„Dem Frieden ein Gesicht geben“. Facetten eines Ausstellungsprojektes

„Dem Frieden ein Gesicht geben“. Facetten eines Ausstellungsprojektes

Organisatoren
Forschungszentrum Institut für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit (IKFN), Osnabrück
PLZ
49074
Ort
Osnabrück
Land
Deutschland
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
24.10.2022 -
Von
Marcel Lewerentz, Geschichte der Frühen Neuzeit, Universität Osnabrück

Im Jahr 2023 jährt sich zum 375. Mal die Unterzeichnung des Westfälischen Friedens. Mit dem auf dem Friedenskongress zu Münster und Osnabrück geschlossenen Vertragswerk konnte der Dreißigjährige Krieg beendet werden. Bereits zeitgenössisch sei sich die Stadt Osnabrück der besonderen Bedeutung bewusst gewesen, wie SIEGRID WESTPHAL (Osnabrück) in ihren einleitenden Worten zum Workshop betonte. Auch in der Gegenwart fühle sich Osnabrück als Friedensstadt dem Friedensthema verpflichtet. Dieses Selbstverständnis würde gleichfalls von der Universität Osnabrück und dem hier angesiedelten Forschungszentrum IKFN getragen, das es als eine seiner Kernaufgaben verstünde, durch die Friedensforschung die Erinnerung an den Westfälischen Frieden zu wahren. Durch das Jubiläumsjahr böte sich die Chance, der breiten Bevölkerung dieses Ereignis in Erinnerung zu rufen. Waren in der öffentlichen Wahrnehmung lange die Verhandlungen in Münster präsenter, so rücke nun Osnabrück durch aktuelle Forschungen vermehrt in den Fokus. Die Tagung möchte den Stand der Pläne und Konzeption für die im Jahr 2023 geplante Ausstellung vorstellen. Diese beruhe auf einer Kooperation zwischen IKFN und Diözesanmuseum. Westphal dankte den verschiedenen Akteuren der Arbeitsgruppe u.a. aus dem Landschaftsverband Osnabrück und dem Niedersächsischen Landesarchiv Osnabrück, aber auch Beteiligten der Ausstellung von 1998, die alle neue Impulse geliefert und das Ausstellungsprofil geschärft haben. Anders als vor 25 Jahren würde nun angestrebt, den Fokus auf den Alltag während der Friedensverhandlungen zu legen und die Gesandten als entscheidende Akteure in den Blick zu nehmen. Die anschließenden Vorträge sollten bisher geleistete Arbeiten für die Ausstellung zusammenführen und Verknüpfungen aufzeigen.

Die erste Sektion eröffnete FRIEDERIKE ANDREA DORNER (Osnabrück) vom Diözesanmuseum Osnabrück. In ihrem Vortrag skizzierte sie den Planungsstand der Sonderausstellung im Diözesanmuseum. Besonders sollen dabei die Gesandten und deren Leben in Osnabrück betrachtet werden. Ein Charakteristikum würde die Verbindung ihrer Porträts mit Zitaten, um so dem Westfälischen Frieden wortwörtlich „ein Gesicht zu geben“. Die Räume des Diözesanmuseums sollen verschiedenen Schwerpunkten gewidmet sein. Zunächst würde der Zusammenhang mit dem Dreißigjährigen Krieg und der Belagerung der Stadt durch die Schweden aufgezeigt werden. Der zentrale Ausstellungsraum möchte dann die wichtigsten Gesandten der Verhandlungen und ihre entsendenden Herren vorstellen. Hier liegt der Fokus auf der Frage, wie die Gesandten die Stadt wahrgenommen und in Osnabrück gelebt hätten. Dies betreffe u.a. Aspekte wie die Religionsausübung, die Repräsentation in den Gesandtenhaushalten oder den Alltag in der „Freizeit“ abseits der eigentlichen Verhandlungen. Zentral in der Ausstellung wird der Osnabrücker Handschlag und der damit beschlossene Osnabrücker Friedensvertrag (IPO) thematisiert werden. Zum Handschlag bilde eine zeitgenössische Federzeichnung des Weimarer Gesandten die „Gallionsfigur“ der Ausstellung, welche die Verhandlungen in beeindruckendem Detailreichtum darlege. Darüber hinaus solle der damalige Osnabrücker Fürstbischof Franz Wilhelm von Wartenberg im Kontext des Westfälischen Friedens berücksichtigt werden. Der letzte Ausstellungsraum befinde sich noch im Findungsprozess, wobei hier ein Blick in die Gegenwart angedacht sei.

