Gender und Politik um 1800

Organisatoren
Katharina Rennhak und Virginia Richter (LMU München)
Ort
München
Land
Deutschland
Vom - Bis
11.09.2002 - 13.09.2002
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Von
Simone Wangler

Eine interdisziplinäre Tagung für NachwuchswissenschaftlerInnen

Veranstalterinnen: Katharina Rennhak und Virginia Richter, Ludwig-Maximilians-Universität München (Department für Anglistik & Amerikanistik/ Institut für Englische Philologie) gefördert durch das Hochschul- und Wissenschaftsprogramm (HWP) für 2001-2003
(das vollständige Programm finden Sie unter
http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/index.asp?id=1472&pn=terminemine)

Im Fokus dieser interdisziplinären Tagung stand der Zeitraum, welcher der modernen Historiographie gemeinhin als 'Sattelzeit' (Reinhart Koselleck) gilt. Der Begriff umreißt grob die Jahre zwischen 1750 und 1830, eine Periode, in die viele nicht nur aus heutiger Sicht 'geschichtsträchtige' Ereignisse fallen, die durch Politisierungsschübe, Modernisierungs- und Ermächtigungskrisen gekennzeichnet war und die von zahlreichen Widersprüchen sowie von gegenläufigen Tendenzen geprägt wurde. In den Reihen genderorientierter WissenschaftlerInnen herrscht allgemeiner Forschungskonsens, den fokussierten Zeitraum als konstitutiv für ganz unterschiedliche Debatten um die 'Ordnung der Geschlechter' (Claudia Honegger) anzusehen.

Ziel der beiden Veranstalterinnen Katharina Rennhak und Virginia Richter war, sich der Thematik "Gender und Politik um 1800" nicht aus einer einzelnen Fachrichtung, sondern durch eine explizit interdisziplinäre Sichtweise der Problematik aus verschiedenen Perspektiven und vor dem Hintergrund ganz unterschiedlicher methodischer Kontexte zu nähern. Im Vorfeld wurde ein Konzept in Form eines "Kooperationsmodells" erarbeitet, das bereits vor der eigentlichen Tagung Arbeitstreffen der sechs von ihnen zusammengestellten interdisziplinären Panels vorsah. Praktisch gewendet trafen sich bereits Monate vor der Tagung WissenschaftlerInnen aus den Fachbereichen Anglistik/Amerikanistik, Didaktik, Germanistik, Geschichte, Kunstgeschichte, Politik- und Musikwissenschaft sowie der Romanistik in diesen Arbeitsgruppen, um ihre geplanten Beiträge zu diskutieren, Anknüpfungspunkte zu suchen und neue Fragestellungen zu entwickeln. Resultat war dabei nicht allein eine fruchtbare Tagung mit sehr gut abgestimmten Panels, sondern auch ein langfristig entstandenes Netzwerk von WissenschaftlerInnen über die Grenzen Deutschlands hinaus.

Der Eröffnungsvortrag Cornelia Klingers (Institut für die Wissenschaften vom Menschen, Wien/ Philosophisches Seminar, Universität Tübingen) beschäftigte sich mit der grundsätzlichen Frage nach der Bedeutung der Epochenschwelle um 1800 für die Geschlechterverhältnisse. In ihrem Forschungsreferat wurden die grundlegenden gesellschaftlichen Ausdifferenzierungsprozesse und die daraus resultierenden Konsequenzen für den weiblichen Geschlechtscharakter rekapituliert. Naturalisierung, Emotionalisierung, Sakralisierung und Idealisierung waren dabei Schlagworte, auf die in den sich anschließenden Referaten immer wieder Bezug genommen wurde.

1. 'Staatstragende Weiblichkeit? Herrschaft, Recht und Identität als politische Fiktionen'

Gegenstand des Beitrags von Christine Fischer (Bern), der den Konnex von Politik, Kunst und Geschlecht herstellte, war die als "Ausnahmeerscheinung" in politischer und künstlerischer Hinsicht beschriebene gebürtige bayerische Kurprinzessin und spätere Kurfürstin von Sachsen, Maria Antonia Walpurgis (1724-1780), deren musikalischer Beitrag zur "Bildungs- und Herrschaftsdebatte" als eine Gratwanderung dargestellt wurde, zwischen einer etablierten - durch das Medium Oper, als eine Form höfisch-absolutistischer Selbstrepräsentation, provozierten - Herrscherdarstellung und -verherrlichung einerseits und selbstgeschriebener und -inszenierter, aufklärerisch geprägter Handlungskonzepte - mit "deutlich geschlechterpolitischen Aussagen" - andererseits.

