20. Internationales Symposium der Stiftung Ettersberg: Zwischen nationalen Sinnstiftungen und transnationalem Erinnern: Die Internationalen Brigaden im europäischen Gedächtnis

20. Internationales Symposium der Stiftung Ettersberg: Zwischen nationalen Sinnstiftungen und transnationalem Erinnern: Die Internationalen Brigaden im europäischen Gedächtnis

Organisatoren
Stiftung Ettersberg; Landeszentrale für politische Bildung Thüringen
Ort
Weimar
Land
Deutschland
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
04.11.2022 - 05.11.2022
Von
Anna Katharina Brauckmann, Historisches Institut, Friedrich-Schiller-Universität Jena

Der Spanische Bürgerkrieg war eine globale Erfahrung, da Menschen aus der ganzen Welt als Freiwillige bei den Internationalen Brigaden auf Seiten der Republik kämpften. Nach dem Bürgerkrieg bildeten sie eine Erinnerungsgemeinschaft, die einerseits transnational miteinander verflochten war und andererseits in den nationalen Kontexten ihrer jeweiligen Heimatländer agieren musste. Das 20. Internationale Symposium der Stiftung Ettersberg beleuchtete dieses Spannungsverhältnis. Unter dem Titel „Zwischen nationalen Sinnstiftungen und transnationalem Erinnern: Die Internationalen Brigaden im europäischen Gedächtnis“ standen anhand ausgewählter Beispiele die Bedeutung der Spanienkämpfer:innen für die Gedächtniskonstruktion ihrer Heimatländer und der erinnerungskulturelle Umgang mit dieser länderübergreifenden Erfahrung im Mittelpunkt.

Im Einführungsvortrag über Entstehung, Charakter und Entwicklung der Internationalen Brigaden machte WALTHER L. BERNECKER (Dollnstein) auf die Internationalität des Spanischen Bürgerkriegs insgesamt aufmerksam. Nicht nur die etwa 36.000, auf Seiten der Republik und aus vielen Ländern Europas und anderen Teilen der Welt kämpfenden Brigadist:innen prägten den Bürgerkrieg, sondern auch das militärische Engagement Deutschlands und Italiens sowie die Militärhilfe der Sowjetunion. Die Internationalen Brigaden verstanden sich nicht nur als Verteidiger der Spanischen Republik, sondern als Kämpfer gegen den europäischen Faschismus. Dieses Selbstverständnis prägte auch die Erinnerung, die zu einem Integrationsmythos der europäischen Linken wurde.

In der anschließenden ersten Sektion, die sich mit der Erinnerung an die Spanienkämpfer:innen im geteilten Deutschland und Österreich beschäftigte, stellte MICHAEL UHL (Tübingen) fest, dass der antifaschistische Kampf der Brigadist:innen Teil des antifaschistischen Gründungsmythos der DDR war und in Ostdeutschland ein Kult um die Freiwilligen des Spanischen Bürgerkriegs entstand. Seine These verdeutlichte er anhand der 1968 in Berlin eingeweihten Skulptur von Fritz Cremer, die von SED-Funktionären, die oftmals selbst ehemalige Spanienkämpfer waren, initiiert worden war und bis in die 1980er-Jahre von der DDR-Staatsführung für Kranzniederlegungen und weitere Gedenkfeierlichkeiten genutzt wurde. Jenseits dieser erinnerungskulturellen Praxis war in der DDR zudem die „persönliche Erinnerung mit gesellschaftlicher Anerkennung verbunden“, indem den ehemaligen Freiwilligen etwa eine besondere Rente zuteilwurde.

PATRIK VON ZUR MÜHLEN (Bremen) blickte in seinem Vortrag auf die Erinnerung an die Internationalen Brigaden in der Bundesrepublik. Im Gegensatz zur DDR seien die Spanienkämpfer:innen in der BRD auf jahrzehntelanges Desinteresse bzw. offene Ablehnung gestoßen. Als Grund für diese ablehnende Haltung machte von zur Mühlen den zeitgenössischen Antikommunismus aus. Erst mit der Kanzlerschaft von Willy Brandt, der sich einst selbst in Spanien engagiert hatte, setzte ein Wandel der öffentlichen Darstellung der Spanienkämpfer:innen ein.

