Adelige als Unternehmer im bürgerlichen Zeitalter

Adelige als Unternehmer im bürgerlichen Zeitalter

Organisatoren
Vereinigte Westfälischen Adelsarchive e.V.
Ort
Bad Driburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
28.07.2004 - 30.07.2004
Url der Konferenzwebsite
Von
Simone Epking, Regionale Archivpflege, Westfälisches Archivamt, Münster

Die Vereinigten Westfälischen Adelsarchive e.V. hatten zum nunmehr vierten Mal zu einem wissenschaftlichen Kolloquium eingeladen, das diesmal vom 28. bis 30. Juli 2004 im Gräflichen Parkhotel in Bad Driburg stattfand. Das Thema "Adelige als Unternehmer im bürgerlichen Zeitalter" ging auf die Initiative von Prof. Dr. Manfred Rasch (KruppThyssen Konzernarchiv, Duisburg), Prof. Dr. Toni Pierenkemper (Seminar für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Köln) und Prof. Dr. Norbert Reimann (Westfälisches Archivamt, Münster) zurück, die auch die wissenschaftliche Leitung innehatten. Die Tagung wurde von der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung und dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe unterstützt.

Ziel der Veranstaltung war die Evaluierung unternehmerischen Handelns diesseits und jenseits der angestammten adeligen Betätigungsfelder in Land- und Forstwirtschaft - ein Themenkomplex, der bislang so gut wie kaum von der Forschung behandelt wurde. In insgesamt vierzehn Vorträgen wurde versucht, Spezifika adeligen Unternehmertums im deutschen Herrschaftsraum von der Frühindustrialisierung seit dem Ende des 18. Jahrhunderts bis in unsere Zeit herauszuarbeiten. Die Fallbeispiele einzelner adeliger Unternehmer bzw. Unternehmergruppen machten deutlich, dass es sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede innerhalb des Adels sowie zum Bürgertum gab. Schon Prof. Dr. Eckart Conze (Universität Marburg) wies in seinem Einführungsvortrag "Der Adel ist tot - es lebe der Adel! Adelsgeschichte in Deutschland im 19. Jahrhundert. Entwicklungen und Perspektiven" auf die Heterogenität der Adelslandschaften hin, die sich im Unternehmertum widerspiegele.

Bei allem unternehmerischen, bürgerlich geprägten Engagement blieben vor allem für den Uradel die Bindung an den Großbesitz und dessen Ressourcen, ein generationsübergreifendes Denken (longue durée) und angestammte Ausbildungskarrieren beim Militär oder im Rechtswesen charakteristisch. Das zeigten sowohl die Unternehmungen der Freiherren von Elverfeldt (Dr. Horst Conrad, Westfälisches Archivamt, Münster) und der Freiherren von Romberg (Prof. Dr. Wilfried Reininghaus, Landesarchiv NRW, Düsseldorf) in der Bergbau- und Montanwirtschaft, als auch die der Grafen von Spee mit ihren Papierfabriken (Dr. Hans Budde, Rheinisches Archiv- und Museumsamt, Brauweiler) sowie die des Reichsfreiherrn Ignaz von Landsberg-Velen als Pionier der chemischen Industrie im 19. Jahrhundert (Anja Kuhn, M.A. Westfälisches Industriemuseum, Dortmund).

Eine adelig geprägte Lebensweise blieb verbindlich. Adelige Unternehmer waren weniger operativ tätig, zeigten nicht so viel Risikobereitschaft und "Instinkt" bei Investitionen, was insbesondere von Dr. Eberhard Fritz (Archiv des Hauses Württemberg, Alshausen) über "Die Könige von Württemberg als Unternehmer - Landwirtschaft oder Industrie?" und von Dr. Eva Kell (Saarwelligen) durch "Fallbeispiele aus Kleinfürstentümern der Westpfalz am Ende des Ancien Régime" ausgeführt wurde. Die Solidität der Finanzen blieb oberstes Gebot. Das zieht sich ebenfalls durch die von Dr. Martin Dallmayer (Regensburg) referierten "150 Jahre thurn und taxische Wirtschaftsgeschichte (1815-1965)", deren unternehmerisches Potential durch das Privileg der Posthoheit begründet wurde.