Die Germanistin Simone Wangler (Mannheim) diskutierte den Interdiskurs von Religion, Nation und Geschlecht anhand des legendial-hagiologisch codierten, ursprünglich volkstümlichen, durch Friedrich Maler Müller in die 'Höhenkammliteratur' transponierten, dramatisierten Genovevastoffs. Ausgehend von der These einer "Feminisierung der Religion" (Welter/McLeod) wurde der angenommene paradigmatische Umbruch bürgerlicher Weiblichkeitskonzepte (Laqueur) seit der 'Sattelzeit' auf der Grundlage christlich-hagiologischer Mythen um die Modelle 'Eva' und 'Maria', auf der Ebene 'literarisch-symbolischer Repräsentationen' veranschaulicht und gezeigt, dass diese dualistischen Weiblichkeitsentwürfe Brüche aufweisen und beispielsweise am Paradigma 'Mütterlichkeit' ihre 'Ein-deutigkeit' verlieren.

Ethel Matala de Mazza (Berlin) stellte vor dem Problemhorizont, dass der politische Körper gemeinhin als "Körper ohne Geschlecht" wahrgenommen wird die Frage, wie sich eben dieser Körper zum Geschlecht ins Verhältnis setzt: Mit welchen "juridischen, sozialen und imaginären Einsätzen" reproduziert er die Differenz der Geschlechter, um sich als "Machtpol politischer Ganzheit zu installieren"? Und weiter: Mit welchem Geschlecht er seinen eigenen Körper, den 'body politics' identifiziert? Die Germanistin beleuchtete kursorisch seine verschiedenen Paradigmen und markierte die 'Schnittstellen' jener Zäsuren, die "diesen Körper einsetzen, um in seinem Namen neuerliche Zäsuren und Differenzen durchzusetzen".

2. Emanzipation durch Wissen? Bildung und Erziehung des weiblichen Geschlechts in Theorie und Praxis

Die "Conversations d'Emilie" (1774 /1782) von Madame d'Épinay, in denen sich zwei sehr unterschiedliche Gattungstraditionen vereinen - zum einen die des von "Madame de Maintenon im 17. Jahrhundert begründeten 'Erziehungstheaters' für Mädchen" und zum anderen die des "platonischen Dialogs, wie er in den Schriften der französischen 'philosophes' wieder auflebte" - dienten der Romanistin Alexandra Kleihues (Zürich) als Gegenstand. Gezeigt wurde, dass sich in den skizzierten "Plaudereien" zwischen Mutter und Tochter die "familiale Hierarchie" auflöst und den 'Conversations', durch den ihnen inhärenten - Geschlechterrollen unspezifischen - bürgerlichen, säkularisierten Wertekodex, ein "utopisch-appellativer Charakter" zugeschrieben werden kann.

Ausgehend von der Konstituierung des Geschlechtscharakters um 1800, beleuchtete Sabine Doff (München) die ideengeschichtlichen Grundlagen näher, auf die sich vornehmlich männliche Pädagogen bei der Gestaltung des höheren Mädchenschulwesens in Deutschland immer wieder bezogen. Dazu zählen vor allem das philanthropische Modell der dreifachen weiblichen Bestimmung sowie die 'idealistische' Theorie der Geschlechterpolarität. Auch die radikal-emanzipatorischen Gegenentwürfe Mary Wollstonecrafts und Theodor von Hippels blieben nicht unerwähnt. Abschließend wurde die konkrete Umsetzung der verschiedenen Entwürfe skizziert.

