Frieden durch Sprache?

Frieden durch Sprache?

Organisatoren
Verbundprojekt „Übersetzungsleistungen von Diplomatie und Medien im vormodernen Friedensprozess. Europa 1450–1789“, Universität Mainz / Instituts für Europäische Kulturgeschichte Augsburg / Staatsgalerie Stuttgart; Heinz Duchhardt, / Martin Peters / Daniel Hildebrand, Mainz
Ort
Mainz
Land
Deutschland
Vom - Bis
01.09.2010 - 03.09.2010
Url der Konferenzwebsite
Von
Volker Arnke, Interdisziplinäres Institut für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit (IKFN), Universität Osnabrück / Europäische Geschichte (IEG) Mainz

Wenngleich bereits vereinzelt Studien zur vormodernen Verhandlungstechnik und -strategie existieren, wurde die kommunikative Dimension von Friedensverhandlungen in der Frühen Neuzeit bislang doch noch nicht systematisch untersucht. Dieses Ziel verfolgte das Kolloquium „Frieden durch Sprache?“, das vom 1. bis 3. September im Institut für Europäische Geschichte Mainz stattfand und im Rahmen des Verbundprojekts „Übersetzungsleistungen von Diplomatie und Medien im vormodernen Friedensprozess. Europa 1450–1789“ organisiert wurde. Folgende Fragen standen dabei im Zentrum des Interesses: Welchen Einfluss besaß die Sprache im vormodernen europäischen Friedensprozess? Wie wurde Frieden zwischen den Dynastien und Gemeinwesen sprachlich vermittelt? Welche politische und kulturelle Funktion besaß Sprache bei Friedenswahrung und Friedensstiftung?

Zu Beginn des Kolloquiums stellte JOHANNES BURKHARDT (Augsburg) in seinem öffentlichen Abendvortrag mit dem Titel „Sprachen des Friedens und Friedenssprache: die kommunikativen Dimensionen des vormodernen Friedensprozesses“ das Workshopthema in unmittelbaren Zusammenhang zu den zeitgleich stattfindenden Nahost-Friedensverhandlungen. Burkhardt führte aus, dass zahlreiche Experten den Erfolg der Konferenz skeptisch einschätzten. In der aktuellen Debatte um den Nahost-Konflikt spiegeln sich Problemstellungen wider, die für das Verbundprojekt zentral seien. Wie, zum Beispiel, können machtpolitische Interessen sprachlich vermittelt werden? Sprechen die Verhandlungspartner englisch, arabisch oder hebräisch? Wann wird von „Israel“ und wann von „Palästina“ gesprochen? Bereits in der Frühen Neuzeit lassen sich vergleichbare Problematiken finden. Als „Sprachen des Friedens“ in Europa gelten in der Forschung für den Zeitraum von 1500–1650 das Lateinische und von 1650–1800 das Französische. Insbesondere die Dominanz des Französischen als Diplomatie- und Friedenssprache in der zweiten Hälfte der Frühen Neuzeit sei aber ein Forschungsdogma, das es zum Teil zu revidieren gelte. So sei das Lateinische bis ins ausgehende 17. Jahrhundert und darüber hinaus verwendet worden, wie die Beispiele des Friedens von Karlowitz (1699) und des Friedens von Baden (1714) zeigen. Als weitere Ausnahmefälle behandelte Burkhardt den Frieden von Nystad (1721), der in deutscher Sprache verfasst wurde, obwohl kein deutscher Fürst an den Verhandlungen beteiligt war, sowie den Hubertusburger Frieden (1763), der in französischer Sprache verfasst worden war, obwohl der Siebenjährige Krieg cum grano salis ein innerreichischer Konflikt gewesen ist. Diese Erkenntnisse beruhen auf Ergebnissen des den Workshop ausrichtenden Projekts, das von den drei Institutionen Institut für Europäische Geschichte Mainz, Institut für Europäische Kulturgeschichte Augsburg und der Staatsgalerie Stuttgart in drei Teilprojekten betrieben wird. Dieses habe mithilfe einer systematisch-quantifizierenden Methode bedeutende Grundlagenforschung geleistet, die es unter anderem ermögliche, das Verhältnis von Nationalsprachen zueinander zu analysieren. Darüber hinaus sei eine gemeinsame europäische „Friedenssprache“ erkannt worden, die über den eigentlichen Verhandlungsprozessen stehend eine Handreichung der Diplomatie bei der Vertragsabfassung war. So haben die Akteure in Europa friedenssichernde Techniken, Strategien und Methoden entwickelt. Die Ergebnisse des Verbundprojekts und anderer Forschungsprojekte zum frühneuzeitlichen Frieden seien auch ein bedeutendes Korrektiv des Friedensdefätismus, der nicht nur in der gegenwärtigen Geopolitik sichtbar werde, sondern auch in die Geschichtswissenschaft Einzug gehalten habe. So erfahre die Kriegs- und Schlachtengeschichte derzeit einen Aufschwung, der Heroisierungen und Verherrlichungen impliziere, die nicht immer unbedenklich seien. Angesichts dessen gelte es, eine neue Friedenskultur in der Geschichtswissenschaft zu etablieren, die auf der bisherigen Friedensforschung fußen könne. Aus dieser rage die Behandlung des Westfälischen Friedens zweifellos heraus. So zeige das Bonner Unternehmen der Acta Pacis Westphalicae nicht nur das Ausmaß der damaligen Verhandlungsführung, sondern leiste mit der Erforschung eines der bedeutendsten Friedenswerke der Geschichte einen Beitrag zur gegenwärtigen Friedenskultur. Ein Forschungsprojekt des Osnabrücker Instituts für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit untersucht das ‚Friedenswissen‘, das in die Verträge einfloss und fokussiert dabei auf Entwicklungen des ius publicum vor dem Westfälischen Frieden. Wenngleich eine dauerhafte Sicherung der pax perpetua durch die „Friedlosigkeit der Frühen Neuzeit“ verhindert worden sei, zeigen alle Forschungsprojekte, dass es legitim ist, das stetige frühneuzeitliche Bemühen um Friedensschaffung und -sicherung zu betonen. In einem zukünftigen Schritt sei eine Öffnung des Kommunikationsbegriffs von einer synchronen zu einer über Epochengrenzen hinweg reichenden diachronen Betrachtungsweise anzustreben, um das andauernde Friedensbemühen in seiner Gesamtheit zu erfassen. Damit stünden den eher konfliktfördernden Entwicklungen des 19. und 20. Jahrhunderts wie Kapitulationen oder Kriegsschuldzuweisungen alternative Friedenskonzepte gegenüber, die der heutigen politikwissenschaftlichen Friedensforschung dienlich sein könnten.

