Erinnerungsorte der SBZ- und DDR-Geschichte
Die Etablierung von Gedenkstaetten und Ausstellungen zur DDR-Geschichte ist in den vergangenen Jahren energisch vorangeschritten, und ein Professionalisierungsprozess in Ausstellungsgestaltung wie paedagogischen Angeboten unuebersehbar. 25 in Gedenkstaetten und Aufarbeitungsinstitutionen, Weiterbildung, Schulen und Hochschulen Taetige beteiligten sich an einer Fachtagung, die ein Zwischenresuemee der Jugend- und Erwachsenenbildung, der bisherigen Erfahrungen und Probleme an diesen "Erinnerungsorten" versuchte.
Zwei Einrichtungen der historisch-politischen Bildung (Bildungswerk der Humanistischen Union/Essen und Politische Memoriale/Schwerin) hatten - mit Unterstuetzung der Stiftung zur Aufarbeitung der DDR-Diktatur - im Winter und Fruehjahr 2001/2002 sechs Workshops (u.a. in Berlin, Eisenhuettenstadt, Dresden und Bautzen) angeboten, an denen politischen BildnerInnen, Lehrerinnen und Lehrern und Gedenkstaettenmitarbeitern teilnahmen. Die Leiter dieses Projekts "Erinnerungsorte der SBZ-/DDR-Geschichte", Heidi Behrens und Andreas Wagner, stellten Ziele und Resultate zur Diskussion. Mit den umfassenden Informationsbeduerfnissen grosser Besucherzahlen sind all diese Orte genoetigt, die gesellschaftliche Debatte ueber die "zweite Vergangenheit" in ihrer ganzen Breite aufzunehmen. Die Erprobung paedagogischer Angebote erwies, dass es fuer die MultiplikatorInnen in den Bildungseinrichtungen einen grossen Bedarf an zusaetzlicher Fortbildung und Informationsservice fuer den Gebrauch der Gedenkstaetten gibt. Ein Problem: viele Ausstellungen bergen eine Botschaft speziell fuer Ostdeutsche, die DDR-Erfahrungswissen voraussetzt und gegenueber anderen BesucherInnen einer "Uebersetzung" bedarf.
Was ist der spezifische Wert paedagogischer Arbeit an und mit den "Erinnerungsorten"? Das Resuemee des Projekts lautet: Die Erinnerungsorte der DDR-Geschichte bieten "Raeume fuer ernste Kontroversen", um die aus dem Zentrum oeffentlichen Interesses gerueckten, aber nicht abgeschlossenen Diskurse ueber die Bewertung der DDR weiterzufuehren. Ein Spannungsverhaeltnis zwischen Normativitaet und offenen Lernangeboten ist dabei wohl nicht aufhebbar.
Im weiteren Programm umkreiste die Tagung mit Beitraegen aus Ost- und Westbundeslaendern, Gedenkstaetten, Hochschulen und Bildungsinstitutionen die Voraussetzungen des Lernens an diesen besonderen Geschichtsorten: die allgemeinen Rahmenbedingungen des Geschichtslernens, Forschungsergebnisse zum Geschichtsbewusstsein und historischen Lernen in Deutschland, die Rolle lebensgeschichtlicher Erinnerungen in der Bildungsarbeit. Die spezifischen Vermittlungsformen und -erfahrungen in Sachen DDR-Geschichte wurden in mehreren Kurzbeitraege aus Gedenkstaetten und schulischer Bildungsarbeit skizziert - nicht nur auf der Inhaltsebene stellen sich neue Fragen, sondern auch in der Interaktion zwischen Jugendlichen, der DDR-sozialisierten Elterngeneration und Lehrenden mit oftmals "gebrochenen Biografien".
Auch die Auswirkungen der SBZ-DDR-Aufarbeitung fuer die NS-Gedenkstaetten wurden zum Thema: Th. Lutz diskutierte die Frage, wie es zukuenftig um die Saeulen der westdeutschen Geschichtskultur steht, und hielt einen ambivalenten Eindruck fest. Das "Gedenken", vormals ein Oppositionsprojekt, ist "in die Mitte der Gesellschaft gerueckt". Aber die DDR-Themen und -Gedenkorte haben in den NS-Gedenkstaetten Verunsicherungen hervorgerufen, und der Austausch ist unterentwickelt, eine gemeinsame professionelle Weiterentwicklung sinnvoll und moeglich.
Eine genauere Reflexion des didaktischen Repertoires von Gedenkstaetten und Erinnerungsorten zur DDR ist, glaubt man den Debatten der Expertentagung, eine wichtige Zukunftsaufgabe. Daneben zwingt aber die biografische Naehe des Themas, Besucher-Erinnerungen aller Art, "systemnahe" und andere, zuzulassen, auch wenn dies manchen in den Gedenkstaetten engagierten Revolutionaeren von 1989 oder den SED-Opfern verstaendlicherweise schwerfaellt. Eine "fruchtbare Anarchie der Rezeption" sah Andreas Ludwig am Werk - fuer Bildungsprozesse nicht die schlechteste Voraussetzung.
Eine ausfuehrliche Version dieses Tagungsberichts ist unter <http://www.hu-bildungswerk.de/onlinearchiv_ddr-erinnerungsorte.html> nachzulesen.