Der Workshop „Die geschichtswissenschaftliche Fachbibliographie der Zukunft – moderne Informationsdienstleistungen für Historiker“, der am 8. und 9. April 2013 im Historischen Kolleg, München, stattgefunden hat, zielte darauf ab, im digitalen Zeitalter die Anforderungen an Fachbibliographien zu reflektieren und ihre Funktionalität weiterzuentwickeln. Eingeladen dazu hatten die Partner des DFG-geförderten Projekts „Kooperative Weiterentwicklung geschichtswissenschaftlicher Fachbibliographien“, die Bayerische Staatbibliothek (BSB), die Arbeitsgemeinschaft historischer Forschungseinrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland (AHF), die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW) und das Institut für Zeitgeschichte (IfZ). In seinen einführenden Worten rekapitulierte HELMUT ZEDELMAIER (München) stellvertretend für die Organisatoren die Entwicklungsgeschichte geschichtswissenschaftlicher Fachbibliographien als ein vom Aufbewahrungsort unabhängiges Literaturverzeichnis. Als Ergebnis deutscher Geschichte im 20. Jahrhundert entstanden mit den Jahresberichten für deutsche Geschichte der BBAW und der Historischen Bibliographie der AHF zwei verschiedene geschichtswissenschaftliche Fachbibliographien, die angesichts geänderter Rahmenbedingungen einem Legitimitätsdruck ausgesetzt sind. Ziel des DFG-Projekts sei es, eine deutsche historische Bibliographie zu schaffen. Mit Blick auf die Beiträge skizzierte Zedelmaier die Möglichkeiten, die die technische Entwicklung künftig bieten wird. Schließlich erklärte er, dass sich der Workshop als Forum des Austauschs verstehe.
CLAUDIA ZEY (Zürich) sprach in ihrer Keynote über die Erwartungen der Geschichtswissenschaft an die Fachbibliographie der Zukunft. Dabei verwies sie auf die Schwierigkeit, für die Geschichtswissenschaft zu sprechen. Aus Nutzerperspektive beleuchtete sie Fragen nach der Definition von Fachbibliographien, ihrer Notwendigkeit sowie ihrer inhaltlichen und technischen Anforderungen. Dabei stellte sie fest, dass verglichen mit der Literaturrecherche vor 30 Jahren heute bei geringerem körperlichem Einsatz eine wesentlich höhere Zahl an Treffern erzielt würde – oftmals in einem unüberschaubaren Maße. Hätte man früher die Recherche mit Bibliographien begonnen, seien heute die Unterschiede zwischen Bibliographien, Lexika und Bibliothekskatalogen durch das Angebot von Metasuchen nahezu verschwunden. Fachbibliographischen Zugang böte heute eine Vielzahl an Anbietern. Am Beispiel „Investiturstreit“ veranschaulichte Zey, dass Ergebnisse von Recherchen in Wikipedia und Google (inklusive Books und Scholar) unbefriedigend hinsichtlich aktueller Forschungsliteratur seien. Die Recherche im BSB-OPAC sei mit 300 monographischen Treffern zwar wesentlich hilfreicher, jedoch werde nicht deutlich, nach welcher Relevanz sortiert werde. Ein fachspezifischer Zugang wiederum fördere erfreuliche Ergebnisse unselbständiger Literatur zutage; dabei werfe aber die unterschiedliche Treffermenge bei der Abfrage verschiedener Fachbibliographien die Frage nach den Referenzwerken für deren Erstellung auf. Hier wäre die Einbindung der Fachbibliographien in Metasuchen fachspezifischer Rechercheportale notwendig. Als weitere Anforderungen formulierte Zey die Anreicherung mit Links etwa zu Inhaltsverzeichnissen und Rezensionen sowie die Internationalisierung und Mehrsprachigkeit. Schließlich müssten die Suchergebnisse exportiert werden können und über Apps zu erzielen sein. Sie plädierte nicht für die Ausweitung des Angebots, sondern für die Verbesserung seiner Qualität. Die Anregung, selbst relevante bibliographische Daten in Wikipedia einzuarbeiten, wurde von den Diskutanten angesichts beschränkter Ressourcen und stattfindender Edit-Wars teilweise kritisch beurteilt.
