Digitales historisches Lernen?! – Empirische Perspektiven auf die digitale Geschichtskultur

Digitales historisches Lernen?! – Empirische Perspektiven auf die digitale Geschichtskultur

Organisatoren
Juliane Brauer / Dario Treiber, Arbeitsbereich Geschichte und ihre Didaktik, Bergische Universität Wuppertal
Ort
Wuppertal
Land
Deutschland
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
06.10.2022 - 07.10.2022
Von
Günter Baumann, Geschichte und ihre Didaktik, Bergische Universität Wuppertal

Wie lassen sich Geschichtskultur und historisches Lernen nach gesellschaftlicher und digitaler Dimension rahmen? Inwiefern werden historische Dimensionen im digitalen Raum sichtbar? Diesen Fragen spürte ein Workshop nach, der ein breites Spektrum der Perspektivenreflektion ermöglichte.

Eröffnet wurde der Workshop von LISA ZACHRICH (Tübingen), die im ersten Panel einen Einblick in die im Rahmen ihrer Dissertation entwickelte und durchgeführte Studie gab, in der sie die Wahrnehmung von Lernenden beim Lernen mit Zeitzeugenberichten empirisch untersucht hat. Ausgehend von einem für das Forschungsprojekt in Kooperation mit dem Teachers College der Columbia University entwickelten Modell (Zachrich, Wagner, Bertram, Trautheim, in Druck) führte Zachrich aus, wie sich der besondere Erfahrungsgehalt in der Begegnung mit Zeitzeugenberichten bei Rezipient:innen entfaltet bzw. artikuliert und wie sich kognitive, affektive und emotionale Reaktionen erfassbar machen lassen. Dabei interessierte sie vor allem, welchen Effekt die Authentizität (oder vielleicht vielmehr Authentisierung) von videografieren Zeitzeugenberichten auf die Involviertheit von Lernenden hat. Die als randomisierte Intervention konzipierte Studie war in folgender Art und Weise aufgebaut: Drei Gruppen von Teilnehmer:innen wurden auf prolific.org identische videografierte Zeitzeugenberichte gezeigt, wobei es qualitative Unterschiede in den Präsentationen gab. Während das Video einer Gruppe explizit als Zeitzeugenbericht gerahmt war, wurden die anderen beiden Gruppen mit zwei anderen vorangestellten Behauptungen konfrontiert. So wurde der zweiten Gruppe das Video als von einer Schauspielerin dargestellter Originaltext dargeboten. Die dritte Gruppe erhielt die Information, sie sehe einen von einer Schauspielerin dargestellten rekonstruierten Text. Im Anschluss daran erteilten die Lernenden anhand des Fragebogens Auskunft über ihre emotionale Involviertheit. Aus den Ergebnissen ließ sich ein signifikanter Unterschied ersehen: Die emotionale Involviertheit war bei jener Gruppe der Lernenden am größten, der gesagt worden war, das Video sei ein Zeitzeugenbericht.

KATHARINA TOTTER (Tübingen) untersuchte den Lernfortschritt von Schüler:innen in einer Intervention mit analogen und digitalen Zeitzeugenberichten. Dabei erteilte sie den Zuhörer:innen einen Einblick in Design und Methodik ihrer randomisiert kontrollierten Interventionsstudie und schilderte den Verlauf von Planung und Durchführung. Im Fokus der Studie stand der mediale Wirkungsunterschied zwischen digitalen und analogen Zeitzeugenberichten. Dabei wurden verschiedene Kompetenzmodelle herangezogen, anhand derer der Wirkungsgrad entlang der Kategorien Kompetenz, Wissen und Motivation festgelegt wurde. Mit dazu eigens entwickelten Aufgaben wurde der Lernfortschritt von ca. 1.000 Schüler:innen an unterschiedlichen Schulen in Baden-Württemberg dokumentiert. Erste Ergebnisse der Hauptstudie werden 2023 vorliegen.

