Postgraduate-Workshop der Economic History Association, Austrian Branch

Postgraduate-Workshop der Economic History Association, Austrian Branch

Organisatoren
Christoph Boyer, Universität Salzburg; Markus Cerman, Universität Wien; Reinhold Reith, Universität Salzburg
Ort
Salzburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
25.04.2008 - 26.04.2008
Url der Konferenzwebsite
Von
Michaela Hohenwarter, Wirtschafts-, Sozial- und Unternehmensgeschichte, Karl-Franzens-Universität Graz

Am 25. und 26. April 2008 fand am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Fachbereiches Geschichte der Universität Salzburg der erste Postgraduate-Workshop der Economic History Association statt. Die zweitätige Veranstaltung, in Form eines ESTER-Seminars, bot zehn Dissertant/innen aus Österreich und der Schweiz ein Forum, in dem Projekte präsentiert und diskutiert wurden. Die Idee dazu entstand bereits 2005 im Rahmen einer Sitzung des Austrian Branch der Economic History Association am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien. Ziel war es, ein österreichweites Doktorand/innenkolloquium auf höchstem Niveau zu schaffen.

Die Projektpräsentationen der Doktorand/innen wurden durch ausgewählte Expert/innen des jeweiligen Fachbereichs kommentiert. Dieses Feedback wurde durch eine anschließende rege Diskussion im Plenum ergänzt. Das gewählte Format gestattete somit einen breiten Raum für ausführliche Auseinandersetzungen mit dem jeweiligen Dissertationsprojekt.
Die in den beiden Tagen präsentierten Arbeiten decken unterschiedlichste Themenbereiche, geographische Regionen sowie Epochen ab und eröffneten ein breites Spektrum an wirtschafts-, sozial- und kulturhistorischen Fragestellungen.

