Von Hinterzimmern und geheimen Machenschaften. Verschwörungstheorien in historischer Perspektive

Von Hinterzimmern und geheimen Machenschaften. Verschwörungstheorien in historischer Perspektive

Organisatoren
Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart; Michael Butter / Johannes Großmann / Bernd-Stefan Grewe, Eberhard Karls Universität Tübingen; Ute Caumanns, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Ort
Weingarten
Land
Deutschland
Vom - Bis
14.06.2018 - 16.06.2018
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Von
Miriam Adler / Laura Boga / Marco Gali-Puigros / Carolin Niehues, Eberhard Karls Universität Tübingen

Verschwörungstheorien haben derzeit Hochkonjunktur. Dies sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass unbegreifliche und unerklärliche Ereignisse und Entwicklungen auch schon früher auf die geheimen Machenschaften konspirativer Gruppen zurückgeführt wurden. Die Tagung fragte anhand konkreter Fallstudien danach, in welchen Kontexten Verschwörungstheorien entstanden und verbreitet wurden, wo und zu welchen Zeiten sie besonders weit verbreitet waren und wie die politische Bildungsarbeit mit Verschwörungstheorien umgehen kann.

Nach einer Begrüßung der Teilnehmer/Innen durch Johannes Kuber von der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart umriss JOHANNES GROßMANN (Tübingen) in seiner Einführung mehrere Forschungsperspektiven:
(1) das Verhältnis von Verschwörungstheorien und Aufklärung, (2) die Alltagsrelevanz von Elementen des Verschwörungsdenkens jenseits ausgearbeiteter Verschwörungstheorien, (3) die Symbiose von Medien und Verschwörungsdenken, (4) die Visualisierung von Verschwörungsnarrativen, (5) die Kommerzialisierung von Verschwörungstheorien, (6) die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Populismus und Verschwörungsdenken sowie (7) die Tendenz von Verschwörungstheorien zur Thematisierung ,globaler‘ Zusammenhänge.

Den ersten Vortrag der Tagung hielt RALF KLAUSNITZER (Berlin) über die Formierung des modernen Verschwörungsdenkens in der Aufklärung. Als kollektiver Denkstil biete der Konspirationismus kausale Erklärungen für kontingente Entwicklungen. Verschwörungsdenken sei also Ausdruck einer Kultur des Misstrauens, die auf tiefgreifende Krisenerfahrungen zurückgehe. Seine Träger seien umfassend gebildet und gut vernetzt gewesen. Gleichzeitig partizipierten sie jedoch an oft geheimen und exkludierenden Formen der Wissensorganisation. Als Produkt einer neuzeitlichen, aufklärerischen Wissenskultur bleibe das moderne Verschwörungsdenken insofern eng mit vormodernen und traditionellen Auffassungen verbunden.

CLAUS OBERHAUSER (Innsbruck/Tirol) analysierte die Merkmale von Verschwörungstheorien in der Spätaufklärung. Für Akteure wie Johann August von Starck, Augustin Barruel und John Robinson sei die Französische Revolution das Ergebnis einer lang geplanten Verschwörung von Freimaurern und Illuminaten gewesen. Viele Elemente ihrer Konspirationsthese seien später in anderen Verschwörungstheorien aufgegriffen worden: Demnach war nichts, wie es schien. Es gabkeine Zufälle. Alle Ereignisse und Entwicklungen seien miteinander verbunden und entsprächen einem geheimen Plan, der von einer größeren Gruppe von Verschwörern vorbereitet und umgesetzt werde. Vor dem Hintergrund eines manichäischen Weltbildes hätten die Verschwörungstheoretiker der Spätaufklärung monokausale Erklärungen geboten, die jedoch gerade nicht banal und unterkomplex, sondern besonders elaboriert und detailversessen gewesen seien.

