Im März 2016 fand im Museum der Arbeit Hamburg das erste internationale Forum NS-Zwangsarbeit „Geteiltes Gedächtnis? Erinnerung an die NS-Zwangsarbeit im Europa des 21. Jahrhunderts“ im Rahmen des Programms „Zwangsarbeit und Vergessene Opfer“ der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ statt. Dieses war von besonderer Diversität der Vorträge, die von Forschungsbeiträgen bis zu Vorstellungen neuer Ausstellungen und Museen reichten, geprägt. VeranstalterInnen waren die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ und Humboldt-Universität zu Berlin in Kooperation mit der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, dem Museum der Arbeit, der Forschungsstellte für Zeitgeschichte in Hamburg sowie der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. Die Tagung wurde zweisprachig und mit einer Gebärdendolmetschung durchgeführt.
Die Tagungsgäste besichtigten nach der Begrüßung durch Detlef Garbe (Hamburg) das ehemalige Konzentrationslager Neuengamme, dessen offizielle Erinnerung sehr spät auf Drängen von Bürgerinitiativen begann, da bereits 1948 das Gelände und dessen Neubauten als Gefängnis genutzt wurden.
Bei der Rundfahrt im Hamburger Hafen war eine wichtige Station der ehemalige „Fruchtschuppen C“, von wo aus erstmals 1940 hunderte Roma und Sinti in verschiedene Konzentrationslager deportiert worden waren. KATHARINA HERTZ-EICHENRODE (Hamburg) verdeutlichte die Wichtigkeit der Hafenrundfahrten für das öffentliche Gedenken, da es nur noch wenige sichtbare Hinweise auf die NS-Vergangenheit gäbe.
ETÌENNE FRANCOIS (Berlin/Paris) verwies in seiner Keynote Lecture auf die europäische Dimension der NS-Zwangsarbeit, da Menschen aus fast allen europäischen Ländern für die NS-Zwangsarbeit in Deutschland sowie in den von Deutschland besetzten Ländern eingesetzt worden waren. Die Zwangsarbeit sei „keine deutsche Erfindung“, dennoch müsse aber von einer „relativen Spezifik“ der NS-Zwangsarbeit auf Grund des Ausmaßes und der Rassenideologie gesprochen werden. Die kollektive Erinnerung sei in vielen europäischen Ländern von einem „Paradigma der Opfer und der Helden“ geprägt gewesen, mit dem die Gruppe der ZwangsarbeiterInnen scheinbar nicht kompatibel waren. Letztlich ging François auf die transnationale Dimension der NS-Zwangsarbeit ein, deren Erinnern sich nach dem Ende des 20. Jahrhundert um eine neu wahrgenommene europäische Dimension erweitert habe.
Das Panel „West- und Osteuropa“ eröffnete ROB VAN DER LAARSE (Amsterdam) mit der These, erst mit Ende der Kriege auf europäischem Boden in den 1990er-Jahre habe die kollektive Erinnerung an die Gräueltaten und KZs in Europa begonnen. Diese seien fortan zu transnationalen oder gar touristischen Erinnerungsorten geworden. Diese Erinnerungsorte seien Symbol oft widerstreitender kollektiver Erinnerungen und Konkurrenzen unterschiedlicher „Holocaust-stories“ geworden.
NATALIA TIMOFEEVA (Woronesch) konzentrierte sich auf die Spezifik des russischen Umgangs mit den sogenannten „Ostarbeitern“, welche in der Heimat oftmals als „Verräter“ verfolgt oder teils in die Gulags der Sowjetunion gesperrt wurden. So deute der Ausdruck, „Figuren des Verschweigens“ auf die wissenschaftliche Nicht-Beachtung dieser Leidensgeschichten hin. Erst die Gorbatschow-Reformen in den 1980er-Jahren sorgten für ein wachsendes Interesse in der russischen Forschung. Timofeeva plädierte für eine effektive Zusammenarbeit, als dessen Beispiel sie die russischsprachige Version des Onlinearchivs „Zwangsarbeit 1939–1945“ nannte.
REGINA PLAßWILM (Düsseldorf) setzte sich mit der Tabuisierung und Verdrängung der weiblichen Erinnerung aus der offiziellen Erinnerungspolitik an Zwangsarbeit am Beispiel Frankreichs und der Niederlanden auseinander. Plaßwilm fasste zusammen, dass vor allem die weibliche Zwangsprostitution nach dem Krieg oftmals nicht als (Zwangs-)Arbeit eingestuft worden war und forderte eine Integration von Geschlechterdiskursen in die öffentliche Diskussion.