3. Handlungsräume

Am Beispiel jüdischer Salonièren fragte die Historikerin Hannah Lotte Lund (Berlin) nach Chancen und Grenzen einer gleich dreifachen Emanzipation "von den Beschränkungen durch 'race', 'class' und 'gender'". Ihre Antwort fiel sehr ambivalent aus: Der Salon als Zwischen-Raum eröffnete diesen Frauen die Möglichkeit durch den Empfang zumeist männlicher Vertreter der literarischen und/oder politischen Öffentlichkeit in ihren privaten Räumen, ihren intellektuellen oder gesellschaftlichen Ambitionen nachzugehen, ohne die gesellschaftlich vorgegebenen Rollen als 'Hausvorstand' und Gattin zu vernachlässigen. Allerdings wurde deutlich, dass eine politische Breitenwirkung der Salons durch die Bedeutung von sozialen Gegensätzen und einen nicht nur latenten Antisemitismus verhindert wurde.

Ausgehend von der Problematik, dass 'Geschlechtscharaktere' seit Ende des 18. Jahrhunderts 'entstanden', schließlich "normative Verbindlichkeit" erlangten und so geschlechtsspezifische Handlungs(spiel)räume 'vorgegeben' waren, zeigte die Germanistin Christina Jung-Hofmann (Mainz) an dem "stark autobiographisch geprägten", Fragment gebliebenen Lesedrama von Annette von Droste Hülshoff, welche psychopathologischen Folgen diese Begrenzung für schreibende Frauen zeitigen konnte. Zentral ist der 'double bind' von Protagonistin und Autorin: Beide scheitern an dem Versuch, die dichotom imaginierten Geschlechterverhältnisse aufzubrechen oder gar zu negieren, sodass der fiktionale emanzipatorische Entwurf - auf der ganzen Linie - Utopie bleiben musste.

Die Anglistin Helga Schwalm (Berlin) zeigte, wie William Godwin mit seinen 'Memoirs of Wollenstonecraft' den Handlungsspielraum des Biographen und d.h. den Spielraum der Gattung über eine Verletzung der sozialen, moralischen und gattungspoetologischen Normen hinaus revolutionieren konnte. Es gelang ihm so eine 'deviante' Lebensgeschichte "aus ihren eigenen Regeln heraus zu legitimieren" und zugleich die eigene biographische Perspektive als historisch-lebensgeschichtlich gewordene zu rekonstruieren. Auch die Kehrseite dieses innovativen Konzepts, welches mit der populären Stimmung um 1800 nicht konform ging, zeigte Schwalm, denn Godwins Werk bewirkte, dass sich schließlich - im anti-radikalen Stimmungsumschwung seit 1793 - auch die letzten Bewunderer von Mary Wollenstonecraft abwandten.

Das Konzept des 'Thirdspace", ein auf Edward Soja zurückgehendes, die geographische Forschung integrierendes Konzept, als dessen Grundidee die Ablehnung einer "die Forschung dominierenden Dichotomisierung" und die Betonung einer "Tradition theoretischer Trialektik" genannt wurde, stellte Doris Teske (Würzburg/ Heidelberg) zur Diskussion. Im Zusammenhang mit der Frage nach der Anwendbarkeit dieses Konzepts schlug die Anglistin konkret vor, den in fiktionalen wie dokumentarischen Reisebeschreibungen von Frauen um 1800 beschriebenen Raum als Ergebnis einer Trialektik von gelebtem und bereistem physischen Ort, wahrgenommenem Raum und imaginiertem Raum zu deuten. Die bewusste Anwendung sei so Mittel zur Abgrenzung des Handlungs(spiel)raums, der wiederum als dritter Raum der Auseinandersetzung zwischen bestätigender Übernahme von Raumkonventionen und alternativer Raumschreibung derselben verstanden werden kann. Dieser Raum wäre somit nach Teske der "(oft utopische) Ort einer Durchbrechung vereinfachter Geschlechterdifferenzierung".

4. Gender-Transgressionen?

Der "Tod auf dem Schlachtfeld", ein in der englischen und amerikanischen Kunst um 1800 besonders populäres Motiv mit dem ein Ideal militärischen Heldentums formuliert wurde, war das Thema der Kunsthistorikerin Katja Wolf (Trier). Anhand von Werken der führenden Historienmaler Benjamin West, John Singleton Copley und John Trumbull wurde der Typus des empfindsamen und potentiell effeminierten militärischen Führers in Zusammenhang mit der facettenreichen Diskussion über Männlichkeit gebracht und so auf die Differenziertheit des zeitgenössischen Männlichkeitskonzeptes sowie auf die Veränderung im hegemonialen Diskurs verwiesen. Vorherrschend ist neben den verschiedenen, nebeneinander bestehenden Helden, allerdings der Typus des empfindsamen Mannes, dessen Verfeinerung und gesteigerte Sensibilität ihn prinzipiell in die Nähe zur 'Natur der Frau' rücken.