ROBERT BERNSEE (Göttingen) verwies auf den engen Zusammenhang von Verschwörungsdenken und Korruptionsvorwürfen seit dem 18. Jahrhundert. Beide seien kommunikativ vermittelt, suggerierten eine Schädigung des Gemeinwohls und dienten als Instrumente der Delegitimation. Über den Korruptionsvorwurf hinaus zeichne sich der Verschwörungsvorwurf jedoch durch eine bestimmte Geschichtsphilosophie und eine Tendenz zur Essentialisierung aus. Jede Verschwörungstheorie beinhalte demnach Korruptionsvorwürfe, aber nicht jeder Korruptionsvorwurf eine Verschwörungstheorie. Sowohl in der Diskussion über die Ursachen der Französischen Revolution als auch in den Reformdebatten in Preußen und Bayern mündeten Korruptionsvorwürfe letztlich in Verschwörungstheorien.

Die Diskussion des Panels konzentrierte sich auf die Frage, ob Verschwörungstheorien in der Zeit der Aufklärung vornehmlich Elitendiskurse gewesen seien. Zwar wurde diese Frage bejaht, doch wurde darauf hingewiesen, dass Verschwörungstheorien schon zu dieser Zeit eine größere Breitenwirkung entfalten konnten.

Das zweite Panel widmete sich der Frage, ob sich bestimmte Elemente und Ausprägungen von Verschwörungsdenken bereits für die Vormoderne ausmachen lassen. JANNIK LENGELING (Bonn) sprach über Verschwörungstheorien in der griechisch-römischen Antike. Weder für das antike Athen noch für die Römische Republik ließen sich elaborierte Verschwörungstheorien nachweisen. Im römischen Kaiserreich finde sich dagegen mit der Offenbarung des Johannes eine voll ausgebildete Verschwörungstheorie. Dieser Umstand sei auf den Wegfall des öffentlichen Kontrollinstruments der Wahlen und auf den Machtverlust der Senatoren im Kaiserreich zurückzuführen.

Einen räumlichen wie auch zeitlichen Sprung machte anschließend ANDRÉ KRISCHER (Münster) mit seinem Vortrag über Verschwörungen vor Gericht im England der Frühen Neuzeit. An den Hochverratsprozessen im Zuge der angeblichen Papisten-Verschwörung zeige sich, wie eine Verschwörungstheorie durch rechtliche Praxis weiterverbreitet wurde. Die Anklage lautete jeweils auf „conspiracy“, sodass die stigmatisierende Verurteilung eines angeblichen Hochverräters gleichzeitig als Beweis für die Gültigkeit der Verschwörungstheorie diente. Diese rechtlich verbriefte ,Realität‘ der Verschwörung sei über visuelle Darstellungen weiterverbreitet und popularisiert worden.

WERNER TSCHACHER (Köln) befasste sich mit dem Hexerei-Stereotyp und dem Problem der Epochengrenzen. Er hinterfragte die gängige Forschungsmeinung, nach der Verschwörungsdenken als ein Phänomen der Aufklärung zu verstehen ist. Zeitgenössische Quellen belegten, dass das Hexerei-Stereotyp alle Merkmale einer modernen Verschwörungstheorie aufweist. Entscheidend sei dabei, dass die Zeitgenossen Hexenkraft nicht als eine übersinnliche Macht, sondern als eine reale und alltägliche Bedrohung ansahen. Da metaphysische Verschwörungstheorien bis in die Neuzeit hinein Bestand hatten und Hexenprozesse auch noch für das 19. und 20. Jahrhundert nachgewiesen werden können, könne die Aufklärung auch nicht als Endpunkt des Hexereistereotyps angesehen werden.

Im dritten Panel befasste sich ALEXANDER HILPERT (Saarbrücken) mit antijesuitischen Verschwörungserzählungen nach der Eroberung Roms durch italienische Truppen. So habe sich anlässlich der Papstfeier 1871 das Gerücht verbreitet, Jesuiten planten gewalttätige Anschläge. Maßgeblicher Initiator dieser Anschuldigungen war der Journalist Karl Schäffer, der für die Zeitung ,La Capitale‘ schrieb und als vormaliger Vertrauter der Jesuiten mit seinem Insiderwissen kokettiert habe. Schäffers Erzählung sei deshalb so erfolgreich gewesen, weil sie bestehende antijesuitische Ressentiments mit Fremdenfeindlichkeit und Umsturzängsten verband und die Jesuiten als vermeintliches Haupthindernis für eine Einigung zwischen dem Papst und dem neuen italienischen Nationalstaat identifiziert habe.