In seinem Vortrag zu altertumswissenschaftlichen Fachinformationssystemen berichtete ANDREAS HARTMANN (Augsburg) über seine Erfahrungen aus der Perspektive eines Mitarbeiters der Fachbibliographie Gnomon, eines Lehrenden und eines Forschers. Nachdem in der Alten Geschichte inzwischen alle Bibliographien elektronisch verfügbar gemacht worden seien, seien als nächstes die Quellen digitalisiert worden. In der dritten Digitalisierungswelle ginge es nun um die elektronische Bereitstellung von Forschungsliteratur. Dabei sprach er die Mängel beim Nachweis elektronischer Dissertationen an. Auch warf er die Frage auf, ob neuere Publikationsformen wie Blogs, Videos etc. bibliographisch erschlossen werden sollten, was vor allem hinsichtlich der fraglichen dauerhaften Zugänglichkeit Probleme aufweise. Den Nachweis in Bibliographien beurteilte Hartmann wegen fehlender Verknüpfung mit dem Volltext und des hohen Rechercheaufwandes kritisch. Die Ergebnisse ließen den Suchenden im Unklaren darüber, welche Treffer relevant seien. Doch eine Syntheseleistung wie in der Bewertung von Literatur werde von Forschungsförderern nicht gewürdigt. Großes Potenzial läge zudem in der Vernetzung bibliographischer Datenbanken mit Objekt- oder Ortsdatenbanken. Hier sei die Papyrologie in den Altertumswissenschaften führend. Für die geringe Akzeptanz von Features des Web 2.0 in den Geschichtswissenschaften machte Hartmann die akademische Laufbahn verantwortlich, die keine Zeit für Kommentierung, Tagging oder ähnliches lasse. Dennoch müssten Fachbibliographien künftig die neuen Medien stärker einbinden. In der anschließenden Diskussion wurde das Problem der Selektion von forschungsrelevanter Literatur diskutiert, deren Menge aus einer anfänglichen Sammelwut entstanden sei. Doch sei zumindest eine Kommentarfunktion der Treffer wünschenswert, wenn schon deren qualitative Wertung als problematisch beurteilt würde.
JÜRGEN WARMBRUNN (Marburg) beschrieb die Perspektiven bibliographischer Arbeit zu Ostmitteleuropa am Herder-Institut. Dazu ging er auf die Entstehung der Bibliographie innerhalb der Institutszeitschrift ein. Schließlich wurde die Erschließungsarbeit als Dokumentation in Kooperation mit Einrichtungen aus Ostmitteleuropa eigenständig fortgeführt. Inzwischen ist die Bibliographie als Allegro-Datenbank verfügbar, nachdem der immer größere Abstand von Berichts- und Erscheinungsjahr die Druckform in Frage gestellt hatte. Zudem wurde die Literaturdokumentation, die die Bibliographie bislang außerhalb des Katalogs nachwies, in die Bibliothek integriert. Zur Integration der mit einem zehnsprachigen Thesaurus erschlossenen Daten in den hessischen Bibliotheksverbund fänden momentan Gespräche mit Hebis statt. Als ein weiteres Beispiel für die bibliographische Tätigkeit am Herder-Institut stellte Warmbrunn GeoBib vor, eine Bibliographie zur frühen Holocaust- und Lagerliteratur, die als Pilotprojekt für weitere Vorhaben fungieren solle. Mit dieser annotierten Bibliographie, deren Einträge georeferenziert und kommentierbar sind sowie Verweise auf genannte Personen (inklusive Verknüpfung mit der GND), Rezeption und Sekundärliteratur beinhalten, wurde präsentiert, was eine Bibliographie in Zukunft zu leisten vermag. Die kooperative Erschließung mit den ostmitteleuropäischen Partnerinstituten würde vor dem Hintergrund internationaler Standards (RDA) mit dem Bemühen um Volltextanreicherung fortgeführt.
