Dienst am Kranken. Krankenversorgung zwischen Caritas, Medizin und Ökonomie

Dienst am Kranken. Krankenversorgung zwischen Caritas, Medizin und Ökonomie

Organisatoren
DFG-Projekt „Die Hessischen Hohen Hospitäler“, Emil-von-Behring Bibliothek (Universität Marburg), LWV-Hessen
Ort
Marburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
22.03.2007 - 24.03.2007
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Von
Natascha Noll, Marburg / Katrin Dort, Trier

Anlass der Tagung war zum einen der 800. Geburtstag der Heiligen Elisabeth von Thüringen, der in Marburg mit zahlreichen Veranstaltungen und Ausstellungen im Rahmen des „Elisabethjahrs“ begangen wird. Zum anderen sind die Initiatoren der Tagung – Prof. Gerhard Aumüller (Emil-von-Behring Bibliothek, Universität Marburg) und PD Dr. Christina Vanja (LWV-Hessen, Universität Kassel) – Leiter eines DFG-Projekts zur Erforschung der Hessischen Hohen Hospitäler in der Frühen Neuzeit. In seiner Begrüßungsrede betonte Prof. Aumüller, dass es auch Ziel des Symposiums sei, die Ergebnisse dieses Projekts in einen größeren Diskussionszusammenhang zu stellen. Dabei solle das Thema der Krankenfürsorge im Schnittpunkt zwischen Patienten, Gesundheitsanbietern, Pflegenden und den ökonomischen und gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen diskutiert und analysiert werden.

Der zeitliche Rahmen der Vorträge war weit gespannt, er reichte vom frühen Mittelalter bis ins 21. Jahrhundert. Dadurch wurden sowohl Kontinuitäten als auch Brüche in der Geschichte des „Dienstes am Kranken“ deutlich. Die Vorträge werden in einem Tagungsband veröffentlicht werden.

Sektion 1: „Das mittelalterliche Hospitalwesen zwischen Medizin und Caritas“

In seinem Vortrag „Moses und die Schlange oder ein Blick auf das Zeitalter der Klostermedizin“ stellte PD Dr. Kay Peter Jankrift (Historisches Seminar, Universität Münster) die große Bedeutung in Frage, die die Forschung der Klostermedizin für das frühe Mittelalter zuschreibt. Die Klostermedizin kam nur einem eingeschränkten Personenkreis zu Gute, daneben gab es andere Heilkundige und Formen von medizinischem Wissen. Der Vorrang, welcher der Klostermedizin in der Forschung eingeräumt wird, geht auf ein Ungleichgewicht in der Quellenüberlieferung zurück – nur in den Klöstern wurde das medizinische Wissen schriftlich dokumentiert, wie und welche Kenntnisse außerhalb dieser Einrichtungen bestanden, wurde nicht aufgezeichnet. Dass auch außerhalb der Klöster und des geistlichen Bereichs medizinisches Wissen vorhanden war, zeigen z.B. völkerwanderungszeitliche Skelettfunde, die verheilte Wunden aufweisen, die Erwähnung jüdischer Heilkundiger bei Gregor von Tours oder die Bestimmungen für Ärzte in der Lex Visigothorum, die sich eindeutig an Laien richteten.

Dr. Hubert Kolling (Bad Staffelstein) beschäftigte sich in seinem Vortrag mit den mittelalterlichen Wurzeln der institutionalisierten Krankenpflege. Zunächst erinnerte er daran, dass seit den Anfängen des Christentums die Sorge für Kranke als eine der wichtigsten Pflichten eines jeden Christen galt, was im Matthäus-Evangelium und der Regula Benedicti zum Ausdruck kommt. Danach gab er einen allgemeinen Überblick über Einrichtungen und Gemeinschaften, die sich seit dem frühen Mittelalter um die Krankenpflege bemühten. Zunächst erwähnte er die Klöster und Xenodochien, dann ging er auf die seit dem 11. Jahrhundert bestehenden Spitäler der verschiedenen Ritterorden ein. Er warf einen Blick auf die v.a. in den Städten entstandenen weltlichen Pflegeorden und behandelte schließlich noch die Rolle von Frauen in der Krankenpflege. Insgesamt bewertete er die mittelalterliche Krankenpflege im Gegensatz zu heute eher als kranken- denn als krankheitsorientiert und das Hospital eher als eine Stätte der Barmherzigkeit.

