Unter dem Titel „Charismatic authority, spiritual friendship. Comparative approaches to networks of learning, Byzantine east and Latin west, c.1000–1200” wurde am 30. und 31. Mai 2008 an der Central European University, Budapest, ein Workshop abgehalten, der Byzantinisten und Mediävisten zur Diskussion über früh- und hochmittelalterliche Gelehrte in Ost und West einlud.
Intention des Workshops war, die interdisziplinäre Runde von Wissenschaftlern aus ganz Europa in die jeweils fremden ost- bzw. westchristlichen Gelehrtenkulturen einzuführen, aktuelle Zugänge der Forschung vorzustellen und zu diskutieren, und so schließlich mögliche Perspektiven für die weitere fächerübergreifende Zusammenarbeit in der Erforschung von mittelalterlichen Wissenskulturen auszuloten.
Gegenüber älteren bildungsgeschichtlichen Traditionen, in denen die Geschichte der Schulen oder der Erziehung im Vordergrund stand, sollte hier vor allem der Rolle hochmittelalterlicher Gelehrter in politischen und religiösen Kontexten nachgegangen werden. Als Leitthematiken standen daher die zusammenhängenden Aspekte der Autorität und der Netzwerke unter Gelehrten im Fokus. Mit dieser Ausrichtung ging der Workshop aus dem „Medieval Friendship Network“ der British Academy hervor, in dessen Workshop-Serie er sich auch einreihte. Getragen wurde die Veranstaltung vom „Medieval Friendship Network“, dem Münsteraner Exzellenzcluster 212 „Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und der Moderne“ (Projekt C5, Sita Steckel) sowie der Gastinstitution, dem „Center for Hellenic Traditions“ der CEU Budapest.
In seiner Eröffnung diskutierte der Veranstalter NIELS GAUL (Budapest) zunächst Unterschiede und (möglicherweise nur vordergründige) Gemeinsamkeiten westlich-lateinischer und byzantinischer Gelehrtenkultur und wies auf historische Parallelentwicklungen wie etwa die gleichzeitigen kulturellen Reformbewegungen im späten 8. und frühen 9. Jahrhundert hin. Deren Kontexte, Bedingungen und Vergleichbarkeit, so Gaul, seien allerdings erst noch genauer zu erforschen. Zudem betonte er die Unterschiedlichkeit der Forschungstraditionen. Der von einer Vielzahl von Zentrum-Peripherie-Dynamiken strukturierte lateinische Westen biete sich schließlich in sich für komparatistische Zugriffe an, die der Byzantinistik weitgehend fremd blieben.
Im ersten von zwei Eröffnungsvorträgen entwickelte dann ATHANASIOS MARKOPOULOS (Athen) die großen institutionellen und intellektuellen Linien byzantinischer Bildung und Wissenskultur zwischen 800 und 1200. Er ging besonders auf die Verknüpfungen des byzantinischen Bildungswesens, das etwa durch institutionalisierte Examina stark distinktiv gewirkt habe, mit verschiedenen sozialen Gruppen ein. Mit einer Diskussion von Unterrichtsmethoden und Überlegungen zur ‚literacy’ in Byzanz führte er auch in Problematiken der Quellenlage ein. MARTIN KINTZINGER (Münster) machte in einem zweiten Eröffnungsvortrag zu den westlichen Wissenskulturen des Mittelalters sowohl Spezifika zeitgenössischer Wahrnehmungen wie die wichtigsten Entwicklungen moderner Zugriffe am Beispiel der Beschreibung von Lehrer-Schüler-Beziehungen deutlich, die sowohl mittelalterliche Wissensvermittlung wie letztlich auch die moderne Forschungsgeschichte prägten. Er warf nachdrücklich die Frage nach den passenden Methoden zur Erforschung gelehrter Netzwerke auf.
Die meist auf Englisch vorgetragenen Beiträge des nächsten Tages wurden in eine thematisch gegliederte Reihe von vier Sektionen gruppiert. Eine erste Sektion legte den Schwerpunkt auf die Erforschung von gelehrten Netzwerken und Personenbeziehungen in Ost und West und fokussierte dabei bestimmte Quellentypen. FLORIAN HARTMANN (Rom) diskutierte die Entwicklung der Brieflehre im westeuropäischen Früh- und Hochmittelalter und stellte dabei die frühen Ausprägungen der „Ars dictaminis“ in den Vordergrund. In der Analyse ihrer sozialen Kontexte verwies er vor allem auf die engen Zusammenhänge zwischen Profilbildungen in der Rhetorik und politischen Gruppenbildungen: Die Entstehung ganz unterschiedlich akzentuierter Traditionen der Brieflehre bei Alberich von Monte Cassino (von dessen Werk man wohl starke Verbindungen zur päpstlichen Kanzlei ziehen müsse), in den italienischen Kommunen und schließlich an den französischen Kathedralschulen erklärte Hartmann sowohl als Prozess des rezeptiven Wissenstransfers wie als Mechanismus der Identitätsbildung im Medium der Rhetorik.
