Irish and Polish Migration in Comparative Perspective

Irish and Polish Migration in Comparative Perspective

Organisatoren
Klaus Tenfelde
Ort
Bochum
Land
Deutschland
Vom - Bis
06.10.1999 - 10.10.1999
Url der Konferenzwebsite
Von
Christoph Pallaske, IFER Institut für Europäische Regionalforschung Universität-Gesamthochschule Siegen

Die Renovierungsarbeiten sind noch nicht abgeschlossen, da fand in der vergangenen Woche im neu eingerichteten "Haus der Geschichte des Ruhrgebietes" in Bochum eine internationale und interdisziplinaere Konferenz zum Thema "Irische und Polnische Migration in vergleichender Perspektive" statt. In der Migrationsforschung - ein weites Arbeitsfeld nicht nur der Geschichtswissenschaft, sondern auch der Soziologie, Politikwissenschaft und Geographie - sind in den vergangenen Jahren verschiedene neue theoretische und methodische Impulse gesetzt worden.

So konnte der Tagungsort durchaus paradigmatisch gesehen werden, begab man sich hier auf eine grosse Baustelle verschiedener Entwuerfe und darauf aufbauender Studien zur Geschichte von Migrationen, die abschliessend zwar kein fertiges Gebaeude erkennen liessen, auf der man dennoch besonders wegen der internationalen Besetzung der Konferenz verschiedene Konzepte, Vorgehens- und Sichtweisen zur Erforschung der Geschichte von Migrationen kennenlernen konnte. Nicht nur irische und polnische zumeist Historiker oder Soziologen waren anwesend, die Teilnehmer kamen weiter aus den USA, Kanada, Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Schweden, Grossbritannien und Deutschland.

Der Vergleich der Geschichte polnischer und irischer Migration bietet sich aus verschiedenen Gruenden an, weshalb Klaus Tenfelde, Organisator der Tagung, bereits in den siebziger Jahren die Idee hatte, hierzu einen internationalen wissenschaftlichen Austausch zu initiieren. Dies in erster Linie deshalb, weil polnische und irische Migranten im 19. Jahrhundert in grosser Zahl sowohl nach Uebersee auswanderten, als auch ueber mittlere Distanzen seit Beginn der Industrialisierung bis zum Ersten Weltkrieg innerhalb Europas als Arbeitsmigranten im Falle der Polen hauptsaechlich ins Ruhrgebiet und im Fall der Iren in die west- und nordenglischen bzw. schottischen Industriezentren wanderten. Die polnischen Migranten interessierten ueber den Ersten Weltkrieg hinaus, als ein Grossteil der 'Ruhrpolen' entweder nach Frankreich und Belgien weiter- oder den neu entstandenen polnischen Staat zurueckwanderte.

Zweitens aehneln sich die Voraussetzung beider Migrantengruppen. Die Herkunftsregionen waren stark laendlich gepraegt, die Migranten waren fast ausschliesslich katholisch und wanderten in protestantisch dominierte Zielregionen. Weiter fallen die Migrationen in die Zeit staerker werdender nationaler Bewegungen der Polen wie der Iren - beide auf der Suche nach dem eigenen Staat.

Die ueber dreissig Referate, die in sieben Sitzungen gehalten wurden, beruecksichtigten seltener die transatlantische, hauptsaechlich aber die binneneuropaeischen Migrationsbewegungen. Dabei war der Einstieg in die Themenvielfalt etwas schwierig, weil keine theoretische oder methodische Grundlegung zu den verschiedenen Zugriffsweisen der Migrationsforschung vorgenommen wurde, die fuer den geforderten Vergleich der irischen und polnischen Migration sicher hilfreich gewesen waere. Referate, die auf die klassischen Push- und Pull-Theorien zurueckgingen, fanden sich deshalb in einigen Sektionen unvermittelt neben solchen, die mit neueren Ansaetzen der sozial- und kulturgeschichlich orientierten Migrationsforschung argumentierten; hier vor allem mit dem Ansatz migrationsausloesender oder -foerdernder Netzwerke. Andererseits sind, wie sich schnell herausstellte, die "Wissenschaftskulturen" in den verschiedenen Herkunftslaendern der Vortragenden teils so unterschiedlich, so dass eine solche Grundlegung moeglicherweise schwierig und nicht konsensfaehig gewesen waere.

Nach einer einfuehrenden wurden in den folgenden Sitzungen die Themen Ethnizitaet und Arbeitsplatz, die Migranten-Familie, verknuepfende kulturelle Elemente innerhalb der Migrantengruppen, Nationalismus und Arbeiterbewegung, Migrationspolitik sowie die Kontruktion und Bewahrung von Ethnizitaet diskutiert. Soweit sich die sehr facettenreichen Vortraege und Diskussionen ueberhaupt buendeln lassen, waren es besonders zwei Fragen, die waehrend der Konferenz immer wieder Beachtung fanden.

