Workshop: Weltkriege edieren. Geschichtspolitik, Dokumentationspraxis, rechtlich-ethische Standards

Workshop: Weltkriege edieren. Geschichtspolitik, Dokumentationspraxis, rechtlich-ethische Standards

Organisatoren
Kulturwissenschaftliches Institut Essen (KWI); Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung Marburg
Ort
Essen
Land
Deutschland
Vom - Bis
05.02.2015 - 06.02.2015
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Von
Martin Schlemmer, Landesarchiv Nordrhein-Westfalen/Abteilung Rheinland, Duisburg

Für die Veranstalter des Workshops „Weltkriege edieren“ – das Kulturwissenschaftliche Institut Essen (KWI) und das Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung Marburg – führte TATJANA TÖNSMEYER (Essen) thematisch in den Workshop ein: Neue Quellenfunde hätten in der jüngsten Vergangenheit zu neuen Forschungs- und Editionsfragen geführt, darüber hinaus auch zu veränderten Nutzererwartungen. Es stelle sich zunehmend die Frage nach rechtlichen Standards und nach der Publikationsform: In steigendem Maße habe man es mit hybriden Editionsformaten zu tun, daneben aber auch mit rein digitalen Publikationen.

WOLFGANG LUKAS (Wuppertal) beschäftigte sich in seinem einführenden Referat „Der Schatten des Editors: dokumentierte vs. konstruierte Realität?“ mit dem semantischen Umfang des Tagungstitels. Im Anschluss an unter anderem Umberto Eco möchte Lukas „Kultur“ als komplexes Gesamtsystem verschiedener Zeichensysteme – auch von Gefühlen, Gesten, Verhaltensweisen – verstanden wissen. Kultur begegne jedoch auch als Text. An den Schweizer Editionsphilologen Hans Zeller anschließend, zeigte Lukas auf, dass erst der Herausgeber den Text herstelle und dessen Subjektivität stets einen gewissen „Schatten“ werfe. Zwischen der Handschrift und dem Text der Edition stehe der Editor. Dieser Text sei ein erzeugtes Produkt, eine bestimmte Ebene der Interpretation sei bei der Textkonstitution immer gegeben. Daraus resultiere ein Transparenzgebot für den Editor, den „Schatten“ sichtbar zu machen. Erst der Editor bringe die Dokumente zum Sprechen.

In der anschließenden Diskussion wies Nico Nolden (Hamburg) auf die Bedeutung des Schriftbildes der Vorlage hin. So gehe die Eile des Schreibens, die man in einem Amtsbuch vorfinde, im normalisierten Text verloren. Lukas unterstrich, dass man im Vorfeld zu entscheiden habe, wie weit die „Nachahmung“ der Vorlage zu beachten sei. Tobias Herrmann (Koblenz) stellte die Frage nach der Einstellung von Texten ohne Editor und ohne Kommentierung. Dies sei, so Lukas, eine Frage der Weite des Editionsbegriffes. Letztlich bleibe es in jedem Falle bei rudimentären editorischen Leistungen, etwa der Auswahl, Anordnung, Strukturierung der Dokumente. Martin Schlemmer (Duisburg) plädierte für eine Differenzierung des Digitalisierungszweckes: Hier müsse zwischen Digitalisierung zwecks Onlinestellung und Digitalisierung zu Schutzzwecken und Nutzung im Lesesaal unterschieden werden. Eine Onlinestellung von Digitalisaten bedeute deren Publikation mit entsprechenden rechtlichen Implikationen. Man könne zwar fragen, ob es einer Edition bedürfe, um Archivgut zu kontextualisieren, die Einstellung unkommentierten „Contents“ sei mitunter jedoch problematisch – etwa bei Dokumenten aus der NS-Zeit. Tönsmeyer sprach sich dafür aus, die Nutzungsabsichten und -zwecke stärker zu fokussieren. Auch die Forschenden brächten die Quellen zum Sprechen, nicht nur der Editor. Zudem vermisse sie zunehmend die „Frage nach der Fragestellung“. Susanne Heim (Berlin) verwies auf die Dokumentation „Die Quellen sprechen“ des Bayerischen Rundfunks. Hier habe die Art der Präsentation, das Vorlesen, Auswirkungen auf die Wahrnehmung des Textes. Bezüglich der Produktionen des Journalisten Guido Knopp legte Lukas dar, dass in extremer Weise semiotisiert sei, was authentisch scheine. Er glaube, in breiten Kreisen der Rezipienten eine „Authentizitäts-Sucht“ ausmachen zu können. Diese sei von einer Fiktionalisierung historischer Themen zu unterscheiden, welche durchaus ihre Berechtigung habe.