In ihrer Präsentation von Praktiken der „amicitia“ in byzantinischen Briefmaterialien verwies FOTEINI KOLOVOU (Leipzig) zunächst auf spezifische Traditionen der Adaptation ciceronianischer und aristotelischer sowie christlicher Freundschafts- und Liebeskonzepte. Entscheidende Zugriffe auf den Umgang mit Konzepten der Freundschaft, sowie auf deren soziale und politische Instrumentalisierung durch die Eliten der Komnenenzeit, ergäben sich jedoch aus der detaillierten Analyse der sozialen Praktiken, die in und durch Briefe verhandelt worden seien. Die byzantinische Briefkultur zeige eine von detaillierter Reflexion überformte Praxis des Austauschs, besonders des literarischen und materiellen Schenkens. Sowohl Mechanismen der Patronage wie der Parrhesie hätten darin kommentiert und ironisch gebrochen werden können.
ANNA SOMFAI (Budapest) thematisierte im Anschluss den Zugriff auf soziale Netzwerke von Gelehrten, besonders auf freundschaftlich organisierte Gruppen und Lehrer-Schüler-Beziehungen, durch die Untersuchung mittelalterlicher Handschriften und deren Bebilderung. Da Manuskripte oftmals mit Intentionen der Vergegenwärtigung von Schülern und Vertrauten der Autoren angefertigt worden seien, ließe sich deren Rolle an den gelehrten Texten teilweise direkt nachvollziehen. Wo Texte zeitnah glossiert wurden, zeige sich oftmals eine Präsenz der Schüler im Text. Somfai verwies zudem auf Bildquellen, so auf die Bilddarstellungen in den Werken Hildegards von Bingen, in denen den Helfern dieser Autorin bestimmte Rollen zugeschrieben und dadurch gelehrte Gruppenbildungen zum Ausdruck gebracht worden seien.
In der nächsten Sektion lag der Schwerpunkt auf unterschiedlichen Strategien, mit denen hochmittelalterliche Autoren ihren Texten und Methoden Autorität zu verleihen suchten. GYÖRGY GERÉBY (Budapest) gab zunächst anhand der Werke des Petrus Damiani und des Anselm von Canterbury einen Überblick über die methodische Entwicklung der frühscholastischen Theologie und Philosophie im lateinischen Westen, wo im Hochmittelalter eine tief greifende Aufwertung der rationalen Argumentation gegenüber der Stützung auf Tradition und Autoritäten stattgefunden habe und institutionell verankert worden sei. Am Beispiel der theologischen Auseinandersetzungen zwischen römischer und griechisch-byzantinischer Kirche im frühen und hohen Mittelalter hob Geréby dann vor allem die unterschiedlichen Anwendungsbereiche und Begrenzungen hervor, die der Logik in Ost und West zugewiesen worden seien. Er betonte, dass gerade anlässlich dieser theologischen Kontroversen im Westen mehrfach das Argument formuliert hätte werden können, die Aufwertung der universal gedachten Logik sei zur Begründung von Autorität jenseits der voneinander abweichenden christlichen Teiltraditionen besonders gefordert.
Der weitgehend methodologisch ausgerichtete Vortrag von SITA STECKEL (Münster) fokussierte vorscholastische und monastische Wissenskulturen des hochmittelalterlichen Westens. Ausgehend von den Arbeiten C. Stephen Jaegers und anderer wies sie darauf hin, dass die ‚charismatische’ Autorität gelehrter Individuen des Hochmittelalters auf unterschiedliche Weise erworben und begründet werden konnte – einerseits durch die Beanspruchung ‚direkter’ Inspiration, andererseits durch verschiedene Formen gelehrter Gruppenbildung, auf deren Basis eine Selbsteinschreibung in bestimmte intellektuelle und spirituelle Traditionen vorgenommen werden konnte. Als methodischer Zugang eigne sich daher vor allem die vergleichende Erforschung unterschiedlicher Autorschaftskonzepte, da sich mit ihrer Hilfe die Verknüpfung zwischen Mechanismen der Herstellung gelehrter Autorität und daraus resultierenden Geltungsansprüchen detailliert beschreiben ließe.