CHRISTINA BRÜNING (Marburg) erweiterte in ihrem Kommentar den Blick durch Perspektiven aus der empirischen Bildungsforschung und fragte nach dem domänenspezifischen Mehrwert beider Forschungsprojekte für die Geschichtsdidaktik. Dazu machte sie auf den aus der Politikdidaktik stammenden Unterschied zwischen Bedeutungswissen und enzyklopädischem Wissen aufmerksam. Darüber hinaus warf sie die Frage auf, was die Quellengattung Zeugnis oder Zeitzeugenbericht eigentlich für den Unterricht zu leisten habe. Für sie lag die Vermutung nahe, dass an die Quellengattung „Zeitzeugenbericht“ häufig eine zu hohe Erwartungshaltung gekoppelt werde. Es stelle sich generell die Frage, ob es die Aufgabe von Zeitzeugen ist, Wissen zu vermitteln (subjective truth). Ferner thematisierte sie die Dialogizität des Settings und ihre Bedeutung für die Beobachtungspotentiale.
In der anschließenden Diskussion lag der Schwerpunkt auf Zachrichs Vortrag und auf einer Differenzierung zwischen dem Authentizitäts- und dem Zeitzeugenbegriff. Diesbezüglich kamen Fragen auf, welche weiteren Faktoren die Glaubhaftigkeit von medialen Repräsentationen begünstigen. Grenzen von quantitativen Verfahren in der Geschichtsdidaktik sahen Teilnehmer:innen besonders im Kontext subjektorientierter Lernformen.

Im zweiten Panel thematisierte JESSICA KREUZ (Frankfurt am Main) aus geschichtskultureller Perspektive die Herausforderungen und Potenziale digitalisierter Quellen und Möglichkeiten des Einsatzes digitaler Datenbanken im Unterricht. Dabei interessierte sie sich vor allem für die Mechanismen und Rahmenbedingungen der Selektion von Quellen. Sie plädierte dafür, Quellenkritik auf den Umgang mit Digitalisaten zu erweitern. Nur so könne ein reflektierter Umgang mit öffentlich zugänglichen digitalen Darstellungen von Vergangenheit gefördert werden.

In seinem Kommentar würdigte Johannes Meyer-Hamme (Paderborn) die Relevanz der Fragestellung für das (digitale) historische Lernen. Die Frage, welche Quellen wer, wann und warum im Netz zur Verfügung stellt, sieht er als zentral an. Anschließend diskutierte er verschiedene Möglichkeiten der Erforschbarkeit einer solchen Fragestellung im Hinblick darauf, welche Potentiale ein solcher Ansatz hat, geschichtskulturelle Handlungsfähigkeit zu fördern. Dabei ging er insbesondere auf Perspektivierungen von digital veröffentlichten Quellen ein und fragte danach, was erfasst würde: In vielen Fällen würde vor allem die Perspektive der Opfer dargestellt, nicht aber die Perspektive der Täter. So lägen beispielsweise mit dem Crowdsourcing-Projekt #everynamecounts die Namen der Opfer vor, nicht aber beispielsweise die der verantwortlichen SS-Mitglieder. Außerdem deutete Meyer-Hemme an, welche Handlungspotentiale sich daraus ergeben würden, auch die Namen der Täter zu veröffentlichen (es existieren zum Beispiel hunderte Denunziationen per Postkarte, die an den Stürmer-Verlag gesendet wurden, die im Gegensatz zu den Ausgaben der Zeitung „Der Stürmer” nicht in digitaler Form veröffentlicht wurden). Des Weiteren schlug er vor, in diesem Kontext die Algorythmizität einer durch Google gestützten Suche stärker zu untersuchen.

