In der Bundesrepublik sei kein anderer Erinnerungsort deutscher Revolutionen von den Aufständischen selbst geschaffen, über die Epochen und Zeitschichten hinweg so kontrovers behandelt worden und doch so gut und lebendig bis in die Gegenwart erhalten geblieben wie der Friedhof der Märzgefallenen. Über 250 menschliche Überreste der während der Berliner Märzrevolution 1848 Gefallenen sowie ihre Grabzeichen bildeten den materiellen Ursprungsbestand der historischen Friedhofsanlage. Weitere 29 folgten im Ergebnis der Novemberrevolution von 1918/19. Allerdings vermischte sich der Charakter als Ruhestätte von Beginn an mit dem Dissens über die politische Bewertung der Ursprungsereignisse und der sich am Ort abspielenden erinnerungskulturellen Aktivitäten. Daher zählt der Friedhof der Märzgefallenen zu den ältesten Denkmalen, die nicht trotz, sondern wegen ihrer Umstrittenheit von besonderem Wert1 sind. Jede Zeitschicht stülpte ihr eigenes Interpretament über die Friedhofsanlage, je nach hegemonialer Deutung der historischen Ereignisse und je nach Nutzen für die jeweilige Staatsräson. Wie also heute mit 40 Jahren politischer Indienstnahme durch die DDR umgehen? Um hierauf mögliche Antworten zu liefern, versammelten sich Wissenschaftler:innen unterschiedlichster Fachrichtungen zur Kooperationstagung.
Laut RÜDIGER HACHTMANN (Potsdam) bemühte sich der Berliner Magistrat seit Anfang der 1850er-Jahre darum, Wallfahrten in den Friedrichshain zu verhindern. Dennoch habe sich der Friedhof der Märzgefallenen zu einem aktiven Erinnerungsort entwickelt. In Berlin wurde der 18. März seit den 1860er-Jahren der zentrale sozialdemokratische Feier- und Kampftag, der bis 1919 den 1. Mai überstrahlte. In Massengedenkveranstaltungen gedachte man mit zehntausenden Teilnehmer:innen am 18. März, in deren Anschluss es regelmäßig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der preußischen Polizei kam. An diesem höchst symbolträchtigen Ort kristallisierten sich während des Ersten Weltkriegs Hoffnungen auf eine bessere Welt, beispielsweise durch antimilitaristisch gesinnte linkssozialistische und anarchistische Jugendliche. So war es nicht überraschend, dass die ersten Toten der Revolution 1918 auch auf dem Friedhof der Märzgefallenen bestattet wurden. Vereinnahmungsversuche durch den Nationalsozialismus seien letztlich am zu starken „demokratischen Überhang“ insbesondere der Berliner Märzrevolution gescheitert. Konservativen habe der Friedhof als Provokation gegolten, Liberale hätten sich vielmehr auf die Frankfurter Paulskirche konzentriert, und die Nazis haben ihn schlicht als unerwünschten Erinnerungsort verwahrlosen lassen. Einer überkonfessionellen, volkstümlichen Erinnerungstradition seien eine sozialdemokratische und später auch eine kommunistische gefolgt.
OLIVER GAIDA (Berlin) exzerpierte erinnerungskulturelle Wendepunkte unmittelbar nach dem Nationalsozialismus und in den 1950er-Jahren. Politische Initiativen von unten haben die Erinnerungsarbeit ab 1946 wieder aufleben lassen, bevor es ab 1948 zu zentralisierteren Gedenkplanungen kam, zugleich jedoch habe sich die Systemspaltung durch konkurrierende Erinnerungsfeiern auszudrücken begonnen. Der Nationalsozialismus sei zur entscheidenden Referenz für die ostdeutsche Rezeption des Friedhofes geworden. Die Revolutionsjahrestage haben nicht nur als Anlass für Amnestien gedient, sondern auch zur Bildung einer Kontinuitätslinie von der Märzrevolution 1848 über 1918 bis zur antifaschistischen Befreiung (Ost-)Deutschlands durch die Rote Armee 1945. Im Kontext dieser antifaschistischen Kontinuitätsbildung des Friedhofs der Märzgefallenen sei es 1949 zur (temporären) Beisetzung einer Urne mit Überresten von KZ-Opfern durch NS-Überlebende gekommen. Die späten 1950er-Jahre haben sich durch einen von der SED instrumentalisierten Fokus auf den Jugend-Revolutionär Ernst Zinna ausgezeichnet.
