Demonology Revisited: Dämonologie in interdisziplinärer Perspektive

Demonology Revisited: Dämonologie in interdisziplinärer Perspektive

Organisatoren
Rita Voltmer, Universität Trier; Wolfgang Behringer, Universität des Saarlandes, Saarbrücken; Ismael del Olmo, Universidad de Buenos Aires; Johannes Kuber, Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart
PLZ
70599
Ort
Stuttgart
Land
Deutschland
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
22.02.2023 - 25.02.2023
Von
Eva Stempelova, Historisches Seminar, Universität Zürich

Dämonologie bot als interdisziplinäre Protowissenschaft Erklärungsmuster für Selbst- und Welterfahrung. Die christliche Geistertheorie, seit der antiken Epoche konzeptualisiert und bis in die frühneuzeitliche kontrovers diskutiert, wurde in kirchlichen Riten sowie (volks)magischer Praxis angewandt, doch auch zu den europäischen Hexenverfolgungen instrumentalisiert. Literarische Werke trugen zur Popularisierung dämonologischer Motive bei. Gemäß WOLFGANG BEHRINGERS (Saarbrücken) Einleitung sollte die 53. Jahrestagung des Arbeitskreises Interdisziplinäre Hexenforschung (AKIH) diese Hauptaspekte aus geschichts-, religions- und literaturwissenschaftlicher, wie auch historisch-soziologischer Perspektive untersuchen. Dies war eine Kooperationsveranstaltung mit Rita Voltmers Teilprojekt im Forschungsprogramm „Resilienz: Gesellschaftliche Umbruchphasen im Dialog zwischen Mediävistik und Soziologie“, gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG).

Zunächst präsentierte RITA VOLTMER (Trier) ihr DFG-Projekt „Kriminaljustiz im Westen des Reiches (15. bis 17. Jahrhundert)“, das (anti)dämonologische Diskurse komparativ analysiert und deren Auswirkungen auf Hexenverfolgungen erforscht. Exemplarisch erörterte Voltmer die Kontroverse zwischen den katholischen Theologen Peter Binsfeld (um 1545–1598) und Cornelius Loos (1546–1595). Als intransigenter Scholastiker propagierte der Trierer Weihbischof seine Kampagne gegen angeblich das Allgemeinwohl bedrohende Hexerei, die vermittelst katechetischer Predigten und justiziellen Vorgehens einzudämmen sei. Skeptiker der Hexereidoktrin würden laut Binsfeld mit der Anzweiflung dämonischer Wirkmacht in der materiellen Weltsphäre letztlich die Eckpfeiler christlichen Glaubens einschließlich der Gottesexistenz infrage stellen und sich einer atheistischen Ketzerei schuldig machen. Im Umkehrschluss erhob der niederländische Humanist Häresievorwürfe gegen Verfolgungsbefürworter und berief sich dabei auf die Illusionstheorie des Canon episcopi. In ihrer Dissertation kontrastiert ANNE DIBLIK (Trier) die top-down initiierten Verfolgungen in den Manderscheider Grafschaften Blankenheim, Gerolstein und Kail, wo (nach der aktuellsten Quellenauswertung) zwischen 1528 und 1641 mehr als 200 Prozesse stattfanden. Beinahe die Hälfte entfällt auf Blankenheim, wo die Verfolgung sog. „Hexenkommissare“ mit obrigkeitlicher Ermächtigung vorantrieben, insbesondere Johannes Möden durch die Erstellung von Denunziationslisten aus Verhörprotokollen. Im luxemburgischen Lehen Kail mit der geringsten Prozessanzahl bestand für die Angeklagten die Möglichkeit, der gräflichen Hochgerichtsbarkeit „Resilienz“ entgegenzusetzen und wegen rechtswidriger Verfahrensführung beim luxemburgischen Provinzialrat Berufung einzulegen. SANTIAGO FRANCISCO PEÑA (Buenos Aires) beleuchtete die instrumentalisierte Rezeption antihäretischer byzantinischer Literatur im renaissancezeitlichen Frankreich, vor dem Hintergrund der konfessionell geprägten Hugenottenkriege (1562–1598). Im Fokus stand der neuplatonische Traktat Perì energeías daimónôn, den wahrscheinlich der Polyhistor Michael Psellos um Mitte des 11. Jahrhunderts gegen die Häresien der Bogomilen und Messalianer verfasste. Eine lateinische Übersetzung (De operatione daemonum) stellte der Hellenist Pierre Moreau von Tours 1573 fertig, die François Feuardent (1539–1610), einflussreiches Mitglied der Heiligen Liga, 1577 neuedierte und mit einem gegenprotestantischen Vorwort versah. Den Dualismus (anti)dämonologischer Diskurse zeigte ISMAEL DEL OLMO (Buenos Aires) am polemischen Dialog zwischen zwei hugenottischen Theologen. Als der französische König Ludwig XIV. (1638–1715) im Rahmen seiner absolutistischen Herrschaftspolitik rigorose Rekatholisierungsmaßnahmen ergriff, mit dem Edikt von Fontainebleau 1685 ein landesweites Protestantismusverbot erließ und die Hugenotten ihrer Bürgerrechte enthob, löste dies Massenemigration aus. In der marginalisierten Religionsgemeinschaft profilierte sich mangels pastoraler Betreuung eine millenaristische Bewegung heraus, die „kleinen Propheten“ (petits prophètes), darunter die Hirtin Isabeau Vincent aus der Dauphiné. In ihren eschatologischen Prophezeiungen kündigte sie die imminente Wiederkunft Christi und die Befreiung der calvinistischen Glaubensgemeinde an. Während der vom Apokalyptismus beeinflusste Pierre Jurieu (1637–1713) diese Weissagungen auf göttliche Inspiration zurückführte, erblickte Élie Merlat (1634–1705) darin dämonische Besessenheit. Unter der orthodox-protestantischen Leitprämisse sola scriptura argumentierte er mit der Doktrin Cessationismus, dass ausschließlich die biblischen Prophezeiungen göttlicher Provenienz seien.

