"Representing Emotions ..." (Manchester, 25.-27.05.2001)

"Representing Emotions ..." (Manchester, 25.-27.05.2001)

Organisatoren
Penelope Gouk (University of Manchester, UK) und Helen Hills University of Manchester,UK)
Ort
Manchester
Land
United Kingdom
Vom - Bis
25.05.2001 - 27.05.2001
Url der Konferenzwebsite
Von
Scheuermann, Arne

Spoken Emotions

Konferenzbericht vom interdisziplinaeren Symposium "Representing Emotions: Evidence, Arousal, Analysis"

Ob in der Ausbildung so genannter "weicher Faktoren" in Erziehungsfragen oder bei der Neubewertung historischer Zusammenhaenge vor der Folie nationaler Identitaetskonstruktionen, ob in den Legitimationsfiguren medizinischer Forschung oder den Kontextualisierungen aesthetischer Produkte: Gefuehle erfreuen sich wachsender Aufmerksamkeit. Dabei faellt das akademische Interesse an dem Thema Emotionen in zumindest zwei Diskursen auf bereits beackerten Boden - stiftet doch die Beschaeftigung mit "Passionen" und "Affekten" sowohl in den Kunstwissenschaften als auch in der Medizingeschichte und -theorie eine Vielzahl von Beobachtungsfeldern und theoriegeschichtlichen Zugaengen zum Thema.

Diese Gemeinsamkeit ueber alle zeitlichen und geografischen Beschraenkungen des Rahmens hinaus betont zu haben, ist das Verdienst des von Penelope Gouk (University of Manchester, UK) und Helen Hills (University of Manchester, UK) ebenso umsichtig zusammengestellten wie herausfordernd gefuehrten Symposiums mit dem Titel "Representing Emotions: Evidence, Arousal, Analysis" an der University of Manchester, 25 May-27 May 2001. In vier Sessions debattierten WissenschaftlerInnen aus Europa, Israel und den USA fachuebergreifend ueber die Erscheinungsformen des "Medicalizing Emotions", den Zusammenhang zwischen "Emotions and Art" und die vorherrschenden Legitimations- und Motivationsfiguren in der Auseinandersetzung mit Emotionen: "Managing Emotions".

Es war Peter Burkes (University of Cambridge, UK) einfuehrendem Vortrag zu danken, die Problematik des Diskurses zusammengefasst und aufgezeigt zu haben. Unter der Fragestellung "Kann es eine Kulturgeschichte der Emotionen geben?" zeigte er auf, wie komplex das Thema, wie verworren die Forschungslage ist. Eine Grundproblematik, die er ansprach und die das Symposium immer wieder beschaeftigte, war dabei das Verhaeltnis zwischen universalistischen Ansaetzen und eher spezifischer Forschung zu den Gefuehlen, also das Verhaeltnis zwischen anthropologischen Fragen nach Gemeinsamkeiten im menschlichen Sein und dem nach der Differenz. Hier sprach sich Burke fuer ein drittes, ein "linguistisches" Vorgehen aus: Er favorisierte die Forschung an der sprachlichen Repraesentation von Gefuehlen und bezweifelte damit zum Beispiel die Moeglichkeit, Gefuehle ueberhaupt messen zu koennen. Die von ihm in diesem "linguistischen Paradigma" als avancierteste Vorgehensweise beschriebene Auseinandersetzung laesst sich als Untersuchung der Bruechen innerhalb der "history of the language of the emotions" beschreiben - ein Rahmen wissenschaftlicher Metatheorie, der im weiteren Verlauf des Symposiums immer wieder als Eichmass dienen sollte und der das eigentliche Thema des Symposiums konkretisieren half.