In seinem Vortrag des Panels „Europäische Dimensionen“, referierte PAWEL MACHCEWICZ (Danzig) über die Darstellung der NS-Zwangsarbeit in der Dauerausstellung des neuen Museums des Zweiten Weltkrieges (geplante Eröffnung Ende 2016) in Danzig. Der Teil in der Ausstellung zur NS-Zwangsarbeit habe den Anspruch von Multinationalität, was sich auch in der virtuellen Gestaltung mit sogenannten „Adrema-Platten“ widerspiegele, die für die Registrierung der ZwangsarbeiterInnen genutzt worden seien.
CONSTANTIN GOSCHLER (Bochum) referierte über die Entschädigungszahlungen an ehemalige ZwangsarbeiterInnen. Die Erinnerungskultur sei durch einen „Memory Boom“ in den 1970er-Jahren gewachsen, der die „Erinnerung“ an historische Ereignisse zu einem „kulturwissenschaftlichen Paradigma“ mache. Zuvor sei die Erinnerung an die NS-Zwangsarbeit vorrangig an die Erinnerung mit dem Krieg gekoppelt gewesen, weswegen man die ehemaligen ZwangsarbeiterInnen höchstens in die Debatte der vorenthaltenen Löhne eingeschlossen habe. Erst in den 1980er-Jahren seien die ehemaligen NS-ZwangsarbeiterInnen als „vergessene Opfer“ und als Beispiel für den nationalsozialistischen Rassismus in den Fokus der Erinnerungskultur gerückt. Eine Wandlung stelle die nach Goschler immer stärker zu verzeichnende Renationalisierung der Erinnerung an die NS-Zwangsarbeit in vielen von NS-Zwangsarbeit betroffenen Ländern dar.
UTA FRÖHLICH (Berlin) leitete das Panel „Erinnerungsorte“ ein. Vor allem in der ehemaligen Sowjetunion gäbe es keine relevanten Gedenkorte, die sich der Erinnerung der ehemaligen NS-ZwangsarbeiterInnen als eigenständige Opfergruppe widmen würden. Auch in Tschechien widme sich die Gedenkstätte Theresienstadt und Lidice nicht dem Gedenken an NS-ZwangsarbeiterInnen im Speziellen. In Frankreich und Belgien bliebe das Thema heikel, da oft ein Vorwurf der freiwilligen Arbeit laut werde. Zentrale Erinnerungsorte in Norwegen sind das Falstad-Zentrum sowie das Blodveimuseet.
VESNA TERSELIC (Zagreb) befasste sich mit der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg in den Staaten des ehemaligen Jugoslawiens am Beispiel der KZ-Gedenkstätte Jasenovac. Grund für eine Erinnerungskultur, die von starkem Revisionismus geprägt sei, sei die fehlende Aufarbeitung der eigenen Rolle des Staates. Das öffentliche Erinnern an die NS-Zeit sei auf jährliches Erinnern an bestimmte Ereignisse reduziert und werde durch öffentlichen Druck auf Institutionen eingeschränkt. Die „NS-Stories“, so Terselic, stünden immer noch im Schatten der unaufgearbeiteten Kriege der 1990er-Jahre.
TETIANA PASTUSHENKO (Kiew) stellte Ausstellung „Rodynna pamjat“ (etwa „Erinnerungserbe“ oder„Familiengeschichten“) im nordukrainischen Schostka vor. Die Besonderheit sei die aktive Einbeziehung unterschiedlicher Erfahrungen deutsch-ukrainischer Jugendbegegnungen. Es werde von einer „Heldenrhetorik“ abgerückt, um thematisch über den Zweiten Weltkrieg hinaus ein öffentliches Bewusstsein für die Anerkennung ehemaliger ZwangsarbeiterInnen zu schaffen und das Überleben während des totalitären Regimes und die Wiedereingliederung der Heimkehrer in die sowjetische Gesellschaft zu zeigen.
