Masculinities in American History

Masculinities in American History

Organizer(s)
Historiker der Deutschen Gesellschaft für Amerikastudien
Location
Tutzing
Country
Germany
From - Until
13.02.2004 - 15.02.2004
Conf. Website
By
Simon Wendt, John F. Kennedy Institute, Berlin

Das übergreifende Thema der 26. Jahrestagung der Historiker der Deutschen Gesellschaft für Amerikastudien (DGFA) war dieses Jahr "Masculinities in American History." Die Veranstalter der Tagung, Olaf Stieglitz (Köln) und Jürgen Martschukat (Hamburg), hatten sich zum Ziele gesetzt, Methoden und Konzepte der relativ jungen Historiographie dieses Teilgebietes der Geschlechtergeschichte sowie relevante empirische Studien vorzustellen und kritisch zu diskutieren.

In seinem Eröffnungsvortrag über Konzepte, Methoden und Perspektiven der historischen Männlichkeitsforschung hob Olaf Stieglitz hervor, wie schnell sich dieser Forschungsbereich seit seinen Anfängen in den frühen 1990er Jahren entwickelt habe. Seit den Appellen von Gerda Lerner, Gisela Bock, Joan Scott und anderen Historikern, das "unerklärte Andere" als Teil der Geschlechtergeschichte anzusehen, hätten zahlreiche Studien unser Verständnis von Männlichkeit in der amerikanische Geschichte bereichert. Als historiographischen Wendepunkt sah Stieglitz die Veröffentlichung von ersten Überblicksdarstellungen zu amerikanischer Männlichkeit an, da diese der Ausgangspunkt für wichtige Debatten über theoretische und methodische Ansätze waren. So war das von dem australischen Soziologen Robert Connell entwickelte Konzept der "hegemonialen Männlichkeit" laut Stieglitz auch für die Geschichtswissenschaft von Bedeutung, da es von multiplen Männlichkeiten ausgeht, welche in einem Machtgefüge der Geschlechterbeziehungen immer wieder neu verhandelt und reproduziert werden.

Stieglitz kritisierte hingegen das gleichermaßen oft verwendete theoretische Konzept der Krise der Männlichkeit. Angesichts der bisherigen Forschungsergebnisse, welche den Eindruck erweckten, dass Krisen unter Männern praktisch den Normalzustand darstellen, bezweifelte Stieglitz den Wert der Krise als analytische Kategorie für die Erforschung von Geschlechterbeziehungen. In seinem Vortrag wie auch in der darauf folgenden Diskussion betonte Stieglitz, dass Krisen wenig über die Veränderlichkeit von Männlichkeit aussagten und plädierte für verstärkte Reflexion bezüglich des theoretischen Unterbaus der Männlichkeitsforschung. In diesem Zusammenhang äußerte Stieglitz Befürchtungen, dass "Maskulinität" zu einem Etikettenschwindel verkommen könne, in welchem Historiker zwar die Terminologie nicht aber die Methoden der Geschlechterforschung verwenden. Stieglitz plädierte diesbezüglich für einen relationalen Ansatz, welcher Männer als integralen Teilbereich und nicht als separaten Forschungszweig der allgemeinen Geschlechterforschung behandelt. Insbesondere das von Stieglitz angesprochene Problem der Krise als analytische Kategorie wurde in den folgenden Tagen immer wieder kontrovers diskutiert.

Die auf den Eröffnungsvortrag folgende erste Sektion über afroamerikanische Männlichkeit reflektierte das Bestreben der Konferenzleiter, die Erforschung der Männlichkeit von Minoritäten in die Geschlechtergeschichte mit einzubeziehen. In seinem Vortrag über gewaltsamen Widerstand und Männlichkeit in der Black Power Bewegung der 1960er Jahre argumentierte Simon Wendt (Berlin), dass die militante Rhetorik von bewaffneten Gruppen wie der Black Panther Party als wichtige maskuline Widerstandssymbole zu verstehen seien. Militante Afroamerikaner wiesen die gewaltlose Philosophie des Bürgerrechtlers Martin Luther King schon früh als unmännlich zurück und waren überzeugt, dass sie ihre im Zuge weißer Unterdrückung verloren geglaubte Männlichkeit durch bewaffneten Widerstand wiedererlangen könnten. Wendt wies darauf hin, dass die verbale Gewalt der Black Power Ära zur Entwicklung einer positiven schwarzen Identität in den 1960er Jahren beitrug. Gleichzeitig übernahmen diese aber auch bestimmte Vorstellungen von weißer hegemonialer Männlichkeit, was die aktive Mitwirkung von schwarzen Frauen und homosexuellen Männern im schwarzen Freiheitskampf praktisch ausschloss.