In der „Einführung“ griff MARTIN PETERS (Mainz) zunächst die Frage auf, wie Frieden in der Frühen Neuzeit kommuniziert wurde. Neben dieser grundlegenden Frage des Workshops ging es weiterhin darum herauszuarbeiten, wie Frieden in Diplomatie, Kunst und Politik dargestellt wurde und welchen Stellenwert Übersetzungen besaßen. Letzteres sei ein zentraler Aspekt des Verbundprojektes, in dessen Zentrum stehen vormoderne Friedensverträge sowie deren vielfältigen sprachlichen und visuellen Translationen stehen. 1:1-Übersetzungen von Verträgen haben zum einen eine gewichtige Rolle gespielt, weil das Lateinische im Laufe der Frühen Neuzeit seinen Stellenwert als lingua franca verlor und daher die Notwendigkeit von Übertragungen zunahm, zum anderen weil Übersetzungen zum Teil nicht autorisiert waren und pikante Inhaltsänderungen gegenüber dem Original enthalten konnten, die in Folgekonflikten bedeutend sein konnten. Neben dem entstehenden Völkerrecht erkennt das Verbundprojekt als weitere Grundlage der europäischen Friedensordnung die Friedenssprache. Diese habe europaweite Standards entwickelt und damit eine europäische Friedenskultur katalysiert.