Zum Schluss der Sektion beleuchtete Prof. Peter Dilg (Institut für Geschichte der Pharmazie, Universität Marburg) die Anfänge des mittelalterlichen Apothekenwesens. Die ältere Pharmaziegeschichtsschreibung sah die Geburtsstunde des Apothekerwesens in den „Constitutiones“ Friedrichs II. (1231, bzw. Nachträge bis spätestens 1241), die eine klare Trennung zwischen Ärzten und Apothekern festlegten. In der Tat habe sich der Apothekerberuf als spezifische Profession auf europäischem Gebiet seit dem 13. Jahrhundert herausgebildet. Dilg betonte jedoch, dass die Gesetze Friedrichs II. diese Entwicklung jedoch nicht hervorriefen, sondern lediglich kodifizierten. Dafür sprechen auch ähnliche Gesetze, die zeitgleich im südfranzösischen und italienischen Raum entstanden. Es gelte also, die Ursachen für die Entstehung des Apothekenwesens zu erforschen. Seine Anfänge in Europa sind möglicherweise in den Klöstern zu suchen – einige Anhaltspunkte finden sich in der Regula Benedicti und dem St. Galler Klosterplan. Wesentlich früher entwickelte es sich aber im islamischen Kulturraum und vielleicht schon im byzantinischen Gebiet.

Am Abend fand ein öffentlicher Vortrag von Prof. Matthias Werner (Historisches Institut, Universität Jena) statt. Passend zu seinem Vortragsthema „Schwester in der Welt – Kranken- und Armenfürsorge durch Elisabeth von Thüringen“ sprach er in der Elisabethkirche Marburg. Er berichtete ausführlich über das Leben Elisabeths, wobei er auf die extremen Kontraste in ihrer Biographie hinwies. Ihr Schritt, sich als Angehörige des Hochadels und Gattin des Landgrafen Ludwig von Thüringen der Armutsbewegung anzuschließen und sich in eigener Person um Arme und Kranke zu kümmern, stellte er als einzigartig dar. Sie verband als erste das Armutsideal der frühen Franziskaner mit der Krankenpflege. Daran knüpfe ihre rasche Verehrung als Heilige an und so wurde sie zum Leitbild der Caritas.

Sektion 2: „Die neuen Hospitäler der Renaissance als Orte der Sozialpolitik“

Dr. John Henderson (Wolfson College, University of Cambridge) ging in seinem Vortrag „Healing the Body and Healing the Soul: the Role of Hospitals in Renaissance Italy“ zum einen der Frage nach, was für Zeitgenossen die Charakteristiken eines Hospitals darstellten, zum anderen beschäftigte er sich mit den Erfahrungen der Patienten. Er stellte anhand von reichem Bildmaterial verschiedene für italienische Hospitäler typische architektonische und dekorative Elemente heraus, etwa die Loggia oder am Gebäude angebrachte Bildzyklen, die auf die Aktivitäten der Einrichtung verwiesen. Die Patienten erfuhren nach einer bestimmten Aufnahmeprozedur sowohl physische als auch spirituelle Behandlung, da die Sorge für die Seele essenziell für die Heilung des Körpers war. Die Hospitäler stellten ein wichtiges Element in der Armen- und Gesundheitsfürsorge der Städte dar.