Hinter Julia Schölls (Bamberg) Beitrag verbarg sich eine neue interpretatorische Herangehensweise an die beiden, in geringen zeitlichen Abstand erschienen Dramen 'Penthesilea' und 'Das Käthchen von Heilbronn' des Kanonautors Kleist mit ganz unterschiedlichen Wirkungsgeschichten. Davon und von der jeweils unterschiedlich wahrgenommenen "Differenz zwischen Text und Performativität" ausgehend betrachtete die Germanistin die beiden Frauen zusammen, die seit jeher als Gegenfiguren galten. Über die Rekonstruktion der in der Forschung reproduzierten dualistischen Einordnung, der parallelen Handlungsmuster und -motivationen sowie der Berücksichtigung der Tatsache, dass die eine schließlich "zur menschenfressenden Hyäne" mutierte, während die andere als "Inkarnation weiblicher Tugenden in die Literaturgeschichte" einging, entstand die Frage, ob diese Zuordnung nicht vielmehr dazu diene, auf Seiten des Rezipienten die gestörte symbolische Ordnung der Geschlechter wiederherzustellen.

Im Mittelpunkt des Referats von Katharina Rennhak (München) standen die Konstruktionen von Weiblichkeit und Männlichkeit in Romanen von Hays und Wollenstonecraft auf der Grundlage der These, dass beide Autorinnen versuchten, über die Vertextung weiblicher Alltagserfahrung die Position der Frau im gesellschaftlichen Diskurs der 1790er neu zu bestimmen. Ausgehend von der Beobachtung, dass sich beide dabei einerseits am 'plot' des sentimentalen Romans orientieren, ihn andererseits aber transformieren, wurde gezeigt, wie und warum die männlichen Figuren des sentimentalen Romans (der Tyrann, der rationale Denker, der sentimentale Mann) - anders als die sentimentale Heldin - ohne tiefgreifende Modifikationen in die Romanwelten integriert wurden und somit die Vision von einer rundum restrukturierten Gesellschaft, in der sich das neue weibliche Subjekt entfalten könnte, blockierten.

Claude Conter (Bamberg) untersuchte die unterschiedlichen literarischen Reaktionen auf die Rolle der Frau nach der Französischen Revolution in Deutschland und wie weibliches politisches Handeln rechtfertigt wurde. Dies einerseits an der Darstellung der 'femme-soldat' in den Stücken von Heinrich Zschokke und Christine von Westphalen, andererseits anhand eines Gegenentwurfs des als Bedrohung bürgerlicher Werte wahrgenommen Frauenbilds, das an der "Nobilitierung der politischen Tat einer Frau" arbeitete, um sie durch die Zuweisung bürgerlicher Kodierungen neu zu bewerten. Modell dafür standen bürgerliche Dramen der Publikumslieblinge W.A. Iffland und August von Kotzebue. Gezeigt wurde wie dort die Übertretungen von Geschlechterrollen rückgängig gemacht wurden und wie das Problem der Mutterrolle - zwischen politischer und familialer Pflicht - gelöst wurde.

5. Männlichkeitsbilder im französischen Orientalismus

Dieses Panel konzentrierte sich auf den historischen Kontext um 1800 in Frankreich. Die Romanistin Nina Engelhardt (München) widmete sich der Frage nach Männlichkeitskonstruktionen in Victor Hugos Gedichtsammlung 'Les Orientales'. Diese beschrieb sie als "Versuch einer Integration des Orients in eine westliche Poetik" und sah darin nicht nur - analog zur realpolitischen Besetzung im Zuge kolonialer Expansion - eine "Besitzergreifung auf ästhetischer Ebene", sondern auch einen ersten Ansatz von Alteritätsreflexion in der Romantik. Es wurde deutlich, dass bei Hugo in der "Begegnung mit dem Anderen" zwar Orient-Stereotype erneut bekräftigt werden, sich aber ebenso Spuren möglicher Ambivalenz in der "Rede über die orientalische Alterität" finden.

