Der mittelalterliche und frühneuzeitliche Zweikampf in kulturgeschichtlicher Perspektive/Il duello fra medioevo ed età moderna: prospettive storico-culturali

Der mittelalterliche und frühneuzeitliche Zweikampf in kulturgeschichtlicher Perspektive/Il duello fra medioevo ed età moderna: prospettive storico-culturali

Organisatoren
Uwe Israel (Deutsches Studienzentrum in Venedig), Gherardo Ortalli (Università degli Studi Ca' Foscari, Venezia)
Ort
Venedig
Land
Italy
Vom - Bis
18.05.2007 -
Url der Konferenzwebsite
Von
Hendrik Hellersberg, Deutsches Studienzentrum in Venedig

Am 18. Mai 2007 richtete das Deutsche Studienzentrum in Venedig einen von Uwe Israel und Gherardo Ortalli geleiteten Studientag zum „Mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Zweikampf in kulturgeschichtlicher Perspektive“ aus. Im Mittelpunkt der Tagungsvorträge der italienischen und deutschen Referenten standen dabei sozial-, ritual-, rechts- und religionsgeschichtliche Implikationen des Zweikampfs. Als eine ritualisierte Form der Konfliktlösung wurde er als ein zentrales Handlungs- und Ordnungsmuster der mittelalterlichen Gesellschaft vorgestellt. Seine eminente Bedeutung für norditalienische Städte zur Zeit der Staufer wurde an den Städten Piacenza und Pavia gezeigt. Seine Stellung in der Rechtsliteratur der Renaissance wurde umfassend dargestellt. Der ihm zugrunde liegende Ehrbegriff, seine Verankerung an Universitäten und seine Funktion im Rahmen studentischer Ehrenhändel vom sechzehnten bis zum achtzehnten Jahrhundert waren weitere Themen, die den Zweikampf auch als ein bedeutsames Handlungsmuster in der frühneuzeitlichen Gesellschaft vorstellten. Es wurde somit nicht nur nach der Praktik des Konfliktaustrags, sondern gerade auch nach seiner epochenübergreifenden und seiner landesspezifisch ausgeprägten Form in Italien und Deutschland gefragt.

Frank Rexroth (Göttingen) näherte sich dem Phänomen des Zweikampfs in ritualgeschichtlicher Hinsicht. Als eine nach vereinbarten Regeln abfolgende Handlungsweise wertete er ihn als einen Versuch, unsicher gewordene Statusverhältnisse zu klären und zu stabilisieren. Damit wurde der vor allem an unterschiedlichen Quellen- und Textgattungen erprobte Ritualbegriff auf eine Form des Konfliktaustrags bezogen. Die nur scheinbar „kulturell“ zurückgebliebene mittelalterliche Gesellschaft verwendete in diesem Sinne den Zweikampf nicht als ein „fremdes“, letztlich unbegreifbares Phänomen, sondern als eine ritualisierte Handlungsform. An ihm zeigt sich paradigmatisch die Komplexität der mittelalterlichen Gesellschaft, die nach einem adäquaten Mittel suchte, um sich über sich selbst Rechenschaft abzulegen.

Anhand von Protokollen aus den Städten Pavia und Piacenza beleuchtete Uwe Israel (Venedig) die konkreten Möglichkeiten der „Wahrheitsfindung und Grenzsetzung“ im Rahmen eines Inquisitio-Verfahrens respektive einer gewaltsamen, „Mann gegen Mann“ erfolgenden Streitentscheidung, die an die Stelle größerer, kriegerischer Auseinandersetzungen getreten war. Es wurden wesentliche funktionale und performative Wandlungen des hochmittelalterlichen Gerichtskampfs im frühstaufischen Oberitalien deutlich. Der Kampf war in Zeiten wachsender Kritik – wie dem immer wieder vorgebrachten alttestamentlichen Tötungsverbot, dem neutestamentlichen Gebot der Nächstenliebe, dem seit der hochmittelalterlichen Kirchenreform vorgebrachten Gedanken von dem Zweikampf als einer Versuchung Gottes (temptatio Dei) – gleichwohl noch ein Mittel zur Klärung von Besitz- und Rechtsstreitigkeiten. Die Besonderheit der von Israel herangezogenen Quelle lag dabei darin, dass sie trotz scheinbar diskursivem und rationalem Charakter affirmativ auf eine performative und irrationale Praxis verweist.