Anhand der Dauerausstellung des „Arbeitshauses Rummelsburg“ zeigte THOMAS IRMER (Berlin) eine besondere Art des Erinnerns im öffentlichen Raum auf. Viele Stelen, die individuelle Biographien zeigen, erinnern seit 2015 an die NS-Zwangsarbeit von so genannten „asozialen“ Insassen des Arbeitshauses Rummelsburg in Berlin, welches bereits 1879 als Gefängnis für „Corrigenden“ errichtet worden sei. Eine Smartphone-App soll dazu beitragen, die Erinnerung an die NS-Verfolgung von Randgruppen wie den so genannten „Asozialen“ stärker in den Fokus öffentlicher Erinnerung zu rücken.
CORD PAGENSTECHER (Berlin), SARKA JARSKA (Prag) und DOROTHEE WEIN (Berlin) widmeten sich im Workshop „Digitales Interview-Archiv“ am Beispiel des 2009 entstandenen Interview-Archivs „Zwangsarbeit 1939-1945. Erinnerungen und Geschichte“, der Frage, ob ein Interview-Archiv als transnationaler Erinnerungsort dienen könne. Hierzu stellten Jarska und Wein die Online-Plattform „Zwangsarbeit 1939-1945. Lernen mit Interviews“ vor, die der Aufarbeitung der NS-Zwangsarbeit in deutschen sowie tschechischen Schulen dienen soll.
Zu dem Workshop „Fotografie und Film“ referierten DAVID ROJKOWSKI (Hamburg) und MATTHIAS NEUMANN (Berlin). Rojkowski beschäftigte sich in seinem Vortrag mit der Frage, wie man quellenkritisch mit der großen Fülle an überliefertem Bildmaterial umgehen könne, stelle jedes Foto doch nur eine Momentaufnahme eines Ereignisses dar, welches nicht die Komplexität von NS-Zwangsarbeit widerspiegeln könne. Matthias Neumann stellte das Filmprojekt „Im Märkischen Sand“ vor, welches sich der Erinnerung an die Erschießung 127 italienischer Zwangsarbeiter am 23. April 1945 in einer Sandgrube in der Nähe von Treuenbrietzen widme. Die transnational interaktive Webdokumentation beinhalte verschiedene Interviews von ZeitzeugenInnen sowie Familienangehörigen aus Deutschland und Italien.
Im Workshop „Virtuelle und digitale Projekte“ richtete MARK ZAUROV (Hamburg) die Aufmerksamkeit auf taube Holocaustopfer, die in der bisherigen Forschung unter dem Bereich T4-Opfer stigmatisiert worden seien. Er erklärte, dass taube Opfer oftmals als „arbeitsunfähig“ direkt selektiert und ermordet worden seien, wohingegen überlebende taube ZwangsarbeiterInnen ihre Gehörlosigkeit oftmals versteckten und somit einer Ermordung zu entgehen versuchten. In diesem Zusammenhang nannte Zaurov auch den Begriff des „Deaf-Holokaust“. Ein DVD-Projekt soll diese Forschungslücke schließen.
Die internationale Mailing-Liste NS-Zwangsarbeit wurde von BERNHARD BREMBERGER (Berlin) vorgestellt, die im Jahre 2000 auf private Initiative entstand und die Vernetzung verschiedener Institutionen rund um das Thema NS-Zwangsarbeit zum Ziel hatte. Dadurch können sich seit nunmehr 15 Jahren etwa 300 Mitglieder vorwiegend aus Deutschland rund um das Thema NS-Zwangsarbeit austauschen.
BELA RASKY (Wien) berichtete in seinem Vortrag von dem bereits teils bestehenden „Virtuellen Stadtführer“ zum Thema jüdischer Zwangsarbeiter in Wien, welcher auf einer Homepage über Standorte eines fast vergessenen Teils der Wiener NS-Geschichte aufkläre. Ende des Jahres 1944 seien etwa 18.000 ungarische Juden zur Zwangsarbeit nach Wien und Umgebung verschleppt worden, durch die städtische Betriebe profitiert hätten.
Einer der Kuratoren der Ausstellung „Zwangsarbeit – Die Deutschen, Die Zwangsarbeiter und der Krieg“, JENS-CHRISTIAN WAGNER (Celle), stellte die Konzeption der internationalen Wanderausstellung vor. Diese verfolge einen integralen, nicht enzyklopädischen Ansatz, sodass die Materialsammlung an Fotographien viele „Bildergeschichten, sogar ganze Bilderserien“ mit insgesamt 64 Fallgeschichten ermöglicht habe.