Unterschiedliche Begründungsstrategien geistlicher Autorität standen auch im Zentrum des Vortrags von DIRK KRAUSMÜLLER (Cardiff), der Techniken und Mechanismen der Fundierung gelehrter Autorität im byzantinischen Mönchtum anhand einer Fallstudie zum Werk des Mönchs Niketas Stethatos behandelte. Die Schriften des Niketas, die im Kontext von Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen monastischen Gruppen und hofnahen Klerikern zu sehen seien, könnten als Begründungsversuch für einen partikularen Autoritätsanspruch gelten: Niketas habe ein auf eine spezifische, lokale Tradition bezogenes Modell spiritueller Autorität entworfen, das auf ganz spezifischen, distinktiven Askese- und Kontemplationskonzepten beruhe und als Gegenentwurf zu den Geltungsansprüchen älterer asketischer Traditionen wie derjenigen der ‚humanistisch’ geprägten Hofkleriker zu verstehen sei.
In der dritten Sektion gerieten besonders Zusammenhänge zwischen politischer oder religiöser Autorität und zugrundeliegenden Netzwerkstrukturen in den Blickpunkt. BARBARA CROSTINI LAPPIN (Rom/Dublin) diskutierte anhand des „Katechetikon“ des Paulos, Abt des konstantinopolitanischen Evergetis-Klosters, unterschiedliche Formen von Autorität, die sich in der Gebrauchsliteratur byzantinischer monastischer Netzwerke feststellen ließen. Da katechetische Texte und monastische Typika teils Rückschlüsse auf die Ausbildung und Arbeitsweise der Autoren erlaubten, zeige sich an ihnen zunächst das komplexe Zusammenspiel unterschiedlicher Formen institutioneller und individueller Autorität. Diese könne aus der Person des Autors, den angewandten Methoden der Kompilation und Adaptation von schriftlichen Autoritäten und der Festschreibung von Normen durch größere, möglicherweise politisch definierte Kollektive gewonnen werden. Um die tatsächliche Durchsetzung bestimmter Autoritätsansprüche zu verfolgen, müsse aber nicht zuletzt nach den sozialen und politischen Hintergründen der Verbreitung bestimmter Texte gefragt werden.
PETRA AIGNER (Wien) ging am Beispiel des französischen Abtes Baudri von Bourgueil auf die Struktur westlicher klerikaler und monastischer Netzwerke des Hochmittelalters ein. Baudris Gedichtsammlung erlaube differenzierte Zugriffe und damit eine weitgehende Rekonstruktion seines Beziehungsgefüges: In der vergleichenden Untersuchung unterschiedlicher Beschreibungen von Freundschaften und Lehrer-Schüler-Beziehungen durch Baudri könnten Kontakte eher enger und persönlicher sowie eher formeller Natur voneinander abgehoben werden. So könne das Spiel des Autors mit zeittypischen Konzepten sozialer Bindung verfolgt werden. Wie sich an Baudris Verteidigung des als Häretiker verurteilten angevinischen Gelehrten Berengar von Tours zeige, stelle sich sein von monastischer Freundschaft und geistlichen wie literarischen Interessen geprägter Kreis allerdings auch als Gruppenbildung heraus, in der brisante kirchenpolitische Standpunkte verfochten worden seien.
Am Beispiel der Herrschaft des Bela III. von Ungarn thematisierte schließlich der Vortrag von JÓZSEF LASZLOVSZKY (Budapest) Prozesse des Aufbaus und der Instrumentalisierung gelehrter Netzwerke durch königliche Akteure. Die Innovationen in der Verwaltung, die unter der Regierung Belas III. festgestellt werden könnten, seien auf Wissenstransfer zurückzuführen, der sowohl mit dem byzantinischen Reich wie mit Frankreich stattgefunden habe. Der am byzantinischen Hof erzogene Bela drängte im Konflikt mit Erzbischof Lukas von Esztergom zunächst Kleriker, die in Frankreich ausgebildet worden waren, zurück (möglicherweise unter dem Eindruck byzantinischer Praktiken). Später habe er im Aufbau einer auf ihn ausgerichteten Verwaltung dann allerdings wiederum auf eben diese Kleriker zurückgegriffen und weiteren Kulturtransfer zwischen Frankreich und Ungarn initiiert.
