Vermittlung von zeitgeschichtlichem Wissen am Beispiel der DDR

Vermittlung von zeitgeschichtlichem Wissen am Beispiel der DDR

Organisatoren
Université Paris 3 - Sorbonne Nouvelle Institut d'Allemand d'Asnières Catherine Fabre, Elisa Goudin, Carola Hähnel-Mesnard, Maison Heinrich Heine
Ort
Paris
Land
France
Vom - Bis
04.11.2004 - 05.11.2004
Url der Konferenzwebsite
Von
Carola Hähnel-Mesnard, Ecole Polytechnique, Université Paris 3

in memoriam Gilbert Badia

Am 4. und 5. November 2004 veranstaltete das Institut für Germanistik der Universität Paris 3/Sorbonne Nouvelle mit dem Heinrich-Heine-Haus in Paris eine Tagung zur "Vermittlung von zeitgeschichtlichem Wissen am Beispiel der DDR". Der 15. Jahrestag des Mauerfalls sollte Anlass sein, die Möglichkeiten der Vermittlung von DDR-Geschichte an eine neue Studentengeneration, die zu diesem Ereignis kaum noch Verbindung hat, zu reflektieren. In zwölf Beiträgen aus den Bereichen Hochschulforschung, Geschichte, Kulturgeschichte, Anthropologie, Literaturwissenschaft und Linguistik wurde in interdisziplinärer Perspektive über für die Geschichtsvermittlung relevante Themen, wissenschaftliche Ansätze und pädagogisches Material debattiert.

Die erste Sitzung am Donnerstagnachmittag diente der Bestandsaufnahme und allgemeinen Fragen über die Beschäftigung mit DDR-Geschichte. In ihrem einführenden Beitrag zogen die Organisatorinnen eine Bilanz anhand ihrer eigenen Lehrerfahrungen, wobei sie auf eine Umfrage unter Studierenden zurückgriffen, die den geringen Wissensstand und die weite Verbreitung von Stereotypen bestätigte. Spontane Assoziationen zur DDR waren "Kommunismus", "Mauer", "Diktatur", "wirtschaftliche Rückständigkeit", genauere Kenntnisse in Bereichen wie Politik, Wirtschaft, Kultur, Jugend, Lebensweise waren nur in Ausnahmefällen vorhanden, als die wichtigsten Daten zur DDR-Geschichte erschienen Mauerfall und Wiedervereinigung. Insgesamt waren damit falsche Vorstellungen von den Realitäten der DDR verbunden; ebenso wurde die Unfähigkeit zu einem "Sichtwechsel" deutlich, der notwendig wäre, um die DDR "von innen" und nicht nur aus der Perspektive der Konfrontation mit dem Westen bzw. des Mauerfalls zu verstehen. Als Hauptinformationsquellen zur DDR werden der Unterricht am Gymnasium, teilweise Universitätskurse und vor allem die Medien genannt. Während die Lehrbücher der Sekundarstufe die DDR nur indirekt über die Probleme der neuen Bundesländer behandeln und die Perspektive der "Erfolgsgeschichte" der Bundesrepublik dominiert, orientieren sich die Medien zumeist an totalitarismustheoretischen Ansätzen, was zu einem oft undifferenzierten Bild von der DDR führt. Ausgehend von diesen Prämissen sind Überlegungen zu Inhalten und Modalitäten der Vermittlung von DDR-Geschichte auch in Frankreich dringend geboten. Hat dieses Thema im Ausland nicht dieselbe Bedeutung wie in Deutschland, wo es auch um die Frage der "inneren Einheit" geht, um Nationalgeschichte und Deutungshoheiten 1, so werden auch in Frankreich Spezialisten für Deutschland ausgebildet. Von ihnen hängt es ab, welchen Stellenwert die DDR künftig in der deutschen Geschichte einnehmen und wie sie interpretiert werden wird. In Hinblick auf das Ziel der Tagung unterstrichen die Organisatorinnen die Notwendigkeit, ein adäquates Bild der DDR ausgehend von den ihr eigenen Kriterien zu vermitteln und den dem System inhärenten Widersprüchen Rechnung zu tragen. Es gehe nicht nur darum, Wissen zu vermitteln, sondern vielmehr um ein bestimmtes DDR-bezogenes "Know-how".