Die von GÜLAY GÜN (Hamburg) moderierte „Fishbowl-Diskussion“ hatte die Frage zum Thema, wie die Erinnerungskultur an die NS-Zwangsarbeit vor allem in der Migrationsgesellschaft gestaltet werden könne. Ein interessanter neuer Aspekt war die NS-Zwangsarbeit auch als „Einwanderungsgeschichte“ mit den damit verbundenen Problemen und Möglichkeiten zu bewerten.
TATSIANA VAITULEVICH (Göttingen) gab einen Einblick in ihre Forschung über die öffentliche und individuelle Erinnerung in den Niederlanden und Weißrussland nach der Rückkehr der ehemaligen ZwangsarbeiterInnen. Die öffentliche Erinnerung nach dem Krieg sowohl in den Niederlanden als auch in Weißrussland habe kaum oder gar nicht stattgefunden, da die Gesellschaften beider Länder so schnell wie möglich zu einer „Normalität“ zurückkehren sollten.
FERNANDO MENDIOLO (Navarra) verglich die Erinnerungspolitik des NS- und Franco-Zwangsarbeitersystem. Lange Zeit wurde die Zugänglichkeit spanischer Archive für Forscher erschwert. Dort sei erst durch den „Memory Boom" im Jahre 2007 das „Historical Memory“- Gesetz verabschiedet worden, welches unter anderem alle Opfergruppen des Francoregimes anerkenne und in die offizielle Erinnerung einschließe.
ANSGAR SCHÄFER (Nova de Lisboa) widmete sich den portugiesischen NS-ZwangsarbeiterInnen. Er stellte heraus, dass zwar die Lebensgeschichten der portugiesischen Juden im Holocaust erforscht seien, jedoch nicht die der portugiesischen ZwangsarbeiterInnen und derjenigen, die freiwillig nach Deutschland kamen. Antonio de Oliviera de Salazar habe zur gleichen Zeit wie Hitler eine Diktatur in Portugal aufgebaut. Die damit verbundene Verfolgung aller politischen Gegner Portugals im eigenen Land hätte zu einer weit reichenden Migration vieler Portugiesen nach Frankreich geführt. Folglich habe sich durch die Niederlage Frankreichs die Lebenssituation vieler Portugiesen in Frankreich drastisch verändert. Viele meldeten sich sodann entweder zum freiwilligen Arbeitseinsatz in Deutschland oder wurden zunehmend ab 1942 zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt.
ANGELIKA LAUMER (Berlin) erklärte im Panel „Ländlicher Raum“ wie Nachkommen ehemaliger NS-ZwangsarbeiterInnen an ihre Vergangenheit erinnern. Hierfür stützte sie sich auf Interviews mit Nachkommen ehemaliger NS-ZwangsarbeiterInnen, die teilweise noch heute in denjenigen Dörfern in Deutschland leben, in denen ihre Verwandten, Zwangsarbeit leisten mussten. Es falle eine starke Erinnerung im individuellen Rahmen, also „mündlich, habituell und interaktiv“ auf. Ein weiterer Befund sei der tradierte Wert des „Fleißes“ ihrer Verwandten, auf den sich die Interviewten stark bezögen und damit die gute Integration der Vorfahren in die bayerische Gesellschaft herauszustellen versuchten.
KATARZYNA WONIAK (Berlin) legte den Fokus ihres Vortrags auf die Region Masuren, welche als Teil der ehemaligen deutschen Provinz Ostpreußen ein Grenzgebiet mit deutscher sowie polnischer Bevölkerung war. Viele Polen aus den besetzten Gebieten seien zur Herbsternte nach Ostpreußen gebracht worden, von denen viele den gesamten Krieg über Zwangsarbeit leisten mussten. Neben der Darstellung der individuellen Erfahrungen der ehemaligen NS-ZwangsarbeiterInnen, war es Woniak wichtig, die Dimension der landwirtschaftlichen Zwangsarbeit aufzuzeigen, da diese ihrer Meinung nach von der starken Erinnerung der zivilen Zwangsarbeit sowie der KZ-Zwangsarbeit verdrängt werde.
Das Panel „Ausstellungen“ eröffnete KETIL GJOLME ANDERSEN (Trondheim) mit einem Vortag über die „Organisation Todt“ und die Zwangsarbeit in Norwegen 1940–45. Die Öffnung des Archivmaterials im Jahre 2011 zeigte, dass die Organisation Todt Hauptorganisator der Zwangsarbeit in Norwegen während der Besatzung war. Von diesem Zeitpunkt begann auch die wissenschaftliche Aufarbeitung, dessen Ergebnisse bald im Norwegischen Museum für Wissenschaft, Technologie und Industrie in Oslo ausgestellt werden.