Anschließend äußerte sich LUDGER SYRÉ zur Landes- und Regionalbibliographie der Zukunft. Auch im Falle der Landes- und Regionalbibliographien wurden die Bibliographien, deren Inhalt auf den (auch elektronischen) Pflichtexemplaren basiert, zunächst in Zeitschriften publiziert, bevor ab den 1970er-Jahren eigene Bände gedruckt worden sind. Inzwischen würden alle Landesbibliographien als Datenbanken weitergeführt. Dabei bedienten sie sich teilweise eigener Systeme, da der Nachweis unselbständiger Literatur nach wie vor nicht in jedem Bibliotheksverbund erwünscht sei. Jedoch sei sie wünschenswert, um die Sichtbarkeit dieses Angebots zu erhöhen. Dazu trägt seit 2001 auch die Virtuelle Deutsche Landesbibliographie bei. Am Beispiel der bayerischen BLO, des südwestdeutschen leoBW und des hessischen LAGIS unterstrich Syré die Notwendigkeit der Einbindung von Bibliographien in Informationsportale der Bundesländer. Dabei hob er Vorzüge wie Normdatenverknüpfung, Einstiege über Systemstellen und den Zugang zu Volltexten hervor, die bisher in unterschiedlichem Maße realisiert worden seien. Darüber hinaus illustrierten individualisierte Recherchen, RSS-Feeds und die Möglichkeit, mit Bibliographie-Bearbeitern zu chatten, das mannigfaltige Angebot der Landesbibliographien. Am Beispiel der Verknüpfung von Personendatenbanken unterstrich Syré, wie wichtig die Vernetzung und Integration ihrer Arbeit für die Zukunft von Bibliographen seien.
Am Beispiel der von ihm aufgebauten bibliographischen Datenbank zur deutsch-jüdischen Geschichte Nordrhein-Westfalens stellte HARALD LORDICK (Essen) die Arbeit an einer fachspezifischen Online-Bibliographie dar. Auch für diese an den Bedürfnissen von Lokalhistorikern und Regionalforschern orientierte Bibliographie gelte, dass die Vernetzung über die Einbindung in Metasuchmaschinen zur besseren Sichtbarkeit notwendig sei. Näher ging er auf die Notwendigkeit ein, elektronische Literatur prioritär zu katalogisieren, da diese oftmals wieder in der Versenkung verschwinde und nicht mehr auffindbar sei. Dies führte ihn zu der These, dass bereits bibliographische Daten als Forschungsdaten anzusehen seien. Zudem plädierte er für eine Beteiligung an dem DARIAH-Projekt, in das auch kleinere Suchmaschinen eingebunden werden können. Als besonderen Mehrwert seiner Bibliographie präsentierte Lordick die georeferenzierte Erschließung der Daten. Dies mache es insbesondere für Regionalforscher möglich, nicht nur Literatur zu dem von ihnen untersuchten Ort zu finden, sondern auch Umkreissuchen abzusetzen, die dann möglicherweise auf regionale Phänomene hinwiesen. In diesem Zusammenhang wurde das Fehlen allgemein verbindlicher Geocodes bedauert. Schließlich wies der Referent noch darauf hin, wie wichtig es sei, Austauschformate anzubieten, die das Downloaden und den Export in unterschiedliche Systeme erlauben. So hätten die Daten der deutsch-jüdischen Bibliographie Nordrhein-Westfalens einen COinS-Eintrag und ließen sich problemlos in Programme wie Zotero importieren.