Norbert Finzsch (Hamburg) sprach danach über den Mythos des "Million Man March", einer in der amerikanischen Presse größtenteils positiv bewerteten Massendemonstration schwarzer Männer in Washington, D.C. im Jahr 1995. Der Marsch, welcher von dem kontrovers diskutierten schwarzen Nationalisten Louis Farrakhan organisiert worden war, rief schwarze Männer unter anderem dazu auf, sich auf ihre wichtige Rolle als Oberhaupt der Familie zu besinnen um so zusammen am Wiederaufbau der schwarzen Gemeinde mitzuwirken. Finzsch argumentierte, dass der Million Man March Teil einer frauenfeindlichen Gegenbewegung war, welche eine Wiederbelebung des schwarzen Patriarchats zum Ziel hatte. Die Tatsache, dass Frauen und homosexuelle Männer von der Demonstration ausgeschlossen waren, entlarvt den Marsch laut Finzsch als Kopie traditioneller Männlichkeitsvorstellungen der weißen Mittelklasse.

Auch die für ihre wichtigen Arbeiten zur Geschlechtergeschichte bekannte Historikerin Martha Hodes (New York, USA) konzentrierte sich in ihrem abendlichen Vortrag auf die schwarze Minderheit in den USA. Am Beispiel der Volkszählung von 1890 zeigte sie, wie eine detaillierte Rassenkategorisierung der amerikanischen Behörden die Entrechtung schwarzer Männer zementierte. Die Volkszählung von 1890, welche die schwarze Bevölkerung erstmals in vier Hautfarbenkategorien einteilte, war laut Hodes zudem ein Versuch, das unbemerkte Überwechseln ("passing") der Kinder von gemischten Ehen in die weiße Bevölkerung zu verhindern. Jedoch oblag die Einteilung der Bevölkerung in diese vier Kategorien weißen männlichen Beamten, deren willkürliches Urteil oft von eigenen Vorurteilen sowie der geographischen Lage der einzuteilenden Personen beeinflusst wurde. Solch willkürliche Verfahren, argumentierte Hodes, konnten die Zukunftschancen von schwarzen Männern und ihren weißen Frauen je nach Urteil entscheidend verändern. In Bezug auf die Frage nach dem veränderlichen und relationalen Charakter von Männlichkeit zeigte Hodes somit, dass die Unterdrückung von schwarzen Männern und weißen Frauen sowie deren Fähigkeit bestimmte Geschlechterrollen zu bestätigen oder herauszufordern oft von Zeit und Ort abhängig sind.

Der zweite Tag der Konferenz begann mit der Sektion "Men on the Move," welche von Rosalind Beiler (Berlin/Orlando, USA) mit einem Vortrag über die Rolle von Männlichkeit und Emotionen in der deutschen Amerikaauswanderung im 18. Jahrhundert eröffnet wurde. Beiler zeigte am Beispiel von Hans Kaspar Wüster, einem pfälzischen Förster, der 1717 nach Pennsylvania emigrierte, dass die Immigrationserfahrung zu einer Reihe sich widersprechender Konstruktionen von Männlichkeit beitragen konnte. So entwickelte sich Wüster zwar in Pennsylvania innerhalb weniger Jahrzehnte zum Modell eines maskulinen "self-made American man," zeigte in seiner Autobiographie aber auch sehr emotionale Seiten seiner Persönlichkeit, welche teilweise im Gegensatz zu deutschen und amerikanischen Männlichkeitsmodellen des 18. Jahrhundert standen.

Anja Becker (Leipzig) sprach danach über die Erfahrungen männlicher amerikanischer Gaststudenten an der Universität Leipzig im späten 19. Jahrhundert. Viele Amerikaner, so Becker, waren fasziniert von den Männlichkeitsritualen der deutschen Studentenbünde, z.B. von der Trinkkultur, und übernahmen einige dieser Rituale in dem an der Universität Leipzig gegründeten amerikanischen Studentenbund. In der Diskussion kam die Frage auf, inwiefern Hans Kaspar Wüsters Emotionalität tatsächlich eine alternative Konstruktion von Männlichkeit darstellt und inwiefern Wüster und amerikanische Gaststudenten ihre Reisen als einen Ausdruck von Männlichkeit ansahen. Diese Anmerkungen machten deutlich, dass die von Olaf Stieglitz geforderte theoretische Reflexion im Fall der Arbeiten von Beiler und Becker durchaus einen präziseren analytischen Rahmen hätte bilden könnte.

