Wie Frauen ,stiften’ gehen

Organisatoren
Frauen & Geschichte Baden-Württemberg e.V.; Stadt Offenburg; Frauengeschichtswerkstatt Offenburg
Ort
Offenburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
08.10.2005 -
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Von
Caroline Galm; Eva-Katharina Lamb

Am 8. Oktober 2005 fand im Offenburger Salmen eine ganztägige Tagung zum Thema „Wie Frauen ,stiften’ gehen“ statt, welche vom Verein Frauen & Geschichte Baden-Württemberg e.V. in Kooperation mit der Stadt Offenburg und der Frauengeschichtswerkstatt Offenburg organisiert wurde. Die Veranstaltung wurde gefördert von der Offenburger Bürgerstiftung St. Andreas und dem Kulturreferat der Stadt Offenburg.
In vier Vorträgen und einer anschließenden Podiumsdiskussion wurden die Lebenswelten der im 19. und 20. Jahrhundert aktiven Stifterinnen dargestellt und diskutiert.

Nach einer kurzen Begrüßung durch R. Johanna Regnath, Historikerin und Schriftführerin bei Frauen & Geschichte, und einem Willkommensgruß der Offenburger Oberbürgermeisterin Edith Schreiner referierte die Historikerin Dr. Sybille Oßwald-Bargende über das weibliche Stiftungswesen im 19. und 20. Jahrhundert. Mit Mathilde Weber (1829-1901), die zu den Zentralgestalten der ersten bürgerlichen Frauenbewegung zählte, wurde eine Wohltäterin der Stadt Tübingen vorgestellt, die sich überaus engagiert für sozial Benachteiligte einsetzte. So trat die Professorengattin als „Anstifterin“ auf und verkörperte damit einen besonderen Stiftertypus. Die Referentin betonte, dass dieser Typus sich gerade nicht durch die Aufwendung von Stiftungskapital auszeichnete, sondern, dass das Charakteristische und zugleich Unentbehrliche in der Investition von Zeit, Energie und Arbeit zu sehen ist. Materielles und ideelles Stiftungskapital, so Oßwald-Bargende, sind elementare Voraussetzungen für ein erfolgreiches Stiftungswirken. Der Wille zu gestalten war Mathilde Weber ebenso eigen wie ein unerschöpflicher Ideenreichtum, welcher es ihr ermöglichte auf einem breiten Betätigungsfeld, von der Krankenpflege über die Familienversorgung bis hin zur Bildungsförderung „anstiftend“ zu wirken. Hervorzuheben ist, dass sie mit ihrem Stiftungshandeln eine Doppelstrategie verfolgte: Zum einen hatte die Tübingerin der Armut sowie den sozialen Missständen den Kampf angesagt, zum anderen trat sie dem unfreiwilligen Müßiggang und der erzwungenen Berufslosigkeit von Bürgerstöchtern energisch entgegen. Raum zur Realisierung dieser Ziele bot der im Jahr 1881 gegründete Tübinger Hilfsverein, ein Wohltätigkeitsverein bürgerlicher Frauen, in dem diese als Erwerbstätige im Rahmen von karitativen Vereinsprojekten aktiv waren und durch ihren Einsatz in der Öffentlichkeit auftraten. Zum Schluss setzte sich Oßwald-Bargende mit dem Verhältnis von Stiften und Macht auseinander. Die These vom Akt des Stiftens als einem Akt der Machtausübung lässt sich nach Meinung der Referentin an Mathilde Weber und der Arbeit des Tübinger Hilfsvereins belegen. Das entscheidende Machtmoment, nämlich der Stifterwille, äußerte sich in den bestimmten Kriterien, nach denen das weibliche Vereinskomitee die zu unterstützenden Personen auswählte. „Gewohnheitsarme“ wurden prinzipiell nicht unterstützt, sondern der lokalen Armenfürsorge überlassen.

