Gender Numismatics Fluid Identities and Ancient Coinage

Gender Numismatics Fluid Identities and Ancient Coinage

Organisatoren
Institut für Klassische Archäologie, Philosophische Fakultät, Eberhard Karls Universität Tübingen
Ort
Tübingen
Land
Deutschland
Vom - Bis
29.11.2018 - 30.11.2018
Url der Konferenzwebsite
Von
Mona Bunse / Michele Lange, Historisches Seminar/Philosophisches Seminar, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Der internationale Workshop richtete sich sowohl an Fachwissenschaftler als auch an andere Interessierte. Zwischen der Tagung und der zeitgleich eröffneten Ausstellung bestand eine enge thematische Verknüpfung im Museum der Universität Tübingen MUT ,,Antike Rollenbilder. Wertvorstellungen in Münzbildern“, in der ebenfalls genderspezifische Münzen den Mittelpunkt bilden. Diese wichtige historische Quelle diente der Untersuchung der materiellen Kultur des antiken römisch-griechischen Mittelmeerraumes aus der neuen Perspektive der Geschlechterforschung. Die Tagung widmete sich somit nicht allein der Münze als Kommunikationsmedium der antiken Herrscher mit ihrem Volk, sondern betrachtete sie auch als eine wichtige Quelle für die Reflexion von Normen, Werten und Gewohnheiten und somit auch für die Stellung der Frau in der römisch-griechischen Gesellschaft. Die Dynamik von Rollenbildern zeigt sich an diesem Medium besonders deutlich, da Münzen nicht nur dazu genutzt werden konnten, Geschlechterrollen zu vermitteln, sondern auch um solche aufzubrechen. Darüber hinaus lässt der Fundkontext selbst bereits wichtige Aussagen über die variierenden Identitäten zu.

In ihrem Vortrag legte FLEUR KEMMERS (Frankfurt) einleitend dar, dass Frauen in der römischen Welt durchaus Umgang mit Münzen hatten, ob in Ritualen oder täglichen Transaktionen. Am Beispiel der römischen Grenzregionen in den nordwestlichen Provinzen zeigte sie auf, dass sich anhand der Fundkontexte Unterschiede im Umgang mit Münzen aufgrund abweichender ethnischer Abstammung oder des Geschlechts der Akteure erkennen lassen. Die unterschiedliche Verteilung hoher und niedriger Nominale lässt beispielsweise Aussagen über die Vorratshaltung der Frauen der Hilfstruppen und des Trosses zu. Die genaue räumliche Verteilung der Münzfunde im Zusammenhang mit anderen geschlechtsspezifischen Fundobjekten geben zudem Aufschluss darüber, wo Frauen sich aufgehalten haben. Hieraus kann wiederum exemplarisch ihre Teilhabe am Handel abgeleitet werden.

Einen ähnlichen Ansatz, jedoch in Bezug auf das antike Griechenland, verfolgte LIN FOXHALL (Liverpool) in ihrer Keynote. Ihre Untersuchung geschlechtsspezifischer Fundobjekte in Zusammenhang mit Münzfunden erlaubte ebenfalls differenzierte Einblicke in den Umgang mit Geld durch Frauen bei alltäglichen Transaktionen. Dass Frauen mit ihren selbst produzierten Kleidungsstücken und Stoffen eigenes Geld verdienen konnten, zeigte sich besonders deutlich durch gleichzeitige Funde von Spinnwirteln und Webgewichten mit Münzen in bestimmten Räumen innerhalb eines Hauses. Der Abgleich der Erkenntnisse aus diesen Fundzusammenhängen mit historischen literarischen Quellen konnte den Einfluss von Frauen auf Geldgeschäfte zusätzlich belegen. Zwar werden bei vielen antiken Autoren hauptsächlich Männer als Akteure im Umgang mit Geld genannt, bei einigen historischen Schriftstellern wie Demosthenes wird jedoch deutlich, dass manche Frauen im Besitz sehr großer Geldsummen gewesen sein müssen und dadurch beispielsweise in der Lage waren, Geld zu verleihen.

Der Vortrag von SVEN GÜNTHER (Changchun) zeigte einen weiteren methodischen Zugang der Geschlechterforschung auf: einem Seminar zur antiken Numismatik an der Universität von Changchun. Im Rahmen dieses studentischen Projekts wurden die anhand numismatischer Objekte erarbeiteten Informationen zu antiken Persönlichkeiten nicht nur als Poster in einem Ausstellungsprojekt, sondern auch multimedial durch die Erstellung von Wechat-Einträgen im Zuge der Digitalisierung der IHAC-Coins zugänglich gemacht. Günther stellte in seinem Bericht besonders heraus, wie sich der wissenschaftliche und gesellschaftliche Umgang zwischen Europa und China unterscheidet und sich dies bei der Konzeption, Durchführung und Auswertung des Ausstellungsprojekts in Bezug auf Studierende und Besucher zeigte. Der Schwerpunkt seines Vortrages lag dabei auf den verschiedenen Ebenen der Geschlechterforschung. Übergehend von der ersten Ebene, der Erforschung von Kaiserfrauen, gelangte er über die zweite Ebene, der Untersuchung der Strukturen von Geschlechterunterschieden in der Antike, bis hin zur dritten, der Analyse des modernen Umgangs mit antiken Quellen im Forschungskontext Genderforschung.