Die letzte Sektion des Workshops lenkte den Blick vor allem auf die Rezeption antiker Wissensbestände im byzantinischen Osten und lateinischen Westen. INMACULADA PÉREZ MARTÍN (Madrid) diskutierte die Besprechung hermetischer und chaldäischer Texte durch die „hypatoi tōn philosophōn“ und insbesondere Michael Psellos an der im 11. Jh. wiederbegründeten kaiserlichen Schule. Wissenstraditionen, die aufgrund ihrer heidnischen Ursprünge gefährlich blieben, hätten demnach zwar nicht vollständig akzeptiert und in das Curriculum eingefügt werden können, doch sei es Psellos gelungen, ihre Einbeziehung in den Unterricht zu rechtfertigen. Mit seiner kommentierenden Arbeit, die letztlich als wichtige Reflexionsleistung und Erweiterung der Grenzen akzeptabler christlicher Weisheit zu verstehen sei, habe er der heidnischen Tradition einen zwar randständigen, aber doch entscheidenden Platz zugewiesen.
MATTHIAS HEIDUK (Freiburg) stellte anschließend ausschnitthaft die Adaptation hermetischer Wissenstraditionen im lateinischen Westen vor. Er zeigte auf, dass die Rezeption hermetischer Texte dort von starken Bemühungen um eine nachträgliche Verchristlichung der mythischen Gelehrtenfigur des Hermes begleitet war. Die Einordnung des Hermes etwa durch Abaelard sei wie in Byzanz vor dem Hintergrund eines problematisierenden Diskurses um die Akzeptabilität heidnischen Wissens zu sehen. Hermetische Texte seien im Westen aber gemeinsam mit anderen antik-paganen Traditionen stark in christliches Material integriert worden. Die dabei verfolgten Strategien stellten sich jedoch als äußerst heterogen dar, so dass von einer einheitlichen hermetischen Tradition nicht gesprochen werden sollte. Gerade um die Transfervorgänge in der Formierung hermetischer Traditionen in Ost und West weiter zu klären, so Heiduk, sei jedoch weitere Zusammenarbeit von Experten für östliche und westliche Gelehrtenkulturen wünschenswert.
Der Vortrag von NIELS GAUL (Budapest) fokussierte den Aspekt der Performanz in der rhetorischen Bildung in Byzanz, die sich im 12. Jahrhundert zunehmend mit der Praxis des kompetitiven Vortrags oder der gelehrten Disputation im Theatron verknüpft und sich in die erstmalige Institutionalisierung byzantinischer Bildung seit Mitte des 11. Jahrhunderts gefügt habe. Die Anwesenheit gelehrter Bischöfe in den aufblühenden Städten des 12. Jahrhunderts gebe Anlass zu der Überlegung, ob eine dem Westen ähnliche byzantinische ‚Kathedralschulbildung’ möglich gewesen wäre, so es nicht zu den Ereignissen von 1204 gekommen wäre. Es sei jedenfalls eher diese ‚performative Wende’, die den Entwicklungen des 12. Jahrhunderts innovativen Charakter verliehen hätte, als der häufig angenommene Wechsel gelehrter Eliten unter den Komnenoi (seit 1081).
Den Teilnehmern bot der Workshop nicht nur Einblicke in fremde Sujets und die Möglichkeit, sich in angenehmer Atmosphäre über unterschiedliche Fachtermini und methodische Zugänge auszutauschen. Vielmehr offenbarten sich entlang der einzelnen Beiträge vielfältige konkrete Ansatzpunkte für weiteres interdisziplinäres Arbeiten. In den Diskussionen, die sich jeweils den einzelnen Sektionen anschlossen, wurden etwa die individuellen und kollektiven Identitätsfindungen in gelehrten Netzwerken als lohnender Gegenstand weiterer Untersuchungen genannt. Die Rezeption und Aneignung christlicher wie antik-paganer Freundschaftstheorien wiesen zudem auf unterschiedliche Kategorisierungen sozialer Bindungen in Ost und West. Um ihnen auf die Spur zu kommen, böte sich gerade die vergleichende Untersuchung von Briefkulturen an, wie sie in den Referaten präsentiert worden sei. Vergleichbare Verhältnisse zeigten sich auch in der Rolle von Konflikten bei der Neuformulierung autoritativer Geltungsansprüche und der Formierung von Netzwerken. Die dabei zu beobachtenden wechselseitigen Einflüsse politischer und kirchlich-monastischer Gruppen- wie Profilbildung stellten ein besonders hohes fächerübergreifendes Diskussionspotential bereit. Ein weiteres Feld für den Vergleich zeichne sich in den Strategien byzantinischer und lateinischer Gelehrter zur Konstruktion von Autorität ab.
