Pforzheim im Mittelalter. Alte Fragen und neue Antworten

Pforzheim im Mittelalter. Alte Fragen und neue Antworten

Organisatoren
Stadtarchiv Pforzheim
Ort
Pforzheim
Land
Deutschland
Vom - Bis
12.03.2003 -
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Von
Stefan Pätzold, Stadtarchiv Pforzheim

Pforzheim ist sehr alt. Die Geschichte des Ortes läßt sich bis in die Römerzeit zurückverfolgen. Im Mittelalter fiel durch mehrere Aufenthalte Heinrichs IV. sogar königlicher Glanz auf die Siedlung am Zusammenfluß von Nagold und Enz. Vom 13. Jahrhundert an waren die Markgrafen von Baden die Herren der sich ausbildendenden Stadt. Innerhalb ihres Gebotsbereiches entwickelte sich Pforzheim bald zur einwohnerreichsten und wohlhabendsten Stadt.
Es ist also der Mühe wert, sich mit dem mittelalterlichen Pforzheim zu beschäftigen, auch wenn das moderne Stadtbild und die enormen Archivalienverluste am Ende des Zweiten Weltkrieges das auf den ersten Blick wenig aussichtsreich erscheinen lassen. Neue Antworten auf alte Fragen sind aber ganz sicher dann zu finden, wenn man alle Quellen in die Betrachtung einbezieht.
Das ist umso wahrscheinlicher, als in den beiden Jahrzehnten seit dem Erscheinen des von Hans-Peter Becht herausgegebenen Bandes "Pforzheim im Mittelalter. Studien zur Geschichte einer landesherrlichen Stadt" (Pforzheimer Geschichtsblätter 6, Sigmaringen 1983) die Quellenbasis für eine Beschäftigung mit jener Epoche der Stadtgeschichte sehr verbreitert wurde. So hat der städtische Denkmalpfleger Dr. Christoph Timm durch zahlreiche Grabungen archäologisch hochbedeutsame Erkenntnisse zur Stadtentwicklung zutage gefördert. Darüber hinaus wird die vormalige Leiterin der Forschungsstelle "Deutsche Inschriften" der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Dr. Anneliese Seeliger-Zeiss, in nächster Zukunft ihre Edition "Die Inschriften der Stadt Pforzheim" präsentieren, und Sven Rabeler MA bearbeitet seit mehreren Jahren im Auftrag der Stadt das Pforzheimer Urkundenbuch.
Das war Grund genug, die Experten zu einem Gespräch einzuladen und weitere Gäste hinzuzubitten, die aufgrund ihrer Forschungen Wichtiges und Weiterführendes beizutragen hatten.
Die Reihe der Vorträge wurde eröffnet von Professor Dr. Hansmartin Schwarzmaier (Karlsruhe), der über "Pforzheim in der Salier- und der frühen Stauferzeit" sprach. Er bettete die Aufenthalte Heinrichs IV. 1067 und der Kaiserin Agnes 1074 in den Kontext des Investiturstreits und in den Verlauf der Auseinandersetzungen im Südwesten des Reiches ein. Pforzheim war damals aufgrund seiner geographischen Lage und der Nähe zu Kloster Hirsau ein strategisch wichtiger Ort. Den salischen Königshof vermutete Schwarzmaier im Bereich der Michaelskirche.
Zu dem gleichen Ergebnis kam auch Dr. Christoph Timm (Pforzheim) im Verlauf seiner Ausführungen zu dem Thema "Der Schloßberg in salischer Zeit" nach einer Auswertung der Bodenfunde sowie frühneuzeitlicher Stadtansichten und -pläne. Timm nahm für die salische Zeit die Existenz einer Turmhügelburg an, die um eine Kapelle (einen Vorgängerbau der späteren Pfarrkirche St. Michael) erweitert wurde.
Den engen Zusammenhang von Stadt- und Pfarrentwicklung betonte Dr. Stefan Pätzold (Pforzheim), der über die beiden Pfarrkirchen St. Martin in der Alten und St. Michael auf dem Schloßberg als Pfarre der Neuen Stadt Pforzheim referierte. Er stellte den Wandel des Rechtsverhältnisses zwischen der Mutterkirche und ihrer Filiale dar, der spätesten zu Beginn des 15. Jahrhunderts in eine Vorrangstellung der Tochterkirche St. Michael mündete.
Mit dem 1322 vom Markgrafen von Baden gestifteten Hospital beschäftigte sich Sven Rabeler, der dafür zwei Zinsbücher des Pforzheimer Hospitals aus den Jahren 1505/1512 und 1517 auswertete. Besonders lagen ihm dabei die Beziehungen zwischen dem markgräflichen Stifter, der Stadt und dem Heilig-Geist-Orden am Herzen.
Ebenfalls aus reichlich zur Verfügung stehenden Quellen konnte Dr. Michael Rothmann (Köln) in seinem Vortrag "Fehde und Geleit um Pforzheim im Spätmittelalter" schöpfen. So gelang ihm eine anschauliche Darstellung der Modalitäten und Kosten dieser beiden sozialen Ordnungsinstrumente. Darüber hinaus waren Rothmanns Ausführungen wegen seiner Deutung von Fehde und Geleit als Maßnahmen zur regulierten Interessendurchsetzung sowie zum Schutz von Handel und Verkehr in einer vorstaatlichen Gesellschaft von allgemeiner Relevanz.
Der letzte Vortrag des Tages war der "Pforzheimer Fürstenhochzeit von 1447" gewidmet. Dr. Heinz Krieg (Freiburg im Breisgau) malte die Eheschließung von Markgraf Karl von Baden mit der Großherzogin Katharina von Österreich in schillernden Farben aus. Er vergaß darüber aber nicht, die politischen und diplomatischen Dimensionen des Geschehens zu erläutern, so daß Pforzheim, wie schon zuvor im Beitrag von Professor Schwarzmaier, als Schauplatz eines Geschehens gewürdigt wurde, dessen Bedeutung eine bloß lokale Wichtigkeit weit übertraf.
In der abschließenden Diskussion wurde der interdisziplinäre Ansatz der Tagung gewürdigt: Historiker, Kunsthistoriker, Archäologen und Epigraphiker hatten sich viel zu sagen. Die Diskutanten Dr. Anneliese Seeliger-Zeiss (Heidelberg) und Dr. Mathias Köhler (Halle a. d. Saale) setzten sich besonders für eine noch weitergehende wissenschaftliche Aufarbeitung der mittelalterlichen Pforzheimer Kunstwerke, Künstler und Mäzene ein. Nach der synoptischen Betrachtung aller zur Verfügung stehenden Quellenarten wäre es nunmehr auch an der Zeit, neue Fragestellungen an das Material heranzutragen, um auf diese Weise weitere Erkenntnisse zu gewinnen: Gedacht ist beispielsweise an eine Untersuchung der wirtschaftlichen, sozialen, politischen, aber auch der mentalen, religiösen und künstlerischen Bedeutung von Stiftungen im Mittelalter.
Die Veröffentlichung der anläßlich des Kolloquiums gehaltenen Vorträge ist in einem Tagungsband ist beabsichtigt.

Kontakt

Dr. Stefan Pätzold
Stadtarchiv Pforzheim, Kronprinzenstr. 28, 75177 Pforzheim
Tel.: 07231/393073; e-mail: paetzos@stadt-pforzheim.de


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