An diese Ausführungen anschließend vertiefte SAMUEL ARENDS (Osnabrück) die Präsentation der Ausstellungskonzeption mit Blick auf die Erweiterung des Ausstellungsprojektes in den Stadtraum, wodurch die Stadt Osnabrück selbst zu einem begehbaren Exponat werde. Gegenwärtig stelle die kulturhistorische Erschließung des Stadtraumes in Bezug auf den Westfälischen Frieden noch ein zu füllendes Desiderat dar. Die primär über die Innenstadt verteilten Außenstandorte seien als gleichwertige Ergänzung zum Diözesanmuseum zu verstehen. Dabei folgten sie einer dreistufigen Priorisierung aus zentralen sogenannten „Friedenquartieren“, obligatorischen Standorten mit besonders hoher Relevanz sowie optionalen Standorten. Diese Priorisierung ermögliche die Konzeption von Routen, um sich die Stadt durch einen kulturhistorischen Spaziergang zu erschließen. Die Friedensquartiere befänden sich in den innerstädtischen Kirchen. Hier gebe es jeweils kleinere Ausstellungen, die sich einem Schwerpunktthema widmen, das mit dem Ort in Verbindung stehe. So fokussiere sich etwa die Marienkirche auf das Verhältnis Osnabrücks zu den Schweden, wobei sowohl die enge Verbindung der Kirche mit der schwedischen Gesandtschaft als auch die schwedische Besatzung der Stadt im Vorfeld des Kongresses berücksichtigt werde. Bei den obligatorischen Außenstandorten handele es sich in erster Linie um die Wohnquartiere der Gesandten. An diesen Stellen sollen Infotafeln mit Porträts jener Gesandten aufgestellt werden; ergänzt um Beschreibungen der Unterkünfte. Diese Infotafeln seien als dauerhafte Erschließung des Stadtraumes über das Jahr 2023 hinaus konzipiert. Neben den vier innerstädtischen Friedensquartieren seien mit Rulle und Eversburg zwei auswärtige Quartiere geplant, die während der Verhandlungen Wallfahrtsort und Ausflugsziel für Gesandten waren. Abschließend betonte Arends, dass durch die Präsenz des Friedens im Stadtbild auch weniger historisch Interessierte erreicht werden könnten und somit Angebote geschaffen würden, die die kulturgeschichtliche Erschließung der Stadt über 2023 hinaus sicherstellen könne.

In der zweiten Sektion standen neue Erkenntnisse aus archivalischen Quellen im Vordergrund. Zunächst widmete sich THOMAS BRAKMANN (Osnabrück) der im Landesarchiv Osnabrück verwahrten Korrespondenz-Überlieferung Franz Wilhelm von Wartenbergs. In seinen Ausführungen konzentrierte sich Brakmann auf die von der Forschung lange vernachlässigte Biographie Wartenbergs nach dem Friedensschluss zu Osnabrück. Eine Besonderheit der Korrespondenzen liege darin, dass sie nach dessen Tod 1661 seitens des Domkapitels übernommen worden seien, um zu vermeiden, dass die Briefe in protestantische Hände fallen würden. Es stelle sich somit die Frage, welche gegebenenfalls brisanten Informationen sie beinhalten könnten. Bei Durchsicht der Korrespondenzen würden die Bemühungen um Einflussgewinn und -sicherung des Bischofs deutlich. Dabei habe sich Wartenberg einerseits mit einem Machtverlust und andererseits mit den bikonfessionellen Verhältnissen innerhalb seines Fürstbistums Osnabrück konfrontiert gesehen. Zudem griffen die Korrespondenzen zentrale Themen u.a. des Nürnberger Reichsexekutionstages auf. Grundsätzlich habe Wartenberg versucht, Lösungsansätze für die Durchsetzung seiner Interessen im Sinne der Rekatholisierung aufzuzeigen. Die Briefe offenbarten sein dichtes Netz zu weltlichen und geistlichen Landesherren, mit denen er in einem intensiven Austausch zu religiösen wie politischen Themen gestanden habe. Angesichts seines zunehmenden Machtrückgangs und vor dem Hintergrund eines durch die Osnabrücker Wahlkapitulation bestimmten, protestantischen Welfen als Nachfolger im Amt des Fürstbischofs versuchte Wartenberg, mittels jener Kanäle seinen Forderungen Gewicht zu verleihen. Brakmann betonte abschließend, dass die Korrespondenzen noch lange nicht erschöpfend untersucht seien, sondern es sich vielmehr um ein Quellenkorpus mit vielfältigen Erkenntnismöglichkeiten handle.