So war es auch die Sprache, die den Zugang zur ersten Session "Medicalizing Emotions" schuf. Graham Richards (Staffordshire University, UK) machte zu Beginn deutlich, wie der alltaegliche Nominalismus, zum Beispiel das Sprechen ueber das Wetter, in eine Sprache der Emotionen eingeflossen sei und weiter einfliesst ("Why does it allways rain on me?"). Auch in einem anderen Punkt bestaetigte Richards den Vortrag von Peter Burke, naemlich darin, dass er die althergebrachten oder modernen Emotionskataloge nicht nur hinterfragte, sondern auch betont relativierte, in dem er zum Beispiel Zustaende wie Langeweile etc. in die Betrachtung zu den Gefuehlen mit einbezog. Seine pointierte Vorstellung der Psychopathologisierung des Gefuehls wartete mit greifbaren Beispielen auf. So erzaehlen die Sprachwechsel der Psychoanalyse, von fear zu phobia, melancholy zu depressioon und fascination zu fixation etwa, stellvertretend auch fuer andere Sprach- und Sprechgrenzen von der Limitierung heutiger Emotionsgeschichtsforschung, die Emotion vom Begriff der Emotion losgeloest zu denken.

Otniel Dror (The Hebrew University, Israel) ueberfuehrte diesen Gedanken in die Topologie des Labors: Seine medizingeschichtliche Studie zeigte, dass und wie das Labor zuerst als ein emotionsloser Raum gedacht wurde. Gefuehle wurden in diesem naturwissenschaftlichen Kontexten zuallererst als Artefakt und Stoersignal wahrgenommen und durch diesen Einzug der Emotionen die exakten Wissenschaften selbst subversiert. Das spaete 19. Jahrhundert verstand Dror dabei treffend als eine Gesellschaft, in der emotionale und nichtemotionale Bereiche strikt voneinander abgetrennt worden seien. Nicht die Emotionen, die exakten Wissenschaften selbst standen ploetzlich auf dem Spiel: Um Messwerte zu generieren, behalf man sich schliesslich sowohl mit realitaetsfernen Regeln (Arzt zum Patienten: "Jetzt werden sie bitte ruhig.") sowie mit dem Selbstversuch des Wissenschaftlers, der "das universale" Gefuehl in den Datensalat exhibitionistischer Selbstauskuenfte hinein verfluechtigte. Charles Brotman (University of Rochester, USA) und Chandak Sengoopta (University of Manchester, UK) situierten abschliessend die zeitgenoessischen Auffassungen des "emotionalen Lokalisationsparadigmas" im Werk Herbert Spencers und in den psychologischen Kreisen im Wien der Jahrhundertwende 1900. Sengoopta machte dabei zum Beispiel die Denkfiguren des Pardigmenwechsels in der Nervenheilkunde anhand der Schriften Richard von Krafft-Ebing und Eugen Steiners deutlich. Die Abwendung von der Neurologie und gleichzeitige Hinwendung zu einer Art "Sekretologie" bezeichnete Sangoopta dabei treffend als einen Wechsel von "solids to fluids" - auch hier ist die Sprache mit den (natur)wissenschaftlichen Denkfiguren verknuepft.