Der kunsthistorische Beitrag von Melanie Ulz (Trier) bestätigte den Befund eines uneinheitlichen Bildes des 'Anderen'. Viele ambivalente Bilder orientalischer wie französischer Männlichkeit existierten nebeneinander, wobei "männliche Vielfalt unter dem Ausschluss von Weiblichkeit zelebriert" und durch "effeminierte Männlichkeit" ersetzt wurde. Ansatzpunkt war das Phänomen, dass der im Vergleich zur umfangreichen kulturellen und wissenschaftlichen Aneignung Ägyptens militärhistorisch unbedeutende Ägyptenfeldzug (1798-1801) die Historienmalerei wesentlich beeinflusste, was an der Geschichte der Figur des 'Mameluken' verdeutlicht wurde.

6. Schwarze Spiegel? Konstruktionen von 'gender' und 'race' im revolutionären Zeitalter

Ausgehend von Anne Mellors These eines geschlechtsdifferent konzeptualisierten romantischen Anti-Sklaverei-Diskurses - wobei der speziell weibliche und feministische Diskurs sich zum großen Teil auf Analogiebildungen stützte, mit denen Sklavinnen und in der Ehe unterdrückte weiße Frauen gleich gesetzt wurden - zeigte Barbara Schaff (München), dass sich weder die binäre Opposition noch die Annahme einer grundsätzlichen situativen Gleichheit von weißen Frauen und Sklaven als Hauptkennzeichen dieser Texte feststellen lassen, sondern dass die Gedichte vielmehr Ausprägungen eines revolutionsgebundenen Diskurses sind, in denen die Sklaverei die Unterdrückung symbolisch repräsentiere. Die religiös, historisch, ethisch, medizinisch und emotional fundierten Anti-Sklaverei-Argumente stützen sich dabei gleichermaßen auf eine grundsätzliche Gleichheit wie eine ebenso grundsätzliche Differenz.

Die 1790er Jahre bedeuteten für England eine Phase politischer Umstrukturierung und zunehmender Unsicherheit. Imperiale Kontrolle und "nationale patriarchale Autorität", so ließen die Amerikanische, die Industrielle und die Französische Revolution erahnen, sollten sich dauerhaft nur noch unter größter Anstrengung aufrechterhalten lassen. Die Zementierung traditioneller Geschlechtergrenzen und die klare geschlechtsspezifische Abgrenzung sozialer Aufgabenfelder waren die Reaktion auf die gefürchtete Destabilisierung der gesellschaftlichen Hierarchien in England. Der Beitrag der Anglistin und Amerikanistin Kirsten Raupach (Münster) illustrierte an abolitionistischen Texten britischer Autorinnen, welch einen entscheidenden Einfluss, eine von der Geschlechterforschung bislang weitgehend vernachlässigte Widerstandsbewegung - die schwarze Revolution von Saint-Domingue - auf den britischen Weiblichkeitsdiskurs und den weiblichen Diskurs hatte.

Virginia Richter (München) behandelte in ihrem Vortrag zwei Texte, die im Spätstadium der kolonialen Sklaverei erschienen sind. Während Mary Princes kurze Autobiographie sich mit ihrer expliziten Schilderung der Gräuel der Sklaverei an den abolitionistischen Diskurs anschließt, nimmt Matthew Lewis in seinem Tagebuch eine paternalistische Position ein, d.h. er fordert nicht die Abschaffung, sondern die Reform der Sklavenhaltung 'zum Schutz' der Sklaven. Ausgehend von dieser unterschiedlichen Positionierung in der Abolitionismus-Debatte wurden kontrastiv drei Aspekte untersucht: die rhetorische Inszenierung von Sklaverei und Gender; die Konstruktion der Figur des Sklaven (insbesondere die Analogisierungen zu Vieh und zu englischen Dienstboten) sowie die Frage nach Autorschaft und Sprecherposition in diesen Texten.

Eine Veröffentlichung der Beiträge in einem Tagungsband ist geplant.


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