Nach dieser Bestandsaufnahme aus französischer Sicht stellte Jens Hüttmann (Halle-Wittenberg) in seinem Vortrag "Die "Gelehrte DDR" und ihre Akteure. Strategien, Inhalte, Motivationen" die Ergebnisse der von ihm durchgeführten Anschlussstudie zur "Pasternack-Studie" vor.2 Interessierte sich diese für die quantitative Präsenz des Themas DDR an deutschen Universitäten (im Jahre 2000/2001 gab es an 62 % aller Universitäten keine einzige DDR-bezogene Lehrveranstaltung!), so fragte Hüttmann mittels Experteninterviews und einer schriftlichen Befragung nach den primären Trägern universitärer Lehrveranstaltungen zur DDR, nach ihren Motivationen, Methoden und Arbeitsschwerpunkten. Die von ihm vorgeschlagene Forschertypologie, die die Perspektiven der wissenschaftlichen DDR-Geschichtsbetrachtung beschreibt (analytische bzw. delegitimierende Insiderperspektive, legitimierende bzw. delegitimierende Outsiderperspektive, skeptische Perspektive), versucht die Wechselbeziehung zwischen wissenschaftsinternen (Methoden, Theorien, etc.) und -externen Momenten (normative Orientierungen, Werte, etc.), die Stellung im wissenschaftlichen Feld sowie deren Einfluss auf konkrete Forschungsergebnisse bzw. auf die akademische Lehre zu bestimmen. Kritik wurde an dieser Typologie in der Debatte hinsichtlich der mangelnden historischen Kontextualisierung im Wissenschaftsbetrieb der letzten fünfzehn Jahre geübt; außerdem wurde bemerkt, dass die innerinstitutionelle Ausrichtung der Studie auf den universitären Bereich notgedrungen die westdeutschen Perspektiven in den Vordergrund stellt und das Erbe der DDR-Historiographie vor 1989 nicht berücksichtigt.

Im Anschluss daran versuchte Sophie Wahnich (CNRS/LAIOS, Paris) in ihrem Beitrag "Comment enseigner l'histoire de la RDA? Régimes d'historicité" das von François Hartog geprägte Konzept des "régime d'historicité" (Geschichtlichkeitsmodus) für die Vermittlung von DDR-Geschichte fruchtbar zu machen. "Régime d'historicité" meint die Art und Weise, wie in einer bestimmten Gesellschaft Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander in Verbindung gebracht werden, wobei die jeweils unterschiedliche Erfahrung von Zeit und die Relativität des Geschichtlichen eine wichtige Rolle spielen. Ausgangspunkt und - wie in der Diskussion kritisiert wurde - einzige Quelle für diese Überlegungen bildeten Sophie Calles Souvenirs de Berlin-Est (Actes Sud, 1999), eine von der Künstlerin montierte Textcollage aus Antworten auf eine Umfrage über das Verschwinden politischer Symbole in Ost-Berlin. Die affirmativen als auch kritischen Stimmen zur Beseitigung von Denkmälern, Statuen, etc. dienten dazu, den Mauerfall 1989 als Ereignis oder Nicht-Ereignis zu bestimmen, wobei Wahnich auf Kosellecks Kategorien des Erfahrungsraums und des Erwartungshorizonts zurückgriff. In der Diskussion wurde bedauert, dass weitgehend auf eine historische Kontextualisierung verzichtet wurde und dass die vorgeschlagenen theoretischen Kategorien nicht auf die DDR selbst und ihr Geschichtsverständnis angewandt wurden.