Auch in Österreich stießen die Spanienkämpfer:innen zunächst auf Desinteresse und Misstrauen, wenngleich sie unter das Opferfürsorgegesetz von 1947 fielen. GEORG PICHLER (Alcalá de Henares) zeigte, wie sich die ehemaligen Brigadist:innen organisierten und die Erinnerung an den Bürgerkrieg zumindest innerhalb ihres Milieus pflegten.

In Spanien wiederum ist die Erinnerung an den Bürgerkrieg bis heute stark fragmentiert, wie TERESA PINHEIRO (Chemnitz) ausführte. Bereits zu Beginn des Bürgerkriegs 1936 wurden erste Gedenkorte in Madrid eingeweiht, um gefallene Kamerad:innen zu ehren. Nach dem Sieg Francos wurden die Internationalen Brigaden aus der öffentlichen Erinnerung verbannt. Gräber und Gedenktafeln wurden zerstört und neue Gedenkorte für die franquistischen Opfer des Bürgerkrieges geschaffen. Mit Beginn der Transition veränderte sich das Erinnern an den Spanischen Bürgerkrieg erneut, zunächst vor allem auf regionaler Ebene, wo neue Denkmäler eingeweiht wurden. In dieser vom Konsens geprägten Transitionszeit überlagerten sich die Erinnerung an die Internationalen Brigaden und die Zweite Republik mit der Deutung aus der Franco-Zeit. Erst mit der Verabschiedung des „Erinnerungsgesetzes“ von 2007 setzte sich der Fokus auf die Republik durch: eine Entwicklung, die bis heute kontrovers diskutiert wird, so Pinheiro.

In Frankreich wurde die Erinnerung an die Internationalen Brigaden mit dem Kampf der Résistance im Zweiten Weltkrieg verknüpft, da etliche ehemalige Brigadist:innen sich nach der deutschen Besetzung dem Widerstand anschlossen, so JEAN-FRANÇOIS BERDAH (Toulouse). Lange Zeit wurde die Bedeutung der Französ:innen, obwohl sie das größte nationale Kontingent der Brigadist:innen stellten, marginalisiert. Erst 1996 habe die Erinnerung an die Internationalen Brigaden einen relevanten Stellenwert in der französischen Öffentlichkeit erreicht, als ehemalige Brigadist:innen als Veteran:innen anerkannt wurden. Heute habe die Erinnerung an den Spanischen Bürgerkrieg und die Brigaden eine deutlich größere Bedeutung als in den Jahrzehnten unmittelbar nach dem Ende des Bürgerkriegs, konstatierte Berdah.

Einen interessanten Sonderfall schilderte FRANZISKA ZAUGG (Bern). Die Spanienkämpfer:innen aus der Schweiz wurden aufgrund des gesetzlichen Verbots, fremden Heeren zu dienen, strafrechtlich belangt und teilweise mit dem Entzug der Bürgerrechte bestraft. Erst in den 1970ern begann eine Debatte um die Rehabilitierung ehemaliger Spanienkämpfer:innen, doch es dauerte noch bis ins Jahr 2009, ehe diese auch erfolgte. Zaugg konstatierte, dass eine konsequente Aufarbeitung des Umgangs mit den Internationalen Brigadist:innen in der Schweiz bis heute ausgeblieben sei.

Wie die Beteiligung skandinavischer Brigadist:innen am Spanischen Bürgerkrieg aussah, beantwortete MORTEN RIEVERS HEIBERG (Kopenhagen) zu Beginn der dritten Sektion des Symposiums. In Skandinavien lebende deutschstämmige Flüchtlinge machten dabei einen erheblichen Teil der nach Spanien ausreisenden Freiwilligen aus. Ebenso wie in Frankreich spielten insbesondere in Dänemark und Norwegen ehemalige Interbrigadist:innen nach dem Bürgerkrieg eine wichtige Rolle im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Dass sich das Engagement der skandinavischen Spanienkämpfer:innen nicht eindeutig einem politischen Lager zuordnen lässt, machte Heiberg mit Blick auf die schwedischen Spanienkämpfer:innen deutlich, von denen einige an der Seite Finnlands gegen die Sowjetunion, andere auf Seiten der Sowjetunion im Winterkrieg 1939–1940 kämpften. Bis heute verkompliziere dieser Umstand die Erinnerung an die Internationalen Brigaden in Schweden erheblich, so Heiberg.