DANIEL ARTHO (Bern) setzte sich mit der Deutung und den Folgen des schweizerischen Landesstreiks vom November 1918 auseinander. Während es den Gewerkschaften um die Durchsetzung sozialpolitischer Forderungen gegangen sei, habe die Regierung den Streik als staatsgefährdende Aktion interpretiert und ihn durch massiven Truppeneinsatz beendet. Im Nachhinein setzte sich das Narrativ durch, der Landesstreik sei von der Sowjetunion geplant und finanziert worden. Diese Deutung, die bürgerliche Ängste vor einer kommunistischen Weltrevolution bedient habe, sollte bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein hegemonial bleiben und wurde folglich zu einem elementaren Bestandteil antikommunistischer Propaganda in der Schweiz.

Im vierten Panel setzte sich ALBRECHT RAIBLE (Tübingen) am Beispiel der Young Americans for Freedom (YAF) mit dem antikommunistischen Denken der US-amerikanischen New Right auseinander. An diesem Beispiel werde deutlich, dass Verschwörungstheorien in den USA seit den 1960er Jahren als „illegitimes Wissen“ diskreditiert waren. So kritisierten die YAF die New Left für deren angebliche Verschwörungsrhetorik. Allerdings hätten sie zur Diffamierung ihrer Gegner selbst auf konspirationistische Argumentationsmuster zurückgegriffen. Anders als Joseph McCarthy und seine Anhänger hätten sie jedoch ein differenzierteres Bild gezeichnet, das die Heterogenität der New Left anerkannt und lediglich suggestive Verbindungslinien zum Kommunismus gezogen habe. Unter der Präsidentschaft Ronald Reagans hätten die YAF in den 1980er Jahren an Bedeutung verloren.

ROBERT WOLFF (Frankfurt am Main) befasste sich mit Verschwörungstheorien zu den Haftbedingungen der „bundesdeutschen Stadtguerilla“. In einem ersten Schritt rekonstruierte er verschwörungstheoretische Elemente im Weltbild des radikalen linken Milieus der 1970er Jahre. Anschließend glich er die Haftbedingungen der Linksterroristen mit den damals gültigen rechtsstaatlichen Prinzipien ab. Schließlich fragte er danach, ob die Proteste gegen die Haftbedingungen verschwörungstheoretisch grundiert waren. Tatsächlich habe der Staat den rechtlichen Rahmen für die Haftbedingungen bis an seine Grenzen ausgeschöpft. Insbesondere die RAF habe diesen Umstand für ihre Selbststilisierung zum Opfer genutzt, die jedoch nur vor dem Hintergrund eines – in linken Kreisen durchaus verbreiteten – konspirationistischen Weltbildes Glaubwürdigkeit habe entfalten können.

In der Diskussion beider Vorträge wurde insbesondere auf die intergenerationelle Weitervermittlung von Verschwörungstheorien und die wechselseitige Verschränkung konspirationistischer Argumentationsmuster aus unterschiedlichen politischen Lagern verwiesen.

Auf der Basis von Grundlagentexten diskutierten anschließend alle Teilnehmer/innen der Tagung in drei parallelen Workshops über Querschnittsthemen, die in der bisherigen Forschung nur wenig Beachtung gefunden haben. Ein von Michael Butter geleiteter Workshop ergründete das Verhältnis von Verschwörungsdenken und Populismus, das spätestens seit der Wahl Donald Trumps zum US-amerikanischen Präsidenten eine hohe mediale Aufmerksamkeit erfahren hat. Ute Caumanns moderierte einen Workshop zu den visuellen Repräsentationen von Verschwörungstheorien, die anhand verschiedener Titelblätter der „Protokolle der Weisen von Zion“ analysiert werden konnten. Ein Workshop unter der Leitung von Johannes Großmann befasste sich unter dem Titel „Conspiracy sells“ mit der Produktion, der kommerziellen Vermarktung und dem Konsum von Verschwörungstheorien. Die drei Workshops waren von Studierenden der Universität Tübingen vorbereitet worden, die sich auch aktiv an den Diskussionen beteiligten.

