Am 6. und 7. Juli 2010 fand in Dresden im Hörsaal des Leibniz-Instituts für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden (IFW) die Tagung „Gefallen – Gefangen – Begraben. Zahlen und Fakten zu sowjetischen und deutschen Opfern des Zweiten Weltkrieges“ statt. Veranstalter der Fachtagung waren die Dokumentationsstelle Dresden der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, das Deutsch-Russische Museum Berlin-Karlshorst, das Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung an der Technischen Universität Dresden, die Konrad-Adenauer-Stiftung, das Ludwig-Boltzmann-Institut für Kriegsfolgen – Forschung (Graz – Wien – Klagenfurt) sowie der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. Die Veranstaltung wurde zudem vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien der Bundesrepublik Deutschland unterstützt. Die Tagung wurde im Rahmen des seit 1999 im Auftrag der Bundesregierung von der Dokumentationsstelle der Stiftung Sächsische Gedenkstätten durchgeführten Großforschungsprojektes zu „Sowjetischen und Deutschen Kriegsgefangenen und Internierten. Forschungen zum Zweiten Weltkrieg und der Nachkriegszeit“ veranstaltet.
Für die internationale Fachtagung konnten 20 Referenten aus Norwegen, Weißrussland, Russland, der Ukraine, Österreich sowie Deutschland gewonnen werden. Neben den Vortragenden nahmen etwa 50 Gäste als Vertreter der historischen Forschung, deutscher Archive, Gedenkstätten und Museen, der Suchdienste, des Volksbundes deutscher Kriegsgräberfürsorge, deutscher und internationaler Forschungs- und Gedenkinitiativen sowie private Interessierte an der Veranstaltung teil. Die russisch- bzw. deutschsprachigen Vorträge und Diskussionsbeiträge wurden für die Teilnehmer jeweils simultan gedolmetscht.
Im Zentrum der internationalen Tagung standen Fragen der jeweiligen Opferzahlen auf deutscher und sowjetischer Seite im Zweiten Weltkrieg, die teilweise sehr kontrovers diskutiert wurden. Mit der Präsentation von gesicherten Erkenntnissen zur Thematik konnte auf der Tagung zugleich eine Bilanz des Erkenntnisfortschritts seit der Öffnung der osteuropäischen Archive vor gut zwei Jahrzehnten und dem Beginn intensiver internationaler Zusammenarbeit gezogen werden. Unter anderem stellten Vertreter der Archive der Sicherheitsdienste Weißrusslands und der Ukraine sowie des Staatsarchivs der Russischen Föderation betreffende Archivbestände und deren Nutzen für die Forschung und die Schicksalsklärung vor. Im Schlussteil der Tagung ging es um die Erinnerungskultur auf beiden Seiten, insbesondere um Kriegsgräberstätten und den Umgang mit ihnen. Vertreter von Gedenkstätten und Suchdiensten stellten die Ergebnisse ihrer Arbeit vor und warben für die gegenseitige Hilfe bei der Suche nach Grabstätten und der Schicksalsklärung der Opfer des Zweiten Weltkrieges.
Am Ende der Veranstaltung waren sich die Tagungsteilnehmer über den Erfolg der Tagung einig. Gesicherte Erkenntnisse waren präsentiert und Zahlen, wie auch Fakten, teilweise kontrovers diskutiert worden. Neben der Vorstellung einzelner Archivbestände wurden Kontakte geknüpft, Angebote zur Zusammenarbeit oder Unterstützung in Forschungsvorhaben angekündigt und Ansätze für weitere mögliche Projekte gegeben.
Als ein letztes Ergebnis der Tagung wurde festgehalten, dass Dresden auch zukünftig Austragungsort für Konferenzen zur Thematik Kriegsgefangenschaft und Opfer des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit bleiben soll und somit die Reihe von Veranstaltungen aus den Jahren 1997, 1998, 2001 und 2010 fortgesetzt wird. Die Publikation der Tagungsbeiträge ist in Vorbereitung.1
Konferenzübersicht:
Panel 1: Kriegsverluste des Deutschen Reiches und der UdSSR
Boris Sokolow, Schriftsteller und Historiker Moskau
Unwiederbringliche Verluste der Roten Armee und der Wehrmacht in den
Jahren 1939-1945
Vitali Kasakewitsch, Vorsitzender Verein „Gemeinsames Europa - gemeinsames
Gedächtnis", Kiew
Die Kriegsverluste der Roten Armee auf deutschem Boden
Jekaterina Kiseljowa, GARF Moskau
Die Unterlagen zu verstorbenen sowjetischen Kriegsgefangenen im Bestand der TschGK
Dimitri Mikuschew, KGB Weißrussland Minsk
Schicksale deutscher Kriegsgefangener
Sergej Kokin, SBU Ukraine
Die Problematik der ausländischen Kriegsgefangenen in der Ukraine zu Beginn des
Zweiten Weltkrieges (September 1939 - 1940)
Rüdiger Overmans, Historiker Freiburg
Die Kriegsverluste der Wehrmacht an der Ostfront
Panel 2: Sowjetische und deutsche Kriegsgefangene und Internierte
Klaus-Dieter Müller, Dokumentationsstelle Dresden
Sowjetische Kriegsgefangene in deutscher Hand: Stand der Forschung und Erfassung
Gabriele Hammermann, KZ-Gedenkstätte Dachau
Die Aussonderung sowjetischer Kriegsgefangener und ihr Schicksal in
Konzentrationslagern am Beispiel Dachau
Harald Knoll, Ludwig-Boltzmann-Institut, Österreich
Deutsche und österreichische Kriegsgefangene in der Sowjetunion
Wladimir Doroschewitsch, KGB-Zentralarchiv Weißrussland
Schicksale sowjetischer Kriegsgefangener auf Grundbasis von Filtrationsunterlagen
Eva-Ditte Donat, Museum Salten Norwegen
Sowjetische Kriegsgefangene in Norwegen am Beispiel des Lagers Engelöy
Panel 3: Bevölkerungsverluste bei Zivilisten auf osteuropäischer und deutscher Seite
Christine Glauning, Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit Berlin-Schöneweide
„Ostarbeiter“ im Deutschen Reich
Karen Strugg, Internationaler Suchdienst Bad Arolsen
Die Konzentrationslager und ihre Häftlinge im Dritten Reich
Hansjörg Kalcyk, DRK-Suchdienst München
Die Zivilgefangenen des Zweiten Weltkrieges aus der Sicht des Suchdienstes des Deutschen Roten Kreuzes
Panel 4: Kriegsgräberstätten und die auf ihnen Bestatteten in Deutschland und Osteuropa
Rolf Wiedemann, Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge, Kassel
Zur Situation deutscher Kriegsgräberstätten in Osteuropa
Sergej Esipov, Streitkräftemuseum Moskau
Deutsche Kriegsgräberstätten in der Russischen Föderation
Viktor Schumskij, Verwaltung des Gedenkens an die Vaterlandsverteidiger, Weißrussland
Staatliche Inventarisierung von Militärgräbern und die Anzahl der dort Begrabenen in der Republik Belarus
Jens Nagel, Gedenkstätte Ehrenhain-Zeithain
Sowjetische Kriegsgräberstätten in Deutschland
Barbara Stelzl-Marx, Ludwig-Boltzmann-Institut, Österreich
Kriegsgräberstätten auf dem Gebiet der Republik Österreich
Anmerkung:
1 Ein ausführlicher Bericht über alle Vorträge ist zu finden unter <http://www.dokst.de/main/node/1232> (10.08.2010).