In einer Keynote diskutierte SEBASTIAN BARSCH (Kiel) Probleme, Potentiale und Voraussetzungen bei der Erforschung digitaler Geschichtskultur. Den ersten Teil leitete er mit der Frage ein, ob unser Begriff von Geschichtskultur im Kontext des digitalen Wandels noch aktuell sei. Ein stärkeres wissenschaftliches Verständnis gesellschaftlicher und im Speziellen ökonomischer Perspektiven des Digitalen sei nötig, um Digitalität für gesellschaftliche Transformation zu nutzen. Die Distanz zum Forschungsgegenstand sei dadurch erschwert, dass wir uns im Zentrum eines Transformationsprozesses befinden. Deswegen sah er es als notwendig an, bereits erbrachte Erklärungsversuche immer wieder darauf zu überprüfen, ob sie auch wirklich neu seien. Im zweiten Teil stellte er Ergebnisse seiner eigenen Forschung vor. Im Zentrum der Studie stand die Fragestellung, nach welchen Kriterien Schüler:innen die Plausibilität von Lernvideos bewerten. Dabei zeigte sich, dass sie sich vor allem an formalen Gesichtspunkten orientierten, selbst wenn es in der Sache falsch sei. Barsch warf die Frage auf, ob sich anhand der Ergebnisse Erkenntnisse über historisches Lernen ableiten lassen können oder ob sich daran nicht vielmehr die Wirkung von Schulhierarchien ablesen lasse. Im dritten Teil beschäftigte er sich mit der Frage, wie sich digitale Kulturen erforschen lassen und welche Methoden brauchbar sind, um Nähe zum Beobachteten aufzubauen. Barsch schlug vor, ethnographische Zugänge in Erwägung zu ziehen. Diese seien sowohl dazu in der Lage, einen partizipativen Zugang zum Feld zu gewähren, als auch Wahrnehmungen von Menschen und ihre Stellung im Forschungsprozess zu reflektieren.

Zu Beginn des dritten Panels schilderte DARIO TREIBER (Wuppertal) die Konzeption seiner Pilotstudie „Emotionen bei der Rezeption von @ichbinsophiescholl“. Dabei ging es ihm weniger um Akteurs- und Medienzentriertheit und die geschichtskulturelle Debatte von Social-Media-Angeboten als vielmehr um die Frage ob und wie emotionale Involviertheit bei Schüler:innen fassbar ist. Im Zentrum seiner Auseinandersetzung stand das ambivalente Verhältnis von Nähe und Distanz und die Frage, ob und wie man über subjektorientiertes Lernen an Emotionen herankommen kann. Als Beleg für die starke emotionale Reaktion von User:innen zog Treiber verschiedene Kommentare aus Instagram heran. Ausgangspunkt seiner Studie waren allerdings nicht die Menschen, die an der Präsentation von @ichbinsophiescholl teilgenommen haben, sondern die Reaktionen von Schüler:innen, die sich anhand von Aufgabenstellungen auf die auf Instagram archivierte Präsentation beziehen sollten. Zur differenzierten Betrachtung der Reaktion nutzte Treiber den im ersten Panel bereits vorgestellten Fragebogen zur emotionalen Involviertheit und führte auch Interviews mit den Schüler:innen. In seinem Versuchsdesign will er den Emotionalisierungsgrad durch unterschiedliche Materialien und Lernaufgaben fassen. Dazu setzte er die unmittelbar account-zentrierten emotionalen Reaktionen von Schüler:innen in Beziehung zu Gefühlen, die Schüler:innen bei der Auseinandersetzung mit einem analogen Tagebucheintrag von Sophie Scholl äußerten. Erste Ergebnisse deuten an, dass die emotionale Involviertheit in der Auseinandersetzung auf Instagram niedriger ist als in der Auseinandersetzung mit dem Tagebuch in Textform.