In einer textimmanenten Analyse der sogenannten „Protokolle der Weisen von Zion“ widmete sich MICHAEL HAGEMEISTER (Bochum) im fünften Panel der wohl einflussreichsten Schrift des modernen Antisemitismus. Die „Protokolle“ geben die fiktive Rede eines jüdischen Führers wieder, der den angeblichen Plan einer jüdischen Weltverschwörung zur Unterwerfung der Menschheit darlegt. Der Text operiere mit deterministischen Annahmen, okkultistischen Bezügen und einem dualistischen Weltbild, das die apokalyptische Figur des Antichristen auf die Juden und mit ihnen assoziierte politische Bewegungen und Ideologien projiziere. Bis heute fänden die „Protokolle“ unter anderem in fundamentalistischen christlich-orthodoxen Kreisen Russlands regen Anklang.

VANESSA WALKER (Osnabrück) behandelte Entstehung und Bedeutung antisemitischen Verschwörungsdenkens in islamistischen Bewegungen. Wenngleich sich im Koran und in der islamischen Tradition durchaus antijüdische Elemente fänden, sei der heutige islamistische Antisemitismus europäischen Ursprungs. Er habe sich seit Anfang des 20. Jahrhunderts in der islamischen Welt verbreitet und durch die Gründung des Staates Israel an Bedeutung gewonnen. Gleichzeitig seien auch die „Protokolle der Weisen von Zion“ im arabischen Raum popularisiert worden. Versatzstücke aus den „Protokollen“ fänden sich u.a. in der Gründungscharta der Hamas. Auch im Iran beriefen sich offizielle Stellen immer wieder auf sie. So diene der Antisemitismus auch als Bindeglied zwischen verschiedenen islamistischen Strömungen.

CHRISTOPH HERZOG (Bamberg) beschäftigte sich mit dem gesellschaftlichen Stellenwert von Verschwörungstheorien in der Türkei am Beispiel des sogenannten Lowther-Fitzgerald-Reports. Der 1910 vom britischen Botschafter Gerard Lowther verfasste Bericht bringt die jungtürkische Bewegung mit einem angeblichen jüdischen Komplott in Verbindung. 1923 wurde der Bericht in einem antikemalistischen Pamphlet von Mevlanzade Rıfat aufgegriffen, wobei z.B. der Völkermord an den Armeniern mit Lowthers antisemitischer Verschwörungsthese vermengt wurde. Rıfats Werk ist in den letzten Jahren vermehrt auf Resonanz gestoßen, u.a. in einem Dokumentarfilm aus dem Jahr 2015 mit dem Titel Üst Akıl (übersetzt als „Mastermind“). Damit sei antisemitisches Verschwörungsdenken erneut Teil des herrschenden Diskurses in der Türkei geworden.

Der zweite Konferenztag wurde mit einer öffentlichen Podiumsdiskussion abgerundet. Neben Michael Butter und Ute Caumanns standen Stefan Christoph und Jan Rathje dem Publikum Rede und Antwort.

JAN RATHJE von der Amadu Antonio Stiftung (Berlin) griff im sechsten Panel erneut das Beispiel der „Protokolle der Weisen von Zion“ auf, um die Reproduktion antisemitischer Verschwörungsideologien im Internet zu analysieren. Er erläuterte zunächst den engen strukturellen und funktionalen Zusammenhang von modernen Verschwörungsideologien und Antisemitismus. Im zweiten Teil analysierte er die Verbreitung antisemitischen Verschwörungsdenkens im Internet anhand ausgewählter Facebook-Seiten. Zwar fänden sich auf den untersuchten Seiten oft nur indirekte antisemitische Anspielungen. Die Beiträge verwiesen allerdings jeweils auf andere Seiten und Plattformen mit expliziten antisemitischen Inhalten. Der Mythos einer jüdischen Weltverschwörung sei insofern auch heute noch eine epistemologische Zentralkategorie von Verschwörungsideologien.