Kritisch wurde der Begriff des ‚Charisma’ reflektiert, der sich trotz seiner Popularität als problematisches heuristisches Instrument erweise. Dennoch biete er sich als Ausgangspunkt für differenzierte Fragen zur Beschreibung von Autorität an: In Anlehnung an Webers Konzepte zwinge die Vorstellung von ‚charismatischer Autorität’ zur Unterscheidung unterschiedlicher Manifestationen der Autorität individueller Gelehrter und ihrer Beschreibung in mittelalterlichen wie modernen Texten. Mit der Bedeutung der Performanz und des Körpers des Gelehrten sowie bestimmter Inspirations- und Virtuositätsvorstellungen gegenüber dem bloßen Wissen um Texte und Methoden wurden dabei konkrete Punkte benannt, die angesichts mangelnder vergleichender Beobachtungen weitere Aufschlüsse versprächen. Über solche Ansätze hinaus wurde in den Diskussionen auch eine generelle kritische Neubestimmung der byzantinischen wie lateinischen Wissenskulturen auf der Basis differenzierter Betrachtungen zur Etablierung von Autorität gefordert. Nicht zuletzt ließe sich auf diese Weise auch klären, ob so verschiedene Phänomene wie die frühscholastische Disputationsmethodik und die byzantinische Schedographie im 11. Jahrhundert Ausdruck einer vordergründig Ost und West umspannenden gesellschaftlichen Veränderung gewesen sein könnten.
Der Workshop, der ein erstes Kennenlernen ermöglichen sollte, deckte im Ergebnis das überaus große Potential für das weitere Zusammenarbeiten von Byzantinisten und Mediävisten zu Fragen mittelalterlicher Gelehrsamkeit auf. In einer weiteren Perspektive wäre zu den komparatistischen Ansätzen und Fragen des Kulturtransfers eine Einbeziehung auch islamischer wie jüdischer Gelehrter des betreffenden Zeitraumes begrüßenswert. Es bleibt zu erhoffen, dass sich die in diesem Arbeitstreffen etablierten Kontakte auch zum fruchtbaren Austausch verstetigen und ausbauen lassen.
Konferenzübersicht:
NIELS GAUL (Budapest):
Introduction
ATHANASIOS MARKOPOULOS (Athens):
Teachers and textbooks in Byzantium, ninth to eleventh centuries
MARTIN KINTZINGER (Münster):
Learning and knowledge in the west: perspectives and traditions
FLORIAN HARTMANN (Rome):
Eloquence and reason – classicizing versus communal epistolography
FOTEINI KOLOVOU (Leipzig):
Amicitia Byzantina
ANNA SOMFAI (Budapest):
Processes of learning and teaching: network perspectives and manuscript studies
GYÖRGY GERÉBY (Budapest):
Ways of authority: fathers or reason? The case of Peter Damian and Anselm of Canterbury
SITA STECKEL (Münster):
Charismatic authority? Prerequisites and processes of authorization in eleventh and twelfth century theological writing
DIRK KRAUSMÜLLER (Cardiff):
Claiming spiritual authority in eleventh-century Constantinople: allegory and the ecclesiastical tradition in the writings of the Studite monk Niketas Stethathos
BARBARA CROSTINI LAPPIN (Dublin/Belfast):
Catechetical teaching in Byzantine monasteries
PETRA AIGNER (Vienna):
Clerical scholarly networks in High Medieval France (c. 1100): Baudri de Bourgueil and his contacts
JÓZSEF LASZLOVSZKY (Budapest):
Between Byzantium and the west: Lucas of Esztergom and the Hungarian church under Bela III
INMACULADA PÉREZ MARTÍN (Madrid):
Expanding the limits of wisdom: theurgy, hermeticism, and Chaldaic beliefs in the teachings of hypatoi tōn philosophōn
MATTHIAS HEIDUK (Freiburg):
Hermetic knowledge and occult sciences among Latin scholars before 1200
NIELS GAUL (Budapest):
Ēthos,ēthopoiia and the ‘performative turn’ in Byzantine rhetorical learning