Erstens ging es hauptsaechlich um das Verhalten von Migranten, ob und wie sie sich, wenn das Migrationsziel erreicht war, in die neue Umgebung integrierten, inwieweit sie sich dort als Gruppe formieren konnten und welche Netzwerke bei der Ausbildung eines Gruppenbewusstseins massgeblich waren - oder ob sie sich dort assimilierten. Gemeinsam war den innereuropaeischen Migrationen von Polen und Iren die Zuweisung niedrigqualifizierter Berufe in der Bergbau- und eisenverarbeitenden Industrie oder der Landwirtschaft. Sowohl Iren als auch Polen wurden als Arbeitsmigranten ausgegrenzt, wobei die 'Ruhrpolen' sich als Reaktion auf diese Ausgrenzung in zahlreichen polnischen Vereinen und einer Gewerkschaft organisierten, waehrend die Iren in Grossbritannien sich mehr bestehenden Organisationen der Arbeiterbewegung und der katholischen Kirche zuordneten. Auf der Ebene anderer Netzwerke - etwa bei spezifische Berufsgruppen, am Arbeitsplatz, bei die Vernetzung und Organisation von Migrantinnen oder in "informellen Netzwerken" wie Nachbarschaftsverhaeltnissen - bestand aber offenbar auch unter den irischen Migranten ein ausgepraegtes Gruppenbewusstsein. Eine schluessige Beantwortung der Frage nach der Bereitschaft zur Assimilation der Migranten hingegen steht fuer die "Ruhrpolen" wie fuer die irischen Migranten in England noch aus, weil die Forschungsstrategien problematisch sind: Wie will man heute noch repraesentativ feststellen, wie gross der Anteil anpassungswilliger Migranten gewesen ist? Es ist zwar relativ leicht, die Zahl und Mitgliedsstaerke etwaiger polnischer Vereine zu rekonstruieren, bei deren Eroerterung fehlt dann aber meist die Frage, inwieweit die in Vereinen organisierten Migranten repraesentativ sind fuer das Verhalten der gesamten Gruppe.

Zweitens stand die grundsaetzlichere Frage der Aneignung oder der Zuweisung eines ethnischen Bewusstseins der Migranten im Mittelpunkt. In Amerika etwa fand eine Ethnisierung des Bewusstseins sowohl der polnischen wie der irischen Einwanderergruppe erst nach ihrer weitgehenden Akkulturation statt, als die jeweiligen Nationalbewegungen im 19. Jahrhundert immer mehr Einfluss gewannen. Es gehoert zu einem der Phaenomene von Migration, dass die Selbstbewusstwerdung der eigenen Ethnizitaet durch Migration verstaerkt oder ueberhaupt erst ausgeloest wird.

Doch bestand durchaus Uneinigkeit ueber das Verstaendnis von Ethnizitaet und ihre Bedeutung fuer die Konsolidierung der Migrantengruppe und ihre Ausgrenzung.

Manche Aspekte hingegen blieben erstaunlich wenig beachtet. Obwohl Migrationspolitik Thema einer eigene Sitzung war, wurde der Versuch der staatlichen Einflussnahme auf Zuwanderung, die im Falle Deutschlands und Grossbritanniens oft xenophobe Zuege trug und auf eine Verhinderung der Niederlassung von Zuwanderern zielte bzw. bis heute in immer staerkerem Masse zielt, nur gestreift. Dabei ist die Behandlung der Migranten von staatlicher Seite eine der entscheidendsten Einflussgroessen auf die Integrationsmoeglichkeiten von Migranten. Auch die Wahrnehmung des "Fremden" sowie Formen der Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit gegenueber den Zuwanderern fanden sich kaum angesprochen.

Abschliessend bleibt festzuhalten, dass nur in wenigen Punkten ein unmittelbarer Vergleich zwischen polnischen und irischen Migranten moeglich geworden ist, dennoch viele gute Anstoesse fuer moegliche Forschungsarbeiten gegeben wurden. Hier bleibt abzuwarten. Einer der Hauptgruende dafuer mag sein, dass Migration ein derart vieldimensionales Thema ist, dass eine Beschraenkung gut getan haette. So bleibt die Baustelle weiter Baustelle, wenn auch - das wissen auch viele Arbeitsmigranten auf tatsaechlichen Baustellen - der Austausch einer internationalen "Belegschaft" seine vielfachen Reize hat.


Redaktion
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