Rainer Eckert (Zeitgeschichtliches Forum Leipzig) beschloss mit seinem Vortrag über "Die Musealisierung der zweiten deutschen Diktatur" den ersten Teil der Tagung. Er erinnerte an die früh einsetzende Musealisierung der DDR und unterstrich die heute im musealen Bereich vorangeschrittene Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur. Trotz der großen Anzahl an Ausstellungsorten sei die theoretische und didaktische Reflexion nur unzureichend entwickelt, auch die territoriale Unausgewogenheit der Musealisierung mit einer einseitigen Entwicklung in Ostdeutschland und das Fehlen eines zentralen Orts für eine "Topographie der SED-Diktatur" seien zu bedauern. Über die Frage der Musealisierung der DDR hinaus plädierte Eckert für die Konstruktion eines gemeinsamen europäischen Geschichtsbildes auf der Grundlage einer positiven Identifizierung mit Opposition, Widerstand und Freiheitsbewegungen im weitesten Sinne. In der Debatte rief dieser Vorschlag Skepsis hervor. Die Betonung von Opposition und Widerstand verstelle den Blick auf das Verhalten der Mehrheit in Diktaturen, das keineswegs oppositionell sei, sondern auf Arrangements im Alltag, auf einem widerwilligen Sich-Fügen und auf Zugeständnissen basiere. Die Notwendigkeit eines gemeinsamen versöhnenden europäischen Geschichtsbildes wurde ebenfalls in Frage gestellt. Wichtiger sei, dass Museen die konfliktreiche europäische Geschichte akzeptieren und die vorhandenen Brüche thematisieren.

Der zweite Tag des Kolloquiums widmete sich konkreten Fragen der Vermittlung im Zusammenhang mit der Auswahl von pädagogischem Material, dem Umgang mit bestimmten Diskursen und der Wahl relevanter Themen. Im ersten Panel standen Photographie, Literatur und Film als Vektoren einer Vermittlung aus der Perspektive gelebter, aber auch künstlerisch verfremdeter Erfahrung im Mittelpunkt. Emmanuel Droit (Université Paris 1/Centre Marc Bloch) knüpfte mit seinem Vortrag "La RDA et l'anthropologie visuelle: La photographie comme matériel pédagogique" an neuere Überlegungen zum Nutzen der Fotografie als Quelle für historische und sozialwissenschaftliche Forschungen sowie zur Wissensvermittlung an.3 Einerseits kann die Analyse und Dekonstruktion offizieller Fotografien den Willen zur Repräsentation und Inszenierung von Gesellschaft und Staat in den Bildmedien aufzeigen, andererseits bietet die Amateurfotografie Einblick in die ostdeutsche Alltagskultur und kann zu einer Geschichte der Alltagserfahrung in einer Diktatur beitragen. In diesem Kontext analysierte Droit einen Korpus von Fotografien aus Ostberliner Schulen und lokalgeschichtlichen Einrichtungen (50er-80er Jahre) und referierte über Modelle und Methoden zur Interpretation von Fotos (ikonografisch-ikonologisches Interpretationsschema nach Panofsky und Warburg) sowie über Fragen der Einzelbildinterpretation und der Bildmengenanalyse.