Im Anschluss daran hielt Dr. Kerstin Lutzer, die sich bereits im Rahmen ihrer Dissertation über den Badischen Frauenverein mit Großherzogin Luise (1838-1923) beschäftigt hat, einen Vortrag über die Aktivitäten der badischen Landesmutter im Bereich der sozialen Fürsorge. Großherzogin Luise stellte ihr Leben in den Dienst der Wohltätigkeit und trat auf diesem Gebiet durch zahlreiche Initiativen hervor. Im Kampf gegen Armut und Krankheit gründete sie 1859 den Badischen Frauenverein, der – ohne Zweifel das „Lieblingsprojekt“ der Großherzogin – durch ihre Protektion und finanzielle Unterstützung binnen Kurzem zu einer Massenorganisation avancierte. Ebenso profitierten aber auch zahlreiche Stiftungen von der finanziellen Zuwendung der Landesherrin. Der Sinn derselben bestand neben der Ausübung traditioneller Wohltätigkeit und Armenfürsorge insbesondere darin, Armuts- und Krankheitsrisiken systematisch zu bekämpfen. Darüber hinaus dienten diese Stiftungen aber auch einem politischen Zweck. Wie Lutzer unter anderem am Beispiel der aus Anlass der Goldenen Hochzeit des Herrscherpaares 1906 gegründeten Großherzogin-Luise-Stiftung aufzeigte, wurden Stiftungen vor allem an bestimmten Festtagen des großherzoglichen Hauses ins Leben gerufen und dienten dem Gedenken an das wohltätige Herrscherhaus. Der badischen Monarchie gelang es also, so das Fazit Lutzers, sich durch Stiftungen volkstümlich und fürsorglich in Szene zu setzen und einen Anlass für patriotisches Empfinden zu bieten.

Nach einer Mittagspause stellte die Kulturwissenschaftlerin und Museologin Anne Junk die Frauengeschichtswerkstatt Offenburg vor, eine Gruppe, die seit 1991 im Archiv und Museum des Offenburger Ritterhauses forscht und ihre Ergebnisse regelmäßig in Form von Publikationen, Vorträgen und Stadtrundgängen veröffentlicht. Seit ihrer Gründung verfolgt die Frauengeschichtswerkstatt vor allem zwei Ziele. So sollen einerseits Daten und Informationen zur regionalen Frauengeschichte erschlossen und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Andererseits will die Frauengeschichtswerkstatt neue Formen einer museumspädagogischen Arbeit mit Erwachsenen erproben und hierbei über die immer noch dominierenden Museumsführungen hinausgehen. Um Frauengeschichte in Offenburg zu verankern und zum Thema zu machen, veranstaltet die Offenburger Frauengeschichtswerkstatt in Kooperation mit dem Museum im ‚Ritterhaus’ seit 2003 auch einen Stammtisch für historisch interessierte Frauen. Einmal im Monat finden in diesem Rahmen Kurzvorträge statt, die Themen aus dem weiten Spektrum der Frauengeschichte aufgreifen.

Einen Einblick in die Forschungsarbeit der Frauengeschichtswerkstatt boten zwei Vorträge. Zuerst berichtete die Historikerin Ruth Jansen-Degott von einer Offenburger Stifterin, die aufgrund ihrer großzügigen finanziellen Unterstützungen im sozial-karitativen Bereich als „große Wohltäterin“ in das kollektive Gedächtnis der Stadt eingegangen ist. Denn Anna von Heimburg, 1836 als Tochter des vermögenden Konditors Johann Baptist Kuenzer geboren, stiftete gleich dreimal in ihrem Leben. Nach dem Tod von Vater und Halbbruder beschloss sie gemeinsam mit ihrer Stiefmutter, 500 Gulden aus der Erbmasse dem örtlichen Waisenhausfonds zu überlassen. Nach dem Tod ihres Mannes, des Kunstmalers Emil von Heimburg, stiftete sie wiederum eine beträchtliche Summe für die Waisenhauskinder. Und schließlich vermachte sie testamentarisch einen Großteil ihres Vermögens dem katholischen Krankenhauspflegeverein Offenburg. Diese letzte, nach Anna von Heimburg benannte Stiftung, existierte über hundert Jahre und wurde 1997 mit einem Kapitalvermögen von 300.000 DM aufgelöst.