NICO NOLDEN (Hamburg) rückte die Benutzerperspektive in den Vordergrund seines Vortrages „Editionen ins Spiel bringen. Wie geschichtswissenschaftliche Grundlagenforschung von digitalen Spielen lernen kann“. Sein Anliegen sei es, Anregungen für digitale Editionen zu geben. Nolden fragte nach Wissenssystemen und Erinnerungskulturen, insbesondere mit den Schnittstellen von historischer Inszenierung und Erinnerungskultur. Er stellte exemplarisch die Computerspiele „The Secret World“ und „World of Warcraft“ vor und richtete sein Augenmerk auf die narrativen Räume für Abenteuer-Erlebnisse sowie auf die Schnittmenge von Wissenssystemen und Erinnerungskultur. Nolden skizzierte erinnerungskulturelle Räume in diesen „Spielwelten“, die als soziale Räume zu verstehen seien. Um die Spiele herum entwickelten sich Kommunikations- und Kooperationsplattformen mit Blogs und Foren zum Austausch untereinander. Hier eröffne sich der Forschung ein Testfeld für kooperative und spielerische Prozesse, das als Labormodell für erinnerungskulturelle Wissensprozesse genutzt werden könne, etwa bezüglich der Benutzerführung.

YVONNE ROMMELFANGER (Trier) stellte in ihrem Referat „Forschungsnetzwerk und Datenbanksystem – eine dezentrale Arbeitsumgebung für digitale Editionsvorhaben“ die Möglichkeiten von Forschungsnetzwerk und Datenbanksystem (FuD)-Projekten vor. Editionsprojekten wie der Schnitzler- oder der Schlegel-Edition biete sich eine digitale Forschungsumgebung, die auf dem Open-Source-Gedanken beruhe. Zu betonen sei die Orientierung an den Arbeitsphasen des jeweiligen Wissenschaftsprojekts, aber auch an den gewohnten Arbeitsformen. Die Programmierung erfolge im konkreten Forschungs- und Anwendungskontext. Charakteristisch für FuD-Projekte sei der modulare Aufbau mit Teilkomponenten: Erfassung und Analyse, Redaktion und Publikation sowie Archivierung (und Inventarisierung). Möglich sei, dass ein Forschungsprojekt nur bestimmte Teilkomponenten in Anspruch nehme, ebenso die Unterstützung sowohl von Einzel- als auch von kooperativer Forschung. Die Bearbeitung könne dezentral erfolgen, während die Daten zentral verwaltet würden (Client-Server-System). Neben Import- und Exportschnittstellen biete FuD eine Vernetzung mit Literaturtiteln sowie die Integrationsmöglichkeit externer Tools. Ein Register gehöre ebenso zum Angebot wie die Erstellung kleiner Biogramme und eine Parallelansicht Text-Digitalisat.

In der Diskussion stellte sich die Frage, welchen Ertrag die Wissenschaft erwarten könne, wenn die von Nolden vorgestellten Spiele mehr den Kampf als die Kooperation in den Mittelpunkt stellten. Man sehe auch keine Möglichkeit zur Übertragung auf den Bereich der universitären Lehre. Statt der Benutzerführung solle man eher die Fragestellung des Benutzers in den Vordergrund rücken. Haslinger konnte in beiden Spielen keine historische Narration erkennen, sondern lediglich historische „Items“, die ahistorischen Versatzstücken glichen. Lukas ergänzte, dass „Geschichte“ hier nicht einmal als Kulisse diene, sondern vielmehr die Auflösung von Geschichte betrieben werde, indem man sich aus einem Zeichenvorrat eklektizistisch bediene. Dies unter den Begriff der Erinnerungskultur zu subsumieren, sei fragwürdig. Nolden hielt dem entgegen, die Versatzstücke seien durchaus historisch in einem weiter verstandenen Sinne, wenngleich nicht unbedingt historisch korrekt. Man könne sich hier „Mittel abschauen“ – nicht zuletzt im Hinblick auf eine „implizite Nutzerführung“ – und digitales Nutzungsverhalten beobachten.

