Am 13. und 14. September 2007 fand an der Gießener Justus-Liebig-Universität eine interdisziplinäre Tagung statt, die von Werner Rösener und Carola Fey veranstaltet wurde. Die Tagung ging aus dem von Werner Rösener geleiteten Teilprojekt „Könige und Fürsten des Spätmittelalters und ihre Erinnerungskulturen“ des Gießener Sonderforschungsbereichs „Erinnerungskulturen“ hervor.
Die Königs- und Fürstenhöfe des Spätmittelalters entfalteten ihr kulturelles Leben in einer Synthese aus sakralen und weltlichen Elementen. Die Höfe und Residenzen weltlicher und geistlicher Fürsten im Spätmittelalter waren nicht nur Orte weltlicher Feste, sondern zugleich Zentren des kirchlichen Lebens und sakraler Kulturelemente. Nur einzelne Bereiche der fürstlichen Sakralkultur wurden bislang ansatzweise erforscht. Die Fragenkomplexe der Tagung richteten sich auf Personen, Institutionen, Inszenierungen, Sakralbauten und ihre Ausstattungen ebenso wie auf die Einflüsse realer und normativer Vorbilder. Im Einzelnen war nach den prägenden Elementen des Königtums beziehungsweise spezifischen Formen der Sakralität des Fürstentums zu fragen. Welche Formen sakralen Herrschertums wurden in den Fürstenspiegeln angesprochen? Welche Rolle hatten Hofkapelle und Hofgeistlichkeit an den Fürstenhöfen des Spätmittelalters? Wie wurden kirchliche Festtage begangen? Welche Funktionen hatten Burgkapellen und Residenzstifte? Welche spezifischen Ausprägungen und Unterschiede lassen sich für die Sakralkultur an geistlichen und weltlichen Fürstenhöfen beobachten?
WERNER RÖSENER (Gießen) eröffnete nach seiner einleitenden Skizzierung des Themas mit den genannten Fragestellungen die elf Referate der Tagung mit seinem Beitrag “Fürstenhof und Sakralkultur im Kontext spätmittelalterlicher Fürstenspiegel“. Er behandelte das Thema in drei Schritten, indem er zunächst das sakrale Herrschertum des Frühmittelalters beleuchtete und dazu die staatstheoretischen Darlegungen von Augustinus und ihre Modifikationen durch Papst Gregor den Großen ebenso wie die karolingischen Fürstenspiegel des 9. Jahrhunderts anführte. Sodann wurde der Blick auf die hochmittelalterlichen Quellen gelenkt, unter denen der „Policraticus“ des Johannes von Salisbury einen bedeutenden Beitrag zu Herrschaftslehre und Staatstheorie des Hochmittelalters leistete. Am französischen Königshof brachten der Dominikaner Vinzenz von Beauvais und der Franziskaner Gilbert von Tournai bedeutende Werke hervor. Im dritten Teil des Vortrags kam unter den spätmittelalterlichen Schriften der vielgelesene Fürstenspiegel „De regimine principum“ des Aegidius Romanus ausführlich zur Sprache, in dem vor allem die Metapher des „minister Dei“ und die Tugendlehre hervorstechen. In dem von Jakob Wimpfeling 1498 verfassten Fürstenspiegel „Agatharchia“ trat neben dem christlichen Amtsgedanken vor allem das Verhältnis des Fürsten zur Kirche, das sich als Unterordnung des rechtgläubigen Herrschers unter die kirchlichen Lehren gestalteten sollte, hervor. In seiner zusammenfassenden Wertung konnte Rösener vor allem das Bild des „minister Dei“, in dem während des ganzen Mittelalters die Kirche den Amtscharakter fürstlicher Herrschaft betonte, als Leitgedanke der Fürstenspiegel hervorheben. Ein Ausblick verwies auf die frühneuzeitliche Entwicklung, die zwar in Niccolo Machiavellis „Il Principe“ ein weltlich geprägtes Fürstentum der Renaissance vor Augen führt, in den lebensweltlichen Ausprägungen fürstlicher Hofkultur jedoch die Tradierung sakraler Elemente vor allem im kirchlichen Gemeinschaftsleben erkennen lässt.