Im Anschluss daran beschäftigte sich Cécile Millot (Université de Reims) in ihrem Vortrag "Le texte littéraire comme exemple de l'idéologie vécue: quelques poèmes de Volker Braun en introduction à l'étude de la RDA" mit dem literarischen Text als Beispiel gelebter Ideologie anhand der konkreten Textanalyse zweier Gedichte von Volker Braun über die Arbeitswelt aus den 70er Jahren. Millot untersuchte das Spannungsverhältnis zwischen der in ihrer Existenz anerkannten bzw. geduldeten, in den Text affirmativ eingeschriebenen ideologischen Sprache und der gleichzeitigen ironischen Distanzierung dazu, um die grundsätzliche Bedeutung der von vielen Autoren behaupteten Ambiguität ihrer Haltung zwischen Unterstützung des Regimes und Kritik an ihm darzustellen. Gleichzeitig sollten DDR-ungeübte studentische Leser für die Sprache der Ideologie sensibilisiert werden. Diese müssten sich zunächst im ideologischen Diskurs orientieren können, ihn als solchen identifizieren und interpretieren, bevor sie Abweichungen, Ironie und Kritik wahrnehmen könnten. Millots Herangehensweise trägt gewissen Besonderheiten der DDR-Literatur Rechnung, die unlängst von Ursula Heukenkamp noch einmal hervorgehoben wurden: DDR-Literatur repräsentiere nicht die subversive Gegenkultur, als die sie oft rezipiert wurde, ihr Status sei oft unentschieden gewesen zwischen Kritik und Repräsentation der Gesellschaft und sie habe zudem den Anspruch erhoben, eine sozialistische Literatur zu sein.4

Caroline Moine (Université Paris 1/Centre Marc Bloch) beschäftigte sich im letzten Vortrag dieses Panels, "Spur der Zeiten: images documentaires, images de fiction de la DEFA - un autre regard sur la RDA?", mit der didaktischen Verwendbarkeit von Spiel- und Dokumentarfilmen. Anhand der Darstellung der werktätigen Frau und der Arbeiterin in Heiner Carows Die Legende von Paul und Paula und Volker Koepps Wittstock-Zyklus zeigte Moine zunächst, wie im Falle des Spielfilms das dargestellte private Glück und der Triumph des Alltags den Erwartungen der ostdeutschen Gesellschaft sowie auch dem politischen Diskurs Anfang der 70er Jahre entsprach. Die Figur der jungen, impulsiven Arbeiterin findet man zunächst auch in Koepps erstem Wittstock-Film, allerdings ermöglicht es die dokumentarische Arbeit über viele Jahre hinweg, die Veränderungen im Verhalten der Arbeiterinnen und ihre zunehmende Desillusionierung darzustellen und somit ein präzises Bild des Alltags in der ostdeutschen Gesellschaft im Windschatten ideologischer Diskurse zu zeichnen. Wie schon Droit betonte auch Moine die Bedeutung des Films als Quelle für den Historiker.

Am Nachmittag wurde die Tagung mit einer Sektion zur "Diskursanalyse" fortgesetzt. Michel Kauffmann (Université Paris 3) schloss mit seinem Beitrag "Apprendre à lire entre les lignes (ou: la langue de bois comme fait culturel et objet d'enseignement)" an die "linguistische Landeskunde" an, für die bereits Millot plädiert hatte. Ausgangspunkt war hier der Umgang mit Originaltexten im Unterricht, der eine gewisse Vertrautheit mit den Besonderheiten der öffentlichen Kommunikation in der DDR und der vorherrschenden Parteisprache erfordere. Dies mache die Vermittlung von Methoden zu ihrer Entschlüsselung notwendig. Kauffmann untersuchte Besonderheiten auf terminologischer Ebene (z. B. Bedeutungsvarianz bei Gebrauchsspezifika) und im stilistischen Bereich (Nominalstil, Stereotypenbildung, totalisierende Adverbien). Außerdem sensibilisierte der Vortrag für die Berücksichtigung des implizit Mitgemeinten und Mitbedeuteten in der Parteisprache, sei es absichtlich eingeplant oder unbeabsichtigt. Hier werde deutlich, dass die linguistischen Kenntnisse, die den Studenten den Zugang zu dieser Sondersprache ermöglichen sollen, gleichzeitig eine historische und kulturelle Dimension aufweisen.