WOLFGANG E. J. WEBER (Augsburg) stellte in seinem Vortrag konzeptionelle Vorüberlegungen zum Workshopthema an. Zunächst führte er Sprachtheorien aus der Linguistik an, unterschied weiterhin Oral- von Skripturalsprache und verwies bei der Definition von „Spracharten“ darauf, dass erst seit dem 19. Jahrhundert die Kategorie der Nationalsprache verwendbar sei. Weber thematisierte weiterhin den Komplex der Sprachpräzision und unterschied dabei zwischen wissenschaftlich-theoretischer Präzision und alltäglicher Inexaktheit. In diesem Zusammenhang stelle sich die Frage, ob nicht eine präzise Sprache eher friedenshemmend als friedensfördernd wirke. Weiterhin relevant seien die Sprachkontexte, die die Berücksichtigung einer empirisch-historischen Situativität erforderten. Im zweiten Teil seines Vortrags bezog Weber die theoretischen Grundlagen auf die Wechselwirkung von Sprache und Frieden. Die Analyse von Friedensverträgen sei oftmals die einzige Möglichkeit, der frühneuzeitlichen Friedenssprache nahe zu kommen. Hierzu werden ein inhaltsbezogener, ein juristisch-positivistischer sowie ein rationalistischer Auswertungszugang gewählt. Mit kulturalistisch-konstruktivistischen Relativierungen kritisierte Weber die Aussagekraft der Friedensvertragsanalyse. So sei der Vertragstext nicht als Höhe- und Endpunkt des Friedensprozesses zu begreifen. Der Kontrakt sei vielmehr Ausdruck eines längst beschlossenen und etablierten Konsenses der Akteure und habe lediglich formale, mediale und erinnerungsstiftende Funktionen besessen. Außerdem seien verschiedene epochal und regional bedingte Entwicklungen in der Bedeutung von Friedensverträgen zu berücksichtigen. Statt einer unter dem Diktum des permanenten Friedens stehenden Interpretation können die frühneuzeitlichen Friedensverträge auch als vorübergehende Aushilfe in einer unendlichen Konfliktgeschichte verstanden werden. Dementsprechend sei eine historisch-multiperspektivische Analyse des Zusammenhangs von Sprache und Frieden erforderlich. Hierzu gelte es, die Sprachausstattung der Akteure, ihre Anwendung in der Oral- und Skripturalkommunikation, die Intentionen und Positionen des Vertragstextes sowie dessen intendierten und tatsächlichen Gebrauch zu rekonstruieren. In diesem Zusammenhang stellte Weber die These auf, dass viele Friedensschlüsse, insbesondere seit dem 19. und 20. Jahrhundert, eher als Arrangements denn als Friedensverträge zu bezeichnen seien. Bezogen auf die Arbeit des ausrichtenden Verbundprojekts bedeute all dies ein erweitertes Untersuchungsspektrum sowie eine Relativierung des Interpretationshorizonts.

In ihrem Vortrag „Den Gegner bekämpfen, aber nicht beleidigen: friedensorientierte Rhetorik in frühneuzeitlichen Konflikten“ betrachtete ANUSCHKA TISCHER (Marburg) Kriegserklärungen als friedensförderndes Mittel. In frühneuzeitlichen Kriegserklärungen sei bewusst auf konfliktverschärfende Mittel wie Beleidigungen und Schuldzuweisungen verzichtet worden. Die Ausführungen seien stets von bagatellisierendem Charakter gewesen, der machtpolitische Realitäten bewusst in den Hintergrund treten ließ. Zur Festigung ihrer These führte Tischer als Beispiel den Schriftwechsel Christians IV. mit Kaiser Ferdinand II. während des Dreißigjährigen Krieges an, der durch freundschaftliche Floskeln, familiäre Grüße und gute Wünsche auffalle. Vorwürfe, die in Kriegserklärungen auch als Begründung für militärische Intervention dienten, wandten sich zumeist nicht an den jeweiligen Herrscher, sondern an dessen Ratgeber, um damit das Regiment des Fürsten nicht unmittelbar zu kritisieren. Damit sei dem Fürsten die Möglichkeit eröffnet worden, bei einem Zurückweichen vom Krieg sein Gesicht zu wahren. Den Gegner nicht zu verunglimpfen sei aber auch ein Mittel gewesen, um nach dem Krieg wieder ein ungetrübtes Verhältnis eingehen und die Freundschaft wiederherstellen zu können. Hieran werde auch ersichtlich, dass mit dem Rekurrieren auf gemeinsame Werte und Interessen wie Freundschaft, Konfession und Verwandtschaft versucht wurde, politisch-soziale Konzepte der Frühen Neuzeit zu betonen, die Vertrauen wiederherstellten und friedenschaffend und -wahrend wirkten. Ganz nach der Lehre des bellum iustum sollte der Kriegsgrund beseitigt werden, um danach wieder zusammen leben zu können. Andere Argumentationen finden sich in den Quellen lediglich dann, wenn der betreffende Gegner die Ordnung grundsätzlich infrage stellte. Ein solches Beispiel sei der Mordaufruf Philipps II. gegen Wilhelm von Oranien. In diesem Fall sei persönlich diffamiert worden, um mit der Ehre des Gegners jeglichen fürstlichen Status abzuerkennen. Ein weiteres Beispiel biete auch die Französische Revolution. Bis 1789 aber habe es europaweite Gemeinsamkeiten gegeben, die sich in Kriegserklärungen wiederfinden und einen grundsätzlichen Willen nach Frieden artikulierten.