In seinem Vortrag „Dall’ordalia al duello giudiziario“ wendete sich Gherardo Ortalli (Venedig) den unterschiedlichen Formen und geschichtlichen Wandlungen des Zweikampfs im Hochmittelalter zu. Aufgeworfen wurde dabei von ihm die Frage, warum Ordale verschwinden und allein der Zweikampf als Gottesurteil bleibt und sich zu einem Ehrenkampf wandelt. Im Rahmen einer differenzierten Analyse wies er auf die weitreichenden Folgen der Krise des Ordals im dreizehnten Jahrhundert hin. Ihre sozial- und religionsgeschichtlichen Implikationen wurden nachgezeichnet. Die „singularis pugna“ oder das „duorum bellum“, das den Zusammenstoß von zwei Rivalen vorsah, wurde von ihm von den „unilateralen“ Formen des Ordals, wie etwa der Feuer- und Wasserprobe abgehoben.

Marian Füssel (Münster) beleuchtete in seinem Vortrag den studentischen Zweikampf in der Frühen Neuzeit als eine zwischen Ehre und Verrechtlichung oszillierende gesellschaftliche Erscheinung. Das Zweikampfwesen an der Universität zeigte sich als eine Form des Konfliktaustrags und der „Ehrwahrung“, die zwischen Verbot und Förderung stand. Während im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert den Studenten der Besuch von städtischen Fechtschulen untersagt wurde, galt er den Universitäten seit dem sechzehnten Jahrhundert als ein probates Mittel, die Attraktivität des Studienortes zu steigern. Gestützt auf reichem Bild- und Quellenmaterial untersuchte Füssel sowohl das aus dem unterschiedlichen ständischen Herkunftsmilieu von Adel und Stadtbürgertum resultierende Konfliktpotenzial, als auch die damit verbundene, vom Adel entkoppelte studentische Ehrauffassung. Die ritualisierte Praxis des Duells zeigte sich dabei an der Schwelle zum neunzehnten Jahrhundert als so persistent, dass sie durch formale Verfahren von Ehrengerichten nicht ersetzt werden konnte.

Marco Cavina (Bologna/Udine) ging in seinem Beitrag „La formalizzazione del duello nel Rinascimento“ der Konzeptionalisierung des juristischen Zweikampfs um Ehrangelegenheiten in der Renaissance nach. Er untersucht die unterschiedlichen, in ganz Europa rezipierten, philosophisch-juristischen Konzeptionen in den Traktaten der „professori d’onore“ und der „giuristi“. Ging es ersteren dabei um den juristischen Prozesscharakter des Zweikampfs, so war für den Adel und den philosophierenden Laien der Zeit die Ehrfrage des Kampfes weitaus bedeutsamer. Die naturrechtlichen Vorstellungen vom Zweikampf, wie sie etwa der 1360 erschienene Traktat Giovanni da Legnano bietet, wurden von ihm eingehend erläutert.

Giancarlo Angelozzi (Bologna) stellte hingegen in seinem Vortrag „Il duello dopo il duello“ die Wirkung päpstlicher und kurialer Zweikampfverbote im sechzehnten Jahrhundert vor. Die mit drakonischen Strafmaßnahmen versehenen Erlasse, wie der Verlust der Güter und der Ehre, führten zu der problematischen Entscheidungsfrage, ob auf die Ehrverletzung mit Forderung oder Duldung zu reagieren sei. Angelozzi betonte dabei den Unterschied zwischen dem elitären, in der Öffentlichkeit stattfindenden, juristischen Zweikampf um Ehrangelegenheiten, der durch das Trienter Konzil verboten wurde, und dem klandestinen Duell, das einen wesentlich größeren Zulauf bis ins achtzehnte Jahrhundert besaß. Die damit zusammenhängende Wandlung des Ehrbegriffs interessierte hier im besonderen.

Die Allgemein-, Rechts- und Sozialhistoriker aus Italien und Deutschland, die sich zu dieser Studientagung in der Sala del Caminetto des Centro Tedesco di Studi Veneziani zusammenfanden, beleuchteten die Entwicklung des Zweikampfs im Mittelalter und in der Frühneuzeit als symbolische, ritualisierte und kommunikative Praktik. Seine sozial-, rechts- und religionsgeschichtliche Bedeutung wurde erläutert. Im Rahmen einer sich anschließenden regen Forschungsdiskussion wurden weitere Aspekte vertieft. Die Vorträge sollen in einem Sammelband publiziert werden.

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