Globalization and Urban Studies: How to study the metropolis in transition?

Globalization and Urban Studies: How to study the metropolis in transition?

Organisatoren
Institute for Urban and Regional Research, Austrian Academy of Sciences & International Research Center for Cultural Studies (IFK)
Ort
Wien
Land
Austria
Vom - Bis
24.10.2002 - 25.10.2002
Url der Konferenzwebsite
Von
Georg Spitaler, Wien Email:

Die mit dem Begriff der Globalisierung assoziierten Veränderungsprozesse wurden in den letzten Jahren nicht zuletzt am Beispiel der Transformation der Metropolen – Stichwort Global Cities – diskutiert. Den theoretischen wie methodologischen Herausforderungen, vor die sich die Stadtforschung in dieser Hinsicht gestellt sah, widmete sich die Tagung "Globalization and Urban Studies: How to study the metropolis in transition?", die am 24. und 25.Oktober 2002 am Wiener IFK/Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften (www.ifk.ac.at) als Teil des aktuellen Forschungsschwerpunkts „Metropolen im Wandel“ und in Kooperation mit dem Institut für Stadt- und Regionalforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW, www.oeaw.ac.at/isr/) abgehalten wurde.

Ausgangspunkt der von Rolf Lindner (Humboldt-Universität zu Berlin) und Christof Parnreiter (ÖAW) konzipierten Veranstaltung war dabei die These, dass die vielfältigen und widersprüchlichen Dynamiken und Flows globaler Metropolen auf einer Reihe unterschiedlicher Ebenen (lokal, national, regional, global) analysiert werden müssen und dabei die gebräuchlichen Prämissen der Stadtforschung zumindest in zwei Bereichen vor Probleme gestellt werden: Sowohl was die üblicherweise meist statische und staatszentrierte Datengewinnung betrifft als auch in Bezug auf das beliebte Konzept der „Stadt als Text“, das die materiellen Aspekte der städtischen Veränderungsprozesse oft nicht adäquat fassen kann, würden sich erhebliche Schwierigkeiten ergeben.

Vor diesem Hintergrund diskutierten StadtforscherInnen aus Österreich, Deutschland, Lateinamerika und den USA, um, so die Konzeption der Veranstalter, zu neuen integrierenden Forschungsansätzen zu gelangen, die die derzeit bestehende Dichotomie im Bereich der Stadtforschung zwischen politischer Ökonomie einerseits sowie Kulturwissenschaften bzw. Cultural Studies andererseits überwinden könnten.

Folgerichtig teilte sich das Programm der Tagung in zwei inhaltliche Blöcke, wobei am ersten Tag die Imaginationen der Stadt bzw. das urban imaginary – historisch geformt, kulturell kodiert und mit spezifischen Bedeutungen aufgeladen – am zweiten aber eher politisch-ökonomische Veränderungstendenzen der globalen Metropolen – die Transformation der Verhältnisse zwischen Kapital, Arbeit und Raum – im Mittelpunkt standen.
Den ReferentInnen fiel die nicht immer leichte Aufgabe zu, diese beiden möglichen Gegenpositionen in ihren Beiträgen wieder zusammenzuführen, wobei der empirische Schwerpunkt vieler Vorträge auf dem lateinamerikanischen Raum lag.

James Donald (Curtin University of Technology/Western Australia) widmete sich in seinem Beitrag Imagining the Modern Metropolis in erster Linie jenen „Theoretisierungen der Stadt“, die zeitgenössische Künstler wie Jeffrey Shaw in ihren Arbeiten vorgenommen haben.
Am Beispiel der interaktiven Installationen des in Karlsruhe lehrenden Australischen Multi-Media-Pioniers Shaw (The Legible City, 1989 http://www.jeffrey-shaw.net/html_main/frameset-works.php3; Place – a user’s manual, 1995 http://www2.kah-bonn.de/1/17/0.htm; Place/Urbanity, 2002) fand er zu neuen Interpretationen der Stadt als Text: Diese würde von ihren Benutzern weniger semiotisch interpretiert, sondern vielmehr pragmatisch genutzt. Moderne wie spätmoderne Arbeiten der bildenden Kunst, die in ihren Sujets konkrete Städte imaginierten, untersuchte Donald unter dem Gesichtspunkt des „Verschwindens des Ereignisses“, das in der Zwischenzeit der Abbildung von non-spaces platzgemacht hätte.