MATTHIAS SCHNETTGER (Mainz) referierte zum Thema „Auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit? Die Rolle der Italiener und des Italienischen in der frühneuzeitlichen Diplomatie“. Zunächst ging er auf die Bedeutung der italienischen Republiken und deren Außenpolitik in der Frühen Neuzeit ein. Aus ihnen ragten Venedig, die Toskana, Savoyen und der Vatikan heraus, die den Status europäischer Mächte besessen haben, während alle anderen minder bedeutend gewesen seien. Die Heterogenität der italienischen Republiken werde auch in ihren unterschiedlich umfangreichen Diplomatienetzen in Europa erkennbar. Anschließend leitete Schnettger zur Relevanz des Italienischen als lingua franca der frühneuzeitlichen europäischen Diplomatie über. Zu Beginn der Frühen Neuzeit habe das Italienische eine vergleichbare Bedeutung mit der des Lateinischen besessen. Dies begründe sich in der Eigenschaft des Italienischen als europäische Wissenschafts- und Kunstsprache jener Zeit. Die große Bedeutung für die europäische Diplomatie zeige sich vor allem am Wiener Hof, an dem nicht nur die Hofbediensteten, sondern auch die Kaiser über Italienischkenntnisse verfügten und diese Sprache – wie Ferdinand II. – fließend beherrschten, wie aus Korrespondenzen vieler italienischer Diplomaten hervorgehe. Im Gegensatz zum Wiener Hof seien am französischen Königshof die vorhandenen italienischen Sprachkenntnisse zugunsten einer Förderung des Französischen als Diplomatiesprache weitgehend zurückgedrängt worden. Insgesamt zeichne sich ein heterogenes Bild der Verbreitung des Italienischen an europäischen Höfen, doch lasse sich feststellen, dass es im Lauf der Frühen Neuzeit sukzessive aus dem aktiven Gebrauch zugunsten des Französischen verschwand. In den italienischen Republiken hingegen sei das Italienische die gesamte Frühe Neuzeit hindurch die dominierende Verhandlungssprache geblieben. Was die Bedeutung des Italienischen als Vertragssprache anbelangt, spiele das Zurückdrängen des Lateinischen im Lauf der Frühen Neuzeit ebenfalls eine große Rolle. So seien Verträge in Italien bis ins 16. Jahrhundert in lateinischer und danach in italienischer Sprache verfasst worden. Kontrakte, die in der Zeit von 1550 bis 1650 mit ausländischen Fürsten geschlossen wurden, seien häufig italienisch, in späteren Zeiten französisch verfasst.

RALF-PETER FUCHS (München) stellte unter dem Titel „Über Ehre kommunizieren – Ehre erzeugen. Friedenspolitiker und das Problem der Vertrauensbildung im Dreißigjährigen Krieg“ heraus, dass frühneuzeitliche Kommunikation von Gesandten und Fürsten als schriftlich dokumentiertes Handeln gedient habe. Kongresse und Friedensverträge seien bewusst als eine historische Bühne mit großer Wirkung auf die Posterität wahrgenommen worden. Hierbei komme der Sprache eine besondere Bedeutung für die Zuschreibung von Akteursidentitäten auf der Basis von Normen und Werten der frühneuzeitlichen Gesellschaft zu. Insbesondere Vorstellungen von einer „rechten“ Fürstenethik seien in die sprachliche Kommunikation eingeflossen. Der Fortgang dieser sei abhängig von der gegenseitigen Akzeptanz der Rollenzuschreibungen seitens der Akteure gewesen. Am Beispiel des Kurfürsten von Sachsen und des Landgrafen von Hessen-Darmstadt zeigte Fuchs für die Zeit um 1631, dass die Aufgabe, den langen Krieg im Reich zu beenden, ein dringliches Gebot der Fürstenethik war. Beide Territorialherren haben eine Möglichkeit gesehen, ihre Ehre als Friedenspolitiker auf der historischen Bühne zu vermehren. Fuchs ordnete die Kommunikation mit dem Kaiser und katholischen wie protestantischen Reichsständen sowohl dem Ziel der Verwirklichung des Friedens als auch einer entsprechenden Inszenierung zu. Für eine erfolgreiche Friedenspolitik habe Sprache der Engagement- und Interessenvermittlung der Verhandelnden gedient. Letztliches Ziel sei jedoch ein „Friedenswerk“ gewesen, das keinen Verlierer hervorbrachte, sondern auf beiden Seiten die Ehre wahrte oder sogar vermehrte. Zugeständnisse seien daher als Praktiken des freiwilligen Gebens inszeniert worden, die wiederum die andere Seite zur freiwilligen Gegengabe bewegen sollten. Derartige Tauschprozesse interpretierte Fuchs als Akte der Vertrauensbildung, die nicht zuletzt dazu gedient haben, die gegenseitigen sprachlichen Ehrbezeugungen „wahrzumachen“. In einem weiteren Zug sei wiederum auf das Mittel der Sprache zurückgegriffen worden, um Zugeständnisse als Handlungen zu kontextualisieren, die der Ehre der nachgebenden Partei nicht abträglich waren. Am Ende habe das gemeinsam gestiftete „Friedenswerk“ eben nicht als ein Werk von „Krämerseelen“ erscheinen sollen, sondern als ein Werk von Herrschergestalten historischen Ranges.

