Erinnerungsorte und Erinnerungskultur im deutschen Protestantismus des 20. Jahrhunderts

Erinnerungsorte und Erinnerungskultur im deutschen Protestantismus des 20. Jahrhunderts

Organisatoren
Jochen-Christoph Kaiser, Martin Greschat, Thomas A. Seidel, Evangelische Akademie Thüringen
Ort
Neudietendorf (bei Erfurt)
Land
Deutschland
Vom - Bis
04.04.2003 - 06.04.2003
Url der Konferenzwebsite
Von
Jens Murken, Landeskirchliches Archiv Bielefeld

Stell’ dir vor, es ist Abendmahl, und keiner geht hin! Den Gedächtnisakt, der die evangelische Kirche im 16. Jahrhundert wesentlich mit konstituierte (aber auch konfessionell schied), zu vergessen oder ihn als Kultveranstaltung einer praktizierenden Kerngemeinde zu überlassen tangiert die Wurzeln evangelischen Lebens. Die Botschaft von der freien Gnade Gottes würde hier nicht mehr durch Predigt und Sakrament kommuniziert, sondern zu einem reinen „Glaubensdenkmal“ degradiert, wie Hans-Walter Krumwiede schon vor über dreißig Jahren warnte. Die Entdeckung von Erinnerungsorten und einer Erinnerungskultur im Protestantismus kann in dieser Lesart daher als durchaus problematische Abwendung von der lebendigen Gemeinschaft interpretiert werden, wenn eben beispielsweise das Abendmahl als evangelisches Kultmahl sakralisiert wird, nicht aber als lokale Communio, als Gemeinschaft stiftendes Mahl, an jedes einzelne Glied der Gemeinde ausgeteilt wird.

Wir werden hierdurch herangeführt an den Übergang vom Gedächtnis zur Geschichte und mitten hinein in die Diskussion über nicht spontan entstehende, sondern bewusst konstruierte Gedächtnisorte, deren Bedeutung eben auch in der Gegenwart – und dadurch dynamisch – aktualisiert wird. Solche Fragen standen im Mittelpunkt der von Jochen-Christoph Kaiser (Marburg) und Martin Greschat (Münster) gemeinsam mit der Evangelischen Akademie Thüringen in Neudietendorf durchgeführten Tagung über protestantische Erinnerungskultur und Erinnerungsorte.

Die „Wacht des Eingedenkens“ (Pierre Nora) ist – wie die Predigt als Aktualisierung der Stimme Christi – für die bewusste Konstruktion von Erinnerungsorten unerlässlich, wenngleich ihr Modus im Umgang mit Überresten, Zeugnissen, Dokumenten und Bildern ein durchaus eklektizistischer ist. Das theologische bzw. ekklesiologische Krisenszenario der modernen Kirche muss insofern durch die Frage erweitert werden, inwieweit der Verlust an institutioneller Kirchlichkeit einen Verlust an Erinnerung bedingt. Wolfgang Flügel (Dresden) stellte mit diesem Ansatz Kontinuitäten und Wandlungen lutherischer Erinnerungsorte im 20. Jahrhundert dar. Er hob mit der Person Luthers, gegenständlichen Überresten sowie Gedenktagen drei Gruppen von Erinnerungsorten heraus. Erinnerungsorte bezeichnete Flügel als Metaphern dinglicher und nichtdinglicher Merkzeichen, die als Charakteristika ein Bewusstsein für Identität, die Aktualisierung der Erinnerung und den sich verändernden Kontext besitzen. In einem historischen Längsschnitt vom Kaiserreich bis in die Gegenwart machte er deutlich, dass es bei der Untersuchung lutherischer Erinnerungsorte um mehr geht als um den Wandel des Lutherbildes im Laufe der Zeiten. Die „Lutherausbeutung“ diente stets gegenwärtiger Instrumentalisierung, sei es durch die Betonung besonders frommer und besonders deutscher Eigenarten Luthers im Ersten Weltkrieg, sei es im Zuge der Politisierung der Konfessionen in der vom katholischen Zentrum mitgetragenen Weimarer Republik. Im „Dritten Reich“ sollte mit Luther und Hitler ein Bündnis für Glaube und Volkstum geschmiedet werden, während selbst zum Lutherjubiläum 1983 in der Bundesrepublik noch die konstruierte These „Von Luther zu Hitler“ nachwirkte und das Jubiläum nur als Reaktion auf die entsprechenden DDR-Gedenkfeiern begangen wurde.