In ihrem Vortrag stellte Dr. Claudia Stein (Centre of the History of Medicine, University of Warwick) die in der Forschungsliteratur verbreitete These in Frage, dass die Blatternhäuser des 16. Jahrhunderts Vorläufer der frühmodernen Kliniken des 18. Jahrhunderts waren. Erstens stellten die Blatternhäuser nicht die einzigen Einrichtungen dar, die auf Heilung ausgerichtet waren. Zweitens hatte die medizinische Behandlung in den Blatternhäusern nichts mit derjenigen am Ende des 18. Jahrhunderts gemein. Vielmehr beruhte die Behandlung von Krankheiten im 16. Jahrhundert auf anderen medizinischen Konzepten als im späten 18. Jahrhundert, dadurch sind Blatternhäuser und Kliniken nicht vergleichbar.

Prof. Gerhard Aumüller (Emil-von-Behring Bibliothek, Universität Marburg) beschäftigte sich mit der ärztlichen Versorgung im hessischen Hohen Hospital Haina, die er im 17. Jahrhundert als überdurchschnittlich gut qualifizierte. Schon bei der Gründung des Hospitals im 16. Jahrhundert wurde festgelegt, dass einer der Medizinprofessoren von Marburg als Hospitalsarzt wirken sollte. Im 17. Jahrhundert visitierte dieser das Hospital einmal im Quartal. Daneben waren andere Personen für die ärztliche Versorgung im Hospital zuständig. Regelmäßig kamen Chirurgen und Bader ins Hospital. Die Sorge um die Hospitalsinsassen lag aber nicht nur bei diesen. Im Alltag spielten die Krankendiener und der Pfarrer eine große Rolle. Der Küchenmeister schließlich war dafür zuständig, welche Kost die Hospitaliten bekamen und wirkte somit im Sinne der Diätetik auch medizinisch. Insgesamt kann daher die These, im Hospital Haina habe kaum medizinische Versorgung bestanden, kaum aufrecht erhalten werden.

Sektion 3: „Das Hospitalwesen im Zeichen der Aufklärung“

Zu Beginn der Sektion referierte PD Dr. Frank Hatje (Historisches Seminar, Universität Hamburg) über „Kontinuität und Wandel in der Arbeitsteiligkeit der Hamburger Bürgerstiftung vom 17. bis zum frühen 19. Jahrhundert“. Er wies zunächst darauf hin, dass eine funktionale Differenzierung nach Krankengruppen bereits im Mittelalter existierte. Hamburg verfügte bereits im 15. Jahrhundert über vier Hospitäler. Um 1600 kamen vier große Einrichtungen hinzu: Pesthof, Waisenhaus, Werk- und Zuchthaus, Gast- und Krankenhaus. Diese institutionelle Ausdifferenzierung der Fürsorgeeinrichtungen folgte einem systematischen Ansatz. Das Ziel eines arbeitsteiligen Systems zeigte sich nicht zuletzt in den Statuten, die der Rat der Stadt 1633 erließ und die die Zuständigkeiten der städtischen Hospitäler regelten. Allerdings dürfe der systematische Ansatz nicht überschätzt und die Pragmatik, die der Arbeitsteilung zugrunde lag, nicht unterschätzt werden.

PD Dr. Heiko Droste (Emil-von-Behring Bibliothek, Universität Marburg) behandelte die „Hospitalverwaltung auf dem Weg zu Professionalisierung“ am Beispiel der hessischen Hohen Hospitäler im 18. Jahrhundert. Seine zentrale Frage war dabei, ob und in welcher Form in einer stark hierarchisch und nach ständischen Prinzipien geordneten Organisation eine Professionalisierung erkennbar wird. Er zeigte zunächst, dass Karrieren innerhalb des Hospitals von drei Komponenten bestimmt wurden: Nepotismus, der Befähigung des Einzelnen und dem Interesse der Bedienten nach einer lebenslangen Versorgung im Hospital. Diese Mechanismen wurden nicht als Hindernis auf dem Weg einer zunehmenden Professionalisierung wahrgenommen, die sich primär in einer fortschreitenden Ausdifferenzierung (z.B. von Aufgabenbereichen) und einem gestiegenen Verwaltungsaufwand äußerte. Die Ausdifferenzierung bedeutete hingegen nicht, dass die hoch bewerteten Formen einer ständischen Organisation aufgegeben wurden. Diese wurde vielmehr als Garant einer erfolgreichen Verwaltung angesehen und legte damit den Rahmen fest, innerhalb dessen Wandel stattzufinden hatte.