In seinem Vortrag „Frieden durch Sprache? Friedrich Karl von Mosers Konzept der „Staatsgrammatik“ stellte MARTIN PETERS (Mainz) ein 1749 erschienenes Handbuch vor, das der Vereinheitlichung der europäischen Vertragssprache dienen sollte und bisher in der Forschung kaum behandelt wurde. Moser untersuchte in seinem Werk Staatsschriften, die Streitigkeiten zwischen den Vertragspartnern hervorgerufen hatten, da ihre Inhalte mehrdeutige oder fehlerhafte Formulierungen oder Grammatiken aufwiesen. Hierbei habe der Aufklärer, Jurist und Gesandte Moser großen Wert auf Orthographie, Etymologie und Syntax gelegt. Als Mosers Grundannahme formulierte Peters, dass die Sprache eine wesentliche Bedeutung für die Friedenswahrung und -stiftung besaß. Indirekt habe er mit seiner „Staatsgrammatik“ für eine gesamteuropäische Friedenssprache plädiert. Moser habe damit jedoch nicht die Verwendung einer einzigen Nationalsprache für Verhandlungen, sondern verbindliche Kommunikations- und Verständnisregeln gefordert, die das Verhältnis der verschiedenen europäischen Sprachen zueinander betrafen. Peters führte weiter aus, dass Moser aus verschiedenen Beispielen spezifische sprachliche Regeln abgeleitet habe, mit dem Ziel, Konflikte und Missverständnisse zu verhindern. In drei Teilen verdeutlichte Moser die Bedeutung seines Anliegens, indem er sich erstens korrekter Rechtschreibung und Vermeidung von Druck- und „Kanzleyfehlern“, zweitens Wortbedeutungen und Etymologien sowie drittens Schreibstil und Satzlehre widmete. Die Beherrschung all dieser Gebiete sei, wie er anhand zahlreicher Quellenbeispiele aus der europäischen Diplomatiegeschichte veranschaulichte, von großer Bedeutung für die Vermeidung von Missverständnissen und damit letztlich für die Genese des Friedens. Als Motivation Mosers für das Verfassen des Handbuchs lasse sich seine kritische Sicht auf die frühneuzeitliche Friedenspolitik ausmachen, die er als unnötig langwierig und kostspielig darstellte. Die Schaffung einer „Staatsgrammatik“ habe Moser als Mittel aufgefasst, diesem Missstand abzuhelfen. Die Erforschung der Thematisierung des Friedens bei Friedrich Karl und seinem Vater Johann Jacob Moser wie auch die der Darstellung des Friedens in der deutschen Aufklärung überhaupt seien noch immer Forschungsdesiderate. Die „Staatsgrammatik“ sei ein Anzeichen dafür, dass Friedrich Karl von Moser die Bedeutung der Verbindung von Sprache und Recht für den Frieden bewusst war.