Mit dem Thema „Institutionengeschichte des Psychiatrischen Krankenhauses Hall in Tirol (1830-1938)“ präsentierte ANGELA GRIESSENBÖCK (Universität Innsbruck) als erste Referentin der Tagung. Ihre Arbeit wurde speziell anhand von Strukturierungskriterien, leitenden Fragestellungen der Institutionengeschichte, Trägerschaften und somit Finanzierung der Institution sowie grundlegender Aspekte des wissenschaftlichen Arbeitens (Methodik, Hypothesenformulierung, Erkenntnisinteresse, Gliederung, etc.) diskutiert.
Den Nachmittag eröffnete ALOIS UNTERKIRCHER (Universität Innsbruck) zum Thema „Medizin und Geschlecht: Männlichkeit und Krankheit im ländlichen Raum um 1860 anhand der Krankenjournale des Südtiroler Landarztes Franz von Ottenthal“. Anhand umfangreichen Quellenmaterials untersucht das Dissertationsprojekt das Inanspruchnahmeverhalten von Männern in einer Landarztpraxis von 1860 bis 1870. Speziell von Interesse sind Häufigkeiten und Motive. Unterkircher behandelt das Thema, indem er den aktuellen Männergesundheits- bzw. Männerkrankheitsdiskurs voranstellt. Weitere Fragestellungen zu konkretem Gesundheitsverhalten, den medikalen Praktiken, der geschlechterspezifischen Mortalität, den Konzepten von Männlichkeit etc. wird in dieser historischen Analyse nachgegangen.
Mit dem Thema „Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Aspekte des frühzeitlichen Gebrauchwarenhandels (ca. 1600-1810)“ setzte GEORG STÖGER (Universität Salzburg) die Tagung fort. Der von ihm vorgenommene empirische Vergleich sekundärer Märkte in Salzburg und Wien stellt einen sehr interessanten und wenig beachteten Forschungsbereich dar. Die Diskussion behandelte Aspekte der Berechtigungen sowie informelle Beschäftigung, die Auswirkungen der Textilproduktion auf den Altwarenhandel, die Funktion vorindustrieller Märkte sowie eine Anregung zum Diskurs zu Fragen der ethnischen und geschlechtlichen Fragmentierung. Darüber hinaus wurden die Überschneidung zu anderen Gewerben, Kinder- und Haushaltsarbeit, Möglichkeit des Berufswechsels, Recyclinggeschichte und methodische Fragen im Plenum diskutiert.
THERESE GARSTENAUER (Universität Wien) referierte über „Die sowjetischen Sozialwissenschaften der 1950-60er Jahre und die internationale community“, wobei der Fokus der Diskussion auf den sowjetisch-amerikanischen Beziehungen lag. Diskutierte wurde unter anderem der Einfluss von Emigration, die Beziehungen zu britischen Sozialwissenschafterinnen, die Bedeutung der sozialistischen „Bruderländer“ sowie Aspekte der geschlechterspezifischen und regionalen Verteilung. Die Empfehlung der Bereicherung angewandte Korrespondenzanalyse durch eine Netzwerkanalyse sowie durch eine Abbildung der wirtschaftlichen Strukturen wurde gegeben.
Den Tag beendete CHRISTINA ALTENSTRASSER (Universität Linz) mit ihrer Präsentation „Wissen - Geschlecht - Ökonomie. Eine theoretische Annäherung am Beispiel zweier Habilitationsverfahren von Ökonominnen an der Friedrich-Wilhelms Universität Berlin in den 1920er Jahren“. Auf der Basis der Analyse zweier weiblicher Habilitationsverfahren aus dem Bereich der Nationalökonomie versucht Altenstraßer unterschiedliche Bewertungskriterien zu eruieren, somit den Zugang von Frauen zu akademischer Bildung zu beleuchten und relevante Faktoren im Rahmen der Positionierung in der Wissenschaft zu erörtern. Zugänge der „Feministischen Theorie“ sowie verschiedener „Denkschulen“ werden genauso aufgegriffen wie die Differenzierung anhand des Geschlechts.
Das Referat „Demographie des europäischen Hochadels 1600-1900“ von WILKO SCHRÖTER (Universität Wien) leitete den nächsten Tag ein. In seiner Präsentation erläuterte Schröter die Bedeutung einer vollständig erhaltenen Primärquelle für die historisch-demographische Forschung und stellte erste Ergebnisse seiner Arbeit vor. Die technische Durchführbarkeit der Untersuchung wurde anhand einer Reihe von kontaminierenden Faktoren diskutiert, die Beachtung genetischer Faktoren sowie die Erweiterung durch einen Wirtschaftsindex zur Erklärung räumlicher Unterschiede vorgeschlagen.
Im Anschluss stellte JULIA CASSUT-SCHNEEBERGER (Universität Zürich) ihre Arbeit vor. Casutt-Schneeberger untersucht in ihrem Dissertationsvorhaben „Konjunkturzyklen und Streikaktivitäten in Österreich, Deutschland und der Schweiz, 1901-2006“ mittels Spektralanalyse. Die Veränderung der Konfliktkulturen, das System des Verhandelns, die erklärte Varianz, sowie die Konjunkturtheorie werden im Rahmen des singulären Ereignisses eines Streiks im Plenum erörtert.
SIMON HARTMANN (Universität Innsbruck) referierte anschließend zum Thema „Anatomie globaler Ausbeutungssysteme: Brennpunkt Kongo – eine historische Skizze“. Sowohl der gewählte Zeithorizont, Kontinuitäten des betrachteten Raumes bzw. der Akteure, die Beschreibung eines Weltsystems durch ein Fallbeispiel, Quellen sowie verwendete Literatur wurden in der Diskussion behandelt. Das Plenum setzte sich mit Fragen nach normativen Aspekten in historischen Arbeiten, konkreten ökonomischen Überlegungen sowie der Suggestivwirkung von Bildern auseinander.
Nachmittags präsentierte ALOIS NUSSBAUMER (Universität Salzburg) sein Forschungsprojekt zum Thema „Zwangsarbeit in der Landwirtschaft am Beispiel des Pinzgaus. Verarbeitungsstrategien von ZwangsarbeiterInnen, Zwangsarbeit im kollektiven österreichischen Gedächtnis“. Das Plenum thematisierte sowohl die angewandte Methode der Oral History als auch den Forschungsbeitrag der gegenständlichen Arbeit, die regionale Differenzierung lokaler Zwangsarbeit, Verarbeitungsstrategien, Widerstand, Vermittlung sowie das Leben nach dem Krieg.
HANNES KOCH (Universität Linz) beschäftigte sich abschließend mit der Frage der „NS-Gewaltherrschaft in Oberösterreich“ anhand von Beispielen aus drei Themenkomplexen. Koch thematisierte insbesondere die Frage der wirtschaftlichen Bedeutung von Zwangsarbeitern im Braunkohlebergbau. Die Arisierung jüdischer Geschäfte, Konzentrationslager sowie die Fremd- und Zwangsarbeit bilden für ihn einen inhaltlichen Rahmen. In der abschließenden Plenardiskussion standen Themen wie Arbeitsvermittlung, die Kostenfrage und -verläufe im Mittelpunkt.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass diese Möglichkeit der Präsentation von Dissertationsthemen sehr großen Anklang bei Teilnehmer/innen wie Expert/innen fand. Durch die Kommentare der Expert/innen konnten neue Sicht- und Herangehensweisen an sowie Denkansätze zu unterschiedlichen Fragestellungen aufgetan und bestehende Konzeptionen reflektiert werden. Die Signifikanz des Workshops beruht auf der Zusammensetzung des Forums, der Beurteilung der geleisteten Forschungsarbeit durch Vertreter/innen der jeweiligen Fachschwerpunkte sowie die nationale und internationale Vernetzung der Teilnehmer/innen.
Speziell für Nachwuchswissenschafter/innen bot der Workshop neue Kontakte, Ideen, Erfahrungsaustausch und Inspiration zu neuen Forschungsthemen.vorgeschlagen, parallel zu Expert/innenmeinungen auch blinde Peergutachten der Dissertant/innen einzuholen.
Das einheitlich positive Feedback der Teilnehmer/innen bestätigt den Erfolg der Veranstaltung. Der kommende Workshop findet 2009 in Graz statt und setzt diese Veranstaltungsreihe fort.