In ihrem Kommentar fasste ANJA THALHOFER (Stuttgart) die bisherigen Referate zusammen und stellte fest, dass noch 2011 bei einer Diskussion über die Anforderung an eine Regionalbibliographie Literaturauswahl, Usability, Aufbereitung und Recherche im Vordergrund standen, wohingegen es nur zwei Jahre später vorrangig um Normdaten, Vernetzung und Georeferenzierung gehe. Vor dem Hintergrund der Einführung von Ressource Discovery Systemen würde die Frage nach Schnittstellen und Datenoperabilität an Dynamik gewinnen. Erneut wurden Kooperation und Integration als Mittel zu mehr Sichtbarkeit von Regionalbibliographien diskutiert, doch stelle die Heterogenität der Daten das zentrale Problem dar. Dieses entstehe unter anderem dadurch, dass die Erfüllung der Anforderungen nicht von allen geleistet werden könnten. Als Desiderat bliebe schließlich noch die Auswertung elektronischer Medien.
Am zweiten Tag des Workshops eröffnete BERNHARD EBNETH (München) mit seinem Referat zur bio-bibliographischen Fachinformation im Internet und ihrer Vernetzung die Vorträge. Er betonte die Wichtigkeit von Normdaten auch für bibliographische Datenbanken; bibliographische Leistung habe einen intrinsischen Wert. Jedoch liege dieser in der Datenbank und nicht weiter im Gedruckten. Deshalb solle die Vielzahl von Portalen kooperieren – auch mit Verlagen. Trotz aller Notwendigkeit zur Vernetzung sei diese Infrastrukturarbeit nicht ohne Dauerfinanzierung zu leisten. Auch er bezeichnete die Suchmaschinentechnologie und Discovery Systeme als Herausforderung. Dabei bestünden die Anforderungen in inhaltlicher wie auch in anwenderseitiger Hinsicht. Die Erwartungen gingen immer mehr in Richtung der Nutzung von Volltexten, weshalb die Einbindung bibliographischer Daten in Fachportale und Forschungsinfrastrukturen eine Voraussetzung für deren Zukunft darstelle. Es läge so viel Information in den Metadaten der Bibliographien, die bei klugem Miteinanderverknüpfen neue Möglichkeiten wie zum Beispiel ihre Visualisierung böten. Anhand des Oxford Dictionary of National Biographies und der Bibliography of British and Irish history stellte er die Möglichkeiten der Kooperation von Biographen und Bibliographen dar. So führten Biographien zu bibliographischen Angaben und umgekehrt. In Deutschland stünden mit der Deutschen Biographie und der Gemeinsamen Normdatenbank (GND) zwei veritable Instrumente zur Verfügung, die bereits genutzt würden. Bei allem, was bereits realisiert sei, blieben aber doch zahlreiche Desiderata, die vor allem im Bereich der Usability und des Zugangs zum Text – und sei es über einen Link zur Bestellung aus dem Bibliotheksbestand – sowie der Nachnutzung der Daten (zum Beispiel Linked Open Data) zu suchen seien.
Einen durchweg technischen Beitrag lieferten die Vertreter von H-Soz-u-Kult bzw. Clio-online THOMAS MEYER und DANIEL BURCKHARDT (beide Berlin). Sie stellten am Beispiel ihres DFG-Projekts zum Historischen Forschungsnetz dar, dass Normdaten, Schnittstellen und RDF als Grundlage für die Vernetzung bibliographischer Fachinformationen mit den Angeboten von Clio-online dienten. In dem Projekt gehe es zunächst darum, die bisherigen Angebote auf den neuesten technischen Stand zu bringen, weshalb in einem ersten Schritt die Datenbasis überarbeitet und an dem FRBR-Datenmodell ausgerichtet werde. Ziel sei es, dass sich die Clio-Inhalte in verschiedenen Formaten nutzen lassen. Als Dokumentenverwaltungssystem dient dabei Alfresco, das Folder enthält, die jeweils mit Metadaten beschrieben werden. Mit dem Datenmodell, das um Aspekte ergänzt wird, lassen sich weitere Eigenschaften hinterlegen. Über die Aspekte lassen sich wiederum Relationen herstellen, die auch auf externe Datensätze verweisen können; so könne man künftig von der Rezension über die bibliographischen Angaben zum Inhaltsverzeichnis des besprochenen Titels kommen. Als Oberfläche schließlich soll ein Discovery System genutzt werden. Für die Bereitstellung als Linked Open Data sollen die Daten mit dem Ressource Description Framework (RDF) beschrieben werden und deshalb als Tripel mit den Aussagen nach Subjekt, Prädikat und Objekt modelliert werden. Als Austauschformat dient dabei XML. Eine Schwierigkeit bestehe in der Zuordnung eines Identifiers bei unselbständigen Werken, wie dies die ISBN bei Büchern darstellen kann. Auch sei noch nicht geklärt, welche Abfrage (SRU, Sparql, über BEACON) angeboten werden. Beim verwendeten Vokabular dagegen werde man breit aufgestellt bleiben, um für möglichst viele Systeme nachnutzbar zu sein. In diesem Punkt lebe man besser mit den bestehenden Mängeln als eine perfekte Lösung anzustreben. Hinsichtlich der geöffneten Daten wurde darauf verwiesen, dass neben der ISBN mit VIAF inzwischen auch internationale Normdaten bereitstünden.