JOACHIM SCHNEIDER (Würzburg) untersuchte, ausgehend von der Definition der Hofkapelle durch Josef Fleckenstein, der deren dingliche, räumliche und persönliche Bedeutungsebenen unterschied, „Die Hofkapelle an Fürstenhöfen des Spätmittelalters“. Er konnte verdeutlichen, dass Kleriker auch für die spätmittelalterliche Fürstenherrschaft zentrale Funktionen einnahmen, die ihnen im Zuge der Einrichtung von Residenzstiften anvertraut wurden. Als problematisch stellte sich jedoch der Begriff des Kaplans heraus, da diese Bezeichnung geradezu inflationär für eine Vielzahl von Geistlichen in der Umgebung des Herrschers verwendet wurde. Ausgehend vom Beispiel der Würzburger Marienkirche als Hofkirche zeigte Schneider die Aussagekraft von wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Quellen für die Untersuchung spätmittelalterlicher Hofkapellen auf. So bietet das Salbuch des Bistums aus dem Jahr 1468 die ersten Informationen über die Einnahmen, die materielle Ausstattung und das Personal des Marienstiftes. Ein weiteres Augenmerk galt der Verortung der Geistlichen am Hof, wofür im Falle Würzburgs das Spannungsfeld zwischen der Marienkirche als institutionalisierter Hofkapelle und dem Dom als bischöflicher Grablege aufgezeigt wurde. In einem dritten Schritt untersuchte Schneider die Kapläne an den Höfen von Kleve, Brandenburg und Hessen, wobei die große Variationsbreite der möglichen Organisationsformen der Hofkapellen und die fortschreitende funktionale Differenzierung erkennbar wurden. Aus den jüngeren hof- und verwaltungsgeschichtlichen Studien hob der Referent die Arbeiten zum habsburgischen Hof hervor, die eine Abnahme der Verflechtung von Hofkapelle und Kanzlei belegen.
Der anschließende Vortrag von GÖTZ-RÜDIGER TEWES (Köln) stand unter dem Titel “Die geistlichen Räte an den Höfen der deutschen Könige von 1273 bis 1347: Träger von Sakralkultur?“ Tewes beantwortete die Frage nach dem Einfluss der geistlichen Räte auf die Sakralkultur an den deutschen Königshöfen nach dem Interregnum eher negativ. So war zunächst festzustellen, dass der Anteil der geistlichen Räte an den Königshöfen vom 13. bis zum 14. Jahrhundert insgesamt abnahm und dass der untersuchte Personenkreis wenig zur sakralen Ausprägung des Königtums der Zeit Rudolfs I. von Habsburg bis einschließlich Ludwigs des Bayern beigetragen zu haben scheint. Dies galt allerdings nicht für Ausnahmen wie den Minoriten und Basler Bischof Heinrich von Isny als Rat Rudolfs von Habsburg, für den in prosopographischen Untersuchungen sein maßgeblicher Einfluss auf die Gestaltung besonderer Gottesdienste und religiöser Zeremonien nachgewiesen werden konnte. Diese Bedeutung korrespondierte wie bei anderen geistlichen Räten mit ähnlichen Funktionen für die Sakralkultur an den Königshöfen mit seinem sozialen Rang und seinem Ratseinfluss. Der Referent konnte im Blick auf die Eußertaler Zisterzienser und die Zisterzienser im Allgemeinen, die als Kustoden der Reichsinsignien eine wichtige Funktion einnahmen, die Rolle der Ordensgeistlichen für die königliche Sakralkultur hervorheben. Diese waren, im Unterschied zu den Weltklerikern, in der Mehrheit mit hervorgehobenen Funktionen wie der Verwahrung der Reichskleinodien betraut.
JOHANNES TRIPPS (Florenz) befasste sich unter dem Titel „Von Wunderheilungen und mechanischem Spielwerk. Funde zum sakralen Leben in der Pariser Sainte-Chapelle“ mit den eng an die Person des französischen Königs gebundenen sakralen Funktionen der Sainte-Chapelle in Paris. Er zeigte, dass nicht nur ihr Name und die Idee der architektonischen Einbindung in den Komplex des Königspalastes, sondern auch zahlreiche liturgische Elemente der Sainte-Chapelle in Kultformen des byzantinischen Kaiserhofes ihre Vorbilder hatten. Mit dem Erwerb der Passionsreliquien aus Konstantinopel durch Ludwig IX. hatte der in besonderer Weise geheiligte französische König, an dessen Person die thaumaturgischen Kräfte zur Heilung der Skrofeln gebunden waren, eine weitere Überhöhung erfahren. So konnte das in der Nacht von Gründonnerstag auf Karfreitag in der Sainte-Chapelle gewiesene Wahre Kreuz aus Byzanz Wunderheilungen vollbringen. In der Analyse von Bild- und Schriftquellen betonte der Referent die Rolle des Königs bei der zunächst ihm vorbehaltenen Weisung der Passionsreliquien durch die Öffnung des Reliquienschreins, der „Grande Châsse“. Ebenso konnte Tripps anhand der Pfingstmesse des Jahres 1484 die Einbindung des Königs in die Liturgie und dessen Einflussnahme auf die zelebrierten Riten darstellen. Anhand einer Miniatur aus den „Très Riches Heures“ wurde die Bedeutung eines in die Messe integrierten sakralen Spiels erläutert und in Parallele zu den performativen Handlungen des Königs anlässlich seiner Wunderheilungen gesetzt.