Das zweite Panel wurde durch GUNNAR DUMKE (Halle) eröffnet. Er untersuchte, wie Frauen der hindu-griechischen Herrscher abgebildet und anhand von Titulaturen, beispielsweise als Herrscherin oder Frau eines Herrschers, benannt wurden. Hervorzuheben sind an dieser Stelle die inter-kulturellen Einflüsse auf die Gesellschaft, da diese sich sowohl aus Bestandteilen der indischen als auch der griechischen Welt zusammensetzten und somit einen kulturellen Schwellenraum bildeten, in dem das Abbild und die daraus hergeleitete Stellung der Frau diskutiert werden können.

Anschließend behandelte ROBERTA STEWART (Dartmouth College) vor allem die Sichtbarkeit von Frauen auf Münzen am Beispiel von Vesta und ihrem Cup. Dabei zeigte sie eine Funktionsverschiebung von Vesta von der Zeit der Republik über die Bürgerkriegszeit, in der Vesta von den Münzen zu verschwinden schien, bis hin zu Iulisch-Claudischer Zeit, wo sie wieder auftauchte, auf. Vestas Cup wurde zwischenzeitlich also zum Attribut verschiedener Persönlichkeiten – Herrscher und ihre Frauen vereinnahmten das Symbol für ihre persönlichen politischen Zwecke. Später hingegen wurde Vesta selbst wieder zum Attribut weiblicher Kaiserinnen auf ihren Münzen.

Eine weitere interessante Perspektive zu diesem Themenkomplex bot BARBARA HILTMANN (Lausanne). Sie behandelte das vermutlich regionale Phänomen der “monetary couples”, also der paarweisen Darstellung von Mann und Frau auf den Münzen Phrygiens. Der Fokus ihrer Untersuchung lag vor allem auf der Beziehung der Dargestellten untereinander. In den meisten Fällen konnte eine Verbindung durch Heirat nachvollzogen oder für wahrscheinlich befunden werden. Es wurden aber auch Frauen in einer selbstständigen Funktion, beispielsweise als Priesterinnen, dargestellt. Dabei deuten sich teilweise Kopplungen von Motiven und Nominalen an. Ob sich das Phänomen auch in anderen Regionen nachvollziehen lässt, wird die zukünftige Forschung hoffentlich noch zeigen.

Im dritten Panel ging ELISABETH GÜNTHER (Berlin) vertieft auf die genderspezifische Ikonographie der kaiserzeitlichen Münzen ein. Die quantitative Auswertung der in der RIC verzeichneten Münzen des severischen Herrscherhauses diente ihr dazu, die Frage nach der geschlechtsspezifischen Verteilung der Rückseitentypen und somit auch der Rollenzuschreibungen zu beleuchten. Zwar ließen sich hierbei deutliche Konventionen im Hinblick auf die Zuschreibung typisch männlicher und weiblicher Tugenden erkennen, doch darüber hinaus wurden auch individuelle Bedeutungszuschreibungen sichtbar. Die unterschiedlichen Rollen der Frauen des severischen Kaiserhauses als Mutter oder als Garantin der Sicherung der Dynastie wurden durch entsprechende Porträtdarstellungen und passende Ikonographie sowie durch spezifische Beinamen in den Legenden auf Münzen hervorgehoben. Günther setzte sich ebenfalls mit dem Phänomen der Hybride, also der unüblichen Kopplung von Avers- und Reverstypen, auseinander. Die Hybride weisen teils ungewöhnliche Verbindungen von weiblichen Avers-Porträts und männlichen Attributen, wie beispielsweise der Sieghaftigkeit verkörpert durch den Gott Mars, auf. Diese Beobachtungen führen zu der Frage nach einer zunehmenden Möglichkeit von Rollenzuschreibungen und individueller Akzentsetzung im Hinblick auf Kaiserfrauen in dieser Phase der römischen Antike.