In der Präsentation des gastgebenden Projekts diskutierten EVA KRAUS (München) und MATTI STÖHR (Berlin) Stand und Perspektiven des Aufbaus einer „Deutschen Historischen Bibliographie“. Ziel des Projekts sei es, durch Synergien eine deutsche historische Bibliographie als Teil der European Historical Bibliography zu schaffen, die den Rechtfertigungsdruck für bibliographische Arbeit mindere und die Heterogenität der Daten überwinde. Konkret sollen künftig die Daten aller drei Bibliographie-Partner im B3Kat vorhanden sein – durch Katalogisieren im Verbund und durch Retrokonversion bzw. Digitalisierung von Altdaten. Außerdem wollen die Projektpartner ihre Angebote optimieren. So wolle die AHF in Kooperation unter anderem mit der Universität Bielefeld und dem Historikerverband ihre Meldequote erhöhen sowie das Angebot mit Zugang zum digitalen Volltext ausbauen. Das IfZ strebe neben der konzeptionellen Weiterentwicklung die Onlinestellung seiner Bibliographie sowie einen Infodienst an. Die Jahresberichte für deutsche Geschichte schließlich würden ihre Daten mit Normdaten anreichern und anschließend in die B3Kat-Datenbank migrieren. Die Auswertung der Zeitschriften werde künftig zwischen den Partnern aufgeteilt, was den bisherigen Arbeitsaufwand bei den einzelnen Partnern verringere. Als gemeinsame Fachsystematik der künftigen „Deutschen Historischen Bibliographie“ hat man eine an der BSB-DDC orientierte facettierte Systematik entwickelt. Die Indexierung der Daten sei bereits abgeschlossen, sodass sie in Portalen wie Chronicon oder historicum.net bereitgestellt werden könnten. Schließlich solle die Deutsche Historische Bibliographie als zentrale Informationsressource für historische Literatur aus und über Deutschland dienen, wozu es noch einer Bedarfs- und Nutzungsevaluation bedürfe. Das Anforderungsprofil werde über die Recherchierbarkeit aller wissenschaftlicher Publikationsformen hinausgehen und auch die aktive Mitarbeit der Wissenschaft (Selbstmeldung) sowie die Einbindung in das wissenschaftliche Arbeiten (Stichwort: Virtuelle Forschungsumgebung) einschließen. Zu prüfende Ideen seien – teilweise bei einzelnen Partnern jetzt schon realisierte – Angebote wie etwa See-also-Dienste, Exporte und Ergebnisverwaltung, Mehrsprachigkeit und Hilfen (Tutorials) sowie Apps oder der Download der Daten als Linked Open Data. Erreicht seien inzwischen Kooperation, Konvergenz und Synergieeffekte, doch ließe sich dies noch weiter ausbauen. In der anschließenden Diskussion wurde eine mögliche Vollständigkeit (um weitere Epochen und geographische Regionen) der Erfassung geschichtswissenschaftlicher bibliographischer Daten durch die Einbindung geeigneter Partner, die große bibliographische Bestände mit epochalem oder regionalem Zuschnitt betreiben, besprochen. In diesem Sinne könne die Deutsche Historische Bibliographie nur den Anfang darstellen.