JAN HIRSCHBIEGEL (Kiel) konzentrierte sich in seinem Vortrag „Religiöse Festkultur an spätmittelalterlichen Fürstenhöfen“ auf Feste weltlicher Fürstenhöfe. Er betonte, dass die höfische Festkultur immer auch religiöse Elemente enthalte, dass diese bislang jedoch nur wenig erforscht wurden und dass auch die Quellenlage als problematisch zu bezeichnen sei. Anhand überlieferter Festordnungen und -berichte, Rechnungen und bildlicher Zeugnisse untersuchte Hirschbiegel die Anwesenheit von Geistlichen und Gottesdienste ebenso wie Geschenke, die nur zu einem sehr geringen Teil Objekte des religiösen Bereichs darstellten. Konkrete Untersuchungsgegenstände waren die religiösen Elemente der Neujahrsfeste bei den Herzögen von Berry und Weihnachtsfeste wie das des Heidelberger Hofes im Jahr 1458. Besonderes Interesse galt auch den Fürstenhochzeiten von Amberg, Urach und Landshut, die nach einem einleitenden Gottesdienst durch überwiegend weltliche Festteile wie Tanz- und Turnierveranstaltungen geprägt waren. Sehe man von der Anwesenheit von Geistlichen und den Gottesdiensten als selbstverständlichen Festelementen ab, sei doch zu konstatieren, dass in der Perspektive der Überlieferung zu den höfischen Festen religiöse Aspekte eine untergeordnete Rolle spielten.
CAROLA FEY (Gießen) befasste sich in ihrem Beitrag „Zu Schmuck und Zierde, zu Trost und Heil. Sakrale Schätze und ihre Inszenierungen an bayerischen Fürstenhöfen“ mit der Frage nach den gestalterischen Interessen, die fürstliche Stifter der Ausstattung ihrer residenznahen Sakralräume und der Kultgestaltung entgegenbrachten. Die Untersuchung richtete sich speziell auf die Verehrung von Reliquienschätzen. Dabei wurde nach den Verbindungen der gestalterischen Absichten mit der Person des Fürsten und der Identifikation des Fürsten im religiösen Bereich gefragt. Angesichts der spärlichen Überlieferung materieller Reliquienschätze bezogen sich die Betrachtungen zum einem auf zwei bildliche Zeugnisse aus den Kapellen der Burg Trausnitz und der Blutenburg. Zum anderen stellten die Stiftungsurkunden Herzog Ludwigs des Bärtigen von Bayern-Ingolstadt für die Ingolstädter Liebfrauenkirche schriftliche Quellen für die Betrachtung eines Schatzes im räumlichen und liturgischen Kontext dar. So konnten das Altarretabel mit der Abbildung der Heiligen Lanze in der Trausnitzer Burgkapelle und die Blutenburger Tafel aus der Kapelle des Schlosses Blutenburg, die den Andechser Heiltumsschatz abbildet, als reliquienähnliche Andachtsmedien analysiert werden. Während diese Objekte für die im 15. Jahrhundert im religiösen Bereich zu beobachtenden Tendenzen zur Aufwertung der optischen Wahrnehmung stehen, verweisen die Ingolstädter Stiftungen Herzog Ludwigs des Bärtigen auf die performative Dimension der Reliquienschätze. In all diesen Inszenierungen spiegelte sich die Verehrung der Passion Christi als zentraler Gegenstand fürstlicher Frömmigkeitspraxis im späten Mittelalter.