DANIEL HILDEBRAND (Mainz) referierte zum Thema „Staatsräson als Friedensmetapher“ und ging insbesondere auf die Frage ein, ob und inwieweit Staatsräson handlungsleitend für Friedenspolitik gewesen sei. Dabei betrachtete er Staatsräson als Argument für die Außenpolitik, als Verhaltensmotivation und als Arkanpraxis europäischer politischer Einheiten. Als Untersuchungsbeispiele dienten ihm die Republik der Vereinigten Niederlande im 17. und 18. Jahrhundert sowie das Frankreich Ludwigs XIV. Für die Niederlande sei eine Tendenz zu einer friedlichen und neutralitätsorientierten Außenpolitik festzustellen, die der wirtschaftlichen Prosperität dienen sollte. Die Wahrung des Friedens für den Handel und die diesbezügliche Strategie der Republik, durch das Schließen von Verträgen die Neutralität zu wahren, wurde im Lauf der Frühen Neuzeit angesichts der Genese europäischer Großmächte zunehmend schwieriger. Daher haben die Niederlande Defensivbündnisse angestrebt. Diese Orientierung lasse sich auch in der niederländischen Politiktheorie finden, die die spätere britische Ausgleichpolitik der politischen Mächte Europas vorweggenommen habe. Die Staatsräson der Niederlande könne daher auch als „Welträson“ aufgefasst werden. In diesen Kontext stellte Hildebrand die These, dass Machtstaatsstreben in der frühneuzeitlichen Politiktheorie grundsätzlich als friedewahrendes Mittel akzeptiert gewesen sei, und führte als Belege Jean Bodins “Les Six Livres de la République“ und Thomas Hobbes‘ “Leviathan“ an. Im Frankreich Ludwigs XIV. scheine eine eher ambivalente Staatsräson vorgelegen zu haben. So sei zwar grundsätzliches Ziel die Friedenswahrung gewesen, doch wurden überwiegend Kriege geführt, die mit Argumentationsmustern der Erb- und Familienpolitik legitimiert wurden. Die Dogmen der Ehre und der Dynastie haben Ludwig XIV. zu Kriegen gezwungen, was zu einer eher traditionellen statt rationalen Außenpolitik geführt habe. Auch am Beispiel Frankreichs lasse sich die These überprüfen, ob Friedewahrung den Handel förderte. So sei die einzige Friedensphase der Regentschaft Ludwigs XIV. von 1661 bis 1672 durch wirtschaftlichen Aufschwung, die restliche Zeit aber von ökonomischer Depression geprägt gewesen. Diese Auswirkungen von Krieg und Frieden auf die Ökonomie seien den Zeitgenossen bewusst gewesen und daher habe auch Frankreich grundsätzlich nach Frieden gestrebt. Am Ende seines Vortrags betonte Hildebrand, dass Staatsräson als Instrument des Machtstaats auf Erhalt von Ordnung und Frieden ausgerichtet sei, dass Rationalisierung ökonomieanregend gewirkt habe, dass die Untrennbarkeit von Krone und Staat in der Frühen Neuzeit konfliktfördernd gewirkt habe, wie das Beispiel Frankreich zeige, und dass es klare Unterschiede in der Umsetzung der Staatsräson gab.

In seinem Vortrag „Osmanische Friedensverträge und Traktate als Orte des Kulturtransfers. Terminologische Innovationen und Veränderungen im 18. Jahrhundert“ stellte DENNIS DIERKS (Mainz) das steigende Interesse der osmanischen Oberschicht und der osmanischen Politik am christlichen Europa seit dem Anbruch der sogenannten Tulpenzeit zu Beginn des 18. Jahrhunderts dar. Dieses Interesse habe neben der Mode vor allem politik- und militärtheoretische Belange umfasst. Letzteres sei durch die militärischen Niederlagen und territorialen Verluste der Osmanen befördert worden, wie sie in den Friedensschlüssen von Karlowitz (1699) und Passarowitz (1718) markiert sind. Dierks stellte als ein Beispiel des osmanischen Interesses an Europa einen politiktheoretischen Traktat des „kulturellen Grenzgängers“ und Konvertiten Ibraim Müteferrika (1674–1745) vor. Eine ebenfalls aufschlussreiche Quelle sei der Gesandtschaftsbericht des Ebu Bekir Ratib aus dem Jahre 1792 über seine Deputation nach Wien. Dort werde von den Themen Militär, hierbei insbesondere Rekrutierung, Ausbildung, Reglement, Einheiten und Ränge, sowie Fragen der Verwaltung, des Steuer- und Finanzwesens berichtet. Beide Werke zeigen, wie stark das Interesse im Osmanischen Reich am politik- und militärtheoretischen Wissen des christlichen Europa im 18. Jahrhundert war. Eine weitere bedeutende Quellengattung für Dierks‘ Untersuchung bilden Friedensverträge zwischen Europa und dem Osmanischen Reich. Anhand dieser Beispiele arbeitete Dierks zwei Modelle von Sprachwandel im Osmanischen Reich des 18. Jahrhunderts heraus: Erstens das der Übernahme von europäischem Wortgut, das in der Traktatliteratur sowie in Gesandtschaftsberichten zu finden sei. Zweitens das Modell des Bedeutungswandels und der Bedeutungsverschiebung bei älteren, teilweise aus dem islamischen Recht stammenden Begriffen, das in Friedensverträgen festzustellen sei. Letzteres verdeutlichte Dierks beispielhaft an der Bedeutungsverschiebung des Begriffs ṣulḥ, der zunächst lediglich einen Waffenstillstand zwischen Muslimen und Nichtmuslimen oder aber die Anerkennung der Herrschaft des Islam durch Nichtmuslime implizierte, später aber sukzessive der Bedeutung eines unbefristeten Friedensschlusses gleichgekommen sei. Beide Arten von Sprachwandel seien grundlegende Voraussetzungen für die Schaffung tragfähiger Friedensordnungen mit europäischen Fürsten gewesen.