ENDRE ÁDÁM HAMVAS (Szeged) ermittelte intra- und intertextuelle Bezüge zu einem nekromantischen Divinationsritual1 im arabischen Grimoire „Das Ziel des Weisen“ (Ghāyat al-ḥakīm), entstanden Mitte des 10. Jahrhunderts, das durch eine altkastilische Übersetzung aus dem 13. Jahrhundert als der lateinische Picatrix im Spätmittelalter und in der Frühneuzeit europaweit rezipiert wurde. Agrippa von Nettesheim (1486–1535) schöpfte daraus in seinem Hauptwerk De occulta philosophia. Hamvas verwies auf die Forschungslücke bislang ausbleibenden Vergleichs der arabischen und lateinischen Textfassungen. Nekromantie im (nach)reformatorischen Schottland (ab etwa 1560 bis ins 18. Jahrhundert) thematisierte JULIAN GOODARE (Edinburgh/Dùn Èideann). Lediglich disparate Einzelbelege implizieren eine Geister- oder Dämonenbeschwörung, deren limitierte Praktizierung teilweise der engmaschigen Kontrolle der Geistlichen im presbyterianischen Kirchensystem geschuldet ist. Zudem wurden in Zeiten der intensiven Verfolgungen auch jegliche nekromantischen Praktiken als Hexerei klassifiziert und geahndet. Goodare arbeitete die Quellenindizien auf Anwendungskontexte heraus: In literaten Adelskreisen war es die magia naturalis (Astrologie, Sigillenkunde, Talismanologie). So wurde Sir William Stewart, Mitglied einer politischen Verschwörung zur Befreiung der inhaftierten Mary Stewart, 1569 wegen Hochverrats und Hexerei verurteilt. Laut Anklage habe er in der Burg Merchiston Tower anhand De occulta philosophia einen Lunargeist (spiritus lunae) zu Divinationszwecken beschworen. Der Anwendungsbereich innerhalb volksmagischer Praxis war beispielsweise Volksmedizin, wie der Fall des Heilers William Murray von 1588 dokumentiert.