Kurzübersicht:

Eröffnung des Workshops, Organisation

Chair: Reinhold Reith (Salzburg)
Angela Grießenböck (Innsbruck): Institutionengeschichte des Psychiatrischen Krankenhauses Hall in Tirol (1830-1938)
Kommentar: Christian Dirninger (Salzburg)

Chair: Christpoh Bayer (Salzburg)
Alois Unterkircher (Innsbruck): Medizin und Geschlecht: Männlichkeit und Krankheit im ländlichen Raum um 1860 anhand der Krankenjournale des Südtiroler Landarztes Franz von Ottenthal
Kommentar: Franz Eder (Wien)

Georg Stöger (Salzburg): Gebrauchtwarenhandel in der frühen Neuzeit
Kommentar: Franz Mathis (Innsbruck)

Chair: Franz Mathis (Innsbruck)
Therese Garstenauer (Wien): Verwendung und Konstruktion von Ost und West in Kooperationen zwischen russischen und „westlichen“ ForscherInnen im Bereich Frauen- und Geschlechterforschung
Kommentar: Sylvia Hahn (Salzburg)

Christina Altenstraßer (Linz): Wissen über Geschlecht und Ökonomie. Die erste Generation von Ökonominnen an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin 1896-1945
Kommentar: Ingrid Bauer (Salzburg)

Chair: Markus Cerman (Wien)
Wilko Schröter (Wien): Demographie des europäischen Hochadels 1600-1900
Kommentar: Ulrich Woitek (Zürich)

Chair: Reinhold Reith (Salzburg)
Julia Casutt-Schneeberger (Zürich): Konjunkturzyklen und Streikaktivitäten in Österreich, Deutschland und der Schweiz, 1901-2004
Kommentar: Dieter Stiefel (Wien)

Simon Hartmann (Innsbruck): Globalisierung von Ausbeutung(ssystemen) im Kongo - eine Geschichte von Akteuren, Beziehungen im Kontext 'gewalttätigen Handelns'
Kommentar: Walter Schicho (Wien)

Chair: Walter Schicho (Wien)
Alois Nußbaumer (Salzburg): Zwangsarbeit in der Landwirtschaft am Beispiel des Pinzgaus. Verarbeitungsstrategien von ZwangsarbeiterInnen, Zwangsarbeit im kollektiven österreichischen Gedächtnis
Kommentar: Michael Pammer (Linz)

Hannes Koch (Linz): NS-Gewaltherrschaft in Oberösterreich
Kommentar: Christoph Boyer (Salzburg)