An die Seite dieses lutherischen Mainstreams stellte Thomas Kuhn (Basel) eine spezifische, mythisch-revolutionäre Zwingli-Rezeption in der Schweiz. Dabei griff er auf eine nicht gehaltene religionskritische Gedenkrede Leonard Ragaz’ aus dem Jahr 1931 zurück. Das Identitätsstreben habe das Geschichtliche in den Hintergrund gedrängt. Ragaz, Professor für systematische und praktische Theologie sowie ein bekannter Friedensaktivist, hob die Freiheit und die nationale Einheit der Reformation hervor. Ohne den Tod Zwinglis, so seine Argumentation, wäre die Schweiz zum geistigen Mittelpunkt Europas geworden. Nun markiere die Schlacht von Kappel (1531) jedoch die größte Katastrophe der schweizerischen Geschichte und der Christen in Europa. Andererseits sei Kappel, wie Kuhn ausführte, auch als ein Zukunft eröffnendes Heilsgeschehen und damit als ein zweifacher Erinnerungsort zu verstehen und nicht als Strafgericht, da es Krisen und Brüche in der Geschichte brauche, um Durchbrüche zu erreichen. Durch Zwingli (den Ragaz mehr als Gesellschaftskritiker denn als Theologen vorstellte), aber auch durch die vorreformatorischen Eidgenossen sei ein wichtiger Beitrag zur nationalen Einheit geleistet worden.

Zwei weitere Tagungsbeiträge widmeten sich – neben diesen kirchlich-konfessionellen Annäherungen an die protestantische Erinnerungskultur –verbandsprotestantisch-diakonischen Erinnerungsorten. Dabei beschrieb Norbert Friedrich (Kaiserswerth) die dem Gustav-Adolf-Verein (GAV) eigene Erinnerungskultur, ließ hingegen die Außenwirkung, den Beitrag des GAV zur Bildformung des Protestantismus in der Gesellschaft, außer Acht. Anhand der historischen Entwicklung des Gustav-Adolf-Vereins betonte Friedrich die konstitutive Bedeutung der Rückbesinnung für die Existenz des Vereins. Dieser sei ohne seine Erinnerungskultur praktisch nicht verstehbar, stelle im Grunde in seiner Gesamtheit einen Erinnerungsort dar. Obwohl auch am Anfang des GAV (Mitte des 19. Jahrhunderts) die Erinnerung an den Tod des Schwedenkönigs Gustav Adolf von 1632 stand, war der Verein prinzipiell unabhängig vom Kult um den populären protestantischen König, versuchte diese Konjunktur freilich für sich zu nutzen. Der GAV blieb zu Beginn auf Sachsen beschränkt. Im Mittelpunkt seiner Arbeit stand die Förderung von Bauprojekten, insbesondere von Kirchen, die die „sichtbare Frucht der Vereinsarbeit“ waren, ohne dass der GAV als reiner Kirchbauverein gelten wollte. Dennoch stellen die Gustav-Adolf-Kirchen mit ihrer spezifischen Architektur und ihrer bescheidenen Ausstattung typische Erinnerungsorte protestantischen Lebens insbesondere in der Diaspora dar: Hier hatten sich die Protestanten des Katholizismus zu erwehren; man traf auf glaubensfeste Gemeindeglieder, die um die Reformation und die Errettung aus katholischer Not wussten. So wie Gustav Adolf als Sinnbild einer Abwehr der Gegenreformation galt, war dessen Name mehr als 200 Jahre später Programm für die Mobilisierung und den Erfolg des Vereins.