JOHANNES DILLINGER (Oxford/Mainz) erläuterte die Formen und Funktionen populärer Dämonologie im frühneuzeitlichen Raum des heutigen Baden-Württembergs. Im einschlägigen Verwaltungsschrifttum erscheinen Dämonen als mögliche Ursache für Spukphänomene. Prozessunterlagen zufolge wurde Dämonenbeschwörung vereinzelt bei Schatzsuche praktiziert. Häufiger stellten sich die Angeklagten jedoch als Antagonisten der Höllengeister dar und führten ihre Misserfolge auf einen Schatzwächterdämon zurück, der die gottgefällige Erlösung eines Totengeistes zu verhindern trachtete. In diversen Kriminalverfahren versuchten Angeklagte die ihnen vorgeworfene Schuld mit der Behauptung zu relativieren, sie seien durch dämonische Eingebung zur Straftat animiert worden. Im Entlastungsnarrativ mutmaßlicher Hexen werden drei Erscheinungsformen des Teufels beschrieben: Als der „helfende“ Fremde verleitet er eine Frau in finanzieller und/oder emotionaler Notlage zum Teufelspakt. Danach nötigt er sie als gewalttätiger Ehemann zur Teilnahme am Sabbat und zum Maleficium (Schadenzauber). Nach ihrer Inhaftierung versucht er als bedrohlicher Besucher eine Geständnisverweigerung zu erzwingen. Die Beklagte positioniert sich so in eine Opferrolle – „das resiliente Böse“ sei der Teufel selbst. An dieser Stelle ein Hinweis auf die bevorstehende Publikation von Johannes Dillinger: „Die Hexenverfolgung in Überlingen“, die schon dieses Jahr im Gmeiner Verlag veröffentlicht wird.

Die Aspekte Alter und Geschlecht in (anti)dämonologischen Abhandlungen beleuchtete schlaglichtartig CLAUDIA OPITZ (Basel). Das kumulative Hexereidelikt spitzte auf das weibliche Geschlecht erstmals Heinrich Kramer im Malleus maleficarum (1486) zu. Als Widerlegung des scholastischen Hexenhammers stellte der Arzt Johann Weyer (1515–1588) die humoralpathologisch basierte Theorie auf, Selbstbezichtigungen der Hexerei beruhten auf dämonischen Phantasmen, gegen die mehrheitlich Frauen nicht widerstandsfähig seien. Dabei postulierte Weyer einen Kausalzusammenhang mit fortschreitendem Alter oder melancholischen Gemütsverstimmungen (Von Verzeuberungen, 1565, S. 364, 372–373). Dies konterte der Jurist Jean Bodin (1530–1596) mit der Antithese, dass von der Melancholiekrankheit vornehmlich Männer betroffen wären (De magorum daemonomania, 1586, S. 683–686). Der Arzt Johannes Ewich (1525–1588) listete unter den vermeintlichen Gründen weiblicher Anfälligkeit für Hexerei Altersschwäche oder Unerfahrenheit der Jugend auf (Von der Hexen, 1585, S. 15r–15v).

Im Spätsommer des Jahres 1589 trat Prinzessin Anna von Dänemark eine Schifffahrt nach Edinburgh an, um ihre Hochzeit mit dem schottischen König James VI. zu feiern. Dass ein heftiger Seesturm die Anreise verhinderte, wurde als der Sabotageakt einer Hexensekte interpretiert und in Kopenhagen die bis dahin größte Hexenermittlung des Landes in die Wege geleitet (1590–1591). Dies war gemäß LOUISE KALLESTRUP (Kopenhagen) ein mitbestimmender Faktor, weshalb in der nachfolgenden Regierungszeit Christian IV. von Dänemark und Norwegen (reg. 1588–1648) die Justizmaßnahmen gegen Hexerei und Magie in seinen Herrschaftsgebieten verschärfte. Unter signifikantem Einfluss des protestantischen Theologen Niels Hemmingsen (1513–1600), der in mehreren Traktaten Bestrafung religiöser Dissidenten wie vermuteter Hexen zur Pflicht eines christlichen Monarchen erklärt hatte, demonstrierte der Herrscher im Selbst- und Fremdverständnis auch auf diese Weise seine Autorität als gotterwähltes Staatsoberhaupt.

Im Rahmen ihres Dissertationsprojekts untersucht MADELEINE ZIER (Bamberg/Bayreuth) den strafprozessualen Umgang mit Dämonologie in Oberfranken und Südthüringen zwischen etwa 1630 und 1800. Im katholischen Fürstbistum Bamberg, bis 1631 einem der verfolgungsintensivsten Territorien des Heiligen Römischen Reiches, erhob zwar die Bevölkerung weiterhin Hexereidenunziationen, doch deren dämonistische Komponenten wurden bei der Strafzumessung weitestgehend ausgeklammert. Hingegen war der Vorwurf eines Teufelsbündnisses bei zahlreichen Schatzgräbereiprozessen noch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts justiziell relevant. Im protestantischen Fürstentum Coburg, wo die Verfolgung zur Regierungszeit Herzogs Johann Casimir (reg. 1596–1633) kulminierte, blieb Teufelspakt bis etwa 1710 Kernbestandteil der Anklage in Hexerei- bzw. Zaubereiverfahren. Zur derartigen Prozesswelle kam es im lutherischen Fürstentum Bayreuth (resp. Markgraftum Brandenburg-Kulmbach) letztmalig zwischen 1655 und 1668.