Im Anschluss an Kauffmann unterstrich auch Gunhild Samson (Université Paris 3) in ihrem Vortrag "Wie ging der DDR-Bürger mit Texten und Diskursen um? Textlinguistik und Diskursanalyse zur Vermittlung des Alltagslebens in der DDR" die Notwendigkeit, bei der Vermittlung von Kenntnissen über soziale Praktiken in der DDR die besondere Kommunikationssituation zu berücksichtigen. Ausgehend vom Kommunikations- und Informationsmonopol des Staates ging Samson der Frage nach, inwieweit der offizielle Diskurs nicht nur das öffentliche Leben und Teile des Alltags durchdrang, sondern auch in bestimmten von DDR-Bürgern verfassten Textsorten wie Leserbriefen und Eingaben als "typische DDR-Alltagskultur" präsent war. Diese situierten sich zwischen Identifizierung mit dem offiziellen Diskurs (konventionelle Sprechakte, Stereotypen) und Distanz in Form von vorsichtiger Kritik, sie sind Ausdruck eines geforderten Konsenses zwischen Staat und Bürgern und tragen zur Stabilität des Regimes bei. In der Diskussion wurde hier angemerkt, dass die Vielzahl der Formen und Ebenen von Öffentlichkeit in der DDR mitberücksichtigt werden müsse und dass z.B. die Textsorte Leserbrief je nach Publikationsart (in der von Samson analysierten, direkt von der SED abhängigen Leipziger Volkszeitung oder in Magazinen und Wochenzeitschriften) auch ganz andere Formen annehmen konnte.

Simone Barck (ZZF Potsdam) untersuchte daraufhin den Antifaschistischen Diskurs in der DDR. Hatte die „Pasternack-Studie“ gezeigt, dass sich die Lehre trotz der staatstragenden Bedeutung des Antifaschismus heutzutage kaum noch für dieses Thema interessiert, so erscheint eine Auseinandersetzung mit diesem für das Selbstverständnis der DDR (und dies nicht nur aus Herrschaftssicht) essentiellen Diskurs unabdingbar. Barck erinnerte zunächst an die Debatten um den Begriff Antifaschismus nach 1989, bevor sie die wichtigsten historischen Etappen des antifaschistischen Diskurses in der DDR darstellte. Vor allem am Beispiel literarischer Kanonbildung untersuchte sie Kontinuitäten, Veränderungen und gravierende Brüche innerhalb dieses Diskurses. Deutlich wurde dabei, dass das Festhalten am historischen Herrschafts-Diskurs von offizieller Seite immer wieder individuell gebrochen wurde und andere historische Wahrheiten als die offiziell anerkannten heraufbefördert werden konnten.

Das letzte Panel des Kolloquiums untersuchte konkrete Fragen der Vermittlung auf thematischer bzw. vergleichender Ebene. Armin Owzar (Universität Münster) bot in seinem Vortrag "Leben in einer modernen Diktatur. Die Politik und Gesellschaft der SBZ/DDR als Gegenstand universitärer Lehre" Überlegungen zu einer konkreten Unterrichtsplanung nach bestimmten Themeneinheiten, wobei die Frage des Funktionierens einer "modernen Diktatur" im Mittelpunkt stand. Die Beschäftigung mit der DDR erlaube es, auf politischer, anthropologischer und soziologischer Ebene zu untersuchen, wie sich Diktaturen etablieren und stabilisieren, wie Menschen unter bestimmten politischen Rahmenbedingungen handeln und inwiefern Systeme mit einer Tendenz zur Entdifferenzierung zum Scheitern verurteilt sind. Owzars Absicht war es, über eine historisierende und verfremdende Perspektive das Interesse für die DDR bei Studenten zu wecken, die nicht der Generation der Betroffenen und Mitlebenden angehören.

