Referenz Rom

Organisatoren
Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte,
Ort
Frankfurt am Main
Land
Deutschland
Vom - Bis
28.09.2003 - 30.09.2003
Von
Michael Kempe, Rechtsgeschichte frühe Neuzeit, Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte, Frankfurt am Main

Vom 28. bis zum 30. September 2003 hat das Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt/M. ein internationales und interdisziplinäres Symposion zum Projekt "Referenz Rom" unter der Leitung von Marie Theres Fögen, Cornelia Vismann und Michael Kempe veranstaltet. Im Rahmen der Tagung wurde danach gefragt, wie es dazu kam, dass Rom nicht nur im Recht, sondern auch in anderen gesellschaftlichen Teilsystemen und Wissensdiskursen (etwa der Politik, Kunst oder Literatur) zu einem zentralen Symbol europäischer und amerikanischer Kultur werden konnte. Im Unterschied zur bisher geistesgeschichtlich ausgerichteten Forschung standen folgende Fragen im Vordergrund: Welche Funktionen übernehmen Rom-Referenzen, diachron und synchron betrachtet, und welche Effekte erzeugen sie in verschiedenen sozialen, politischen, wissenschaftlichen oder ästhetischen Zusammenhängen? Welche Divergenzen und Konvergenzen sind dabei zu beobachten, gibt es Synergie- oder Domino-Effekte oder gar Ko-Evolutionen? Ziel des Symposions war es, innerhalb des weiten Feldes erste Orientierungspunkte zu markieren, um von dort aus die Diskussion zu beginnen und Verbindungslinien ziehen zu können.

Eröffnet wurde das Kolloquium mit einer Doppel-Lesung von Durs Grünbein (Berlin) und Otto Gerhard Oexle (Göttingen). Während Grünbein, der selbst noch nie in Rom war, sein lyrisches Ich schlaflos durch die nächtlichen Strassen der Tibermetropole streifen liess, verwies Oexle, der Rom von eigenen Spaziergängen kennt, auf die gleichzeitige Gegenwart der vielen römischen Vergangenheiten. Das Duett eines Historikers mit einem Literaten zeigte, dass Wissenschaft und Kunst letztlich nicht voneinander zu trennen sind. Das weitere Programm der Tagung teilte sich in vier Sektionen auf. Unter dem Sektionstitel "Modell und Identität" referierten Walter Pohl (Wien), dessen Text aus Krankheitsgründen stellvertretend verlesen wurde, und Emanuele Conte (Rom) über Romreferenzen mit Identitätsfunktionen. Pohl unterstrich dabei die ambivalente Funktion Roms bei den Germanen, zum einen als negatives, zum anderen als positives Modell der Identifikation. Der Rechtshistoriker Conte machte darauf aufmerksam, dass Rom neben der imperialen Referenz auch als kommunales Bezugsmodell dienen konnte. In diesem Sinn hütete man im Pisa des 12. Jahrhunderts die bedeutende Digestenhandschrift wie eine Reliquie. In der Sektion "Übertragung und Verschiebung" untersuchte der Medienwissenschaftler Bernhard Siegert (Weimar) die "Verschiffung" römischer Rechtsformen in der Person des Bordschreibers auf spanischen Hochseeschiffen. Stefan Schweizer, Kunsthistoriker aus Göttingen, ging auf das komplizierte Wechselspiel der konkurrierenden Referenzen auf Rom und Athen in der Kunst des 18. und 19. Jahrhunderts ein. Aus infrastrukturgeschichtlicher Perspektive zog Axel Doßmann (Berlin) eine kurven- und assoziationsreiche Linie von den römischen Fernstraßen bis zu Hitlers Autobahnen.

Im Abendvortrag legte Johannes Fried (Frankfurt/M.) dar, wie die Urversion der Konstantinischen Schenkung in den Klöstern Saint-Denis und Corby geschaffen wurde, gedacht als Stärkung kirchlicher Autonomie gegenüber der angeschlagenen Königsgewalt. Der Archäologe Luca Giuliani (München) zeichnete in der Sektion "Zeit und Untergang" nach, dass Byzanz erst dann als "neues Rom" bezeichnet wurde, nachdem die Stadt zur Kaiserresidenz geworden war. Denn für die Hauptstadt des Reiches gab es keine Bezeichnung, nur den Namen Rom. Michael Kempe (Frankfurt/M.) untersuchte die seit der Antike zahllos formulierten Thesen über den Untergang Roms als Modelle zufallsauschließender Zwangsläufigkeit und historischer Kausalität. Wie antike Artefakte zu historischen Signaturen römischer Vergangenheiten wurden, zeigte Bernd Roeck (Zürich) an Ruinendarstellungen frühneuzeitlicher Malerei. In der letzten Sektion "Vergessen und Latenz" analysierte Raffaele De Girogi (Frankfurt/M./Lecce) das Wechselspiel von Erinnern und Vergessen am Beispiel von Referenzen auf Rom als einem Gedächtnis der Evolution. Demgegenüber erklärte Anselm Haverkamp die lateinische Sprache als "Resonanzkörper" Roms zum prägenden Träger verborgener Latenzen. Die Tagung hat insgesamt wichtige Linien gezogen und Knotenpunkte markiert, die der wertvollen Vorstrukturierung des Themenfeldes für eine Weiterarbeit im Projekt dienen.

Kontakt

Für weitere Informationen:
Dr. Michael Kempe
Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte
Hausener Weg 120
D-60489 Frankfurt/M.
Germany
Tel. +49/69/78978-260
Fax. +49/69/78978-169

http://www.mpier.uni-frankfurt.de/Personal/kempe.htm; http://www.uni-konstanz.de/FuF/Philo/Geschichte/SFB-Tagung/index.htm
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