THEA SUMALVICO (Halle/Wittenberg) präsentierte einen Teilaspekt ihrer 2022 publizierten Promotionsstudie, den Diskurs um den lutherischen Taufexorzismus in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.2 Unter Rückgriff auf das Theorem der prästabilierten Harmonie der Leibnizschen Philosophie negierten Gelehrte zunehmend eine Möglichkeit physischer Teufelsbesessenheit und schlussfolgerten, der Taufexorzismus sei obsolet. Mit Hinblick auf dessen Ursprung sei der rudimentäre Ritus auch deshalb abzuschaffen, um sich deutlicher von der römisch-katholischen Kirche zu distanzieren. Befürworter hielten dem entgegen, der Exorzismus sei gerade als Abgrenzungsmerkmal gegenüber den Reformierten beizubehalten. In der Debatte wurde im 18. Jahrhundert kein Konsens erreicht. Sie resultierte in der partiellen Abschaffung des taufexorzistischen Ritus, die regional differenziert war (z.B. 1784 in Nürnberg).

Die Narrativierung eines dämonologischen Motivs veranschaulicht in ihrer Dissertation PAULA FURRER (Tübingen) an der anonym verfassten Historia von D. Johann Fausten. Basierend auf der Sage um eine kaum bekannte historische Person, erzählt der Prosatext vom lasterhaften Lebenswandel des magiekundigen Doctor Faustus, der durch Nekromantie ein Teufelsbündnis eingeht. Nach dem Erstdruck von Johann Spies 1587 in Frankfurt fand das Buch rund ein Jahrzehnt breites Leserinteresse. Die Vorrede weist das Werk als Paränese aus, „ein schrecklich Exempel […] allen Christen zur Warnung“3. Indessen übte der Protestant Hermann Wilken (1522–1603) an der Historia scharfe Kritik, nicht zuletzt da sie ihre Leserschaft zur Nachahmung animieren könne. Der Jesuit Jeremias Drexel (1581–1638), Hofprediger des Kurfürsten Maximilians I., vertrat die ähnliche Ansicht, derartige Lektüre habe destruktiven Einfluss auf die Sittenmoral.

Einen im europäischen Vergleich späten Hexenprozess, der international mediales Aufsehen erregt hatte, thematisierte GERGELY BRANDL (Szeged). 1728 verurteilte das Gericht der königlichen Freistadt Szeged in Südungarn dreizehn Personen zur Feuerstrafe. Den Schuldiggesprochenen war dämonische Hexerei zur Last gelegt worden und dabei auf unzeitgemäße Rechtsquellen wie Practica nova (1635) von Benedikt Carpzov dem Jüngeren Bezug genommen sowie auf archaische „Beweismethoden“ wie die Wasserprobe zurückgegriffen. Kaiser Karl VI. (als Karl III. König von Ungarn, reg. 1711–1740) intervenierte in die sich anbahnende Massenverfolgung und auf seine Anordnung hat Bischof Ádám Péter Acsády, Leiter der Ungarischen Hofkanzlei in Wien, die zuständigen Stadtmagistratsmitglieder zur Verantwortung gezogen. Der Ort der Richtstätte am Theiß-Ufer wird bis heute „Hexeninsel“ (Boszorkánysziget) genannt.