Rommelfanger führte auf die Frage nach Nachnutzungsmöglichkeiten aus, dass neue Software-Pakete anderer Projekte mit- bzw. nachgenutzt werden könnten. Lukas nannte als Beispiel einer solchen Erweiterung die Transkriptions-Schnittstelle „Transcribo“. Auf den erforderlichen Schulungsaufwand angesprochen, betonte Rommelfanger, dass FuD den Forschenden ermöglichen solle, sich so wenig wie möglich um die technischen Komponenten kümmern zu müssen.

Den zweiten Tag des Workshops eröffnete SUSANNE HEIM (Berlin) mit ihrem Beitrag „Den Holocaust edieren unter geschichtspolitischen Vorzeichen“, in welchem Sie das Editionsprojekt „Judenverfolgung 1933-1945“ vorstellte. Das seit 2005 DFG-finanzierte Projekt sei auf 16 Bände und länderübergreifend angelegt. Anlass für das Projekt seien die Öffnung der Archive Osteuropas sowie das absehbare Ende der Zeitzeugenschaft gewesen. Projektträger seien das Bundesarchiv, das Institut für Zeitgeschichte sowie die Universität Freiburg. Geographisch richte sich die Gliederung nach Staaten und Großregionen. Die Edition solle unterschiedliche Quellengattungen berücksichtigen. Fotos würden nicht publiziert, lediglich einige Faksimiles. Auf (editions-)technische Fragen eingehend, hielt Heim fest, dass insbesondere die standardisierten Fußnoten zu den Biogrammen intensive Personenrecherchen erfordert hätten, mit bis zu 20 Rechercheschritten. Erklärt werden solle dem Leser all das, was ein durchschnittlicher deutscher Abiturient nicht wisse. Als nächster Schritt stehe die Überführung der Edition in ein digitales Format an.

MARKUS ROTH (Gießen) stellte die digitale Edition der seit 1941 geführten Chronik des Gettos Litzmannstadt vor. Das Projekt habe zunächst alle verfügbaren Textkorpora gesammelt. Es sei eine breite Kontextualisierung beabsichtigt gewesen, die Leerstellen der Chronik hätten ergänzt werden sollen, Text und Kommentar seien strikt voneinander zu trennen gewesen. Fünf analoge Bände seien 2007 erschienen, 2011 sei die digitale Edition online gestellt worden. Der Einsatz von tag clouds (Schlagwortwolken) bzw. social bookmarking sei diskutiert, angesichts der Missbrauchsgefahr aber verworfen worden. Der Zusatzaufwand für die digitale Edition sei nicht zu unterschätzen. Die Ausstrahlung von Audio-Dateien im Hessischen Rundfunk habe eine breite Resonanz erfahren, allmählich sei das Interesse der Öffentlichkeit dann aber abgeebbt.

HENNING SCHOLZ (Den Haag) stellte zur Einführung seines Vortrages „Europeana auf dem Weg von einer digitalen Bibliothek zu einer digitalen Dienstleistungsinfrastruktur“ Genese und Konzeption der „Europeana“ vor. Nach Anfängen im Jahr 2005 seien zwischen 2008 und 2014 ca. 40 Millionen Dateien angefallen. Das Europeana-Projekt zum Ersten Weltkrieg inklusive einer Transkriptionsplattform habe großes mediales Echo gefunden. Ziel von „Europeana“ sei es, sich vom Portal zu einer Plattform zu entwickeln. Erste Priorität habe allerdings die Verbesserung der Datenqualität (Beschreibungen, Kontexte, Hintergründe, Rechte-Informationen). An zweiter Stelle stehe die Optimierung der Zugänglichkeit, und schließlich habe man die Schaffung von Mehrwert für die Partner vor Augen. Es gelte den zahlreichen kleinen Partnerinstitutionen mittels „Europeana“ eine erhöhte Sichtbarkeit zu ermöglichen.

Auf die Frage nach einer geschichtspolitischen Einflussnahme seitens der Geldgeber (DFG) führte Heim in der Diskussion aus, dass die DFG zurückhaltend agiert und keine geschichtspolitischen Vorgaben gemacht habe. Roth hielt Nolden auf dessen Anmerkung, man dürfe den Diskurs nicht ausschließen, da dieser sonst woanders stattfinde, entgegen, dass die Kommunikation und die Pflege einer Diskussionsplattform im Rahmen der digitalen Edition eine Daueraufgabe wären, für die jedoch keinerlei Gelder zur Verfügung stünden. Zudem sei ein ernsthafter Diskurs mit überzeugten Geschichtsrevisionisten kaum möglich. Roth erklärte auf Nachfrage von Schlemmer, dass er die Online-Edition eher als Nebenprodukt des Buches betrachte, nicht andersherum.