Die eingangs angesprochene Dynamik des kollektiven Gedächtnisses stärker in den Blick nehmend, demonstrierte Ute Gause (Siegen) am Beispiel der aussterbenden Diakonissenschaft Kaiserswerth die Folgen einer sich verändernden Gedächtnisgemeinschaft für die Gruppenidentität und die Erinnerungskultur. Obwohl es in Kaiserswerth kaum noch aktive Diakonissen gebe, so existiere dort gleichwohl eine aktive Erinnerungskultur. Mit der Veränderung der Gruppe hätten sich, so argumentierte Gause in Anlehnung an Jan Assmann, auch die Verknüpfungen verändert, die Formen und Medien der Erinnerung. In Kaiserswerth lassen sich die generationen- und zeitspezifisch veränderten Inhalte des Erinnerungsmanagements unter anderem am Beispiel des dort verwendeten Taubensymbols nachzeichnen. Die Taube diente seit 1850 mit ihren Konnotationen von Frieden, Schwachheit, Angst, Unschuld, Schnelligkeit, Reinheit und Lauterkeit als Sinnbild für die Diakonissen und die Mitarbeiter der Diakonie in Kaiserswerth. Nach Auffassung von Anstaltsbegründer Theodor Fliedner hatten die Diakonissen diese Tauben-Einfalt zu erbitten. Fliedners Lied „Die Taube Christi“ wurde lange Jahre rezipiert, doch wandelte sich das Motiv der Taube dabei von einem internen Symbol zu einem äußerlichen: Es dient nun als Logo für die Corporate Identity von Kaiserswerth und sogar als Schmuckstück. Fliedner hatte das Tragen von Schmuck noch als weltliche Eitelkeit abgelehnt. Wie Gause auch am Beispiel des Erinnerungsortes „Gartenhaus“ (des Fliednerschen Pfarrhauses) sowie an den Personenbildern der beiden Fliednergattinnen vorführte, wurden die spezifischen Kaiserswerther Erinnerungsorte bis in die 1930er Jahre fast unverändert überliefert – und mit ihnen auch der Gründungsmythos vom wunderbaren, romantischen Anfang der „Wiege der weiblichen Diakonie“. Auch wenn sich heute durchaus kritische Rückblicke auf die eigenen Traditionsbestände und die eigene Geschichte durchgesetzt hätten, führten diese zu neuen Mythenbildungen. Ein Beispiel dafür sei die Ehe der Fliedners, die eben nicht so modern war, wie man sie gegenwärtig darstellt.

Zwei weitere Vorträge thematisierten das Gedenken an die Shoah und damit die zentrale Herausforderung eben auch protestantischer Erinnerungskultur. In praktisch-theologischer Perspektive stellte Renate Zitt (München) Überlegungen zum Erinnern der Kirche an zeitgeschichtliche Themen an. Das Erinnern, das Gedenken und die Trauer der Kirche benötigten konkrete Formen, Inhalte, Menschen und Orte, was Zitt am Beispiel der KZ-Gedenkstätte Dachau und der Arbeit der dortigen Versöhnungskirche vor Augen führte. Die im Hintergrund stehende Frage nach einer Theorie religiös vermittelter Erinnerungspraxis in der Gesellschaft halte für die Kirche, so Zitt, die Herausforderung bereit, Erinnerungsorte zu kultivieren, in denen Kognitives, Emotionales, Habituelles und Rituelles einen Ausdruck finden könne, ohne dass künstlich Betroffenheit erzeugt werde. Religiöse Gedenkstätten müssten daher gleichermaßen als Leidens- wie auch als Lernorte begriffen und genutzt werden.

In ihrem Vortrag zu Nachwirkungen der Shoah in der Ökumene formulierte Katharina Kunter (Karlsruhe) Zweifel am Erinnerungsort Shoah. Sofern man die Definition von François/Schulze zu Grunde lege, derzufolge Erinnerungsorte langlebige, Generationen überdauernde Kristallisationspunkte kollektiver Erinnerung und Identität seien, so sei fraglich, ob die Shoah das Thema von mehr als einer Generation gewesen sei und als Erinnerungsort tatsächlich die „Matrix des deutschen Protestantismus“ (Nowak) verändert habe. Der Ökumene jedenfalls sei es mehr um das inner- als um das interkonfessionelle Gespräch gegangen, was sich daran zeige, dass es keine spezifische Theologie gebe, die die Shoah thematisiere. Hauptthema der Ökumene sei die Einheit der Christenheit; ökumenische Stellungnahmen hätten nur selten und sehr allgemein auf Deutschland und die Shoah Bezug genommen.