MARKUS MEUMANN (Erfurt/Gotha) kontextualisierte die Rezeption englischer (Anti)Dämonologien in der deutschen Frühaufklärung, angeregt durch den Juristen und Philosophen Christian Thomasius (1655–1728). Bevor dessen Monographie gegen die Hexenprozesse (De crimine magiae, 1701) publiziert wurde, zitierte ihn Heinrich von Bode (1652–1720), ein weiterer Professor der juristischen Fakultät in Halle, in seiner verfolgungskritischen Schrift (De fallacibus indiciis magiae, 1701, S. 4–5) nebst Verfechtern des Hexenaberglaubens wie Joseph Glanvill (1636–1680). Die Quellenangaben verwiesen auf Textpassagen, in welchen Thomasius den rationalistischen Cartesianismus im Sinne Balthasar Bekkers abgelehnt hatte, der jegliche Präsenz dämonischer Geistwesen in der materiellen Welt verneinte (z.B. Versuch von Wesen des Geistes, 1699, S. 119–120). Als er später zu Übersetzungen englischer (Anti)Dämonologien jeweils einen Prolog verfasste, darunter ein Traktat von Glanvills Hauptkritiker John Webster (1610–1682), äußerte Thomasius eine dezidierte Affirmation seiner Ablehnung von Hexenexistenz.

„Ich schwöre allen Werken und Worten des Teufels ab, Donar und Wodan“4, besagt die abrenuntiatio diaboli im Sächsischen Taufgelöbnis aus dem 8. Jahrhundert und reflektiert damit die christliche Uminterpretierung des heidnischen Pantheons. Ein interessanter Aspekt des aufschlussreichen Vortrags von CHRISTA TUCZAY (Wien) war die Dämonisierung mythischer Sagengestalten in der säkularen Literatur des Mittelalters. So schildert Geoffrey von Monmouth in der Historia regum Britanniae (um 1135), der zauberkundige Merlin sei der Sohn eines Inkubus.5 Stellt derselbe Autor in der Vita Merlini (um 1150) Morgan le Fay, die zentrale Feenfigur der Artussage, positiv dar6, wird sie in der höfischen Artusepik graduell als Negativgestalt skizziert. Hartmanns von Aue Êrec-Roman (um 1180) zufolge stand Fâmurgân im Bund mit dem Teufel und verfügte über nekromantische Fähigkeiten.7 Ein diabolisiertes Melusinenmotiv gibt etwa zeitgleich Walter Map in De nugis curialium wieder.8 VANESSA-NADINE STERNATH (Kassel) gewährte einen Einblick in Das Buch der Natur (um 1350), ein enzyklopädisches Werk Konrads von Megenberg. Im Kapitel Von den merwundern werden unter Einbezug antiker Literaturquellen meist wasserlebende Fabelwesen beschrieben und anschließend in einer moraldidaktischen Allegorese als Charaktereigenschaften metaphorisiert. SILVIE LANG (Kassel) referierte aus den oberpfälzischen Sitten und Sagen (1857–1859) des Volkskundlers Franz Xaver Schönwerth. Im Paragraph über das mythische Nachtalbwesen (die Drud) beschreibt der Autor den kontemporären Volksglauben und stellt Vermutungen über dessen germanische und keltische Ursprünge an.

Die Tagung veranschaulichte die Heterogenität der teils diametral entgegengesetzten (anti)dämonologischen Diskurse, die auf Synchronebene besonders im Bereich der frühneuzeitlichen Theologie, Philosophie, Juristik sowie der empirischen Naturwissenschaften, einschließlich humanmedizinischer und psychologischer Theorieansätze geführt wurden. So gab es unter Zeitgenossen nicht bloß Befürworter, sondern stets auch Kritiker der Hexenverfolgungen. Die bis ins 18. Jahrhundert fortdauernde Diskussion unterlag einem diachronen Wandel zugunsten der Verfolgungskritiker. Mehrere Tagungsbeiträge verdeutlichten, dass auch die politisch-konfessionelle Instrumentalisierung der dämonologischen Doktrin zur Hexenverfolgung zeit- und regionalbedingt bzw. begrenzt war. Andererseits waren Kontinuitäten festzustellen, die sich aus der Rezeption (anti)dämonologischer Theoriekonzepte ergaben, wie aus der Anwendungspraxis in Kirchenritus oder (Volks)Magie bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Aufgrund ihrer Komplexität bedarf (Anti)Dämonologie als Forschungsgegenstand auch künftig interdisziplinärer methodischer Zugänge.