SYLVIA ASMUS und JOHANNES ROST (beide Frankfurt am Main) widmeten sich in ihrem Beitrag „Rechteklärung im digitalen Zeitalter – Die virtuelle Ausstellung ,Künste im Exil‘. Ein Erfahrungsbericht“ dem rechtlichen Rahmen, den insbesondere digitale Editionen zu beachten hätten. Im Mittelpunkt der Ausführungen mit Fallbeispielen aus der 2013 online gegangenen virtuellen Ausstellung standen Urheberrecht und Leistungsschutzrecht. Darüber hinaus seien jedoch auch Datenschutz- und allgemeines Persönlichkeitsrecht, Marken- und Wettbewerbsrecht sowie strafrechtliche Belange bei der Onlinestellung von Editionen oder Ausstellungen zu beachten. Zu klären sei jeweils, ob ein Objekt überhaupt Werkscharakter aufweise, ob also eine urheberrechtlich relevante Schöpfungshöhe gegeben sei. Liege eine solche vor, leite die Deutsche Nationalbibliothek (DNB) eine „aktive“ Rechteklärung ein. Dies bedeute, dass der Rechteinhaber zu ermitteln sei, um einen Abschluss von Lizenzverträgen in die Wege zu leiten. Bei einer „passiven“ Rechteklärung sei hingegen lediglich zu fragen, ob das jeweilige Werk gemeinfrei sei.

TOBIAS HERRMANN (Koblenz) sprach zum Thema „Editionen und Online-Präsentationen von Quellen des Bundesarchivs – Möglichkeiten und Grenzen“. Er verwies auf die „klassischen“, analogen Editionen des Bundesarchivs, bevor er sich deren Online-Präsentation zuwandte. Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung würden 18 Monate nach der Printpublikation auch online freigeschaltet. Man habe sich intern darauf verständigt, die unkommentierten, aber freien Jahrgänge der Kabinettsprotokolle ohne editorische Kommentare online zu stellen, ohne dass bereits eine gedruckte Ausgabe vorliege. Herrmann wagte die Prognose, dass auf mittlere Sicht digitale Editionen – vielleicht mit Ausnahme des „Flaggschiffs“ Kabinettsprotokolle – künftig wohl nicht mehr zu den Kernaufgaben der Archive gehören dürften. Auf der anderen Seite räumte er ein, dass es im Falle digitaler Editionen einer dauerhaften Institution bedürfe, welche die notwendige Infrastruktur bereithalte. Archive seien hierfür grundsätzlich prädestiniert. Eine mögliche Alternative zu bloßer Onlinestellung von Content und Edition sah Herrmann in der Onlinestellung so genannter „Galerien“. Die Einbindung in den Kontext bleibe ein wichtiger zu beachtender Aspekt. Künftig würden deutlich mehr archivalische Quellen digital zur Verfügung stehen, allerdings weitgehend unkommentiert. Angesichts des immensen Umfangs der analogen Unterlagen im Bundesarchiv, der eine Totaldigitalisierung in diesem Jahrhundert unwahrscheinlich erscheinen lasse, plädierte Herrmann für eine Priorisierung.

PETER HASLINGER (Marburg / Gießen) konstatierte in seinem Referat zum Thema „Vom digitalen Umgang mit ediertem Grauen – einige forschungsethische Fragen“, dass klassische Medien im Begriff seien, zunehmend ihre Funktion als Informationskanäle an neue mediale Formen abzugeben und gab zu bedenken, dass sich allmählich eine gegenethische Kultur etabliere, zu der die Voyeurisierung des Täterblicks zähle. Haslinger machte einen Zielkonflikt zwischen der Wahrung der Opferwürde und der kritischen und freien Information durch die mediale Berichterstattung aus. Haslinger gab zu bedenken, dass bereits zeitnah zum Ersten Weltkrieg erschienene Editionen nicht mit der Darstellung menschlichen Leids gespart hätten. Gedanken des Schweizer Historikers Peter Haber aufgreifend, fragte er, ob für digitale Quellen dieselben Maßstäbe gelten könnten oder müssten wie im analogen Umfeld. Bei digitalen Editionen seien die Rezeptionszyklen generell schlechter zu prognostizieren als bei ihren analogen Pendants. Bei einer analogen Edition sei die Textproduktion irgendwann abgeschlossen, bei einer digitalen Edition sei das Produkt im Grunde genommen nie an ein Ende gebracht. Was die Anreicherung, Verlinkung und Semantisierung der digitalen Editionstexte anbelangt, sähen Optimisten die Nutzer als Co-Produzenten von Inhalten. Festzuhalten sei, dass nicht alles ethisch geboten erscheine, was technisch möglich sei. Ein „Code of Conduct“ sei dringend erforderlich.