Die DDR-Erinnerungskultur habe zu einer vielfachen Verengung der Revolutions-Rezeption geführt. SUSANNE KITSCHUN (Berlin) führte dies am Beispiel von drei Jahresfeiern aus. Mit der Aufstellung eines überlebensgroßen Roten Matrosen 1961 sei es zu einer Schwerpunktverlagerung auf die Revolution 1918/19 gekommen. Sinnbildlich sollte er, als kämpfender Arbeiter, für einen fortschrittlicheren Vertreter einer Reihe von „Volkskämpfen“ stehen, obgleich nur 2,5 Prozent der am Ort bestatteten Menschen Matrosen waren. Zum 120. Jahrestages der Märzrevolution 1968 seien Festredner der Nationalen Front vor 450 FDJ-Mitgliedern auf die Erzählung von nationalen Kämpfern von 1848 eingeschwenkt, gefolgt von einer Demonstration von 5.000 Jungpionier:innen und FDJ-Mitgliedern. Die Instrumentalisierung sei in der Gleichsetzung der Berliner Mauer mit den Barrikaden von 1848 durch den Gedenkredner Günther Jahn kulminiert. Mit der Ära Honecker sei ab Anfang der 1970er-Jahre der Fokus auf die deutsche Einheit verschwunden, stattdessen habe man sich am proletarischen Internationalismus und der Sowjetunion orientiert.
Bereits drei Tage nach den Barrikadenkämpfen, am 22. März 1848, wurden die Gefallenen beerdigt, in einer Friedhofsanlage, die nur für sie kurzerhand angelegt wurde, im direkt vor den Toren der Stadt gelegenen Volkspark Friedrichshain, Berlins erster kommunaler Grünanlage, so LEONIE GLABAU (Berlin). Seine große symbolische Bedeutung habe der Ort bereits dadurch erlangt, dass er höher als das königliche Schloss gelegen war. Erst durch Maßnahmen im Zweiten Weltkrieg, wie Bunkeranlagen und Schuttberge, sei der Friedhof ins räumliche Abseits geraten. In der DDR-Denkmallandschaft habe sich das hochkomplexe Gartendenkmal mit weiteren im Volkspark errichteten Monumenten verbunden, wie jenem für die Spanienkämpfer sowie dem für polnische Soldaten und Antifaschismus. Der Friedhof sei städtebaulich gut vernetzt gewesen und im Zusammenspiel mit Erinnerungsorten außerhalb des Parks Teil einer „eher parteiideologischen Monumentenstrecke“ geworden.
HANNO HOCHMUTH (Potsdam) beschrieb das ambivalente Wechselverhältnis der DDR zwischen politisierter Erinnerungslandschaft und staatlichen Vergnügungsangeboten. Mit einem Blick auf die seit 1961 jährlich im Volkspark stattfindenden Pressefeste der Tageszeitung Neues Deutschland habe sich ab den 1970er-Jahren ein Wandel der SED-Kulturpolitik vom sozialistischen Pressefest zum Vergnügungspark gezeigt. Ziel sei ein Neuanfang als sozialistisches Volksfest ohne lästige Traditionsbestände gewesen, mit einer Ausweitung auf den gesamten Park und mit Trends zur immer stärkeren Unterhaltungsorientierung durch die Präsentation von Militärtechnik, Konsumangebote usw. Schließlich sei der SED-Anspruch auf vollständige Steuerung der Freizeitgestaltungen an der eigensinnigen Aneignung des Parks durch die Ostberliner Bevölkerung gescheitert: homosexuelles Cruising am Märchenbrunnen oder Skating und Biking an den Denkmalen. Mit fast einer halben Million Vergnügungsgäste hätten sich Ende der 1980er-Jahre westliche, kommerzielle Unterhaltungsstandards durchgesetzt, die den Friedhof der Märzgefallenen vollkommen überstrahlten.