EBERHARD RADCZUWEIT (Berlin) berichtete von der Ausstellung „´Russenlager´ und Zwangsarbeit“ über sowjetische Kriegsgefangene. Wegen des lange Zeit vorherrschenden Feindbildes des Kalten Krieges im Westen und des Vorwurfs des Verrats im Osten habe sich die Aufarbeitung der Lebens- und Leidensgeschichten dieser Opfer schwierig gestaltet. Entstanden ist eine Porträtausstellung einzelner Betroffener mit Zitaten aus Interviews, wodurch eine sensible Annäherung an Einzelschicksale ermöglicht werde.
ALFONS ADAM (Prag) stellte die Ausstellung „Vergessene Orte der NS-Zwangsarbeit in der Tschechischen Republik“ vor. Die deutsch-tschechische Ausstellung zeige anhand von 18 Orten in der Tschechischen Republik exemplarisch das Ausmaß der NS-Zwangsarbeit. Auch der europäischen Dimension der NS-Zwangsarbeit wird Platz eingeräumt, indem nicht nur tschechische, sondern auch ausländische Opfer, die zur NS-Zwangsarbeit auf das Gebiet der heutigen Tschechischen Republik verschleppt worden waren, gezeigt werden.
Ein Fazit zog MICHAEL WILDT (Berlin) zusammen mit den Tagungsteilnehmenden. Die Konferenz legte Wert auf Multiperspektivität, indem in vielen Vorträgen Augenmerk auf „Opfergeschichten“, aber auch auf „Tätergeschichten“ gelegt wurde. Dabei war die Erinnerung an die NS-Zwangsarbeit von vielen Verflechtungen geprägt, was sich an der transnationalen Dimension der NS-Zwangsarbeit verdeutliche. Der Frage nach einer bevorstehenden Nationalisierung der Erinnerung wurde in vielen Beiträgen nachgegangen.
Viele Referenten forderten eine stärkere Individualisierung verschiedener Opfergruppen, um den individuellen Lebensgeschichten gerechter zu werden. Michael Wildt stellte schließlich fest, dass die Erinnerungskultur noch immer stark von den gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Entwicklungen, wie der immer wichtiger werdenden Genderforschung geprägt sei. Wünschenswert sei auch die Abkehr von der Hierarchisierung unterschiedlicher Opfergruppe und der Fokuslegung auf die Todesmärsche sowie Kriegsendverbrechen an den ehemaligen NS-ZwangsarbeiterInnen. Der Diskurs um die NS-Zwangsarbeit sei immer noch von begrifflichen Unschärfen geprägt, die es zu präzisieren gelte.
Konferenzübersicht:
Exkursion: KZ-Gedenkstätte Neuengamme und Hafenrundfahrt
Keynote Lecture
Étienne François (Berlin/Paris): Geteilte und gemeinsame Erinnerung an die NS-Zwangsarbeit in Europa.
Panel 1: West- und Osteuropa/Western and Eastern Europe
Chair: Oliver von Wrochem, KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Hamburg
Rob van der Laarse (Amsterdam School for Heritage and Memory Studies, Amsterdam/Niederlande): Widerstreitende Geschichten und konkurrierende Erinnerungen in Europa nach 1945
Natalia Timofeeva (Regionalzentrum für Oral History in Woronesch/Russland): NS-Zwangsarbeit (1941-1945) in der heutigen Erinnerungskultur Russlands
Regina Plaßwilm (Heinrich-Heine Universität Düsseldorf): Verdrängte, tabuisierte und marginalisierte Narrative: Weibliche Zwangsarbeit in den Niederlanden und Frankreich
Panel 2: Europäische Dimensionen/European Dimensions
Chair: Martin Bock, Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft, Berlin
Paweł Machcewicz (Museum des Zweiten Weltkrieges, Danzig/Polen): Zwangsarbeit und andere Formen des NS-Terrors und der Ausbeutung in der Dauerausstellung des Museums des Zweiten Weltkrieges in Danzig
Constantin Goschler (Ruhr-Universität Bochum): Entschädigung und Erinnerung
Panel 3: Erinnerungsorte
Chair: Detlef Garbe, KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Hamburg
Erinnerungsorte an die NS-Zwangsarbeit in Europa. Uta Fröhlich, Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit, Berlin