Vor diesem von den Science Studies gewebten Wandteppich der "images" haengten nun in der zweiten Session die Kunstwissenschaften ihre "Artefakte" auf. Marcia Pointon (University of Manchester, UK) zeigte dabei am Beispiel der Arbeit und der Rezeption von Hogarth's Gemaelde "Sigismunda", wie man von den klassischen Kunstwissenschaften ausgehend automatisch in den weiteren Bereich kulturwissenschaftlicher Geschichtsdeutungen gelangt. Eine gedankliche Bewegung, die auch Adriana Bontea (University of Sussex, UK) an ihren Ausfuehrungen u. a. zu Le Bruns Akademie vorfuehrte und die Dalia Judovitz (Emory Universty, USA) an ihrer Studie zu den Zusammenhaengen zwischen der Malweise de La Tours und den Gesten seiner Figuren wiederum werkimmanent ausdeutete, also in die Negativform des "wider framework" zurueckfuehrte. Michael Schwartz (Augusta State University, USA) zeigte, wie sehr die Fragebedingungen das Ergebnis der Forschung vor dem Bild zu beinflussen in der Lage sind. Er brachte, vor dem Hintergrund eines spirituellen Frage-Impetus, den Aspekt der Spiritualitaet in der Affektuebertragungen der Renaissance ins Spiel: Raeume und Perspektiven liessen sich in dieser Lesart als "Gefuehlsraeume der Affektperspektiven" begreifen. Doch selbst mit dem Hinweis auf Alberti wurde nicht klar, wie denn diese Zeitgenossen Bilder wahrnahmen. Spaetestens hier wurde deutlich, auf welch duennem Eis einer schmalen Materiallage zur zeitgenoessischen Rezeption sich die Emotionsforschung stets befindet - ein Umstand, den Michael Heyd (The Hebrew University, Israel) und Isabella van Elferen (Utrecht University, Netherlands) mit ebenso erfrischenden wie fachuebergreifenden Relektueren einiger Quellen angingen. Heyd zeigte anhand der Selbstzeugnisse vor allem englischer Pfarrer der Voraufklaerung wie sich Rhetoriken der emotionalen Selbstbeschreibung aenderten, van Elferen machte anhand des "Liebesdiskurses" in den Texten des deutschen protestantischen Barock die Verquickungen und Ueberschneidungen unterschiedlicher Sprach- und Gedankenraeume deutlich. Beide fuehrten so die Erweiterung der Ausgangslage kulturwissenschaftlich ausdeutbaren Materials vor.

Wobei mit Michael Heyd auch schon die letzte Session beruehrt ist: "Managing Emotions". Christine Battersby (Warwick University, UK) machte den kulturwissenschaftliche Blick auf Emotionen mit einer Analyse des Begriffs der "abstract philosophy" bei David Hume konkret: Aus der Perspektive der philosophischen Lektuere wurde deutlich, wie gender-Zuschreibungen und Weltverstaendnis Humes korrelierten - beide aufgrund einer von Battersby dezidiert vorgefuehrten Ansicht Humes zur emotionalen Natur "of man". Auch Christopher Gaertner (University of East Anglia, UK) machte in seinem Vortrag den Wert der historischen Analyse von Denkstilen deutlich. Anhand der Debatte um die Musik Glucks in den "Querelles des Gluckistes et des Piccinistes (1777-79)" beschrieb er, wie sich im konkreten Beispiel einer geistesgeschichtlichen Debatte weitere kulturelle und theoriebildende Selbstverstaendnisse abbilden - insbesondere zur menschlichen Emotion. Seine Studie naeherte sich dabei der von Burke in seinem Eingangsreferat vorgeschlagenen Betrachtung des "Diskurses im Diskurs" selbst. Letztlich war es Penelope Gouk vorbehalten, diesen Kreis zu schliessen: Mit ihren Ausfuehrungen zur musikpaedagogischen Praxis des schottischen Philosophen der Aufklaerung John Gregory ueberfuehrte sie die diskurstheoretischen Ueberlegungen der letzten Session wieder in die Beobachtung der Praxis.

Zusammenfassend laesst sich festhalten, dass das historische Sprechen ueber Gefuehle, die Analyse der Denkfiguren, die zu diesem Sprechen fuehrten und unsere heutige Sprache in der Annaeherung an diese Denkfiguren einander zirkulaer umschliessende Kreise sind: Wir koennen nur vermittelt wahrnehmen, wie Affekte geweckt oder beobachtet wurden - und wir sind aufgefordert, die Denkstile vergangener Epochen geschichtswissenschaftlich genau zu analysieren, bevor man im Sprechen von und ueber diese Emotionen dem Missverstaendnis heutiger Sprachgewohnheiten aufsitzt. Es ist das Verdienst dieses produktiven Symposiums an der University of Manchester, die unterschiedlichen emotionswissenschaftlichen Diskurse in ihrem jeweiligen Sprechen deutlich gemacht zu haben. Es ist wuenschenswert, dass diese Conference der Startschuss zu einer Reihe weiterer Veranstaltungen war - eine Publikation der Vortraege ist bereits ebenso in Arbeit wie eine Fortfuehrung der Forschungstaetigkeit zu den Emotionen an den unterschiedlichen Fakultaeten der University of Manchester.


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Deutsch
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