksichtigt. Die Unterbringung der ausländischen Referenten erfolgt auf Kosten der Organisatoren, ein Tagungsbeitrag wird nicht erhoben. Die offiziellen Tagungssprachen sind Tschechisch und Deutsch (ggf. Englisch), eine Simultanübersetzung wird gewährleistet.

Für die Organisatoren:
doc. PhDr. Olga Fejtová, Ph.D.; doc. PhDr. Martin Holý, Ph.D.; prof. PhDr. Jiří Pešek, CSc.; prof. PhDr. Michaela Hrubá, Ph.D.; dr hab., prof. UP Łukasz Tomasz Sroka

Programm

Contact (announcement)

Markéta Růčková

Archiv hl. města Prahy, Archivní 6, CZ-149 00 Praha 4, Tschechische Republik

Marketa.Ruckova@praha.eu

http://www.ahmp.cz/eng/index.html?mid=54&wstyle=0&page=%27%27