Vor der letzten Sektion des zweiten Konferenztages sprach der amerikanische Historiker Bruce Dorsey (Swarthmore, PA, USA) darüber, wie man Studenten die Männlichkeitsforschung vermitteln kann und plädierte wie Stieglitz für eine "holistische" Geschlechtergeschichte. Als einer der Pioniere der neueren Männlichkeitsforschung entwickelte Dorsey vor zehn Jahren den ersten amerikanischen Universitätskurs über die Geschichte der Männlichkeit in den USA. Dorseys Meinung nach sollten Studenten in solch einem Kurs lernen, dass die Geschichte von Männern und Frauen und deren Identitätskonstrukte eng miteinander verwoben sind, deren Geschichte somit nicht unabhängig voneinander zu verstehen ist. In Bezug auf die Zukunft der Forschung sprach sich Dorsey dafür aus, weiße Männer aus dem Zentrum der Betrachtung zu nehmen und auch nach Geschlechterkonstruktionen zu suchen wo diese auf den ersten Blick nicht vorhanden zu sein scheinen. Außerdem merkte Dorsey an, dass die Forschung sich bisher in erster Linie auf das 19. und frühe 20. Jahrhundert konzentriert hat. Wichtig wären seiner Meinung nach deshalb Studien, die Männlichkeiten nach 1945 untersuchen. Im Vortrag wie auch in der folgenden Diskussion wurde klar, dass auch Dorsey das Konzept der Krise als analytisches Konzept der Männlichkeitsforschung ablehnt. So ist er der Meinung, dass es niemals eine Krise der Männlichkeit gegeben habe.

Die Vorträge der Sektion "Modern Women, Modern Men" näherten sich dem Thema der Tagung danach von einer kulturwissenschaftlichen Perspektive. Sabine Schindler (Halle-Wittenberg) sprach über die "New Woman" der 1920er Jahre, welche in ästhetischen, sexualisierten und medizinischen Diskursen als "Mannish Female" verunglimpft wurde. Die Maskulinisierung dieser gebildeten und selbstbewussten Frauen spiegelte sich z.B. wider in populären Zeitschriften, in denen sie als hässliche Übertreter von göttlichen Gesetzen dargestellt wurden. Wissenschaftler setzten die New Woman auf der anderen Seite oft mit Feminismus gleich, welcher ihrer Meinung nach zu sexuell degeneriertem Verhalten führen würde. Laut Schindler produzierte dieser medizinische Diskurs ein Vokabular, das sich in anderen gesellschaftlichen Diskursen widerspiegelte.

Ralph Poole (München) schloss den Tag mit einem Vortrag über die Wechselbeziehung zwischen Männlichkeitskonstruktionen und dem männlichen Körper um die Jahrhundertwende ab. Poole argumentierte, dass der menschliche Körper der wichtigste Ort sei, wo Männlichkeit konstruiert wird. Anhand von Diskursen über Männermode und die ersten männlichen Bodybuilder in den USA zeigte Poole, wie Körper und Kleidung zum Symbol für bestimmte Formen von Männlichkeit werden konnten. Da Poole diese Diskurse als Reaktion auf eine Krise der Männlichkeit interpretierte, wurde in der Diskussion erneut debattiert, inwiefern Krisen zum Katalysator für Veränderungen von Männlichkeit werden können, oder ob sie als eine reaktionäre Gegenbewegung zu interpretieren sind. Es herrschte Übereinstimmung darüber, dass Historiker deshalb genauere Definitionen von Krise benötigen.

Die Diskussion über Krisen ebbte auch am letzten Tag der Konferenz nicht ab, da auch die abschließende Sektion über die Männlichkeit der weißen Mittelklasse nach 1945 die Popularität der Krise als analytische Kategorie widerspiegelte. James Gilbert (College Park, Maryland, USA) sprach zunächst über die wissenschaftliche Arbeit des amerikanischen Soziologen David Riesman, dessen Buch "The Lonely Crowd" eines der einflussreichsten und populärsten soziologischen Studien der 1950er Jahre wurde. Laut Gilbert forderte Riesman die damals vorherrschende "master narrative" der amerikanische Geschichte heraus, indem er moralische und psychologische Aspekte des männlichen Charakters untersuchte. Dem starken und heldenhaften "inner-directed" man, welcher seine Entscheidungen in der Vergangenheit ohne jegliche externe Einflüsse traf, stellte Riesman den modernen "other-directed" man gegenüber. Riesman argumentierte damals, dass dieser im Zuge von Massenkultur, Suburbanisierung und Konsum der 1950er Jahre regelrecht feminisiert worden sei und attestierte den Vertretern dieses Typs eine schwere Männlichkeitskrise. Gilbert zeigte, wie Riesman's soziologisches Vokabular und sein Krisenkonzept Einzug in den politischen Diskurs der 1950er and 1960er Jahre fand und später die ersten Studien zur Männlichkeit beeinflusste.