FILIPPO CARLÀ-UHINK (Heidelberg) untersuchte anhand zweier einschlägiger ikonographischer Merkmale ebenfalls die Flexibilität von Rollenbildern in der römischen Kaiserzeit. Zunächst beschäftigte er sich hierfür mit dem vieldiskutierten Fall des Kaisers Gallienus, der sich auf einigen Goldmünzen in weiblicher Form benennen ließ und dessen Porträt zudem eine ungewöhnliche Kopfbedeckung aufweist. Carlà-Uhink griff hierbei Thesen der Forschungsdebatte wie die Diskussion um eine mögliche Vokativform des Kaisernamens auf. Lehnt man diese These ab und sieht die Legende im Kontext der an die weibliche palmyrenische Gottheit Allat erinnernden Kopfbedeckung, spricht dies für eine göttliche Fundierung der Herrschaft des Kaisers durch diese Bezüge. Anhand dieser Beobachtung stellte Carlà-Uhink die These auf, dass es dem Kaiser aufgrund seiner übermenschlichen Funktion möglich war, sogar eigentlich strenge Gender-Grenzen zu überschreiten. Als zweites Beispiel diente ihm eine Münze Maximinus Daias, auf welcher ebenfalls eine weibliche Bezeichnung für den Gott Sol gewählt wurde. Möglicherweise wurde diese Titulatur genutzt, um sich von Sol-Darstellungen Kaiser Konstantins abzugrenzen oder diese gar zu verhöhnen. Hierin würde sich eine weitere Funktion weiblicher Bezeichnungen zeigen.

In vierten Panel widmete sich ANNIKA BACKE-DAHMEN (Berlin) Fragen danach, was in der römischen Zeit unter Kindheit verstanden beziehungsweise damit verknüpft wurde, zugleich wurde in diesem Darstellungskomplex die Rolle der Frau als Mutter betont. Während Kinder meist eine Investition in die Zukunft repräsentierten und somit als Abbildungen im Propagandasymbolismus der Herrscher eine wichtige Rolle spielten, hatte Geld im realen Gebrauch auch eine sakrale Bedeutung für die damaligen Kinder und ihre Angehörigen. Dies zeigte die Untersuchung von Grabbeigaben des Gräberfeldes Krefeld-Gellep, auf dem eine große Anzahl von Kindern zwar ohne jegliche Beigaben bestattet wurde, einige jedoch sogar mit mehreren Münzen an unterschiedlichen Körperstellen. Es scheint keine Regel gegeben zu haben, nach der anhand von Status oder ähnlichen Kriterien über die Beigaben entschieden wurde. Als bemerkenswert stellte sich jedoch die Betrachtung der Motive auf mit den Kindern bestatteten Münzen heraus. Von den untersuchten Münzen wurden alle mit dem Revers nach oben aufgefunden und zeigten im Motiv Themen mit beschützender Aussage. Dieser Feststellung könnte in zukünftigen Untersuchungen anderer Gräberfelder weiter nachgegangen werden, um sie weiter zu untermauern.

Durch die vielen interessanten Vorträge in den einzelnen Themenkomplexen ermöglichte die Tagung nicht nur einen lehrreichen Austausch, sondern auch eine weitreichende Vernetzung internationaler Fachwissenschaftler und Studenten. Es wurde deutlich, dass die Forschung, ob im Bereich der Numismatik oder der Archäologie, von einer Gender-Perspektive profitieren kann und in den nächsten Jahren, auch dank der vielen Anregungen auf der Tagung, sicher zu weiteren Erkenntnissen über die antike Gesellschaft und insbesondere die Stellung der Frau führen wird.

Konferenzübersicht:

Panel 1: Approaching women in numismatics

Fleur Kemmers (Frankfurt): Whose coins? Tracing female agency in monetary practices in the roman world

Lin Foxhall (Liverpool): Cash in hand: was the use of coinage and money in the Greek world gendered?

Sven Günther (Changchun): Creating Narratives of Female Identities. Roman Imperial Women in the Chinese-English Exhibition Project “Women Rule the (Roman) World? Female portraits on Roman Imperial Coins”

Panel 2: Coining power? The gendered numismatics of empire

Gunnar Dumke (Halle): Basilissa, not maharani. „Greek“ queens in the Hellenistic Far East

Roberta Stewart (Dartmouth College): Vesta’s Cup?

Barbara Hiltmann (Lausanne): Women and men on provincial coinage of Roman Phrygia: the cases of Acmonea and Eucarpea

Panel 3: Striking difference. Iconography and typology against the grain

Elisabeth Günther (Berlin): ”Männliche” Kaiserfrauen – “weibliche” Kaiser? Reverstypen und Hybridprägungen als fließende Bereiche von Rollenzuschreibung in der Severischen Kaiserzeit

Filippo Carlà-Uhink (Heidelberg): Galliena Augusta and Sol Invicta: Transgender Dynamics in Roman Numismatics

Panel 4: making the gendered body on/with coins

Annika Backe-Dahmen (Berlin): Kinder auf römischen Münzen. Münzen für römische Kinder


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