Welche Schlüsse aus neuerlicher Auswertung von Kartenmaterial gezogen werden können, führte KLAUS MEINERT (Osnabrück) in seinem Vortrag zu den sogenannten Schwedenplänen Osnabrücks aus. Die erste der fünf Karten sei unter Dodo von Knyphausen 1633 während der schwedischen Belagerung Osnabrücks entstanden. Diese Militärkarten wandten den Blick vor allem der Stadtbefestigung zu und berücksichtigten die großen Sumpfgebiete vor den Stadttoren. Meinert setzte diese Karten mit einer von ihm entwickelten Strukturkarte Osnabrücks zusammen. Diese Überlagerung zeige, dass durch die Schweden die Befestigung an der Vitischanze etwa auf den heutigen Stand angehoben worden sei. Ein geplanter Ausbau am Westerberg und am Gertrudenberg sei nicht realisiert worden. Beim Abgleich mit der Katasterkarte würde ebenfalls deutlich, wie genau die Schwedenpläne gewesen seien, da sie einzig im Bereich zwischen Neumarkt und Katharinenkirche voneinander abwichen. Ausgehend von Bauplänen des Zuchthauses und einer Karte aus den Vatikanischen Archiven konnte Meinert zusätzlich die Form und Struktur des Augustinerklosters nahe dem heutigen Landgericht genauer definieren. Über Grundrisse sei nun die exakte Lage auf dem Grundstück abzugleichen. Das Plenum betonte, dass die gewonnenen Ergebnisse mit in die Ausstellung einfließen und bei der Konzeption eines neuen Stadtmodells Berücksichtigung finden müssten. Gerade die Erkenntnisse zum Höhenbild seien von Relevanz. An diesen lasse sich die Wohnqualität der Gesandtschaftsquartiere, etwa ob an Sümpfen gelegen, ablesen und so die Äußerungen der Gesandten in ihren Diarien noch besser einordnen.

Abschließend wendete sich die dritte Sektion der materiellen Kultur und Alltagsgeschichte zu. Hierzu sprach SARA SNOWADSKY (Osnabrück) über verschiedene Alltagsgegenstände des 17. Jahrhunderts, die bei archäologischen Ausgrabungen in Osnabrück entdeckt worden waren. Das Fundspektrum ergäbe sich daraus, was in der Vergangenheit entsorgt worden sei. Dabei handele es sich vor allem um Objekte begrenzter Haltbarkeit oder geringen Wertes. Zwar bleibe hierbei das Bild lückenhaft, aber dennoch ließen sich Rückschlüsse auf das alltägliche Leben ziehen. Derzeit werde in Osnabrück im Garten des Priesterseminars gegraben und damit in unmittelbarer Nähe zum Quartier der schwedischen Gesandtschaft während des Westfälischen Friedenskongresses. Snowadsky präsentierte Bilder mehrerer Funde, die bei vergangenen Ausgrabungen gemacht worden waren. Exemplarisch sei etwa auf Trinkbehälter oder Apothekergefäße sowie Reste von Lederschuhen verwiesen. Als besonders interessant zeigten sich Funde von Keramikscherben von Kachelöfen. Wenngleich meist in Haushalten der Ober- und Mittelschicht zu finden, wurden solche jedoch auch in der Neustadt entdeckt. Diese wiesen eine schwarze Lackierung auf, welche gusseiserne Öfen nachahmen sollten, aber preisgünstiger waren. Spielzeuge träten bei Ausgrabungen meist lediglich als Beifunde auf. Auch sei hier die Datierung ebenso schwierig wie die Zuschreibung des konkreten Gebrauchs. Obwohl viele Funde nicht konkret den Verhandlungsjahren zugeschrieben werden könnten, stellten sie dennoch attraktive Exponate für die Veranschaulichung der Ausstellung dar.

Die Bedeutung der Gärten in Osnabrück arbeitete HEIKE DÜSELDER (Lüneburg) in ihrem Vortrag heraus. Insbesondere nach dem Bau des fürstbischöflichen Schlosses in den 1660er-Jahren hätte ein Aufschwung der Gartenkultur eingesetzt. Obwohl die Fürstbischöfe sich nur teilweise in Osnabrück aufgehalten hätten, sei der landsässige Adel in die Stadt gezogen und habe damit das Bedürfnis zur Repräsentation mitgebracht. Barocke Gartenanlagen seien in diesem Kontext als durchgestaltete Umgebung wichtig für das repräsentative Gesamtkunstwerk gewesen. Kenntnisse und Gartendiskurse gehörten zum adligen Wissensbestand. Gärten wurden zum Ausdruck adeligen Repräsentationsstrebens. Die Setzung von Zeichen und die konkrete Gestaltung dienten zur Kommunikation. Man hielte sich hier primär mit jenen Gästen auf, die dies zu lesen wüssten. In Gärten habe sich symbolisches und kulturelles Kapital gezeigt. Sie seien zu einer Bühne zum Austausch und zu kommunikativen Zwischenräumen zwischen öffentlichem und privatem Leben geworden. Dieser Funktion habe sich auf dem Friedenskongress auch der schwedische Gesandte Oxenstierna bedient, indem er den Garten seines Quartiers zum Gesandtenempfang und so auch für informelle, vertrauliche Verhandlungen genutzt habe. Nichtsdestotrotz erfüllten Gärten multiple Funktionen. Sie ließen sich in verschiedene Typen, wie Nutzgärten, Heilgärten oder Prachtgärten, unterscheiden, wobei eine Vermischung dieser Formen üblich gewesen sei.