Prof. Irmtraut Sahmland (Emil-von-Behring Bibliothek, Universität Marburg) beschäftigte sich mit dem Thema „Zwischen Fürsorge, Ordnung und Moral. Ausweisungen von Hospitalsinsassen aus Merxhausen im 18. Jahrhundert“. Sie untersuchte, inwiefern die in den Hospitalsordnungen vorgeschriebene Ausweisung von Schwangeren aus dem Hospital mit dem Anspruch der Hospitalitinnen auf Fürsorge in Konflikt trat. Wurde mit der durch die Aufnahme in das Hospital verbundenen dauerhaften Versorgungsleistung zugleich die moralische Integrität des Hospitaliten eingefordert, so sah die Hospitalordnung bei Fehlverhalten die Möglichkeit der Ausweisung vor. Am Beispiel der Schwängerung von Hospitalitinnen ging Sahmland der Frage der Verbindlichkeit des Fürsorgeprinzips im Konfliktfall nach. Die Ausweisung wurde einerseits mit dem strafwürdigen Verhalten, andererseits mit der Gefährdung der hospitalsinternen Ordnung begründet, die ein Fornikationsfall jeweils bedeutete. Ein Verweis fand allerdings nur in 12 der 22 untersuchten Fälle statt. Die weitere Duldung im Hospital ergab sich aus der fehlenden Sozialprognose, insofern die betroffenen Frauen aufgrund ihrer Gebrechen sich und ihr Kind nicht selbst versorgen könnten. Dem mit der Aufnahme bewilligten Anspruch auf Fürsorge wurde in diesen Fällen ein Vorrang gegenüber der moralischen Bewertung eingeräumt. Unberücksichtigt blieb eine fehlende Schuldzurechnungsfähigkeit, wie sie nach heutigem Verständnis vor allem bei geistig behinderten Pfleglingen gegeben wäre, noch ließ sich eine Bezugnahme auf den im 18. Jahrhundert intensiv geführten Diskurs über uneheliche Schwangerschaft (Kindsmord) nachweisen.

Sektion 4: „Die Entwicklung der modernen Krankenhäuser, Heilanstalten und einer neuen christlichen Pflege. Das 19. Jahrhundert.“

Prof. Gunnar Stollberg (Fakultät für Soziologie, Universität Bielefeld) begann seinen Vortrag „Die Herausbildung des modernen Krankenhauses“ mit dem Hinweis, dass im späten 18. Jahrhundert in Süddeutschland die Konzeption eines Krankenhauses für heilbare Kranke entstand, womit die medizinische Funktion in den Mittelpunkt einer zuvor meist multifunktional ausgerichteten Organisationsform gestellt wurde. Daran schloss er eine organisationssoziologische Betrachtung des Krankenhauses an. Er stellte heraus, dass sich in einer solchen Einrichtung mehrere soziale Funktionssysteme finden - das medizinische System, das Wissenschaftssystem, das Erziehungs- und Ausbildungssystem und das ökonomische System. Aus dieser Perspektive ging er vergleichend ein auf das Allgemeine Krankenhaus Münchens als süddeutschen Typus, in dem eine Krankenhausversicherung die labouring poor absicherte, sowie auf das Evangelische Krankenhaus Düsseldorfs als konfessionell-karitative Einrichtung.