Die Revolutionen hätten es nicht leicht im kollektiven deutschen Gedächtnis, konstatierte MARTIN SABROW (Potsdam). Ursachen dafür sah er im Verlauf und in der Rezeption der Ereignisse, insbesondere in der enttäuschenden „Differenz von revolutionärem Wollen und politischem Ergebnis“. Er akzentuierte jene von März 1848 als die von oben verdrängte Revolution, der erst einhundert Jahre später eine staatliche Anerkennung durch einen Gedenkstein zuteil wurde. Die Novemberrevolution von 1918/19 hätte, je nach Perspektive, als verpasste Chance, als überflüssige oder verratene Revolution gegolten, mit der kaum jemand zufrieden gewesen sei. An den Umbruch von 1989/90 gäbe es eine gespaltene Erinnerung, zumindest mit Blick auf die uneingelöste Resolution der Künstler:innen (alternativer Sozialismus statt Alternative zum Sozialismus) und die sogenannte Wende in der Wende. Sabrow attestierte dem aktuellen Geschichtsdenken einen „Verlust an Revolutionsgehalt“ und unserer Erinnerungskultur sowohl Postheroismus als auch Opferzentriertheit, die es ablehne, Positives über Negatives zu stellen. Den tiefsten Grund für die Revolutionsblässe unserer Zeit sah er jedoch im zeithistorischen Fokus auf die Ursachen des nationalsozialistischen Zivilisationsbruchs liegen. Damit markierte Sabrow die Herausforderung moderner sozialer Bewegungen, wieder utopische Kraft aus der Beschäftigung mit historischen Revolutionen schöpfen zu lernen, ohne jedoch die Anbindung aktueller Zielvorstellungen an eine intersektionale Perspektive aufzugeben.
Der Landschaftsarchitekt MARTIN ERNERTH (Berlin), der ein Parkpflegewerk für den Friedhof der Märzgefallenen erarbeitet, konnte profunde Auskunft über die Gestaltungsgeschichte des Ortes geben. Kein Friedhof dieses Alters sei in seiner Aktenlage und von seiner Belegung her so gut erhalten wie der Friedhof der Märzgefallenen, für dessen Errichtung innerhalb von drei Tagen 10.000–15.000 Schubkarren Erde bewegt werden mussten. Geschildert wurden Tiefpunkte (1897 und ab 1933) sowie Erneuerungen und Umgestaltungen (um 1900, 1925, 1946–1948, 1958/59 und 1961). Mittels moderner Bildgebungsverfahren wisse man heute über die Lage historischer Friedhofsstrukturen unter einer 3–4 dm dicken Erdschicht von 1948 genau Bescheid. Für Erforschung und Pflege, für partielle Umgestaltungen und Vermittlung werde heute eng mit dem Landesamt für Denkmalpflege zusammengearbeitet.
