Die Entstehung der europäischen Zivilgesellschaft war eng mit der Herausbildung von Märkten und Privateigentum verknüpft. Im Sommerkurs wurde vergleichend untersucht, inwieweit dieser Prozess auch in den Staaten Ostmittel- und Osteuropas beobachtet werden kann, die sich nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Diktaturen 1989-91 in einem schwierigen Übergang befinden. Aber auch in der Wirtschaft westlicher Industriestaaten hat sich im letzten Jahrzehnt unter dem Druck der Globalisierung ein schneller Wandel vollzogen.
Die Vorträge des Sommerkurses behandelten die historischen Voraussetzungen dieser Prozesse, vor allem Verhaltensprägungen der Akteure (z.B. der Unternehmer), kulturelle Bedingungen wie Vertrauensstrukturen und die institutionell-rechtliche Grundlage. Insgesamt wurde deutlich, dass die politisch-kulturellen Rahmenbedingungen der ökonomischen Transformation in den jeweils betrachteten ostmittel- und osteuropäischen Staaten marktwirtschaftliches Handeln keineswegs durchweg begünstigen. Vielmehr haben Traditionen, zählebige Netzwerke, Korruption und Nepotismus die ökonomische Transformation blockiert oder verzögert.
Zugleich wurde in der Veranstaltung jedoch diskutiert, inwieweit diese soziokulturellen Voraussetzungen den langsamen, wiederholt unterbrochenen und keineswegs einlinigen Übergang zur Marktwirtschaft überhaupt erst ermöglicht haben. Ebenso trat in einzelnen Beiträgen hervor, dass Prozesse ökonomischer Globalisierung nicht die Regulierungskompetenz von Nationalstaaten schlechthin beseitigen, sondern sie auf neue Handlungsfelder verlagern.
Insgesamt wurde deutlich, dass die Herausbildung globalisierter Marktwirtschaften in allen Staaten einen tiefgreifenden politisch-institutionellen Wandel voraussetzt und ökonomisches Handeln erfordert, dessen kulturell-historische Einbettung in der Transformation nicht ignoriert werden darf. Damit kann letztlich auch dem Aufbau zivilgesellschaftlicher Werte und Strukturen Auftrieb verliehen werden.