Über weitere Stifterinnen und Stiftungen referierte die Freiburger Historikerin Dr. Ute Scherb, die zurzeit als Stipendiatin der Offenburger Kulturstiftung über die Biografie der ortsansässigen Sozialdemokratin, Redakteurin und Kommunalpolitikerin Marie Geck forscht. Ein besonderes Augenmerk richtete sie dabei auf die um 1800 in Offenburg geborene Babette Nerlinger. Diese befand sich in Übereinstimmung mit den meisten Stifterinnen ihrer Zeit, als sie in ihrem Testament von 1860 dem örtlichen Waisenhaus 3.000, dem Krankenhaus 1.000 und dem städtischen Armenfonds 10.000 Gulden vermachte, letzteres mit der Auflage, die Zinsen des Stiftungsvermögens zur Absicherung altgedienter Dienstboten und als Ausbildungsbeihilfe zu verwenden. Die private Übernahme eigentlich städtischer Fürsorgeaufgaben durch Unterstützung der Armen und Förderung von Bildung entsprach, wie Scherb zeigte, durchaus zeittypischem weiblichem Stiftungsverhalten. Neuland betrat Babette Nerlinger indes, als sie unter konkreten Auflagen der Stadt Offenburg weitere 4.000 Gulden zum Bau einer Friedhofskapelle hinterließ und dadurch in die städtische Planungspolitik – eine durchaus männliche Domäne – eingriff.

Nach Ute Scherbs Vortrag folgte die Podiumsdiskussion „Stiften Frauen Macht?“, die von der SWR-Moderatorin Sabine Freudenberg geleitet wurde und an der Dr. Susanne Asche als Geschäftsführerin der Bürger-Stiftung St. Andreas sowie der Kulturstiftung, Susanne Bächer als Vorstandsmitglied der filia-Stiftung, Dr. Gilla Dölle als Mitbegründerin der Stiftung Archiv der Deutschen Frauenbewegung sowie die Offenburger Oberbürgermeisterin Edith Schreiner als Vorsitzende des Stiftungsrates der Aenne-Burda-Stiftung teilnahmen. Lebhaft diskutierten sie über Sinn und Zweck von Frauenstiftungen, sprachen über den Zusammenhang von Geld und Macht und die Frage, inwieweit Frauen durch Stiftungen Macht zukomme. Ausführlich wurde auf die Frage eingegangen, ob sich mit Stiftungen politische Akzente setzen ließen und ob dabei für Stiftungen die Gefahr bestehe, letztlich Aufgaben von Staat und Kommunen zu übernehmen.

Es zeigte sich im Laufe des Meinungsaustausches, dass Frauenstiftungen häufig über geringere finanzielle Ressourcen verfügen als von Männern ins Leben gerufene Stiftungen. Das Beispiel der filia-Stiftung machte deutlich, dass durch den Zusammenschluss mehrerer Frauen dennoch die Gründung einer kapitalstarken Stiftung möglich ist. Trotzdem, so Gilla Dölle, blieben die Ressourcen begrenzt, Stiftungen könnten nur in beschränktem Maße fördernd tätig sein, eine Auswahl der zu unterstützenden Projekte oder Personen sei nötig. Gleichwohl bestehe die Möglichkeit, wie Susanne Asche betonte, durch Stiftungen und Stipendien gezielt zu unterstützen und somit politische Akzente zu setzen. Edith Schreiner hob hervor, dass Stiftungsgelder der Aenne-Burda-Stiftung für Förderprojekte wie das Offenburger Frauengesundheitszentrum verwendet würden und damit Starthilfen für Projekte gäben, die sonst nur wenig oder gar keine Chance auf staatliche oder kommunale Förderung hätten.

Die Tagung hatte zum Ziel, das weibliche Stiftungswesen im 19. und 20. Jahrhundert vorzustellen und in seinen unterschiedlichen Facetten historisch auszuleuchten. Durch Vorträge und Diskussionen gelang es, den circa 60 Teilnehmerinnen sowohl Traditionslinien als auch Veränderungen im weiblichen Stiftungswesen aufzuzeigen sowie über Wesen und Zweck weiblichen Stiftens zu informieren und zu sensibilisieren.


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