Christian Kuchler (Aachen) bezog sich in seinem Kommentar auf das geschichtskulturelle Phänomen von Geschichtsvideos auf TikTok. Am Beispiel von Erklärvideos aus der Mittelaltercommunity und dem Doing-history-Konzept fragte er danach, wie Akteur:innen Geschichte in den sozialen Medien konstruieren. Im Fokus standen das Rezeptions- und Interaktionspotenzial zwischen videobasierter Präsentation historischer Inhalte auf tiktok. Kuchler betonte die neue Qualität, die diese Form für User:innen biete, und warf zugleich Frage auf, wie Akteur:innen in den sozialen Medien Geschichte konstruieren. Bisher sei dieser Content von geschichtswissenschaftlicher Seite nur marginal erforscht. Dabei betrete ein wichtiger neuer Akteur die „digitale Agora“: der Histoinfluencer. Er versuche, Geschichte erlebbar und erfahrbar zu machen und verwende Authentizitätsstrategien, um seinen Content zu verbreiten. Im öffentlichen Raum nehme dieser neue Akteuer damit eine wichtige noch unerforschte Position ein. Für die Geschichtsdidaktik sei diese insofern interessant, als sie eine Brücke zwischen Unterricht und dem außerschulischen, soziokulturellen Umfeld schlage. Es stelle sich die Frage, ob sich die Geschichtswissenschaft in diesem digitalen Kontext mit völlig neuen Fragen konfrontiert sehe. Kuchler gab zu bedenken, dass die Geschichtsdidaktik viel Erfahrung mit Quellen bzw. Medien aufzuweisen hat, von denen sich viele auch auf den digitalen Raum übertragen lassen.

In der anschließenden Diskussion waren sich die Teilnehmenden einig, dass die Rezeption von interaktiven medialen Settings, wie zum Beispiel der Live-Performance @ichbinsophiescholl auf Instagram, noch relativ unerforscht sei und dass Treibers Arbeit dazu einen wichtigen Beitrag liefere. Methodische Nachfragen zielten auf das Lernsetting und die Abstraktionsfähigkeit von SuS bei der Rezeption von Social-Media-Inhalten: Die Forschung müsse danach fragen, ob SuS-Angebote wie @ichbinsophiescholl im intimen privaten Raum rezipierten, oder ob eine betreute Auseinandersetzung in einem Unterrichtssetting erfolge. Zudem müsse sich die Forschung fragen, ob sich bei der Rezeption von Social-Media-Inhalten authentische, emotionale Reaktionen artikulierten, wie mit der Aufhebung von Zeitebenen umzugehen sei und inwiefern in Social-Media-Angeboten historische Dimensionen sichtbar würden.

ELENA LEWERS (Bochum) schilderte Fragestellung, Gegenstand und Forschungsdesign ihres Promotionsvorhabens. Geschichtskultureller Ausgangsunkt ihrer Exploration ist die organisierte „Blickwinkeltour“ des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände in Nürnberg. Mit einem Bus wurden Teilnehmer:innen an bestimmte Orte in Nürnberg geführt. Lewersʼ zentrale These lautet, die als Bus-Tour konzipierte Führung erhebe den Anspruch, Besucher:innen als virtuelle Geschichtserfahrung anhand digitaler Rekonstruktionen Einblicke in die historischen Geländeplanungen des NS-Regimes zu ermöglichen. Um Geschichtserfahrung als gegenwartsbezogenen Bedeutungs- und Konstruktionsprozess bei Besucher:innen zu erforschen, befragte Lewers die Teilnehmer:innen zu ihren Rezeptionserfahrungen bei der Blickwinkeltour, die zu zentralen Fragen führten: Welche historischen Perspektiven bietet diese Form? Welche Rolle(n) nehmen die Besucher:innen ein? Inwiefern lassen sich die Deutungen anhand von Dimensionen historischen Denkens systematisch erfassen? Ihr deduktiv geleiteter Ansatz wies in der Auswertung der Interviews stark induktives Potenzial aus, indem die historischen Dimensionen direkt aus dem durch die Interviews gewonnenen Material heraus untersuchbar würden.

