Das historische Jubiläum (Dresden, 29.11. - 01.12.2001)

Das historische Jubiläum (Dresden, 29.11. - 01.12.2001)

Organisatoren
Teilprojekt R des Sonderforschungsbereichs 537 'Institutionalität und Geschichtlichkeit' an der TU Dresden
Ort
Dresden
Land
Deutschland
Vom - Bis
29.11.2001 - 01.12.2001
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Von
Ulrich Rosseaux, TU Dresden

Workshop des Teilprojekts R des Sonderforschungsbereichs 537 'Institutionalität und Geschichtlichkeit' an der TU Dresden vom 29. Nov. bis 1. Dez. 2001 in Dresden, Leitung: Professor Dr. Winfried Müller

Der vom Teilprojekt R (Das historische Jubiläum, Projektleiter Prof. Dr. Winfried Müller) des Dresdner SFB 537 'Institutionalität und Geschichtlichkeit' initiierte Workshop bot den teilnehmenden Forschern und Forscherinnen erstmals die Gelegenheit die bisher oft getrennt voneinander betriebenen Forschungen zu Themen der historischen Jubiläumskultur kennenzulernen und sich untereinander zu vernetzen. Der folgende Tagungsbericht bündelt in knapper Form die vielfältigen Positionen, Ansätze und Forschungsfelder, die in den einzelnen Referaten zum Ausdruck kamen, und stellt diese der forschenden Öffentlichkeit vor. Er folgt dabei der Chronologie der Tagung. Für alle diejenigen, die an einer vertieften Behandlung des Themas interessiert sind, möchten wir darauf hinweisen, daß sich ein Tagungsband in Vorbereitung befindet.

Donnerstag, 29. November 2001

Professor Dr. Winfried MÜLLER (Dresden) eröffnete den Workshop mit einem grundlegenden Referat über "Das historische Jubiläum. Genese, Ordnungsleistung und Inszenierungsgeschichte eines institutionellen Mechanismus", in dem er zugleich die Themen, Methoden und Ziele des Teilprojekts R des Dresdner SFB 537 vorstellte. Wolfgang FLÜGEL M.A. (Dresden) zeigte in seinem anschließenden Beitrag über "Zeitkonstrukte im Reformationsjubiläum" wie sich das Zeitempfinden und das Zeitbewußtsein im Laufe der Reformationsjubelfeiern veränderten. Iris LOOSEN M.A. (Dresden) behandelte in ihrem Vortrag über "Die universalen Jubiläen unter Papst Paul V." den katholischen 'Sonderweg' in der Jubiläumskultur. Dabei ging Sie besonders auf die 1617 gegebene Konkurrenzsituation zwischen dem ersten Reformationsjubiläum und dem gleichzeitig stattfindenden außerordentlichen katholischen Jubeljahr ein. In ihrem mit zahlreichen Bildern illustrierten öffentlichen Abendvortrag "Zeit - Ritual - Fest. Zur Jubilarkultur" präsentierte Professor Dr. Christine KÖHLE- HEZINGER (Jena) die vielfältigen Formen der modernen individuellen Jubilarkultur. Besonderes Augenmerk legte Sie dabei auf die Ausgestaltung und Feierformen von Betriebsangehörigkeitsjubiläen.