In Polen beteiligten sich einige der ehemaligen Spanienkämpfer:innen am Aufbau der kommunistischen Diktatur. Die heutige politische und gesellschaftliche Debatte sei daher von einer starken Polarisierung geprägt, konstatierte JOSÉ MARIA FARALDO JARILLO (Madrid). Die politische Rechte in Polen zeige keinerlei Interesse daran, die öffentliche Erinnerung an die Internationalen Brigaden aufrecht zu halten, was ein 2007 von der PiS-Partei vorgeschlagenes Gesetz zeigt, nach dem ehemalige Interbrigadist:innen eine geringere Sonderrente erhalten sollten.

Nach der Darstellung der Internationalen Brigaden in der europäischen Popkultur und ihrer Repräsentanz in der Literatur fragte die vierte und letzte thematische Sektion des Internationalen Symposiums. MARISA SIGUAN (Barcelona) diskutierte Berichte von ehemaligen Spanienkämpfer:innen, die Eingang in die Weltliteratur fanden. Die literarischen Beiträge von Kriegsteilnehmern wie Kulcsar, Hemingway oder Orwell stünden in einem Spannungsverhältnis von Erinnern und Erzählen. Erst in den folgenden Generationen wandelte sich das Verhältnis von Geschichte und Fiktion sowie die Reflexion über Erlebtes, aber auch die Darstellung von Geschichte und die kritische Hinterfragung von Erfahrungsberichten.

CLAUDIA JÜNKE (Innsbruck) machte in ihrem Beitrag auf die Darstellung der Internationalen Brigaden im europäischen Film seit Ende des Bürgerkriegs bis in die Gegenwart aufmerksam. Die ersten Filme, die bereits während des Bürgerkriegs entstanden, waren Dokumentarfilme und dokumentarische Berichte, die eine politische Stoßrichtung hatten. Erst ab den 1960er-Jahren fanden der spanische Bürgerkrieg und die Internationalen Brigaden Eingang in Spielfilme. Während Fünf Patronenhülsen (DDR, 1960) ein kommunistisches Heldenepos erzählt, thematisiert Land and Freedom (USA, 1995) die Repression von anarchistischen Milizen durch ihre kommunistischen Waffenbrüder. Beide Filme waren in ihrer Zeit populär und prägten das Bild der nachwachsenden Generationen vom Bürgerkrieg.

JOCHEN VOIT (Erfurt) schloss mit seinem Blick auf deutschsprachige Lieder zu den Internationalen Brigaden, wie sie insbesondere durch Ernst Busch in den linken Musikkanon Einzug hielten. Voit verortete das Lied Spaniens Himmel (oder auch Die Thälmann-Kolonne) als eines der bekanntesten Lieder der DDR, das populärer gewesen sei als die Nationalhymne. Die Liedersammlung von Ernst Busch könnte laut Voit als eigenes Denkmal für die Internationalen Brigadist:innen verstanden werden. Aber nicht nur in der DDR, sondern auch in der westdeutschen Studentenbewegung der 1960er- und 1970er-Jahre waren Buschs Spanienlieder populär. Die folgende Generation konnte mit dem klassenkämpferischen Gestus Buschs hingegen wenig anfangen. Hier war es eher die Punkband The Clash, die in ihrem 1979 veröffentlichten Lied Spanish bombs Bezüge zum Nordirlandkonflikt herstellten.

Welche Bedeutung haben die Internationalen Brigaden in europäischen Museen und Gedenkstätten und welches Potenzial hat die museale und didaktische Beschäftigung mit den Interbrigadist:innen? Diese Frage diskutierten HARALD BIERMANN vom Haus der Geschichte in Bonn, PERIKLES CHRISTODOULOU vom Haus der Europäischen Geschichte in Brüssel und JENS-CHRISTIAN WAGNER von der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora in Weimar. Obwohl der Spanische Bürgerkrieg und die Internationalen Brigaden als zentrale Ereignisse des 20. Jahrhunderts zur Identitätsbildung linker Intellektueller besonders wichtig waren, sei die Geschichte der Brigaden als eher untypisches, internationales Phänomen in allen vertretenden Einrichtungen bisher unterrepräsentiert, stellten alle Gesprächspartner fest. Daran schloss sich die Frage an, inwieweit die Internationalen Brigaden anschlussfähig an eine demokratische Geschichtskultur seien. Einigkeit bestand, dass damit keine affirmative Identifikation gemeint sein könne, doch aufgrund ihrer vielschichtigen sowie uneindeutigen Geschichte und Nachgeschichte könne aus der Beschäftigung mit ihnen ein kritisches Geschichtsbewusstsein erwachsen, so Jens-Christian Wagner.