In seinem Kommentar betonte Dario Treiber das geschichtskulturelle Versprechen der Erlebbarkeit von Geschichte. Er betonte, dass es in diesem Zusammenhang entscheidend ist, anhand des Konzepts der Geschichtserfahrung die Perspektive des Subjekts in den Vordergrund zu stellen. Geschichtserfahrung würde so als unbewusster mentaler Prozess verstanden, der Verarbeitungs- und Aneignungsprozesse einschließt. Gerade aufgrund des Versprechens von Unmittelbarkeit, das die VR-Technolgie für sich reklamiert, sei eine separate Betrachtung von Geschichtserfahrung und Geschichtserlebnis notwendig, wenngleich beide zusammengedacht werden müssten. Hilfreich sei ein doppelt dimensionierter Erfahrungsbegriff, der zwischen der Ebene der Emotion (Erfahrung machen) und der Ebene der Bedeutungskonstruktion (Erfahrung haben) unterscheide. Um aber die erste Ebene der Emotion zu beobachten, seien andere, möglicherweise ethnographische Methoden sinnvoll. Auf der Ebene der Bedeutungskonstruktion stelle sich die Frage, wie „die Sprache des Guides“ sich aus den Rekonstruktionsversuchen der Teilnehmer:innen herauskürzen lassen könne, um zu verhindern, dass man sich nicht mit Nacherzählungen konfrontiert sieht.

JAN SIEFERT (Duisburg-Essen) fragte, inwieweit digitale Lernmodule einen Effekt auf Erklärungshandlungen als Teil der Textsortenkompetenz haben. Gegenstand seines Promotionsvorhabens sind digitale Lernmodule, die scaffoldingbasiert Sprachhandlungen evozieren sollen. Dabei interessiert ihn besonders die Frage, ob es hierbei Möglichkeiten des Scaffolding ergeben, die nur in digitalen Lernumgebungen denkbar sind.

LENA LIEBERN (Duisburg-Essen) stellte ihr Promotionsvorhaben „Geschichte lernen digital – Wie lösen Schüler:innen historische Lernaufgaben der Plattform segu-geschichte.de?” vor. Wichtiger Ausgangspunkt ihres Forschungsdesigns war die Beobachtung, dass in der Forschung ein normativer, praxisorientierter Ansatz anhand von Gütekriterien überwiegt und es zu wenig empirische Erkenntnisse zu historischen Lernmedien gibt. Anhand eines Mixed-Method-Explanatory-Designs systematisiert und analysiert Liebern das Lernangebot der Plattform. Außerdem richtet sie den Blick auf das Lernverhalten der Schüler:innen. Dabei interessiert sie sich vor allem für das Lösungsverhalten der Lernenden. Auch die Interface-Ebene ist für sie relevant, wobei der Computer in diesem Kontext als dritter Kommunikator verstanden wird.

In seinem Kommentar bezog sich Manuel Köster (Münster) auf die beiden vorangegangenen Vorträge. Obwohl sie sich in unterschiedlicher Weise auf das Historische im Digitalen bezogen, folgten beide der Prämisse, dass der digitale Raum das Historische Lernen fundamental verändern kann. Beide Studien gingen also folglich der Frage nach, welche Kategorien die Differenz zwischen digitalem und analogem Lernen sichtbar machen können. Für Köster besitzen Aufgaben im Unterricht eine zentrale Funktion, da sie das Unterrichtsgeschehen vorstrukturieren. Gerade die Mittlerfunktion sei es, die Seiferts Studie in den Blick nimmt. Dabei sei es aber durchaus diskutabel, ob und inwiefern sich historisches Denken in analogen und digitalen Lernumgebungen tatsächlich kategorial unterscheidet. Digitale Aufgaben würden in jedem Fall das mediale Spektrum für die Anwendung der bereits etablierten Optionen erweitern.