Der Vortrag von BRIGITTE STREICH (Wiesbaden) „Öffentlich inszenierte und private Frömmigkeit. Die Sakralkultur am wettinischen Hof“ befasste sich auf der Grundlage einer breiten Quellenbasis von Inventaren und Rechnungsbüchern mit der Sakralkultur an den wettinischen Höfen des Spätmittelalters. Ein Schwerpunkt lag auf der privaten Frömmigkeit und ihrer Verortung an den wettinischen Haupt- und Nebenresidenzen Meißen, Dresden, Altenburg und Colditz. Der erste Teil des Beitrages war der Lage und Ausstattung der verschiedenen Burgkapellen gewidmet, während im zweiten und dritten Teil Überlieferungen zu Reliquien und Formen religiöser Inszenierungen im Mittelpunkt standen. Die materielle Kultur, die insbesondere in Quellen zu Hinterlassenschaften und Geschenken fassbar ist, erlaubt vielfältige Rückschlüsse auf die persönliche Heiligenverehrung der Fürsten und ihrer Ehefrauen. Mehrere Reliquiensammlungen ließen sich im Besitz weiblicher Angehöriger des wettinischen Hauses erschließen. Für das Residenzstift St. Georg in Altenburg, die Kreuzkirche in Dresden und den Dom in Meißen geben die Quellen Hinweise auf die Präsentation der Reliquienschätze und die öffentliche Inszenierung von Frömmigkeit. Aspekte individueller Frömmigkeit einzelner wettinischer Fürsten lassen sich aber auch in Pilgerfahrten ins Heilige Land, in regionalen Wallfahrten, etwa zum Heiligen Blut nach Wilsnack sowie in unterschiedlichen Zeugnissen caritativer Tätigkeit erkennen.
CHRISTIAN HESSE (Bern) setzte sich in seinem Vortrag „Der Hof der Landgrafen von Hessen und seine Sakralkultur“ auf der Grundlage von Rechnungsbüchern des 15. und des beginnenden 16. Jahrhunderts mit der Wallfahrtspraxis am Hof der Landgrafen von Hessen auseinander. Fernwallfahrten nach Jerusalem und Rom, die Wallfahrt nach St. Josse und die Pilgerfahrt zum Heiligen Blut in Wilsnack waren jeweils mit dem Besuch mehrerer Stationen unterwegs verbunden. Daneben fallen vor allem auch die kürzeren, oft nur eintägigen Nahwallfahrten nach Gottsbüren, Wehrshausen und Grimmenthal ins Gewicht, die eine besondere Bedeutung für die Wallfahrtspraxis vor allem der Landgräfinnen erlangten. Die Kosten für die Wallfahrten scheinen insgesamt, von den Reisen nach Jerusalem abgesehen, eher gering gewesen zu sein. Sowohl auf den Fern- als auch auf den regionalen Wallfahrten wurden die Landgrafen nur von einer relativ geringen Zahl von Personen, vor allem von Dienern und Angehörigen des hessischen Adels begleitet. Aus der Tatsache, dass keine Geistlichen aus der Umgebung der Landgrafen als Reisebegleiter nachweisbar sind, zumindest nicht solche mit vorrangig geistlichen Funktionen, leitete Hesse die grundsätzliche Frage nach der Existenz einer institutionalisierten Hofkapelle oder nur nach dem Bedarf beschäftigter Kapläne ab.
WOLFGANG WÜST (Erlangen) stellte in seinem Beitrag „Aspekte der Sakralkultur am Hof der Bischöfe von Augsburg“ das geistliche Regiment im Bistum Augsburg in das Zentrum seiner Überlegungen. Für den Hof der Augsburger Bischöfe gehörten im 15. und 16. Jahrhundert der Konflikt mit der Stadt Augsburg und die Verlegung der Residenz nach Dillingen zu den prägenden Faktoren der Sakralkultur. Wüst konnte die Residenz Dillingen anhand ihrer Bauformen und ihrer Funktion bei der Übernahme württembergischer Klosterschätze als regionalen, konservativ geprägten Hof charakterisieren. Schwerer sei die Hofgeistlichkeit zu überblicken. Für die geistliche Regierung müsse auch der Einfluss der Domkanoniker berücksichtigt werden, die über die Wahlkapitulationen eine strukturbildende Funktion hatten. Gerade die dadurch entstehende finanzielle Abhängigkeit des Bischofs vom Kapitel habe direkten Einfluss auf den weltlichen Teil des Hofes, etwa in der Ausstattung der Pfründen und im Bereich des Gesandtschaftswesens, gehabt. Auch die Kritik an der zu großen Zahl von Fremden am Hof oder der Baupolitik der Bischöfe zeige, dass das Domkapitel als Mitregent die Hofkultur stark beeinflusste. Wüst schlug abschließend vor, den Kategorien der Machtanalyse Pierre Bourdieus, dem ökonomischen, sozialen, symbolischen und kulturellen Kapital, die Kategorie des „sakralen Kapitals“ hinzuzufügen.