Jacques Poumet (Université Lyon 2) ging in seinem Vortrag "Le traitement du passé national-socialiste en RDA et en RFA" noch einmal auf das von Barck bereits in literarischer und diskursiver Perspektive behandelte Thema des Antifaschismus ein. Er erinnerte zunächst an die Funktion des Antifaschismus als Gründungsmythos, der nicht nur Auswirkungen auf das "Demokratieverständnis" der DDR hatte, sondern der Gesamtheit der Bürger des neuen Staates eine Art Unschuldszeugnis ausstellte. Am Beispiel einiger ostdeutscher Autoren der jüngeren Generation (Hensel, Rusch) zeigte Poumet, inwieweit das Thema Antifaschismus/kommunistischer Widerstand in ihrem Werk als Teil eines kulturellen Erbes präsent ist. Schließlich verwies er anhand konkreter Bildinterpretationen (u.a. Tübke, Mattheuer) darauf, dass bestimmte Künstler in der DDR sehr kritisch mit dem Gründungsmythos Antifaschismus umgingen.

Der abschließende Vortrag von Pascal Fagot (Université de Reims), "Mieux expliquer la RDA en la comparant à un autre pays de l'est, la République Populaire de Pologne", fragte nach den Möglichkeiten eines besseren Verständnisses der DDR-Realitäten mittels eines Vergleichs mit einem anderen osteuropäischen Land, in diesem Falle Polen. Trotz Zugehörigkeit zum gleichen politischen Block entwickelten sich beide Gesellschaften anders, was an Beispielen wie den gehäuften Arbeiteraufständen und der Rolle der katholischen Kirche in Polen oder der besonderen Autoritätshörigkeit in der DDR verdeutlicht wurde. In diesem Sinne sollte der von Christoph Klessmann für die Forschung geforderte synchrone Vergleich mit anderen osteuropäischen Ländern, die dieselben Rahmenbedingungen aufwiesen, ebenfalls in der Lehre genutzt werden.

Zieht man das Fazit aus dieser Tagung, so sollte zunächst unterstrichen werden, dass das Thema der Veranstaltung als solches bereits eine Herausforderung war. Denn wer von Vermittlung spricht, muss sich darauf einlassen, seine in der wissenschaftlichen Forschung gewonnenen Erkenntnisse tatsächlich konkret umzusetzen, was von der Mehrzahl der Teilnehmer akzeptiert wurde. Natürlich konnte es sich hier nur um einen ersten Schritt handeln. Weitere Reflexionen über die didaktische Vertiefung angesprochener Themen und über die Konzeption von Lehrmitteln, auch als deutsch-französische Gemeinschaftsprojekte, sollen in Arbeitsgruppen weitergeführt werden. Von großer Bedeutung war die interdisziplinäre Ausrichtung, die es erlaubte, Methoden, Quellen, Material und Perspektiven zu verbinden und gemeinsam zu nutzen.

Anmerkungen:
1 Zur Vermittlung in Deutschland siehe «DDR-Geschichte vermitteln. Ansätze und Erfahrungen in Unterricht, Hochschullehre und politischer Bildung» hg. v. J. Hüttmann/U. Mählert/P. Pasternack, Metropol-Verlag, Berlin, 2004.
2 P. Pasternack «Gelehrte DDR. Die DDR als Gegenstand der Lehre an deutschen Universitäten 1990-2000» (2001); J. Hüttmann, «Die "Gelehrte DDR" und ihre Akteure. Inhalte, Motivationen, Strategien» (2004).
3 Vgl. allgemein die Arbeiten der Erziehungswissenschaftlerinnen Ulrike Mietzner und Ulrike Pilarczyk und speziell zum Thema DDR den von Karin Hartewig und Alf Lüdtke herausgegebenen Tagungsband «Die DDR im Bild. Zum Gebrauch der Fotografie im anderen deutschen Staat» (Göttingen, Wallstein Verlag 2004).
4 U. Heukenkamp, „Warum und zu welchem Ende sollte man DDR-Literatur lehren? Probleme nachträglichen Verstehens“, in DDR-Geschichte vermitteln, a.a. O., S. 233-246.


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