Als Ergebnis des Symposiums lässt sich festhalten, dass die europäische Erinnerung an den Spanischen Bürgerkrieg durch die Blockkonfrontation des Kalten Krieges geprägt wurde und bis heute stark fragmentiert ist. Die Erinnerung der ehemaligen Brigadist:innen wurden auf beiden Seiten des „Eisernen Vorhangs“ in unterschiedlicher Weise und unterschiedlichem Ausmaß marginalisiert. Stets waren es Initiativen der Brigadist:innen selbst, die darauf drängten, ihren Einsatz gegen die franquistische Diktatur zu einem positiven Bezugspunkt der europäischen Geschichtskultur zu machen. Forschungsbedarf besteht allerdings noch im Hinblick auf die biographischen Werdegänge der Brigadist:innen nach dem Ende des Spanischen Bürgerkrieges.

Konferenzübersicht:

Einführungsvortrag: Walther L. Bernecker (Dollnstein): Bürgerkrieg – Flucht – Exil: Die Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg und während des Zweiten Weltkriegs

Sektion I: Die Erinnerung an die Spanienkämpfer:innen im geteilten Deutschland und in Österreich

Michael Uhl (Tübingen): „Spaniens Himmel und keine Sterne“. Die Internationalen Brigaden in der DDR

Patrik von zur Mühlen (Bremen): Die Erinnerung an die Spanienkämpfer in der Bundesrepublik

Georg Pichler (Alcalá de Henares): Vor dem Vergessen bewahren. Die Internationalen Brigaden und Österreich

Diskussion, Moderation: Teresa Pinheiro (Chemnitz)

Sektion II: Die Erinnerung an die Spanienkämpfer:innen in Westeuropa

Teresa Pinheiro (Chemnitz): „Ihr seid die Legende!“ – Die Internationalen Brigaden in den Mäandern spanischer Erinnerungskulturen

Jean-François Berdah (Toulouse): Die Erinnerung an die Internationalen Brigaden in Frankreich

Franziska Zaugg (Bern): Der lange Weg der Schweizerischen Spanienfreiwilligen zwischen Verfolgung, Ausgrenzung und Rehabilitation 1936–2009

Diskussion, Moderation: Antonio Muñoz Sánchez (Lissabon)

Sektion III: Die Erinnerung an die Spanienkämpfer:innen in Nord- und Osteuropa

Morten Rievers Heiberg (Kopenhagen): Die Erinnerung an die Internationalen Brigaden in Skandinavien

José María Faraldo Jarillo (Madrid): Ein schwieriges Vermächtnis. Das Erbe der Internationalen Brigaden im postkommunistischen Polen

Diskussion, Moderation: Christiane Kuller (Erfurt)

Sektion IV: Repräsentationen der Internationalen Brigaden in der europäischen Geschichtskultur

Marisa Siguan (Barcelona): Die Internationalen Brigaden in der Literatur

Claudia Jünke (Innsbruck): Bewegte Bilder. Die Internationalen Brigaden im europäischen Film

Jochen Voit (Erfurt): „Spaniens Himmel“ im Comic – Lieder der Internationalen Brigaden als Ikonen europäischer Popkultur

Diskussion, Moderation: Anke John (Jena)

Abschlussdiskussion: Der Ort der Internationalen Brigaden in der europäischen Erinnerungskultur

Harald Biermann (Haus der Geschichte, Bonn)
Perikles Christodoulou (Haus der Europäischen Geschichte, Brüssel)
Jens-Christian Wagner (Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Weimar)
Moderation: Jörg Ganzenmüller (Weimar/Jena)