Denkmalpflegerin SIGRID BRANDT (Salzburg) sprach über die Institutionengeschichte der DDR-Denkmalpflege. Einem Fokus auf demokratische Traditionen in der Nachkriegszeit sei eine Orientierung am Heimatschutz in den 1950er-Jahren gefolgt, inklusive einer Zurückdrängung der Märzrevolution zugunsten der Novemberrevolution. Später sei es zu einer politischen Ausrichtung am antifaschistischen Grundkonsens der DDR gekommen und an der „Aufgabe, das Bild einer progressiven und demokratischen Tradition der Geschichte zu zeichnen“. Anhand von Denkmalpflege-Publikationen zeigte Brandt, wie symbolträchtige Profanbauten in einer Abfolge politischer Relevanz in den 1970er-Jahren abgelöst wurden zugunsten von prunkvoller Architektur aus kaiserlicher Zeit in den 1980er-Jahren. Es sei zu einer Perspektivwende von der Tradition zum Erbe gekommen, in der sich die Denkmalpflege zunehmend einem breiteren Geschichtsbild geöffnet habe, pragmatischer sowie regionaler wurde und sich wieder mehr für Ästhetik interessiert habe. Denkmale und Erinnerungen, die demokratiegeschichtliche, rechtsstaatliche und menschenrechtliche Traditionen begründen, verdienten mit all ihren Verwerfungen und Brüchen auch in der bundesrepublikanischen Denkmallandschaft einen Platz, so Brandt.
Die Geschichtswissenschaft der DDR habe die Märzrevolution von 1848 als ein Schlüsselereignis zur Erklärung des weiteren Verlaufs der Entwicklung Deutschlands angesehen, so JÜRGEN HOFMANN (Berlin). Daher sei ihre Erforschung schon früh institutionalisiert und in größere Forschungszusammenhänge eingebunden gewesen. Der „Abnabelung von den tradierten Schulen der bürgerlichen Historiografie“ in den 1950er-Jahren sei in den 1960er-Jahren eine thematische Erweiterung in Richtung „Geschichte der kleinbürgerlichen Demokratiebewegung“ sowie ein qualitativer und quantitativer Aufschwung bis in die 1970er-Jahre gefolgt. Die außenpolitische Neuausrichtung der DDR habe ihrer Historiografie in den 1980er-Jahren einen räumlich erweiterten Blick abverlangt, um die Verankerung der DDR-Gesellschaft in der ganzen deutschen Geschichte herauszuarbeiten. Die DDR-Forschung habe jedoch keine Wendepunkte zugelassen und sei teleologisch auf das Ergebnis ausgerichtet gewesen. Auch eine „kritische Reflexion“ nicht zum staatssozialistischen Kanon gehörender Akteur:innen wie Michail Bakunin sei nur eingeschränkt möglich gewesen. Eine perspektivische Öffnung sei durch die Erbe-Traditions-Diskussion möglich gewesen, wobei unter Tradition jener Teil des allumfassenden Erbes verstanden wurde, auf den man sich positiv berief.
Mit einem emotionsgeschichtlichen Zugang untersuchte MOISÉS PRIETO (Bern) verschiedene Formen des Erinnerns. Im Gegensatz zum individuellen böte das kollektive Erinnern in Anknüpfung an Emotionen wie Hoffnung und Angst die Basis einer nostalgischen Aufladung. Mit Berufung auf Svetlana Boym2 unterschied er eine restaurative von einer reflektierten Nostalgie. Erstere beschwöre „die nationale Vergangenheit und Zukunft herauf“, Letztere beziehe sich eher „auf die individuelle und kulturelle Erinnerung“. Für den Friedhof der Märzgefallenen in der DDR zeigte er beide Formen des nostalgischen Erinnerns anhand diverser Beispiele auf. Subversive Erinnerungsformen seien nach 1945 einer staatskonformen Erinnerung als Norm gewichen, die über Kontinuitätslinien und teleologische Bezüge zu 1848 versucht habe, Mythen für das kollektive Gedächtnis der DDR-Gesellschaft zu bilden.