ANDREAS BIHRER (Freiburg) befasste sich in seinem Vortrag „Die Synode als Hoftag des geistlichen Fürsten. Das Beispiel Konstanz“ mit den Diözesansynoden süddeutscher Bistümer. Bihrer stellte in seiner Skizzierung der Forschungslage fest, dass Bistumssynoden bislang vor allem aus der Perspektive von oben, also im Zusammenhang mit Anstößen von Päpsten und Konzilien betrachtet wurden und vorrangig ihre normativen Ergebnisse in Form der Statuten untersucht wurden. Um Synoden jedoch aus der Perspektive der Bischöfe und in ihrem Ablauf zu erfassen, stützte sich Bihrer auf bislang wenig bearbeitete Quellen wie Ordinarien, Protokolle und Predigten. Im ersten Teil des Vortrages wurde nach den Interessen der einladenden Bischöfe und ihrer Einbindung in die liturgischen Abläufe der Synoden gefragt. In diesem Kontext untersuchte der Referent auch die über die Liturgie hinausreichenden Festelemente, die sowohl der Herrschaftsrepräsentation als auch der Darstellung von Einheit und Konsens innerhalb des Klerus dienen konnten. Der zweite Teil des Beitrages war der Frage nach der Einbindung und Mitwirkung der Synodalen gewidmet. Es zeigte sich, dass der Grad der Mitwirkung der Synodalen gering war und dass Tendenzen zur Institutionalisierung kaum erkennbar sind. Vielmehr war für eine stärkere Mitwirkung einzelner Personen und Gruppen die Nähe zum Herrscher entscheidend. Der Referent konnte anhand der herausgearbeiteten Funktionen, der Abläufe und der beteiligten Personen spätmittelalterlicher Bistumssynoden seine These von der Synode als Hoftag des geistlichen Fürsten erläutern und die Diözesansynoden als sakral überformte Hoftage charakterisieren.
META NIEDERKORN (Wien) stellte in ihrem Vortrag „Die Zeit als das Maß aller Dinge – Überlegungen dazu, wie das Zeit-Maß der Musik das Zeremoniell bestimmt“ vor allem für den spätmittelalterlichen Wiener Hof zahlreiche Aspekte der Interdependenz von Musik, Hofalltag und Herrscherrepräsentation heraus. Die Frage nach den sakralen Elementen des Hofes sollte über die Betrachtung der Musik am Hof anhand ihrer Aufführungsmodalitäten und ihrer Gestaltungsmittel beantwortet werden. Bildliche Quellen wie die Darstellung des die Messe hörenden Kaisers Maximilian, musikästhetische Traktate und die Musik selbst gehörten zur breiten Quellenbasis des Vortrages. Ausgehend von den Laudes regiae blieben die Untersuchungen zeitlich nicht auf spätmittelalterliche Phänomene beschränkt. Querverweise auf neuzeitliche Beispiele erschienen notwendig, um Vergleiche aufzuzeigen. Die Referentin verdeutlichte den Stellenwert der Expressivität des Zeitmaßes der Musik sowie weiterer musikalischer Grunddimensionen. Anhand der Faktoren Metrik und Mehrstimmigkeit konnte gezeigt werden, dass Musik in Abhängigkeit von sozialen Dispositionen wahrgenommen werden sollte. Ein zentrales Augenmerk richtete sich immer auf die verschiedenen Ebenen der Perzeption dessen, was sakrales Hofleben im Kontext der Musik ausmache. Abschließend verwies Niederkorn auf die barrierenüberschreitende, zwischen Sakralität und Profanität vermittelnde Funktion der Musik.
Als Resümee der Tagung bleibt zu betonen, dass die Beiträge mit ihren innovativen Fragestellungen ein breites Spektrum zur Erforschung eines bislang nur ansatzweise erfassten Bereichs höfischer Kultur des Spätmittelalters aufzeigten. Die intensiven Diskussionen der Beiträge spiegelten diesen Bedarf an weiteren Forschungen wider. Die Tagungsbeiträge sollen im Rahmen eines Sammelbandes veröffentlicht werden.