Ebenfalls am ersten Tag der Veranstaltung versuchte Sergio Tamayo (AMU Azcapotzalco/Mexico City) in seinem Vortrag über "Global Cities and Everyday Life – The case of Mexico City" Fragen politischer Mobilisierung und Vorstellungen von Bürgerschaft mit der Untersuchung urbaner Imaginationen in Verbindung zu setzen: Am Beispiel des sog. „Marsches für indigene Würde“, dessen zentrale Forderung nach verfassungsmäßiger Verankerung indigener Rechte 24 Commandantes der mexikanischen Zapatistischen Befreiungsarmee EZLN im Frühjahr 2001 aus dem ländlichen Chiapas bis auf den zentralen Platz und politischen Versammlungsort der Hauptstadt Mexico City geführt hatte, untersuchte er jene Imaginationen der nationalen Metropole, die sowohl in den bewusst gewählten Stationen dieses politischen Rituals, als auch den diesbezüglichen Diskursen und Debatten der städtischen Zivilgesellschaft zum Vorschein kamen und verhandelt wurden. Die EZLN, die sich immer auch nationaler Symbole bedient und den Kampf um deren Umdeutung aufgenommen hatte, schuf seit ihrer Gründung eine virtuelle Brücke zwischen ländlichem, indigenem Mexiko und der Hauptstadt, nicht zuletzt durch die modernen und städtischen Diskurse ihres Subcommandante Marcos.
Der Marsch für indigene Würde zeigte dabei auch, welche Bereiche der Hauptstadt als öffentlicher Raum bzw. symbolische, „sichtbare“ Zentren der Stadt und des Staats wahrgenommen werden: ein imaginäres Dreieck, das neben dem historischen Stadtzentrum etwa die Universitäten oder das neue „globale“ Mexico City umfasst.

Auch im Beitrag von Kathrin Wildner (Universität Hamburg/UAM-Azcapotzalco/Mexico City) zu "Local Sites of Globalization – Transformation, everyday practice and imaginary of urban space in Mexico City", stand die mexikanische Hauptstadt im Mittelpunkt der Untersuchung. Gerade am Beispiel der lateinamerikanischen Metropole präsentierte die Referentin eine Reihe von möglichen Werkzeugen für eine ethnographische Forschung der sich transformierenden globalen Stadt.

Im Zentrum standen dabei die konkreten Möglichkeiten einer Erforschung des lokalen Schauplatzes von Globalisierungsprozessen, bzw. die Frage nach der Materialisierung von globalen wirtschaftlichen und politischen Prozessen, die sich etwa im Bereich der Stadtentwicklung und der (Re-) Organisation von urbanem Raum manifestierten.
Am Beispiel der neuen Stadtentwicklungszone Santa Fé, einer jener prototypischen „städtischen Inseln“ und Technologiezentren, die zum Inbegriff globalisierter städtischer Restrukturierung wurden, entwarf Wildner eine ethnographische Forschungsagenda:
Diese umfasste etwa (1) flaneurhafte, umherstreifende Beobachtungen, um die Atmosphäre, die Geräusche, Gerüche und den Rhythmus des Untersuchungsfeldes aufzunehmen; (2) systematische Beobachtungen, etwa der physischen und materiellen Struktur des Orts (Elemente der Stadtplanung und Architektur, ihrer Materialien und lokalen Besonderheiten), der spezifischen Aneignungen der Menschen (die in Santa Fé fast nur an den weniger überwachten Rändern möglich schienen), der AkteurInnen, die den Raum in ein belebtes Gebiet verwandeln, oder der Zeitstruktur, die den Ort ebenfalls formen (etwa in Form bestimmter Öffnungs- oder Arbeitszeiten); (3) Interviews, teils unter Einsatz von Bildmaterial zur Gewinnung assoziativer Antworten, die nicht nur mit ExpertInnen, sondern auch mit jenen Menschen geführt werden müssen, die den konkreten Raum in ihrem Alltag nutzen; (4) die Anfertigung von mental maps durch die InterviewpartnerInnen, um auf diese Weise Zugang zu individuellen wie metaphorischen symbolischen Wahrnehmungen der Stadt bzw. zur Verbindung von physischer Umgebung, Wahrnehmung und kognitiver Organisation von Raum zu gelangen.