In der Abschlussdiskussion führte Asmus aus, dass der mit dem Erwerb von Lizenzen verbundene finanzielle Aufwand kaum kalkulierbar sei. Rost ergänzte, dass die DNB Lizenz-Verträge entworfen und einen Workflow erstellt habe, die eventuell eines Tages zur Nachnutzung freigegeben werden könnten. Schlemmer fragte nach einer unterschiedlichen juristischen Bewertung urheberrechtlicher Verstöße bei analogen und digitalen Publikationsformen. Eine solche vermochte Rost lediglich für die Sanktionierung eines Rechtsverstoßes auszumachen, nicht aber bezüglich dessen Feststellung. Hier seien an beide Publikationsformen die gleichen Maßstäbe anzulegen. Tönsmeyer regte an, verstärkt über die Veränderung von Standards zu reflektieren. Haslinger hielt es für eine große Illusion zu glauben, ohne „Experten“, Archive und Bibliotheken auskommen zu können. Hans-Heinrich Jansen (Koblenz) wies darauf hin, dass eine Online-Edition langfristig höhere Kosten verursache als das analoge Format. Roth rief den Aspekt der Nachhaltigkeit in Erinnerung, der insbesondere auf das gedruckte Buch zutreffe, und gab zu bedenken, dass Wikipedia inzwischen verlässlicher sei als jede Enzyklopädie, und es nicht nur schlechte Online-Angebote, sondern auch schlechte Verlage und Bücher gebe. Ein weiterer zu beachtender Gesichtspunkt sei die Sichtbarkeit, weshalb es Insellösungen weitgehend zu vermeiden gelte. Schlemmer rief in Erinnerung, dass der „Goldstandard“ in den Augen vieler – etwa der Redaktionen der Feuilletons der großen Tageszeitungen – nach wie vor das analoge Format sei, was sich auch in deren Rezensionspolitik niederschlage. Tönsmeyer regte abschließend an, den Dialog mit den beteiligten Ministerien und Wissenschaftsorganisationen zu intensivieren.

Fazit: Die Tagung ging erfreulicherweise weit über das engere Workshopthema „Weltkriege edieren“ hinaus und behandelte zahlreiche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung im breiten Themenspektrum „digitale Edition“. Eine Fortsetzung des Diskurses ist angezeigt.

Konferenzübersicht:

I. Grundsatzfragen der Dokumentationspraxis
Moderation Tatjana Tönsmeyer (Essen / Wuppertal)

Wolfgang Lukas (Wuppertal), Der ‚Schatten‘ des Editors: dokumentierte vs. konstruierte Realität?

II. Technische Fragen der Dokumentationspraxis
Moderation: Agnes Laba (Marburg)

Nico Nolden (Hamburg), Editionen ins Spiel bringen. Wie geschichtswissenschaftliche Grundlagenforschung von digitalen Spielen lernen kann

Yvonne Rommelfanger (Trier), Forschungsnetzwerk und Datenbanksystem – eine dezentrale Arbeitsumgebung für digitale Editionsvorhaben

III. Geschichtspolitik
Moderation: Peter Haslinger (Marburg / Gießen)

Susanne Heim (Berlin), Den Holocaust edieren unter geschichtspolitischen Vorzeichen

Markus Roth (Gießen), Die Chronik des Getto Litzmannstadt – Dokumentation, Edition, Präsentation

Henning Scholz (Den Haag), Europeana auf dem Weg von einer digitalen Bibliothek zu einer digitalen Dienstleistungsinfrastruktur.

IV. Rechtlich-ethische Fragen
Moderation: Markus Roth (Gießen)

Sylvia Asmus / Johannes Rost (Frankfurt am Main), Rechteklärung im digitalen Zeitalter – Die virtuelle Ausstellung ‚Künste im Exil‘. Ein Erfahrungsbericht.

Tobias Herrmann (Koblenz), Editionen und Online-Präsentationen von Quellen des Bundesarchivs – Möglichkeiten und Grenzen

Peter Haslinger (Marburg / Gießen), Vom digitalen Umgang mit ediertem Grauen – einige forschungsethische Fragen

Abschlussdiskussion


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