THOMAS HAYE (Göttingen) präsentierte einen Vortrag mit dem Titel „Europas Versöhnung im Triumphus Pacis des Johann Ebermeier“. Der Beitrag diente der Analyse des Gebrauchs von Sprache für den Frieden nicht nur zu diplomatischen und politischen, sondern auch zu künstlerischen und publizistischen Zwecken. Hierbei sah Haye die Bedeutung und Akzeptanz der lateinischen Sprache als diplomatisch-politische Verkehrs- und Friedenssprache zur Mitte des 17. Jahrhunderts als singulär an. Auch konstatierte er eine Sonderrolle des Lateinischen als Träger des Feierns und Verkündens von Frieden. Ein Beispiel der medialen Glorifizierung von Frieden sei der Triumphus Pacis des Dichters Johann Ebermeier aus dem Jahr 1649, der aus Anlass des Westfälischen Friedens erschienen war. Neben der lateinischen Textsprache nahm Haye auch die Verwendung von Rhetoriken, Metaphern und Allegorien im Triumphus in den Blick, deren Ursprünge wie die des Lateinischen zu einem Großteil in der Antike zu finden seien. Das Werk stelle die Geschichte des Krieges und des Friedens allegorisch dar. Auf diese Weise erschienen alle realen Kriegsbeteiligten auf der Seite der Sieger, auf der Seite der Verlierer aber nur die in Allegorien dargestellten Plagen, Laster und der Krieg. Dieses Mittel habe versöhnlich auf alle Kriegsbeteiligten gewirkt. Am Ende der Schrift werde überdies eine Solidarisierung der europäischen Fürsten intendiert, indem auf die Bedrohung durch ein gemeinsames christlich-europäisches Feindbild – das Osmanische Reich – verwiesen wird. Haye arbeitete abschließend vier Sprachebenen des Werks heraus: Erstens finde sich eine rhetorisch-poetische Sprache, die der Glorifizierung des Friedens diente. Als zweite Ebene begriff er die allegorische Sprache des Werks, die den Frieden und mit ihm alle kriegsbeteiligten Parteien kollektiv als Sieger darstellte. Drittens lasse sich eine epische Sprachebene finden, die den Triumphus Pacis in den literarischen Gattungen der Panegyrik und des Hymnus verorte. Als vierte Sprachebene fasste Haye die lateinische Textsprache, die sich auf den europaweiten Konsens des Lateinischen nicht nur als lingua franca in Wissenschaft, Politik und Diplomatie, sondern auch als Sprache der Kunst zurückführen lasse, die in ihren Verflechtungen zu Allegorien und Metaphern einzigartig gewesen sei.

In seinem „Résumée“ nahm HEINZ DUCHHARDT (Mainz) zu allen Beiträgen Abschlusskommentare vor und griff dabei auch wesentliche Argumente und Anmerkungen der Diskussionen des Workshops auf. Zuvor warf er die Frage auf, ob das „?“ hinter dem Workshoptitel „Frieden durch Sprache?“ nunmehr aufzulösen sei. Seiner Auffassung nach müsse es stehen bleiben, da Unfrieden und Krieg trotz jeglichen wie auch immer gearteten friedensbejahenden Spracheinsatzes geschehen seien. Überdies griff Duchhardt den ‚Arrangement‘-Begriff auf, dessen Verwendung Weber als Alternative für den Begriff des ‚Friedensvertrags‘ zumindest für die meisten Übereinkünfte seit dem 19. Jahrhundert vorgeschlagen hatte. Aus dem Vortrag von Anuschka Tischer zog Duchhardt den Aspekt der Fürstenfamilie heraus, der sich in einer gemeinsamen, ehrbekundenden, respektvollen und höflichen Sprache dargestellt habe. Als Quintessenz des Beitrages von Ralf-Peter Fuchs sah er die Auffassung von ‚Ehre‘ als fürstliches ‚Essential‘, das den Fürsten eine besondere Verantwortung im Verhandlungsprozess gegeben habe. Das Referat Schnettgers habe einen Überblick über die Verwendung des Italienischen im diplomatischen Verkehr und an den bedeutendsten europäischen Höfen gegeben. Der Beitrag Peters‘ zu Mosers Konzept einer „Staatsgrammatik“ habe die Fragen eröffnet, für wen das Werk geschrieben worden sei, ob es sich eventuell um eine „chronique scandaleuse“ handelte. Daniel Hildebrands Vortrag zur Staatsräson als Friedensmetapher habe gezeigt, dass Staatsräson zwar nicht explizit in Friedensverträgen auftauche, wohl aber impliziert sei. Ob freilich frühneuzeitliches Machtstaatsstreben als friedensfördernde Staatsräson ausgedeutet werden könne, müssten weitere Untersuchungen zeigen. Durch den Vortrag von Dennis Dierks sei deutlich geworden, dass es eine weitreichende Übernahme europäischer Begriffe aus Politik- und Militärtheorie im Osmanischen Reich gab, die im 18. Jahrhundert sowohl durch eine innenpolitische Wende als auch durch eine Veränderung der Machtverhältnisse zwischen dem christlichen Europa und dem Osmanischen Reich katalysiert worden sei. Zum Vortrag von Thomas Haye merkte Duchhardt an, dass am Beispiel des Triumphus Pacis das Lateinische als neutrale, versöhnliche Sprache dargestellt worden sei, mit Komponenten, die keine andere Sprache aufweise. Mit einem Dank an die für das Verbundprojekt „Übersetzungsleistungen“ zuständige Referentin beim Bundesministerium für Bildung und Forschung, Frau Dr. Böhme, für die gute Zusammenarbeit und ihre Projektbetreuung beendete Heinz Duchhardt sein Résumée.