Konnten adelige Unternehmer in der Frühindustrialisierung während des Ancien Régime zum Teil aufgrund ihrer angestammten Rechte noch reüssieren (Bergbau- und Montanindustrie, Papierfabrikation, Chemiebetriebe), verloren sie mit zunehmender Professionalisierung von Unternehmerstrukturen und des Kreditwesens ab 1850 mehr und mehr an Gewicht. So scheiterten mecklenburgische Adelige als Fabrikanten in der Zuckerraffinerie gerade in den aufstrebenden Gründerjahren bis zum Beginn des 1. Weltkriegs (Dr. Bernd Kasten, Stadtarchiv Schwerin). Im Gegensatz dazu stehen die im Bergbau und in der Stahlindustrie erfolgreichen oberschlesischen Magnaten wie die Fürsten von Donnersmarck, deren Aktivitäten Prof. Dr. Toni Pierenkemper (Universität Köln) exemplarisch für die "Schlesische Unternehmeraristokratie" darlegte. Am Einzelbeispiel zeigte Prof. Dr. Wolfram Pyta (Universität Stuttgart), wie der durch Heirat in Unternehmerkreise geratene Franz von Papen während der Weimarer Republik geschickt unternehmerische Netzwerke zur Verfolgung eigener politischer und wirtschaftlicher Interessen auszunutzen wusste.

Vom angestammten Adel abzuheben ist der aufgrund unternehmerischer Leistungen nobilitierte Adel. Die von Dr. Morten Reitmayer (Universität Trier) aufgeworfene Fragestellung "Adelt Arbeit?" kann insbesondere mit Blick auf Preußen im 19. Jahrhundert bejaht werden. Dr. Renate Hilsenbeck (A.W. Faber-Castel, Stein) zeigte "Lebensformen adeliger Unternehmer: Lothar von Faber und Alexander Graf von Faber-Castel" am Beispiel des noch heute erfolgreichen Unternehmens in der Bleistiftproduktion auf. Kennzeichnend ist die Pflege eines ebenso adeligen Lebensstils wie bei alteingesessene Familien. Das wurde auch nach außen demonstriert. Selbst das Wirtschaftsbürgertum bediente sich herkömmlicher, herrschaftlicher Bau- und Wohnformen, die Dipl.-Ing. Stephan Strauß (Universität Dortmund) in einem Lichtbildvortrag über "Schlösser und Countryhouses - Repräsentation und Wohnen von Adel und Wirtschaftsbürgertum um 1900" vorstellte.

Fazit der Tagung war, dass es aufgrund zu unterschiedlicher Rahmenbedingungen keine prototypischen adeligen Unternehmer seit der Frühindustrialisierung gab. Es lassen sich aber durchaus gemeinsame Verhaltensweisen wie die Ausnutzung angestammter Privilegien und Ressourcen, ein vorsichtiges Einsetzen von Vermögen und ein generationsübergreifendes Denken feststellen. Wie immer bei wissenschaftlichen Veranstaltungen der Vereinigten Westfälische Adelsarchive e.V. erwies es sich auch hier als Vorteil, dass es eine Tagung über und mit dem Adel war. Zahlreiche Teilnehmende aus adeligen Familien bereicherten die lebhaften Diskussionen um wertvolle Beiträge. Ein Beispiel aus der heutigen Praxis lieferte Marcus Graf von Oeynhausen-Sierdorpff mit seinem Bericht über die von ihm geführte, auf mehr als zweihundert Jahre zurückreichende Unternehmensgruppe in den Bereichen Klinik- und Bäderbetrieb, Gräfliches Parkhotel und Bad Driburger Mineralbrunnen.

Der Tagungsband wird voraussichtlich im Frühjahr 2005 erscheinen.

Kontakt

Landschaftsverband Westfalen-Lippe
Westfälisches Archivamt
Dr. Simone Epking
Jahnstraße 26
D-48147 Münster
Tel.: 0251/591-6611
simone.epking@lwl.org
www.westfaelisches-archivamt.de