JAKOB JULIAN BAIER (Gießen) fragte nach dem Stellenwert antisemitischer Verschwörungstheorien als „subkulturellem Code“ im deutschsprachigen Rap – insbesondere im sogenannten Gangsta-Rap. Bereits in den semantischen Strukturen und Erzählfiguren des Genres ließen sich demnach Anknüpfungspunkte für antisemitische Ideologiefragmente erkennen, die mit übersteigertem Konkurrenzdenken, Hypermaskulinität und einer Vorliebe für autoritäre Persönlichkeitsstrukturen einhergingen. Videobeispiele verdeutlichten, wie Kritik an den bestehenden Gesellschafts- und Herrschaftsverhältnissen im „Gangsta-Rap“ mit Verschwörungsdenken und antisemitischen Stereotypen verbunden wird. Die jugendlichen Anhänger dieser Subkultur würden in ihrer Sozialisation und Wertebildung dadurch nicht unerheblich beeinflusst.

JELKO PETERS (Siegen) referierte im siebten Panel über Verschwörungstheorien als Herausforderung für den Geschichtsunterricht und berichtete dabei aus seiner eigenen Lehrerfahrung. Da viele Schüler/Innen in ihrem privaten Umfeld und im medialen Alltag mit Verschwörungstheorien konfrontiert seien, sei eine Auseinandersetzung damit im Geschichtsunterricht unverzichtbar. Durch den kritischen Umgang mit Verschwörungstheorien, der problemlos in den schulischen Themenkanon integriert werden könne, ließen sich die Schüler/Innen gut für das Dechiffrieren und Entschlüsseln historischer Narrative sensibilisieren.

Im Namen der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg präsentierte VICTOR KAPPEL, (Stuttgart) den von ihm konzipierten E-Learning-Kurs „Sind denn alle verrückt? Verschwörungstheorien erkennen“. Der Kurs solle Heranwachsende im kritischen Umgang mit Verschwörungstheorien schulen. Neben der Vermittlung von Informationen ziele er auch auf die Stärkung ihrer Sozial- und Medienkompetenz. Die Lernspiele, Text- und Hörbeispiele des Kurses seien in eine Rahmenhandlung integriert und ermöglichten eine selbstbestimmte Annäherung an das Thema Verschwörungstheorien. Das Programm fördere nicht nur die Auseinandersetzung mit Verschwörungstheorien, sondern auch die Fähigkeit zur reflektierten Meinungsbildung und die Bereitschaft zur Toleranz gegenüber Widersprüchen.

Anschließend stellten TANJA LENUWEIT und MELANIE HERMANN von der Amadeu Antonio Stiftung (Berlin) ein Planspiel vor, mit dem sie Schüler/Innen auf die Gefahren von Verschwörungsideologien aufmerksam machen wollen. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei antisemitischen Verschwörungsnarrativen. Das im Klassenzimmer durchgeführte Planspiel ist eine Krisensimulation, bei der die Schüler/Innen im Rahmen eines Gipfeltreffens eine Erklärung für eine Katastrophe finden und Möglichkeiten zu ihrer Bewältigung diskutieren sollten. Die Schüler/Innen sollten unterschiedliche Akteure mit jeweils eigenen (Verschwörungs-)Theorien zu den Ursachen der Katastrophen vertreten. Über die gemeinsame Auswertung der Spielphase wurde schließlich eine Brücke zur Funktionsweise von Verschwörungstheorien und antisemitischen Argumentationsmustern geschlagen.

Abschließend hob Bernd-STEFAN Grewe noch einmal hervor, dass Verschwörungstheorien als Erzählungen über Geschichte einen wichtigen Ansatzpunkt für historisches Lernen darstellen. Johannes Kuber verwies auf das breite Spektrum an Tagungsbeiträgen aus Geschichtswissenschaft, Politikwissenschaft und Praxis, die zu fruchtbaren Diskussionen geführt, neue Perspektiven eröffnet und die große Bedeutung des Themas unterstrichen hätten.

Konferenzübersicht:

Johannes Kuber (Stuttgart): Begrüßung

Johannes Großmann (Tübingen): Einführung

Panel 1: Verschwörungsdenken und Aufklärung: Gegensatz oder Symbiose?
Moderation: Michael Butter, Tübingen

Ralf Klausnitzer (Berlin): Geheimer Gang menschlicher Machinationen. Zur Formierung des modernen Verschwörungsdenkens in der Aufklärung

Claus Oberhauser (Innsbruck/Tirol): Barruel – Robison – Starck. Merkmale von Verschwörungstheorien der Spätaufklärung

