Energie und Umwelt

Organisatoren
Arbeitskreis „Kleine und Mittlere Unternehmen“ der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte e.V.
Ort
Darmstadt
Land
Deutschland
Vom - Bis
28.10.2011 -
Url der Konferenzwebsite
Von
Sonja Petersen, Technische Universität Darmstadt

Der Arbeitskreis „Kleine und Mittlere Unternehmen“ der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte widmete sich in seinem diesjährigen Treffen dem hoch aktuellen Thema „Energie und Umwelt“ aus unternehmenshistorischer Perspektive. In seiner Begrüßung betonte Wolfgang Jacobi, dass dieses Thema das bestimmende Thema der Zukunft sein werde. Ein neues Bewusstsein für den unauflöslichen Zusammenhang von Energie und Umwelt rücke nicht zuletzt durch die katastrophalen Ereignisse im japanischen Fukushima erneut ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Die Entwicklung des Verhältnisses von Energie und Umwelt bedürfe einer historischen Perspektive, beruhe doch die Industrialisierung der westlichen Welt auf dem verstärkten Einsatz von Energie. Diese westliche Welt stünde vor der Herausforderung, die Industrialisierung in Zukunft ohne den massiven Rückgriff auf fossile und nukleare Energietechnik aufrechtzuerhalten.

In seinem Vortrag „Bemerkungen zur Geschichte von Energiebegriff und Energiesystem“ gab SIEGFRIED BUCHHAUPT (Frankfurt) einen detaillierten historischen Überblick über die Nutzung verschiedener Energieformen von der Steinzeit bis heute. Buchhaupt diskutierte die These, dass die traditionellen Energiesysteme (z.B. Solarenergie) im Laufe der Geschichte nie gänzlich verschwanden. Vielmehr seien sie insbesondere in der Industrialisierung durch fossile und mineralische Energieträger überlagert worden. Dies habe zu fundamentalen Entwicklungen in der Technik und Naturwissenschaft geführt, die unser heutiges Leben nachhaltig beeinflussen. Die Überwindung des Solarenergiesystems durch fossile Energieträger habe ein enormes, wenn auch nicht unendliches Wachstum der Bevölkerung und der Wirtschaft ermöglicht. Abschließend diskutierte Buchhaupt die aktuelle Energiewende und die enorme Sicherheitsproblematik der Kernenergie, die als Wegbereiter einer neuen Zeit gegolten habe und mit Phantasmen wie „der ins positiv gewendeten Zerstörungskraft der Bombe“ besetzt worden sei. Die abzusehende Abhängigkeit von Solar- und Windenergie dürfe nicht zur Rückkehr zu vorindustriellen Energieträgern führen. In der Diskussion wurde herausgestellt, dass im Zuge der Energiewende in verschiedenen Nutzungsformen gedacht werden müsse und verstärkt dezentrale Lösungen voranzutreiben seien.

MICHAEL HASCHER (Stuttgart) betrachtete das Thema Energie und Umwelt aus der Sicht der Denkmalpflege am Beispiel zahlreicher technischer Kulturdenkmale, die sich im Besitz von kleinen und mittleren Unternehmen befinden. Hascher diskutierte technische Kulturdenkmale als Quelle der Umweltgeschichte, deren erhaltene Substanz spannende Geschichten über die Ressourcennutzung und den Wandel der Energiegewinnung und -nutzung in den Unternehmen erzähle. Zu den häufigsten Denkmal-Gattungen zählen Brücken, Fabriken und Mühlen. Letztere offenbarten unter anderem verschiedene, immer wieder veränderte Antriebsarten. Viele Mühlen wurden nach dem Ersten Weltkrieg von Wasserrädern auf Turbinen und später auf Elektromotoren umgerüstet. Die Denkmale der Unternehmen verblieben oft auf dem historischen Werksgelände, müssten sich aber immer den aktuellen Produktionsbedürfnissen anpassen. Hascher plädiert für eine zunehmende Verwendung der Denkmale als lohnenswerte Quelle für die Energiegeschichte und insbesondere für die Erforschung des Umgangs der Unternehmen mit Energie.