Konferenzübersicht:

Johannes Kuber (Stuttgart): Begrüßung

Wolfgang Behringer (Saarbrücken): Tagungseinleitung

Sektion 1: Dämonologie und Resilienz

Rita Voltmer (Trier): Dämonologie, Anti-Dämonologie und das soziologische Theoriedesign „Resilienz“: Einführende Überlegungen

Anne Diblik (Trier): Dimensionen von Resilienzprozessen am Beispiel der Hexereiverfahren in den Manderscheider Grafschaften

Santiago Francisco Peña (Buenos Aires): Platonic Demons in Renaissance France: Byzantine Demonology and Hellenic Resilience

Ismael del Olmo (Buenos Aires): Élie Merlat and the French Prophets: Demonology and Discernment from a Resilience Perspective

Sektion 2: Nekromantie und Dämonologie

Endre Ádám Hamvas (Szeged): Traces of Necromantic Divinatory Practices in the Picatrix

Julian Goodare (Edinburgh/Dùn Èideann): Scottish Necromancers and Elite Magic

Johannes Dillinger (Oxford/Mainz): Das resiliente Böse: Dämonen im Hexenprozess und in der Volkskultur Südwestdeutschlands

Sektion 3: Dämonologie im konfessionellen und regionalen Kontext

Claudia Opitz (Basel): „Hexenwahn“: Über den Zusammenhang von Melancholie, Alter und Geschlecht in der frühneuzeitlichen Dämonologie

Louise Kallestrup (Kopenhagen): Demonology, Divine Duty and a Godly Monarch: Christian IV and the Experience of Witchcraft in the 1590s

Madeleine Zier (Bamberg/Bayreuth): Dämonologische Vorstellungen in Zaubereiverfahren Oberfrankens und Südthüringens (spätes 17. bis 18. Jahrhundert)

Thea Sumalvico (Halle/Wittenberg): Der lutherische Taufexorzismus im Kontext dämonologischer Debatten des 18. Jahrhunderts

Paula Furrer (Tübingen): Poetologie am ‚anderen‘ Ort: Witekind, Drexel und die Historia von D. Johann Fausten (1587)

Gergely Brandl (Szeged): Torture, Confession and the Devil: The Impact of the Legal Sources on the Demonological Confessions during the Witch-hunt of Szeged, Hungary, 1728–1729

Markus Meumann (Erfurt/Gotha): Counter-Demonology: Die Rezeption und Verbreitung englischer (Anti-)Dämonologien durch Christian Thomasius, 1718–1726

Sektion 4: Literarisches und Dämonologie

Christa Tuczay (Wien): Gelehrte und popularisierte Dämonologie: Interaktionen zwischen Dämonen und Menschen in der weltlichen Literatur des Mittelalters

Vanessa-Nadine Sternath/Silvie Lang (Kassel): Konrads von Megenberg „Das Buch der Natur“ und Franz Xaver Schönwerths „Sitten und Sagen aus der Oberpfalz“ als Dämonenkataloge

Schlussdiskussion in Moderation von Rita Voltmer, Wolfgang Behringer, Ismael del Olmo, Johannes Kuber

Anmerkungen:
1 Gemeint ist die primäre Bedeutung von Nekromantie: Divination mittels Totengeisterbeschwörung. In diesem Tagungsbericht wird Nekromantie im Folgenden einschließlich der sekundären semantischen Erweiterung um Dämonen- bzw. Teufelsbeschwörung verwendet. Zur Genese des Begriffs vgl. Julian Goodare, The European Witch-Hunt, London/New York 2016, S. 37.
2 Thea Sumalvico, Umstrittene Taufe: Kontroversen im Kontext von Theologie, Philosophie und Politik (1750–1800), Halle 2022.
3 Stephan Füssel/Hans Joachim Kreutzer (Hrsg.), Historia von D. Johann Fausten, Stuttgart 2020, S. 5.
4 ec forsacho allum dioboles uuercum and uuordum, Thunaer ende Uuoden, in: Stephan Müller (Hrsg.), Althochdeutsche Literatur, Stuttgart 2007, S. 98; Übersetzung d. Verf.
5 Lewis Thorpe (Hrsg.), The History of the Kings of Britain, London 1966, S. 167–168.
6 Inge Vielhauer (Hrsg.), Vita Merlini, 2. Aufl. Amsterdam 1964 (1. Aufl. 1964), S. 69–70.
7 Manfred Günter Scholz (Hrsg.), Erec, 5. Aufl. Frankfurt am Main 2021 (1. Aufl. 2007), S. 298, V. 5190–5208.
8 M. R. James (Hrsg.), De nugis curialium, Oxford 1983, S. 344–349.

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