Dario Treiber eröffnete die abschließende Podiumsdiskussion mit der Frage, wie der digitale Raum, der oft mit Entertainment und Spaß assoziiert wird, mit historischem Lernen in Verbindung gebracht werden kann. Das Podium kam zu dem Schluss, dass Spaß als Potential für historisches Lernen gesehen werden sollte, für ein erfolgreiches historisches Lernen allerdings eben jenes auch im Vordergrund stehen sollte. Die Herangehensweise an historische Inhalte sei entscheidend, ob also die Konsument:innen sich berieseln lassen oder etwas lernen möchten. Eine weiterführende Frage war, ob digitale Medien Schüler:innen Spaß in der Begegnung mit Geschichte ermöglichen können. Die einhellige Meinung der Diskutierenden war, dass große Teile der Gesellschaft bereits vor der digitalen Medienkultur eine hohe Geschichtsaffinität hatten und dass der digitale Zugriff auf Geschichte nicht automatisch für alle Schüler:innen ein größeres Vergnügen garantiert. Dario Treiber fragte, ob eine Neudimensionierung von geschichtskulturellen Konzepten für die Erforschung der digitalen Medienwelt notwendig sei oder ob die vorhandenen Konzepte auf die neuen Medien angewendet werden können. Das Podium war der Meinung, dass sich grundsätzlich nichts an der Erfahrung der Geschichtsbegegnung, sondern nur in der medialen Beziehung geändert hat. Zum Abschluss der Diskussion wurde die Frage aufgeworfen, ob digitale und besonders soziale Medien den Zugriff auf Emotionen ändern. Die Diskussionsteilnehmer:innen möchten hier zwischen digitalen und sozialen Medien abgrenzen: Digitale Medien an sich ändern nicht die Emotionalität im Umgang mit Geschichte, durch soziale Medien seien diese jedoch leichter zu erfassen.

Konferenzübersicht:

Panel 1: Begegnungen mit Zeitzeug:innen empirisch erforschen

Lisa Zachrich (Universität Tübingen), Christiane Bertram (Universität Konstanz): Die Wahrnehmung von Lernenden beim Lernen mit Zeitzeug:innenberichten experimentell erforschen

Katharina Totter (Universität Tübingen), Christiane Bertram (Universität Konstanz): Den Lernfortschritt von Schüler:innen in einer Intervention mit analogen und digitalen Zeitzeug:innenberichten erfassen – Einblicke in Design und Methodik einer randomisiert-kontrollierten Interventionsstudie

Panel 2: Digitale Sammlungen als Orte historischen Lernens

Friederike Seever (Universität Leipzig): „Keine Tools, sondern fachspezifische Kompetenzen brauchen wir!“ – Ein geschichtsdidaktischer Blick auf digitale Sammlungen

Jessica Kreutz (Goethe-Universität Frankfurt am Main): Digitalisierte Quellen – Was ist im Netz und was ist nicht im Netz?

Kommentar: Johannes Meyer-Hamme (Universität Paderborn)

Keynote

Sebastian Barsch (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel): Digitale Geschichtskultur erforschen – Der Bias der Forschenden

Panel 3: Social Media & Apps als geschichtskuturelle Phänomene analysieren

Christina Sachs (Europa-Universität Flensburg): Digitales historisches Lernen mit TikTok? – Theoretische und methodische Überlegungen zur Untersuchung eines geschichtskulturellen Phänomens aus der Mittelalterszene

Dario Treiber (Bergische Universität Wuppertal): Emotionen bei der Rezeption von @ichbinsophiescholl – Vorstellung einer Pilotstudie

Kommentar: Christian Kuchler (Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen)

Panel 4: Virtual Reality: Geschichte erlebbar machen?

Elena Lewers (Ruhr-Universität Bochum): „ich habe mich wirklich zurückgesetzt gefühlt in diese Zeit“ – Interviews als Zugang zu Geschichtserfahrungen am (virtuellen) historischen Ort

Christian Günther (Bergische Universität Wuppertal): VR mit Geschichtsinszenierungen – Ansätze zu empirischen Untersuchungen

Kommentar: Christian Kuchler (Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen)

Panel 5: Potenziale digitaler Lernaufgaben

Jan Siefert (Universität Duisburg-Essen): Förderung der Textsortenkompetenz durch digitale Lernmodule – Empirische Erfassung schriftsprachlicher Erklärungen

Lena Liebern (Universität Duisburg-Essen): Geschichte lernen digital – Wie lösen Schüler:innen historische Lernaufgaben der Plattform segu?

Kommentar: Manuel Köster (Universität Münster)

Podiumsdiskussion mit Christina Brüning / Manuel Köster / Lisa Zachrich

Redaktion
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