Eingeladen zu diesem Round Table hatte die Edition Zurlaubiana (www.zurlaubiana.ch), ein schweizerisches Quelleneditionsprojekt, das seit 1973 an der Publikation der im Familienarchiv der Zurlauben liegenden Dokumente arbeitet. Die Zurlauben waren ein während fast 300 Jahren in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft von Stadt und Stand Zug einflussreiches, zeitweise gar dominierendes Geschlecht. Zahlreiche Familienmitglieder waren vielfach tätig in der lokalen, regionalen und nationalen Politik; allein an gut 600 eidgenössischen Tagsatzungen zwischen 1500 und 1800 nahmen Vertreter aus neun Generationen als Abgeordnete von Stadt und Amt Zug teil. Ebenfalls bedeutend waren die Zurlauben als Soldunternehmer, als Militärs und als Geistliche. Der letzte männliche Spross der Familie, Beat Fidel Zurlauben, war zudem leidenschaftlicher Historiker mit einem starken Sammeltrieb. All diese Aktivitäten schlagen sich in der Sammlung ebenso nieder wie Begebenheiten des Alltags- und Familienlebens.
Ein grosser personeller Wechsel im Editionsteam sowie die Umstellung auf eine datenbankgestützte Produktionsweise verlangten eine Positionsbestimmung des Projekts, möglichst unter Einbezug des Zielpublikums. Der Round Table sollte deshalb den potenziellen und effektiven Benutzer/innen Gelegenheit bieten, ihre Bedürfnisse, Vorstellungen und Wünsche an eine Quellenedition wie die Zurlaubiana zu äußern.
Einleitend schilderten die Podiumsgäste - Lic phil. Natalie Büsser, Universität Zürich; Prof. Dr. Valentin Groebner, Universität Luzern; Prof. Dr. André Holenstein, Universität Bern; Dr. Peter Hoppe, Staatsarchiv Zug; Dr. Marco Jorio, Historisches Lexikon, Bern und Dr. Daniel Schläppi, Universität Bern - ihre Erfahrungen mit Quelleneditionen im Allgemeinen und mit den Acta Helvetica der Zurlaubiana (AH) im Speziellen. Dabei zeichnete sich bereits eine Vorstellung davon ab, was von heutigen Editionen erwartet wird. Auf die Zurlaubiana angewandt, konkretisierten sich diese Ansprüche.
In der Diskussion, an der sich auch ein engagiertes Publikum beteiligte, war man sich allerdings von vornherein einig, dass in einem Projekt, das sich bereits in der "Spätphase" befindet, wohl kaum alle heutigen Idealvorstellungen realisiert werden können. Niemand wünschte deshalb einen radikalen Konzeptwechsel. Vielmehr wurde wiederholt betont, dass Optimierungen sowie der Übergang von der papierbasierten zur datenbankgestützten Edition möglichst wenig Brüche verursachen dürfen. Die folgenden Ideen und Vorschläge wurden als mit diesem Credo vereinbar erachtet.
Fast einhellig wurden Transkriptionen statt Regesten gewünscht, und zwar Volltranskriptionen, die u.a. auch die Anreden und Grußformeln enthalten, die viel über die Beziehungen von Akteuren aussagen.
Als Mangel an der bisherigen Edition wurde kritisiert, dass Editionsrichtlinien und Transkriptionsregeln den Benutzern nur rudimentär zur Kenntnis gebracht werden. Im Sinne von Transparenz und Nachvollziehbarkeit soll hier in Zukunft ein Effort geleistet werden. Ebenso beanstandet wurden das aus dem Schreibmaschinenzeitalter stammende Schriftbild und das Layout. Mit einigen Anpassungen könne die textliche Struktur der Edition optisch viel schneller erfasst werden, was die Lesefreundlichkeit wesentlich erhöhe. Dem selben Zweck würde die deutliche Trennung von Text und editorischen Anmerkungen und Kommentaren dienen, die bisher stark verflochten waren und den Lesefluss oft unnötig hemmten.
Die Erschließungstiefe von Texten und Registern wurde z.T. kontrovers beurteilt. Allgemeiner Konsens bestand darin, dass nur elementare Kontextualisierungen der Texte vorgenommen werden sollten. Dem Vorschlag der Systematisierung der Texte durch die Einfügung verwalteter Sachbegriffe in die Dokumententitel wurde skeptisch begegnet. Bei der Erschließungstiefe der Register sprach sich eine Minderheit für eine Reduzierung aus. Gelegentliche Benutzer (z.B. Hobby-Historiker, Ausstellungsmacher/innen, Journalisten, aber auch Fachhistoriker/innen, die die AH nur nebenbei konsultieren möchten) seien mit den gegenwärtigen Erschließungshilfen meist überfordert. Die Mehrheit betonte demgegenüber den Wert der jetzigen Erschließungstiefe für Forschung und Lehre. Allerdings wurde dem Vorschlag, die Identifikation von Personen nicht mehr in der bisherigen Akribie weiterzupflegen, nicht widersprochen. Auch die Aussage, die im Register festgehaltenen Beziehungen von Orten untereinander gingen zu weit, fand stillschweigende Zustimmung.
Dieses Problem der grundsätzlich widersprüchlichen Bedürfnisse an die Erschließungshilfen der AH (einerseits flache und einfache Findmittel für den schnellen Benutzer, andererseits Tiefenerschließung für den/die gründliche Forscher/in) könnte, so die verbreitete Ansicht, durch ein zusammengeführtes digitales Gesamtregister, das idealerweise als Datenbank (d.h. mit elaborierten Retrievalmöglichkeiten) online zur Verfügung stünde, gelöst werden. Dessen Realisierung wurde eine hohe Priorität eingeräumt. Ob ein Gesamtregister auch in gedruckter Form erscheinen sollte, wurde leider nicht mehr diskutiert.
Als weitere - relativ schnell und einfach zu erstellende - Erschließungshilfe wurde eine chronologische Liste der Dokumente gefordert, die sowohl als gedruckte Liste pro Serie als auch als online verfügbare digitale Liste aller bisher publizierten Dokumente gedacht werden kann.
Eine digitale Volltextedition ist für die meisten Tagungsteilnehmer und -teilnehmerinnen höchstens ein "nice to have", ein Supplement. Wichtig ist, dass man die Transkription der Dokumente auf Papier lesen und bearbeiten kann. Auch den Zugriff auf Digitalisate der Dokumente erachtete niemand als zwingend und unverzichtbar.
Ein letztes - wiederum völlig unbestrittenes - Desiderat an die AH stellt die vermehrte Bekanntmachung der Edition dar. Man könne sich nicht nur mit der Edition von Dokumenten zufrieden geben, man müsse das Produkt auch der Fachwelt und der breiten Öffentlichkeit besser ins Bewusstsein bringen. Die genannten Online-Erschließungshilfen trügen zwar sicherlich dazu bei, reichten aber nicht aus. Unzweifelhaft gehöre auch die Präsenz des Editorenteam an Fachtagungen und die Publikation von Fachartikeln sowie journalistischen Arbeiten dazu, ebenso eine vermehrte Zusammenarbeit mit den Universitäten, z.B. durch Anregung und Unterstützung studentischer Arbeiten und universitärer Lehrveranstaltungen mit dem Zurlauben-Material.