Abschließend fasste MARTIN PETERS (Mainz) seine Eindrücke vom Workshop zusammen. So nehme er an, dass es ein größeres Wissen zum Kriegs- als zum Friedenshandwerk gebe. Die Erforschung des frühneuzeitlichen Friedens, wie sie beispielsweise in Mainz seit Beginn der „1990er–Jahre“ betrieben werde, sei zur Behebung dieses Missverhältnisses notwendig. Ein Ergebnis der bislang betriebenen Friedensforschung sei, dass es in der Frühen Neuzeit einerseits zwar zahlreiche Kriege, aber andererseits auch stetige Friedensbemühungen gegeben habe. Dieses endlose Streben nach der Erhaltung der Friedensnorm sei auf zweierlei Weise zu interpretieren. Erstens: Die Friedensbemühungen seien gescheitert. Zweitens: Die Frühe Neuzeit könne als ein Lernprozess zum Friedenschließen angesehen werden. Überdies gab es für Peters im Wesentlichen vier Dimensionen des Kolloquiums: Darunter fasste er erstens die „sprachliche Inszenierung“, also den Umgang, die Kommunikation und die Verdeutlichung mit und von Frieden; Zweitens die Entwicklung spezifischer Begründungsmetaphern und Schlüsselbegriffe, wie zum Beispiel: Verwandtschaft, Ehre, Staatsräson und Ruhm; Drittens die – wandelbare – Bedeutung von Nationalsprachen in vormodernen Friedensprozessen; Schließlich Effekte, die durch Ignoranz, Unwissen, bewusst eingesetzte Fehlinformationen sowie „Missverstehen und Mehrdeutigkeiten“ vormoderne Friedensprozesse lenkten. Frieden, betonte Peters im Rückgriff auf Johannes Burkhardt, könne herbeigeredet werden. Sprache sei stets handlungsleitend und nicht nur Beiwerk, sondern eine bedeutende Determinante im Umgang mit dem Frieden gewesen.

Konferenzübersicht:

Johannes Burkhardt (Augsburg): Öffentlicher Abendvortrag
Sprachen des Friedens und Friedenssprache: die kommunikativen Dimensionen des vormodernen Friedensprozesses

Heinz Duchhardt (Mainz): Begrüßung

Martin Peters (Mainz): Einführung

Wolfgang E. J. Weber (Augsburg): Sprache und Frieden – konzeptionelle Vorüberlegungen

Anuschka Tischer (Marburg): Den Gegner bekämpfen, aber nicht beleidigen: friedensorientierte Rhetorik in frühneuzeitlichen Konflikten

Matthias Schnettger (Mainz): Auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit? Die Rolle der Italiener und des Italienischen in der frühneuzeitlichen Diplomatie?

Ralf-Peter Fuchs (München): Über Ehre kommunizieren – Ehre erzeugen. Friedenspolitiker und das Problem der Vertrauensbildung im Dreißigjährigen Krieg

Martin Peters (Mainz): Frieden durch Sprache? Friedrich Karl von Mosers Konzept der ›Staatsgrammatik‹

Daniel Hildebrand (Mainz): Staatsräson als Friedensmetapher

Dennis Dierks (Mainz): Osmanische Friedensverträge und Traktate als Orte des Kulturtransfers. Terminologische Innovationen und Veränderungen im 18. Jahrhundert

Thomas Haye (Göttingen): Europas Versöhnung im Triumphus Pacis des Johann Ebermeier

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Volker Arnke M.A.
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