TOBIAS HIRSCHMÜLLER (Eichstätt) verglich den Berliner Friedhof der Märzgefallenen mit der Frankfurter Paulskirche. Beide Erinnerungsorte haben während der deutschen Teilung einer ähnlichen, wenn auch gegenläufigen geschichtspolitischen Projektion unterlegen. So habe man die Paulskirche in der Bundesrepublik als den „gelungenen, zivilen Ertrag der Märzrevolution von 1848“ gesehen. In der DDR habe es Stimmen gegeben, die „eine Kontinuität der Konterrevolution von der Paulskirche bis 1871“ und gar bis zum Nationalsozialismus postuliert haben, die Nationalversammlung beschimpften und dazu aufriefen, dem Ort fernzubleiben. Allerdings habe es keine einheitliche Position zur Paulskirche gegeben, und die Präsenz der Kritik nahm bis Ende der 1980er-Jahre deutlich ab. Hirschmüller resümierte, dass manche Kritik der DDR an der Paulskirche so falsch nicht sei. In einer wissenschaftlichen Perspektive auf die Paulskirche sehe man sowohl Ablehnung von Demokratie, eine erstaunliche Bereitschaft zum Militärischen als auch (nach Christian Peters) einen Auftakt zur völkischen Ideologie.
Wie die Abschlussdiskussion zeigte, kann der Friedhof der Märzgefallenen durch seine lange Geschichte vieles sein: über einen entwidmeten Friedhof hinaus auch ein vielschichtiger Gedenkort und Rezeptionspunkt beispielsweise für die Deutsche Freiheitsbewegung, das Zentrum Berlins als europäische Revolutionsmetropole, ein wichtiges Dokument deutsch-deutscher Geschichte, Ort der Demokratie-, der sogenannten Volks- und der Nationalgeschichte. Ein Zurück zur wahren Geschichte von 1848, die den Friedhof zu einem inhaltlich eindeutigen Ort werden lassen könne, gebe es nicht, so KRIJN THIJS (Amsterdam). Stattdessen bliebe er, mit seinen sich überlappenden und einander auch ausschließenden Erzählungen zwangsläufig ein sehr hybrides Gebilde, dessen Kern genau jene kontroverse Umstrittenheit sei. Die drängende Frage – was wollen wir hier vermitteln? – bleibe eine politische Entscheidung. Es sei legitim, nun jene Werte in den Vordergrund zu rücken, die gegenwärtig gefallen, doch stelle uns dies nicht über ältere Ansätze, die genau das auch gemacht haben. Ein reflektierter Umgang würde die Brüchigkeit des Friedhofs, alle Zeitschichten samt der beanstandeten Überformungen umrahmen und belassen. Kritisch eingewendet wurde, dass die Rezeption des Ortes sowohl durch seine Komplexität als auch die weitgehend verschütteten, alten Zeitschichten erschwert werde.
Der ehemalige Landeskonservator JÖRG HASPEL (Berlin) vertrat den Ansatz, die Friedhofsanlage als geschlossene Anlage zu erhalten, sie weder zu überformen noch die Aktivierung archäologischer Elemente voranzutreiben, da er hierin keine aufklärerische Wirkung sehe. Da die Geschichte des Friedhofs weitgehend unter der Oberfläche beerdigt und unzugänglich sei, seien neben dem Erhalten eine Erschließung und die Vermittlung mit allen digitalen Möglichkeiten wichtig.
TORSTEN WÖHLERT (Berlin) wandte ein, mit dem konservierenden Ansatz des Landesdenkmalamtes wären die spannenden Überformungen in der Geschichte des Friedhofs nicht möglich gewesen. Kulturpolitik habe nicht die Aufgabe, sich inhaltlich einzumischen. Die wichtigen Orte seien nicht aus staatlicher Initiative erwachsen, sondern aus bürgerschaftlichem Engagement. Auch heute muss es an der einen oder anderen Stelle möglich sein, erneut zu überformen. Einig war man sich, dass auch das konservatorische Einfrieren eines Erhaltungszustandes als Intervention zu betrachten sei.
Susanne Kitschun verwies darauf, dass sich die historische Vermittlung auf unterschiedliche Interessen und Anforderungsniveaus einstellen müsse. Umfassende Umgestaltungsmaßnahmen seien nicht geplant. Das künftige Besuchszentrum eröffne jedoch die Möglichkeit, dort Objekte, wie originale Grabzeichen, kontextualisiert zu zeigen. Die gut ausgehandelte Erinnerungsarbeit des Trägervereins wurde 2021 mit dem Denkmalpreis honoriert, so Christoph Rauhut.