Tetiana Pastushenko (Institut für Geschichte der Ukraine der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine, Kiew): Erinnerungsorte in der Ukraine am Beispiel der Gedenk- und Bildungsstätte Shostka
Vesna Teršeli (DOKUMENTA, Dealing with the past, Zagreb/Kroatien): Das Konzentrationslager Jasenovac in der Erinnerung der Länder des ehemaligen Jugoslawiens
Thomas Irmer (Berlin): NS-Zwangsarbeit von sozialen Randgruppen. Das Beispiel des Arbeitshauses Rummelsburg – Geschichte und Erinnerung
Parallele Workshops
Online! Digitales Interview-Archiv
Chair: Linde Apel, Forschungsstelle für Zeitgeschichte, Hamburg
Cord Pagenstecher (Freie Universität, Berlin): Ein Interview-Archiv als transnationaler Erinnerungsort? Verbreitung, Vernetzung, Verortung der Erinnerungen ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter
Šárka Jarská (Prag); Dorothee Wein (Berlin): Die Online-Lernumgebung „Zwangsarbeit 1939-1945. Lernen mit Interviews“ in der Bildungspraxis in Deutschland und der Tschechischen Republik
Fotografie und Film
Chair: Katharina Hertz-Eichenrode, Hamburg
David Rojkowski (Hamburg): Trügerische Idylle. Zur Arbeit mit Fotos ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter
Matthias Neumann (Autofocus Videowerkstatt e.V., Berlin): Filmischer Beitrag über italienische Militärinternierte in Treuenbrietzen/Land Brandenburg
Virtuelle und digitale Projekte
Chair: Thomas Irmer, Berlin
Mark Zaurov (Hamburg): Lehrmaterial zu gehörlosen Zwangsarbeitern
Bernhard Bremberger (Berlin): Die internationale Mailing-Liste NS-Zwangsarbeit
Bela Rasky (Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien, Wien): Virtueller Stadtführer zum Thema jüdischer Zwangsarbeiter in Wien
Werkstattgespräch
Jens-Christian Wagner (Celle): Zwangsarbeit. Die Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg
Fishbowl „Erinnern an Zwangsarbeit in der Migrationsgesellschaft“
Panel 4: Vergleiche
Chair: Knud Andresen, Forschungsstelle für Zeitgeschichte, Hamburg
Tatsiana Vaitulevich, Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit (Berlin/Georg-August-Universität, Göttingen): Die Rückkehr der Zwangsarbeiter in die Nachkriegs-Niederlande und nach Weißrussland. Öffentliche und individuelle Erinnerungen
Fernando Mendiola (Universidad Pública de Navarra/Spanien): Verschiedene Wege: Erinnerungspolitiken an das NS- und Franco- Zwangsarbeitssystem in vergleichender Perspektive
Ansgar Schäfer (Instituto de Historia Contemporanea da Faculdade de Ciencias Humannas da Universidade Nova de Lisboa/Portugal): Portugiesische Zwangsarbeiter
Panel 5: Ländlicher Raum
Chair: Simone Erpel, Humboldt-Universität Berlin
Angelika Laumer (Berlin): „Er hat alles gekonnt, wenn sein hat müssen, er war ein fleißiger Mann.“ Wie Nachkommen von NS-Zwangsarbeiter_innen in Deutschland Zwangsarbeit und deren Nachwirkungen erinnern
Katarzyna Woniak (Zentrum für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften, Berlin): Lokale Erinnerung an Zwangsarbeit in Masuren
Panel 6: Ausstellungen
Chair: Stefan Hördler, Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Weimar
Ketil Gjølme Andersen (Universität Trondheim/Norwegen): Die Organisation Todt und die Zwangsarbeit in Norwegen 1940-45. Das „making of“ einer Ausstellung im Norwegischen Museum für Wissenschaft, Technologie und Industrie in Oslo
Eberhard Radczuweit (Kontakte-Kontakty, e.V., Berlin): Zur Ausstellung „‚Russenlager‘ und Zwangsarbeit“
Alfons Adam (Institut Terezínské iniciativy, Prague): Erinnerung an „fremde“ Opfer. Die Ausstellung: „Vergessene Orte der NS-Zwangsarbeit in der Tschechischen Republik“
Ausblicke
Michael Wildt, Humboldt-Universität, Berlin
zusammen mit Tagungsteilnehmenden