Freitag, 30. November 2001

In seinem ausführlichen und detailreichen Vortrag über "Jubiläumsliteratur und memoriale Kultur in süddeutschen Klöstern und Fürstbistümern" zog Ralph SCHULLER M.A. (Augsburg) einen Entwicklungsbogen katholischer historischer Jubiläen, der vom Salzburger Diözesanjubiläum (1682) über die in Köln, Wien und Graz begangenen Jubiläen des Jesuitenordens bis hin zum Jubiläum von St. Afra in Augsburg 1804 verläuft. Stephan W. RÖMMELT (München) beschrieb in seinem Beitrag "Konfession und Region. Zur Genese und Verdichtung der frühneuzeitlichen Jubiläumskultur" die Ausbreitung der Jubiläumskultur im mitteleuropäischen Raum und zeigte dabei den Wandel der Formensprache der Jubiläumsfeiern auf, der sich unter dem Einfluß der Aufklärung vollzog. Im Mittelpunkt des Vortrags "Wittenberg und sein Lutherhaus. Inszenierte Jubelgeschichte an einem deutschen Erinnerungsort" von Dr. Stephan LAUBE (Wittenberg) stand die Lutherrezeption, die seit dem Reformationsjubiläum von 1817 im nunmehr zu Preußen gehörenden Wittenberg in einem besonderen Maß von politischen Systemen, vom Hohenzollernreich bis hin zum NS-Regime, instrumentalisiert wurde. Prof. Dr Hannes STEKL (Wien) lenkte mit seinem Vortrag - "Der Kampf um das Gedächtnis. Öffentliche Gedenktage in Mitteleuropa" - den Blick auf verschiedenen Jubiläen bzw. Gedenktage und zeigt deren Indienstnahme für die Herausbildung und Festigung einheitlicher kollektiver Identitäten vor dem Hintergrund der Nationalitätenproblematik in der Habsburgermonarchie. Dr. Ute PLANERT(Tübingen) zeigte mit ihrem Referat "Auf dem Weg zum Befreiungskrieg: Das Jubiläum als Mythenstifter. Umdeutung und Re-Interpretation der napoleonischen Zeit in den Rheinbundstaaten", wie sich das weitgehend homogene Jahresgedenken der Befreiungskriege erst langsam aus den unterschiedlichen, z.T. gegensätzlichen Gedenksträngen, etwa dem Totengedenken oder Erinnerungen von Kriegsveteranen entwickelte und dabei die real bestehenden Unterschiede - bspw. Teilnahme an den Kämpfen auf verschiedenen Seiten - memorial nivelliert wurden. Hubertus BÜSCHEL M.A. (München) sprach über "Vor dem Altar des Vaterlandes". Der monarchische Kult zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Spannungsfeld zwischen Sakralität und Verbürgerlichung." Bürgerliche Aktivitäten mit dem Ziel, den Monarchen zu ehren, formten wesentlich den monarchischen Kult, der als emotional aufgeladene Form eines staatsloyalen Gedächtnisses verstanden werden kann. Der Vortrag von Simone MERGEN M.A (Köln / Dresden) über "Jubiläumsfeiern der Monarchie in Sachsen und Bayern im 19. Jahrhundert" zeigte am Beispiel der Wettiner und Wittelsbacher, wie verschiedene Monarchien mit Hilfe des staatsnahen Beamtentums das historische Jubiläum im 19. Jahrhundert adaptieren konnten. Den Höhepunkt dieses Prozesses bildeten die Dynastiejubiläen von 1883 und 1880. Unter Zuhilfenahme zahlreicher zeitgenössischer Bildquellen demonstrierte Dr. Gerhard FAIX (Stuttgart) in seinem Beitrag über "Erinnerungskultur im Königreich Württemberg" die große Spannweite der öffentlichen Erinnerungskultur in einem deutschen Mittelstaat des 19. Jahrhunderts.

Samstag 1. Dezember 2001

Thomas BARTH (Dresden) trug über das Verfassungsgedenken in Sachsen im 19. Jahrhundert vor und betonte dabei die besondere Rolle der Regierung und des Königshauses für die Verfassungsanniversarien und -jubiläen. Eine eigenständige, nichtstaatliche Erinnerungskultur der Verfassung von 1831 konnte sich in Sachsen nicht entwickeln. Stefanie BECKER (Gießen) sprach über Die Erfindung der Nation in der Erinnerung: Die Befreiungskriege im kollektiven Gedächtnis der Reichsgründungszeit. In einem Vergleich mehrerer deutscher Städte untersucht Becker die föderative Vielfalt der Erinnerung an die Befreiungskriege, für die in der Reichsgründungszeit das fünfzigjährige Jubiläum der Völkerschlacht 1863 ein zentrale Rolle spielte. Dr. Thomas KEIDERLING (Leipzig) referierte über Betriebs- und Branchenjubiläen in Sachsen 1871 - 1945 am Beispiel der Firma Brockhaus. Hier wurde besonders deutlich, wie die konfessionellen, die Staats- und Monarchiejubiläen Ende des 19. Jahrhunderts ihre Entsprechung und Nachahmung in der wirtschaftlichen Festkultur, im Kosmos des Unternehmens fanden. In einem abschließenden Vortrag schlug Dr. Ulrich ROSSEAUX (Dresden) den Bogen durch die Jahrhunderte anhand eines Stadtjubiläums. In seinem Vortrag Städtische Jubiläumskultur zwischen Früher Neuzeit und Moderne. Das Beispiel Annaberg in Sachsen 1696-1996 verfolgte er die Entwicklung des vermutlich ältesten bekannten Stadtjubiläums. Anhand der Konzentration auf den Mikrokosmos Stadt konnten verdichtet die großen Entwicklungslinien des historischen Jubiläums wie Säkularisierung, Pluralisierung der Trägergruppen und Differenzierung der verschiedenen Festelemente nachvollzogen werden.


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