In den Vorträgen und Diskussionen zeichnete sich ab, dass der Friedhof der Märzgefallenen sowohl einseitige Wertsetzungen zugunsten einer quellennahen und pluralen Vermittlung hinter sich lassen und zugleich ein sogenannter positiver Erinnerungsort für Demokratiegeschichte sein sollte. Gleich einem Erinnerungsanker sollten die Erzählungen am Ort die demokratiegeschichtliche Vergangenheit mit einer positiven Vorstellung von Zukunft verbinden; inhaltliche Brüche und Widersprüche sollten jedoch nicht durch eine neue, bevormundende Erzählung überdeckt, sondern plural vermittelt werden. Dazu gelte es sowohl eine allzu starke Komplexitätsreduktion zu verhindern als auch eine niedrigschwellige Rezeption bereits durch die visuelle Erscheinung des Ortes zu ermöglichen.
Konferenzübersicht:
Christoph Rauhut, Ulrike Höroldt, Susanne Kitschun und Oliver Gaida (Berlin): Grußworte und Einführung
Rüdiger Hachtmann (Potsdam): Überblick zum Gedenken an 1848 im 19. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
Sektion 1: Der Erinnerungsort in der DDR
Moderation: Hanno Hochmuth (Potsdam)
Oliver Gaida (Berlin): Erinnern an 1848 abseits der Gedenkfeiern. Von Amnestie bis Zinna-Kult (1948–1958)
Susanne Kitschun (Berlin): „Wir, die Erben dieser aufrechten Patrioten ...“. Der Friedhof der Märzgefallenen und das Gedenken an die Märzrevolution in der DDR (1961–1978)
Sektion 2: Das urbane Umfeld in Zeiten der DDR
Moderation: Rüdiger Hachtmann (Potsdam)
Leonie Glabau (Berlin): Eine gut vernetzte Konstante. Der Friedhof der Märzgefallenen und sein urbanes Umfeld
Hanno Hochmuth (Potsdam): Broiler, Skateboards und Delfine. Der Volkspark Friedrichshain als Ort des urbanen Vergnügens
Martin Sabrow (Potsdam): Revolutionen erinnern. 1848, 1918 und 1989 im deutschen Gedächtnis
Sektion 3: Denkmalpflege in der DDR
Moderation: Leonie Glabau (Berlin)
Martin Ernerth (Berlin): „Fort mit den Trümmern und was Neues hingebaut!“ Neuinterpretation des Erinnerungsortes Friedhof der Märzgefallenen in der DDR
Sigrid Brandt (Salzburg): Berliner Denkmalpflege in der DDR
Sektion 4: Geschichtsbilder
Moderation: Rüdiger Hachtmann (Potsdam)
Jürgen Hofmann (Berlin): 1848er-Revolutionsforschung in der DDR. Schwerpunkte, Diskussionen, Einbettung
Moisés Prieto (Bern): „... mehr als ein Akt historischen Gedenkens“. Der Friedhof der Märzgefallenen als Projektionsfläche für Nostalgie und marxistische Teleologie in der DDR
Tobias Hirschmüller (Eichstätt): Ein ideologisches Pendant zum Friedhof der Märzgefallenen? Die Frankfurter Paulskirche in der Geschichtspolitik der DDR
Podiumsdiskussion – Der Friedhof der Märzgefallenen als Erinnerungsort gestern, heute und morgen
Moderatorin: Sigrid Klebba (Berlin)
Krijn Thijs (Amsterdam), Jörg Haspel, Torsten Wöhlert (Berlin)
Anmerkungen:
1 Vgl. Gabi Dolff-Bonekämper, Der Streitwert der Denkmale, Berlin 2021.
2 Vgl. Svetlana Boym, The Future of Nostalgia, New York 2001.