Explizit dem Thema Umwelt widmete sich ROMAN KÖSTER (München) in seinem Vortrag „Unternehmen und Abfallwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg“. Die Umweltgeschichte, die Köster als multidisziplinäres Themenfeld auffasst, blende wirtschafts- und unternehmensgeschichtliche Fragestellungen weitgehend aus. Wenn Unternehmen in Zusammenhang mit der Umweltproblematik auftauchten, dann werde diesen meistens ein „dämonisches Kalkül“ unterstellt: So würden sie die Umwelt unter anderem durch Abfälle maximal verschmutzen, wenn Sie nicht daran gehindert würden. Häufig finde jedoch das Innenleben der Unternehmen wenig Beachtung. Köster argumentierte, dass der Umgang von Unternehmen mit Müll durch verschiedene Faktoren geprägt gewesen sei. So habe manche gesellschaftliche Problemwahrnehmung insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg die Unternehmen nicht unberührt gelassen. Des Weiteren hänge die Abfallentsorgung von bestehenden Infrastrukturen ab. Letztlich handelten Unternehmen zwar nicht unbedingt immer vordergründig aus einem Umwelt-, sondern häufig aus einem Kostenbewusstsein heraus. Doch trotz des unterstellten „dämonischen Kalküls“ seien Unternehmen oft Vorreiter für die private Abfallbeseitigung und das Recycling gewesen, in das z.B. weiterentwickelte Techniken der Industrie einflossen. Diskutiert wurde das Beziehungsgeflecht zwischen Unternehmen, Kommunen und Region in Bezug auf die Abfallentsorgung als wichtiges Kriterium für die Standortwahl.

Der Mitinhaber des Kurtz-Ersa-Konzerns RAINER KURTZ (Kreuzwertheim) schilderte in seinem Vortrag „Energie im Kurtz-Konzern – Historische Entwicklung und Herausforderungen“ den enormen Einfluss von Energie, insbesondere aber auch der Energiewahl auf die Entwicklung des Unternehmens. Innerhalb des Kurtz-Konzerns, der auf eine Hammerschmiede aus dem Jahre 1779 zurückgeht, spiele die Prozessenergie eine entscheidende Rolle. So seien innerhalb des Unternehmens im Lauf seiner Geschichte verschiedenste Energieformen für verschiedene Produktionsbereiche zum Einsatz gekommen. Dem Kurtz-Konzern sei es durch fortlaufende Diversifizierung der Produktion und der Produkte gelungen, sich ständig weiter zu entwickeln und letztendlich bis heute zu bestehen. Für ein Unternehmen sei nicht nur die Wahl der Energieform, sondern auch die Energiekostenentwicklung entscheidend. Die Energieeffizienz der Produkte und Produktionsverfahren sowie die Energieverfügbarkeit seien wichtige Komponenten, die unter anderem auch die Standortwahl beeinflussen. Doch neben Energie und ihren Kosten sei für den Erfolg des Unternehmens auch jene 'Energie' der Mitarbeiter und Entwickler entscheidend, die sie in ihre Arbeit einfließen ließen. In der Diskussion betonte Kurtz, dass in Bezug auf die Preisentwicklung die Wahl der Energieart entscheidend sei.

In seinem die Tagung abschließenden Vortrag „Energiearten, Energiekosten und Verfügbarkeit“ betrachtete WOLFGANG JACOBI (München) die Entwicklung von Energiekosten und -nutzung zwischen 1810 und 2010. Auf Basis vielfältiger Statistiken verdeutlichte er, dass die realen Energiekosten mit Berücksichtigung der Inflation im Vergleich zu 1810 heute nicht teurer geworden seien, sondern immer billiger. Ein Anstieg der Kosten sei erst in der letzten Zeit zu beobachten. Abschließend diskutierte Jacobi die Zusammensetzung der Energie in Deutschland und die aus der Energiewende folgenden Konsequenzen. So stehe Deutschland vor der großen Herausforderung, 22% der Gesamtenergie, die aus Kernenergie gewonnenen werde, zu ersetzen.

In der sich an Jacobis Vortrag anschließenden Abschlussdiskussion wurde deutlich, wie wichtig das Thema Energie und Umwelt nicht erst seit den Atomkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima ist. Energie war und ist nicht erst seit der Industrialisierung ein nicht zu unterschätzender Faktor der Geschichte.

Konferenzübersicht:

Siegfried Buchhaupt (Frankfurt am Main): Bemerkungen zur Geschichte von Energiebegriff und Energiesystem.

Michael Hascher (Stuttgart): KMU und Umwelt aus der Perspektive der Denkmalpflege. Beispiele aus dem Bereich der Mühlen und Fabriken in Baden-Württemberg.

Roman Köster (München): Unternehmen und Abfallwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg. Umrisse eines Forschungsproblems.

Rainer Kurtz (Kreuzwertheim): Energie im Kurtz-Konzern – Bedeutungswandel im historischen Rückblick.

Wolfgang Jacobi (München): Energiearten, Energiekosten und Verfügbarkeiten – Historische Entwicklung und Herausforderungen für die Zukunft.


Redaktion
Veröffentlicht am
Beiträger