Im Anschluss präsentierte FRANZISKA HEIMBURGER (Paris) die kollaborativ erstellte Bibliographie der International Society for First World War Studies. Diese von sechs Administratoren verwaltete Bibliographie zum Ersten Weltkrieg verfolge einen innovativen Ansatz. Dabei habe zunächst die Frage im Vordergrund gestanden, welchen Beitrag die 350 Mitglieder zählende Gesellschaft zum bevorstehenden Jahrestag leisten könne. Man kam überein, eine Bibliographie aufzusetzen, die ohne großen Aufwand aktualisierbar war. Als Basis dient dazu das Literaturverwaltungsprogramm Zotero, in dem sich kollaborativ arbeiten lässt und dessen Inhalte downloadbar sind. Über eine Exportfunktion werden die Daten mittels Wordpress dann auf die Seiten der Gesellschaft ins Internet gestellt. Automatische Verbreitung finden Neueinträge über soziale Netzwerke. Beitragen kann jeder durch Meldung an die Administratoren, was zu über 1.000 vor allem englisch-, französisch- und deutschsprachigen Titeln binnen eines Jahres geführt hat. Die strukturierten Daten stünden für eine Nachnutzung zur Verfügung.
Mit Blick auf Informationskompetenz und Teaching Library stellte MARCUS SCHRÖTER (Freiburg) die Frage: Welche Bedürfnisse, Erwartungen und Kompetenzen haben Studierende der Geschichte? Dazu stellte er zunächst das IK-Konzept der UB Freiburg vor. Dann ging er näher auf eine Umfrage ein, die auf die Erwartungen von Studierenden an historische Fachdatenbanken abzielte. Dabei wurde nach Funktion und Inhalt der Datenbanken im Vergleich zu Internetsuchmaschinen gefragt. Das – wenig überraschende – Ergebnis war, dass hinsichtlich des Suchkomforts die Suchmaschinen eindeutig vorne lagen, dagegen punkteten die Datenbanken bei Qualität und Vertrauenswürdigkeit des Inhalts. Schröter leitete aus den Ergebnissen die Notwendigkeit ab, bibliographische Datenbanken mit Quellendatenbanken zu vernetzen, wie dies bereits bei den Regesta Imperii der Fall ist. So verstehe er die Fachbibliographie der Zukunft als Scharnier des wissenschaftlichen Arbeitens zwischen den unterschiedlichen Angeboten der eScience und Digital Humanities. Der Umgang mit bibliographischen Angeboten müsse geschult werden und könne nicht mit Recherchestrategien, die im Internet Anwendung finden, erlernt werden. Die Vermittlung dieser Kenntnisse könne nur in enger Kooperation mit Forschung und Lehre durch die Teaching Library geleistet werden.
Die Schlussdiskussion leitete STEFAN WIEDERKEHR (Berlin) mit der Feststellung ein, dass weniger über Geld und Legitimationsdruck gesprochen worden sei als vielmehr von den verschiedenen Formen von Bibliographien. Dabei seien immer wieder Begriffe wie Vernetzung, Kooperation, Normdaten, Standardisierung, Interoperabilität und Nutzerbedarfsanalyse gefallen. Deshalb stellte Wiederkehr die Frage nach der Erstellung der Daten, in die sich schließlich auch Nutzer einbinden ließen. Angesichts der Schwierigkeit von Selektion und Qualitätssicherung stehe man vor einem Massenproblem. Während die einen Tools für die Interoperabilität forderten, sähen andere Konkurrenz zwischen den verschiedenen Angeboten, weshalb die Nachnutzbarkeit eine Frage der Policy des jeweiligen Anbieters sei. Zey forderte in ihrem Fazit, dass der Graben zwischen Fachwissenschaftlern auf der einen und IT/Bibliotheken auf der anderen Seite nicht zu groß werden dürfe. Dazu sei ein Dialog zwischen Wissenschaft und Fachinformationsbereich notwendig.