Den Aspekt des Vergessens hatte bereits Tillmann Bendikowski (Bochum) in seinem Eröffnungsvortrag zu bedenken gegeben, als er vor allem auf die Grenzen der kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung abhob. Zwar gebe es ein verstärktes allgemeines Interesse an geschichtswissenschaftlichen Publikationen, doch weise die Gedächtnisforschung einige Defizite, gleichsam Systemfehler auf: Die Pluralisierung der Vergangenheit habe zu einer gewissen Beliebigkeit geführt. Die „historische Wahrheit“ sei als Fluchtpunkt geschichtswissenschaftlichen Forschens durch die Herausstellung von Identität abgelöst worden, was sich als Ordnungskategorie für die eine Geschichte nicht eigne. So könnten über die Kategorie Erinnerung letztlich die „hard facts“ historischen Wissens, die die Geschichtswissenschaft gleichsam gutachterlich bereitzustellen habe, verdeckt werden. Insofern wäre eine – zudem renationalisierte – Geschichte deutscher Erinnerungsorte zumindest durch die Thematisierung von „Vergessensorten“ zu erweitern, um Funktionen und Strategien des Vergessens aufzudecken.

Zwei Beiträge griffen noch stärker den allgemeinen, theoretischen Rahmen der Gedächtnisgeschichte auf und übertrugen diesen auf das Feld protestantischer Erinnerungskultur. Sie widmeten sich insbesondere den Formen und den Akteuren von Erinnerungsstrategien. Frank-Michael Kuhlemann (Bielefeld) konstatierte in seinem forschungskritischen Beitrag zu „Spezifika protestantischer Erinnerungskultur“, dass protestantische Erinnerungsorte im Sinne von François/Schulze bisher kaum erforscht und die Auswahlkriterien längst noch nicht geklärt worden seien. In einer theologischen und didaktischen Perspektive auf Erinnerungsorte näherte sich Kuhlemann anschließend den Fragen der Legitimität und der Darstellbarkeit von protestantischen Erinnerungsorten. In der von der Barthschen Theologie geprägten Tradition, nach der die Kirchengeschichte höchstens hilfswissenschaftlichen Status beanspruchen konnte, wurde und wird der Blick auf die Vergangenheit als nicht hilfreich erachtet; Christen stünden ganz im Hier und Jetzt. Demgegenüber sei im Sinne von Kurt Nowak die Trias von Erinnerung, Vergegenwärtigung und Entscheidung für den christlichen Glauben geradezu konstitutiv. Grundlegend für die Frage der Legitimität protestantischer Erinnerungsorte sei aber die Auswahl von Erinnerungsgegenständen. Auch Kuhlemann hielt dafür keinen Schlüssel parat; er wies jedoch darauf hin, dass sich durchaus eine Vielzahl protestantischer Erinnerungsorte benennen ließe (z.B. die Reformatoren, Gesangbücher, Kirchenbauten oder der sogenannte Kirchenkampf). Bei der textlichen und insbesondere dinglichen Repräsentation von Erinnerungskultur gelte es jedoch, die Spannung von Wortreligion und Musealisierung zu lösen. Mit Blick auf die protestantische Erinnerungskultur des 19. und 20. Jahrhunderts arbeitete Kuhlemann schließlich einige charakteristische Elemente protestantischer modi memorandi heraus. Am Beispiel der Lutherfeiern, des Untergangs des Kaiserreichs und des Schulddiskurses nach 1945 unterschied er einen glorifizierenden, einen traumatisierten und einen theologischen bzw. theologisierenden Erinnerungsmodus, wobei letzterer kein einseitiger, allein von Glorifizierung oder von Traumatisierung gekennzeichneter Modus sei. Kuhlemann warf in diesem Zusammenhang auch die Frage auf, inwieweit das Schuldbewusstsein angesichts so schlimmer Schuld, wie sie sich das deutsche Volk seit 1933 aufgeladen hatte, als Neutraumatisierung verstanden werden könne.