PD Dr. Christina Vanja (LWV-Hessen, Universität Kassel) beschäftigte sich in ihrem Vortrag mit den bislang kaum untersuchten Heilanstalten, die vor allem zwischen 1800 und den späten 1920er Jahren eine wichtige Rolle in der Aufnahme und Pflege von Kranken spielten. Die Geschichte der Heilanstalten ist in besonderer Weise mit der Kulturgeschichte des gesunden Lebens verknüpft. Zum Kurprogramm gehörten Hydrotherapie, gesunde Ernährung, Liegekuren und Bewegung an der frischen Luft sowie ein wohlgeordneter Alltag. Auch der Anstaltsbau sollte die Heilung befördern, daher lagen die architektonisch an Bürgerhäusern orientierten Gebäude fast immer klimatisch günstig in der Natur. Neben diesen Therapieformen wurde auch pädagogisch auf die Patienten eingewirkt. Eine strenge Hausordnung und eine paternalistische Anstaltsleitung sollten zu Selbstdisziplinierung und zur Verinnerlichung eines asketischen Lebensideals erziehen.

Dr. Norbert Friedrich (Fliedner Kulturstiftung Kaiserswerth) behandelte die „Anfänge und Weiterentwicklung der Diakonie im 19. Jahrhundert“. Er erinnerte daran, dass der Diakon / die Diakonisse in der alten Kirche ursprünglich für die Armenfürsorge zuständig war. Im 19. Jahrhundert veränderte sich diese Arbeit grundlegend und wurde zunächst mit dem analogen Begriff der Inneren Mission umschrieben. Das theologische Konstrukt der Diakonie wie auch der Inneren Mission geht auf Johann Hinrich Wichern (1808-1881) zurück, der allerdings der christlichen Krankenpflege noch keine besondere Aufmerksamkeit widmete. Durch den Pfarrer und Missionar Johannes Evangelista Goßner (1773-1859), die Hamburgerin Amalie Sieveking (1794-1859) und Theodor Fliedner (1800-1864) mit seinen beiden Frauen Friederike (1800-1842) und Caroline (1811-1892) wurden Krankenpflegevereine gegründet, aus denen die Diakonissenmutterhäuser hervorgingen.

Der Abendvortrag war wiederum der Heiligen Elisabeth gewidmet. In der Alten Aula der Philipps Universität sprach Prof. Klaus Niehr (Kunstgeschichte, Universität Osnabrück) über „Mode und Vorbild. Die hl. Elisabeth im Bild“. Zu Beginn stellte er heraus, dass die Bilder der Heiligen über Jahrhunderte hinweg geprägt wurden durch das Wissen über ihre Person auf der einen und durch Absichten und Interessen auf der anderen Seite. Anhand zahlreicher Bildbeispiele des 13.-18. Jahrhunderts vollzog er die über einer Grundidee immer wieder neu formulierte Ikonographie der Heiligen nach und fragte jeweils nach den künstlerischen und nicht künstlerischen Faktoren, die für die Ausprägungen einer Darstellung entscheidend waren. Die charakteristische Mischung aus traditioneller Bildsprache und neu entwickelter Idee, die vertraute Formulierungen und aktuelle Programmatik in Einklang brachten, trugen zur Konjunktur der Heiligen über die Jahrhunderte hinweg bei.

Sektion 5 „Auf ungeraden Wegen zur Postmoderne. Vom 19. bis in das 21. Jahrhundert“

Prof. Martin Dinges (Institut für Geschichte der Medizin der Robert-Bosch-Stiftung, Stuttgart) verfolgte die Geschichte von Krankenhäusern in der Homöopathie bis heute. Schon Hahnemann war der Überzeugung, dass auch Homöopathen eine Klinik bräuchten, um Ärzte auszubilden, die Effektivität der Homöopathie vorzuführen und Forschungsmöglichkeiten zu schaffen. Die erste homöopathische Klinik wurde 1833 in Leipzig gegründet. Seitdem spielte das Krankenhaus für die Homöopathie immer eine Rolle, auch wenn die Krankenhäuser im 19. Jahrhundert häufig nur kurz bestanden, oder die ehemals homöopathische Ausrichtung z.B. in Kliniken der USA verloren ging. Der ausschließliche Gültigkeitsanspruch der Schulmedizin, wie er nach dem Zweiten Weltkrieg zunehmend vehement vertreten wurde, bedeutete zugleich eine Krise der Homöopathie und der homöopathischen Krankenhäuser. Seit den 1980er Jahren ist allerdings eine Renaissance der Homöopathie zu beobachten, die sich auch in der Gründung neuer Kliniken zeigt.