In der Diskussion stellte Gilbert klar, dass dem von ihm beschriebenen Diskurs der Krise andere Diskurse gegenüber standen. So gab Gilbert zu, dass sich viele Männer keineswegs durch Massenkultur oder Konsum feminisiert fühlten. Wichtig sei es deshalb, die Dialektik dieser verschiedenen Diskurse zu untersuchen und herauszufinden, wie bestimmte dominante Männlichkeitsmodelle entstehen und wie diese bestätigt oder zurückgewiesen werden.

Im zweiten Vortrag sprach Anke Ortlepp (Köln/Bonn) über männliche Reisekultur in der Nachkriegszeit, wobei sie sich auf die Konstruktion von Männlichkeitsbildern in der Werbung von amerikanischen Fluggesellschaften konzentrierte. Sie argumentierte, dass die Geschlechterdimensionen der Luftreisekultur als Antwort auf Krisen der Männlichkeit in der Ära des Kalten Krieges zu deuten seien. Anhand von Werbeanzeigen zeigte Ortlepp, wie Fluggesellschaften den erfahrenen Flugkapitän, den sich um seine Familie sorgenden Geschäftsmann und den abenteuerlustigen aber auch romantischen männlichen Touristen zu wichtigen Männlichkeitsmodellen der 1950er und 1960er Jahre stilisierten. Die Aufgabe der weiblichen Flugbegleiter sei es auf der anderen Seite gewesen, die Rolle einer Mutter zu übernehmen, welche sich um die männlichen Reisenden sorgt und sie verwöhnt. Ortlepp zeigte aber auch, wie sich diese traditionell auf weiße Amerikaner gerichtete Werbung im Zuge der Bürgerrechtsbewegung der schwarzen Bevölkerung öffnete und wie die wachsende Anzahl männlicher Flugbegleiter vormals entworfene Männlichkeitsbilder in Frage stellten.

Eva Boesenberg (Halle-Wittenberg) beschäftigte sich in ihrem Vortrag über die Männlichkeitskrise der 1990er Jahre dann nochmals explizit mit der Krise als analytisches Konzept. Boesenberg plädierte dafür, dass Historiker die Existenz von Krisen nicht grundsätzlich in Frage stellen sollten. Vielmehr sollten sie nach der Art von Krise fragen, die Männer zu einem bestimmten Zeitpunkt empfinden. Solch ein differenziertes Konzept, so Boesenberg, helfe Historikern im Falle der 1990er zu verstehen, wie Diskurse über die amerikanische Wirtschaft bestimmte Formen von hegemonialer Männlichkeit bestätigten und verstärkten. So sei z.B. das Bild des patriarchalischen und heterosexuellen Beschützers der Familie nach wie vor dominant. Alternative Männlichkeitsmodelle führten laut Boesenberg hingegen immer noch ein Schattendasein.

In ihrem die Konferenz abschließenden Kommentar und Ausblick betonte Sabine Sielke (Bonn), dass die kulturwissenschaftliche wie auch die historische Erforschung der Männlichkeit sich auf die poststrukturalistische Theoriebildung von Joan Scott und der Kulturwissenschaftlerin Judith Butler stützen müsse. Diese sei auch insbesondere deshalb wichtig, weil Geschlecht in einem performativen Prozess fortlaufend reproduziert aber auch immer wieder neu verhandelt werde. Sielke plädierte in einem Ausblick dafür, dass sich die Forschung in der Zukunft verstärkt mit dem Aspekt der Veränderlichkeit von Männlichkeit auseinandersetzen müsse. Die Frage nach der "agency" historischer Akteure, also ihrer Möglichkeiten, Geschlechtermodelle zu verändern, sei hierbei von besonderer Wichtigkeit. Die während der Konferenz immer wiederkehrende Debatte über Krisen der Männlichkeit und ihre Auswirkungen auf Geschlechterverhältnisse hatte gezeigt, dass sich die Teilnehmer dieser Problematik durchaus bewusst sind. Es bleibt abzusehen, in welche Richtung sich die historische Männlichkeitsforschung entwickeln wird. Die Konferenz in Tutzing gab diesbezüglich aber sicherlich allen Teilnehmern eine Fülle von Anstößen für thematisch und methodisch innovative Studien zu diesem Thema in der Zukunft.

Ein Tagungsband ist in Planung.


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