Nicht diese Art der Kultivierung von Schuld – im Sinne einer Traumatisierung – meinend, plädierte aber auch Ellen Ueberschär (Berlin), wie zuvor schon Renate Zitt, in ihrem Vortrag über geschlechtsspezifische Konnotationen von Erinnerungskultur in der Kirche für die Kultivierung des kommunikativen Gedächtnisses, trage sie doch zu neuen Formen auch des kulturellen Gedächtnisses bei, das stets durch bestimmte Identitätsinteressen gesteuert werde. Spezielle Träger würden als „Erinnerungsmanager“ die Kultur kirchlichen Erinnerns pflegen, und dies durch zweierlei Aktivitäten: durch das Leiten bzw. Anleiten sowie durch das identitätsstiftende und vorausschauende Handeln und Planen. Am Beispiel der Bekennenden Kirche (BK), der innerhalb kirchlicher Erinnerungsbestände ein geradezu normativer Status anhafte, verdeutlichte Ueberschär, inwieweit die Erinnerung das Ergebnis eines bewussten Prozesses von Erinnerungsmanagement sei. Denn in wenigstens zwei Bereichen aktualisiere kirchliche Erinnerungskultur den unscharfen Topos BK: zum einen in der Sakralisierung bestimmter Protagonisten (hier vor allem Bonhoeffer), zum anderen in den Ordnungen der Kirche, die das Erbe der BK (z.B. in Form bruderschaftlicher Leitungen) bewahrten. Besonders bei dem Kampf um Gleichberechtigung der Frauen, der sich als Kampf um die Erinnerung darstelle, bilde das „Amt“ (als ein typisch männliches Arbeitsfeld in der Kirche, gegenüber dem weiblich konnotierten „Dienst“) den sozialen Bezugsrahmen für die Etablierung einer neuen Erinnerungskultur, deren identitätssteigerndes Interesse in der Fundierung eines pastoralen und theologischen Selbstbildes der Amtsinhaberinnen liege. Feststellbar sei dies etwa an dem Interesse an der Geschichte der Frauenordination oder auch an der mittlerweile überproportionalen Präsenz von Theologinnen der 1930er und 1940er Jahre im kulturellen Gedächtnis der Kirche. Dies müsse als ein mythomotorischer Vorgang im Assmannschen Sinne verstanden werden und könne zeigen, dass Theologinnen in die Positionen des Erinnerungsmanagements eingetreten seien und ihre identitätssteigernden Erinnerungsbestände aktivierten.

Auch mithilfe der Gedächtnisgeschichte, die sich ohnehin stärker für das längere kulturelle Gedächtnis interessiert, können demnach die Identitäts- und Strukturkrisen von Kirche, Kirchengemeinden und Pfarramt, die zur Signatur des heutigen Protestantismus gehören, nicht unumwunden gelöst werden – wie man am Beispiel der erneut übergangenen eigentlichen Stützen der damaligen BK-Gemeinden, der Vikarinnen und der Pfarrfrauen, sehen kann. Die Gedächtnisgeschichte weist hingegen, so wäre als ein wichtiges und übergreifendes Ergebnis aller Beiträge der Tagung festzuhalten, die Bruchlinien und die Dynamik in der (protestantischen) Erinnerungskultur deutlicher aus. Dass dabei aber offensichtlich auch Historikerinnen und Historiker in die Rolle von Erinnerungsmanagern schlüpfen können, scheint ein nicht unproblematischer Nebeneffekt der kommunikativen Praxis von Erinnerungsbildung zu sein, da sie die Gültigkeit von Traditionen und Kulturen sowie deren Wahrheitsansprüche zunächst einmal in Frage zu stellen haben. Aber auch die Zunft ist einer dynamischen Aktualisierung unterworfen. Und ob der Erinnerungsort Abendmahl, der ja durch das Christus-Wort „Solches tut zu meinem Gedächtnis“ nachhaltig zur Beibehaltung einer lebendigen Gedächtnisgemeinschaft auffordert, allein durch die Aktivitäten der Kirchengeschichte kulturell verankert bleiben kann, steht dahin.

Die Beiträge sollen in der Zeitschrift des während der Tagung neu gegründeten Arbeitskreises Protestantismusforschung (http://www.akpf.de) publiziert werden.

Kontakt

Jens Murken
E-Mail: <murken@web.de>


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