Diesen und einigen weiteren auf das Imaginäre der Stadt gerichteten Beiträgen folgte am zweiten Tag der Veranstaltung eine tendenzielle Schwerpunktsetzung auf den Bereich der politischen Ökonomie:
Nach einem einführenden Vortrag des britischen Stadtforschers Peter Taylor (Universität Loughborough), dem neben Bryan Roberts (University of Texas/Austin) vielleicht prominentesten Referenten der Tagung, zur Generierung brauchbarer Daten für den Vergleich von Global Cities im Rahmen der/des Globalization and World Cities Study Group and Network (http://www.lboro.ac.uk/gawc/), beschäftigte sich Lourdes Beneria (Cornell University) mit der "Informalization of Labor Markets and the Changing Landscape of Cities".

Auf der Grundlage von 400 Interviews mit bolivianischen und ecuadorianischen Heimarbeiterinnen wurden dabei vor allem drei Prozesse, nämlich der Trend zur Informalisierung lateinamerikanischer Arbeitsmärkte durch die Verlagerung von Produktion in andere Regionen – etwa nach China –, die damit einhergehenden Dynamiken der Veränderungen von „privater“ Haushaltssphäre sowie die damit verbundenen Veränderungen urbaner Landschaften untersucht.

Diese Veränderungen des städtischen Raums veranschaulichte Beneria etwa an den raschen temporären Veränderungen des Straßenbilds in La Paz, in denen sich informelle Wirtschaftsformen – von denen zunehmend auch die (ehemalige) Mittelklasse betroffen ist – beispielsweise im Rahmen von schattenwirtschaftlichen Straßenmärkten im Zentrum der Metropole manifestieren. Die so untertags entstehenden „gemischten“ öffentlichen Räume gelten allerdings nicht für den Bereich der segregierten Wohnviertel und deren nächtliche soziale Differenzierung der städtischen Bevölkerung.

Der argentinische Stadtplaner und Stadtforscher Pablo Ciccolella (Universität Buenos Aires) beschäftigte sich schließlich mit neuen Formen solcher räumlichen Trennungen: "New Forms of Spatial segregation: The Case of Buenos Aires". Denn die sozialen und territorialen Trennlinien in der argentinischen Hauptstadt hätten sich nicht zuletzt durch die ungleiche Inkorporierung bestimmter Stadtgebiete in das globale Netzwerk weiter verschärft. Direktinvestitionen aus dem Ausland hätten so neue städtische „Inseln“ (urban archipelagos) oder „gated urbanizations“ entstehen lassen, die in Form von diffusen und polyzentrischen Netzwerken die klassische Struktur von Buenos Aires überformen und in Gestalt von "corporate corridors" aus den alten Zentralbereichen der Stadt hinaus in die ehemalige Peripherie ragen. Auf diese Weise wären die Logiken, Mechanismen, Faktoren und Akteure der Transformation von Buenos Aires zunehmend mit der Sphäre globaler Entscheidungen und Kapitalstrategien verbunden.

Wie aus den Schilderungen der hier vorgenommenen Auswahl der Beiträge deutlich wird, ließen die einzelnen Antworten auf die Frage nach der Untersuchung der "Metropolis in Transition" durchaus vielfältige Perspektiven zu. Der von den Veranstaltern angestrebte Versuch, neue und Forschungsansätze für veränderte städtische Räume zu entwickeln war aber allen TeilnehmerInnen gemeinsam. Wo Imaginationen der Stadt im Mittelpunkt standen, geschah dies nie ohne Verweis auf die materiellen oder ideologischen Aspekte der mit dem Begriff der Globalisierung verbundenen Transformationsprozesse; im Gegenzug war auch in den eher ökonomisch orientierten Beiträgen immer die Materialität urbaner Imaginationen präsent.

http://www.ifk.ac.at/calendar.php?e=76