Dr. Kornelia Grundmann (Emil-von-Behring Bibliothek, Marburg) untersuchte die allgemeine Entwicklung des Krankenhauses am Beispiel der Marburger Chirurgischen Klinik in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die therapeutischen Erfolge der Chirurgie hätten in besonderem Maße dazu beigetragen, die Akzeptanz des Krankenhauses in der Bevölkerung zu steigern. Baulich schlug sich die Ausweitung der chirurgischen Behandlung in Marburg im Neubau und Ausbau der Gebäude nieder. Damit einher ging ein gestiegener Ärztebedarf und die Professionalisierung des Pflegepersonals. Anhand der Auswertung von Krankenakten der Chirurgischen Klinik wurde die Entwicklung der Patientenklientel bis in die fünfziger Jahre verfolgt und mit aktuellen Zahlen verglichen. Mit den Krankenzahlen stieg die Bettenauslastung in diesem Zeitraum stetig an. Die Zahl der Frauen im Krankenhaus nahm etwas zu, jedoch waren junge arbeitsfähige Männer („labouring poor“) weiterhin in der Überzahl. Das Krankheitsspektrum änderte sich durch verbesserte medizinische Möglichkeiten gravierend.

Prof. Martin Lingenfelder (BWL, Universität Marburg) behandelte das Thema „Modernes Krankenhausmanagement und Gesundheitsfürsorge – ein Gegensatz?“ Da die Defizite der Krankenhäuser zunehmend nicht mehr von den Kommunen gedeckt werden, muss ihre Finanzierung entweder in gesellschaftlichem Konsens auf eine völlig andere Grundlage gestellt oder durch betriebswirtschaftliche Maßnahmen gesichert werden. Um den dauerhaften Bestand eines Krankenhauses zu gewährleisten, ist eine Mindestrendite notwendig. Der Druck zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit führt letztendlich auch dazu, dass verstärkt verschiedene Interessengruppen aufeinander treffen und letztendlich Eigenkapitalgeber an Einfluss gewinnen. Zentrale Bedeutung bei der Reformierung eines Krankenhauses komme der Festlegung von Zielfunktionen zu, die vom Management umgesetzt werden. Dabei soll allerdings nicht aus den Augen verloren werden, dass der Zweck eines Krankenhauses die Behandlung von Patienten ist.

Sektion 6 „In der Tradition der mittelalterlichen Caritas“

Der abschließende Vortrag umspannte nochmals das gesamte zeitliche Spektrum der Tagung. Prof. Helmut Siefert (Frankfurt) beschäftigte sich mit dem Thema „Vom Hospital der Heiligen Elisabeth bis zur Hospizbewegung heute“. Anhand von vier Personen - der Heiligen Elisabeth (13. Jh.), Landgraf Philipp dem Großmütigen von Hessen (16. Jh.), dem Arzt Johann Christian Senckenberg (18. Jh.) und Cicely Saunders (20. Jh.) zeigte er beispielhaft auf, wie sehr unterschiedliche Personen in verschiedenen Epochen karitativ wirkten.

Die Tagung endete am Samstag Mittag mit einer Führung über das Gelände des Deutschordenshauses rund um die Elisabethkirche. Prof. Ursula Braasch-Schwersmann (Hessisches Landesamt für geschichtliche Landeskunde, Marburg) legte dabei den Schwerpunkt auf das Hospitalwesen in den Gebäuden des Deutschen Ordens.


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