Verschiedene Aspekte der Tagungsbeiträge wurden aufgegriffen und intensiv diskutiert. Dabei trat der produktive und sich ergänzende Charakter dieses interfachlichen Austauschs hervor. Es wurde betont, dass Osnabrück in der Zeit des Westfälischen Friedenskongresses in mehrfacher Hinsicht für das Reich im Kleinen gestanden habe. Dies spiegle sich etwa in der bikonfessionellen Struktur wider, welche die Gesandten vorgefunden hätten und später im gesamten Reich umgesetzt wurde. Gleiches gelte für die konkrete Anwendung des Westfälischen Friedens. Dieser sei bei Vertragsunterzeichnung kein Erfolgsprojekt per se gewesen, sondern musste sich als solches erst einstellen. In Osnabrück zeige sich nun einerseits in exemplarischer Form die Implementierung des Westfälischen Friedens auf regionaler Ebene und andererseits, wie etwa durch Franz Wilhelm von Wartenberg versucht worden sei, Korrekturen an den Beschlüssen vorzunehmen. Demnach sei Osnabrück als pars pro toto für das Reich der Nachkriegszeit zu verstehen. Wertgeschätzt wurde zudem die Grundlagenarbeit, die Meinert mit seinen Analysen aus Schwedenplänen und Strukturkarten Osnabrücks geleistet habe.

Zudem wurde über eine Vielzahl an möglichen ergänzenden Exponaten diskutiert. Zum einen stieß ein Spielzeug aus den archäologischen Funden auf reges Interesse, um die Rolle der Familien und Kinder der Gesandten während der Friedensverhandlungen noch stärker zu betonen. Angesichts der aktuellen Energiethematik wurde zum anderen auch der Einbezug des Heizens der Gesandtenquartiere angeregt. Dabei könne, so die einhellige Meinung, durchaus mit Analogien gearbeitet werden; es sei wichtiger, dass Exponate aus der Zeit des Westfälischen Friedenskongresses stammten und den Alltag veranschaulichten, als dass die Provenienz exakte Rückschlüsse auf die Verwendung beim Kongress hergeben müsste. In diesem Zusammenhang wurde das Plädoyer erhoben, die vorgestellte Federskizze zum Osnabrücker Handschlag noch weiter auszudeuten. Besonders die Repräsentation könnten genau wie die handschriftlichen Anmerkungen vertieft werden. Ebenso wurde der Vorschlag unterbreitet, man könne diese Szene in der Ausstellung etwa durch Sitzmöbel, Kleidung oder Hüte den Besuchern noch weiter verdeutlichen.

Konferenzübersicht:

Siegrid Westphal (Osnabrück): Begrüßung und Einführung

Sektion I – Einführung in das Ausstellungsprojekt für 2023

Friederike Andrea Dorner (Osnabrück): Dem Frieden ein Gesicht geben. Die Sonderausstellung im Diözesanmuseum Osnabrück

Samuel Arends (Osnabrück): Die Stadt als begehbares Exponat. Zur kulturhistorischen Erschließung des Stadtraumes Osnabrück in Bezug auf den Westfälischen Frieden

Sektion II – Neue Erkenntnisse aus archivalischen Quellen

Thomas Brakmann (Osnabrück): Die Korrespondenz-Überlieferung des Osnabrücker Bischofs Franz Wilhelm von Wartenberg (1648-1661) in der Abteilung des Niedersächsischen Landesarchivs

Klaus Meinert (Osnabrück): Neue Erkenntnisse aus der Auswertung der Schwedenpläne Osnabrücks

Sektion III – Materielle Kultur & Alltagsgeschichte

Sara Snowadsky (Osnabrück): Fundsachen. Alltagsgegenstände des 17. Jhs. aus archäologischen Ausgrabungen in Osnabrück

Heike Düselder (Lüneburg): Der Garten einer „anständigen Residenz“. Posieren, Plaudern, Politik machen (Videobeitrag)

Abschlussdiskussion

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