Der Workshop machte einmal mehr deutlich, dass bibliographisches Arbeiten vor der Herausforderung steht, sich in der gewandelten Welt der Fachinformation zu verorten. Dabei scheinen die Anforderungen an die Erhebung von bibliographischen Daten bekannt: Normierung, Standardisierung, Modellierung, um interoperabel, downloadbar, nachnutzbar zu sein. Jedoch fehlen den Vokabularien die Standards; die Technik steht vor allem vor der Schwierigkeit, Altdaten an die neuen Erfordernisse anzupassen. Und schließlich: Wer leistet die notwendige Arbeit? Und wer finanziert sie? Dass auf einer Tagung von Bibliographen kein Abgesang auf Bibliographien stattgefunden hat, nimmt nicht weiter wunder. Er wäre auch angesichts der hohen Qualität bibliographischer Daten nicht nur ungerecht, sondern dumm. Doch werden es Einzelprojekte schwer, Insellösungen keine Zukunft haben. Deshalb ist die Botschaft, die von dem Workshop ausgeht, die nach Vernetzung. Dabei sollten Bibliographen nicht nur Synergien durch die Zusammenarbeit in ihren Projekten nutzen, sondern die Entwicklung von Normen und Standards aktiv mitgestalten.
Diejenigen Folien und Vortragsmanuskripte, die die Autorinnen und Autoren zur Verfügung gestellt haben, werden in einer für die Langzeitarchivierung geeigneten Form digital veröffentlicht.1
Konferenzübersicht:
Begrüßung/Einführung
Keynote
Claudia Zey (Zürich): Was erwartet die Geschichtswissenschaft von der Fachbibliographie der Zukunft?
Andreas Hartmann (Augsburg): Aktuelle Herausforderungen altertumswissenschaftlicher Fachinformationssysteme – Perspektiven aus der Praxis
Jürgen Warmbrunn (Marburg): Perspektiven bibliographischer Arbeit zu Ostmitteleuropa am Herder-Institut Marburg
Ludger Syré (Karlsruhe): Die Landes- und Regionalbibliographie der Zukunft
Harald Lordick (Essen): Perspektiven einer fachspezifischen Regionalbibliografie im Lichte der fortschreitenden Digital Humanities? Die Online-Bibliografie Deutsch-Jüdische Geschichte Nordrhein-Westfalens
Anja Thalhofer (Stuttgart): Kommentar
Bernhard Ebneth (München): Bio-bibliographische Fachinformation im Internet und ihre Vernetzung – Praxis und Optionen
Daniel Burckhardt / Thomas Meyer (Berlin): Normdaten, Schnittstellen und RDF als Grundlage für die Vernetzung bibliographischer Fachinformationen mit den Angeboten von Clio-online – Historisches Fachinformationssystem e.V.
Eva Kraus (Müchen) / Matti Stöhr (Berlin): Stand und Perspektiven des Aufbaus einer „Deutschen Historischen Bibliographie“ – das DFG-Projekt „Kooperative Weiterentwicklung geschichtswissenschaftlicher Fachbibliographien“
Kooperative Erstellung und nutzerorientierte Vermittlung von Fachbibliographien:
1. Franziska Heimburger (Paris): Die kollaborativ erstellte Bibliographie der International Society for First World War Studies
2. Marcus Schröter (Freiburg): Fachbibliographie und Fachinformation – Informationskompetenz und Teaching Library: Welche Bedürfnisse, Erwartungen und Kompetenzen haben Studierende der Geschichte?
Schlussdiskussion
Anmerkung:
1 <http://edoc.bbaw.de/abfrage_collections.php?coll_id=197&la=dea=de>.