Robert Bernsee (Göttingen): Korruption als Leitmotiv. Zur Konstruktion der modernen ,Verschwörungstheorie‘ im 18. Jahrhundert

Panel 2: Teufel, Hexen und Menschen: Verschwörungsdenken in der Vormoderne?
Moderation: Ute Caumanns, Düsseldorf

Jannik Lengeling (Bonn): „… der große Drache, die alte Schlange, die Teufel oder Satan heißt und die ganze Welt verführt“ (Off. 12,9). Verschwörungstheorien in der griechisch-römischen Antike

André Krischer (Münster): Verschwörungen vor Gericht im England der Frühen Neuzeit

Werner Tschacher (Köln): Das Hexereistereotyp als Verschwörungstheorie und das Problem der Epochengrenzen

Panel 3: Jesuiten und Bolschewisten: Die bedrohte Nation im Verschwörungsdenken des 19. und 20. Jahrhunderts
Moderation: Ute Caumanns, Düsseldorf

Alexander Hilpert (Saarbrücken): Die Jesuiten als Gefahr für „Roma Capitale“? Produktion und Rezeption einer Verschwörungserzählung in Medien und Justiz im Jahr 1871

Daniel Artho (Bern): Der schweizerische Landesstreik von 1918 als Revolutionsversuch? Ein Beitrag zur Geschichte eines verhängnisvollen Narrativs

Panel 4: Verschwörungsdenken im Kalten Krieg
Moderation: Johannes Großmann, Tübingen

Albrecht Raible (Tübingen): Anti-Kommunismus in der Neuen Rechten der 60er und 70er Jahre in den USA

Robert Wolff (Frankfurt am Main): Folter und Mord an den Helden des Volkes in geheimen Konzentrationslagern? Verschwörungstheorien zu den Haftbedingungen der bundesdeutschen Stadtguerilla

Workshops mit Grundlagentexten

Populismus und Verschwörungsdenken

Moderation: Michael Butter, Tübingen

Visuelle Repräsentationen von Verschwörungstheorien

Moderation: Ute Caumanns, Düsseldorf

„Conspiracy Sells“. Kommerzialisierung von Verschwörungstheorien (Moderation: Johannes Großmann, Tübingen)

Panel 5: Religiosität und Säkularität
Moderation: Michael Butter, Tübingen

Michael Hagemeister (Bochum): Die „Weisen von Zion“ als Agenten des Antichrist

Vanessa Walker (Osnabrück): Konstruktionen zwischen islamischer Tradition und europäischer Moderne. Über Bedeutung und Genese antisemitischer Verschwörungsideologie in islamistischen Bewegungen

Christoph Herzog (Bamberg): Zur Frage des gesellschaftlichen Stellenwerts von Verschwörungstheorien in der Türkei

Öffentliche Podiumsdiskussion zum Thema „Aus der Geschichte lernen? Zum richtigen Umgang mit Verschwörungstheorien“

Michael Butter (Tübingen), Ute Caumanns (Düsseldorf), Stefan Christoph (Regensburg), Jan Rathje (Berlin)

Panel 6: Intertextualität und soziale Medien
Moderation: Johannes Kuber, Stuttgart

Jan Rathje (Berlin): Die Hypertext Transfer Protokolle der Weisen von Zion. Zur aktuellen Reproduktion antisemitischer Verschwörungsideologien im Internet

Jakob Julian Baier (Gießen): „Rothschildtheorie, konsumier solang dein Atem hält“. Antisemitische Verschwörungstheorien im deutschsprachigen Rap als subkultureller Code?

Panel 7: Prävention durch Geschichte? Antworten in Didaktik und politischer Bildung
Moderation: Bernd-Stefan Grewe, Tübingen

Jelko Peters (Siegen): „Das stimmt nicht, was in dem Geschichtsbuch steht“. Verschwörungstheorien als Herausforderung für den Geschichtsunterricht

Victor Kappel (Stuttgart): Online Verschwörungstheorien im Unterricht bearbeiten. E-Learningkurs „Sind denn alle verrückt hier? Verschwörungstheorien erkennen“

Tanja Lenuweit & Melanie Hermann (Berlin): Die Welt am Abgrund. Ein Planspiel zum problematischen Zusammenhang von Verschwörungsideologien und Antisemitismus


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