175 Jahre Slawenkongress (1848–2023). Geschichte – Ideen – Gedenken

175 Jahre Slawenkongress (1848–2023). Geschichte – Ideen – Gedenken

Organisatoren
Historický ústav Akademie věd České republiky, Praha; Masarykův ústav a Archiv Akademie věd České republiky, Praha; Archeologický ústav Akademie věd České republiky, Praha; Filosofický ústav Akademie věd České republiky, Praha; Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa GWZO, Leipzig; Collegium Carolinum, München; Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung – Institut der Leibniz-Gemeinschaft, Marburg; Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie, Schleswig; Commission Internationale des Études Historiques Slaves (CIEHS), Brüssel
Ort
Prag
Land
Czech Republic
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
07.06.2023 - 10.06.2023
Von
Jan Wachter, Institut für Slavistik, Universität Leipzig

175 Jahre nach dem europäischen Revolutionsgeschehen von 1848/49 erinnern im Jahr 2023 zahlreiche Veranstaltungen an die damaligen Begebenheiten und deren Langzeitwirkungen. Während sich wissenschaftliche und gesellschaftliche Diskurse in Deutschland mehrheitlich nationalen Ereignissen widmen, stand bei einer internationalen Konferenz in Prag der Slawenkongress vom Juni 1848 im Mittelpunkt. Das Prager Treffen vor 175 Jahren reagierte auf die erste deutsche Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche. Die Prager Tagung von 2023 wurde durch die internationale Kooperation vieler wissenschaftlicher Einrichtungen möglich, deren Direktorinnen und Direktoren zusammen mit der österreichischen Botschafterin in der Tschechischen Republik, Bettina Kirnbauer (Prag), ihre Grußworte an alle Teilnehmer:innen richteten.

Die Konferenz bot Einblicke in den neuesten Forschungsstand. In seinen Begrüßungsworten lobte CHRISTIAN LÜBKE (Leipzig) die langjährigen Kooperationen zwischen tschechischen und deutschen Institutionen, insbesondere zwischen dem Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO) und Instituten der Akademie der Wissenschaften der tschechischen Republik. MILAN HLAVAČKA (Prag) hob sowohl die aktuelle Relevanz des Konferenzthemas als auch den damit einhergehenden wissenschaftlichen Austausch hervor. Ferner umriss er die Grundstruktur der Tagung, die darauf zielte, realgeschichtliche Aspekte des Slawenkongresses vom Juni 1848 zu thematisieren und diese sowohl mit einer Einordnung in den europäischen Revolutionszusammenhang als auch mit dessen Langzeitwirkungen zu verknüpfen.

Die erste Sektion behandelte prägende Ereignisse des Slawenkongresses im Rahmen der Habsburgermonarchie. ZDENKO ZLATAR (Sidney) führte in die Problematik ein, die sich aus den Gemeinsamkeiten der slawischen Sprachen und deren Rolle als nationenbildendes Element ergeben. Dabei zeigte er den Weg zum Pager Slawenkongress aus sprachwissenschaftlicher Sicht auf und hob besonders das Wirken von Josef Dobrovský, Ján Kollár, Pavel Jozef Šafárik, Ljudevit Gaj und Ľudovít Štúr für die Slawistik hervor.

MILAN HLAVAČKA (Prag) setzte sich mit der Bildung des historischen Bewusstseins in Bezug auf den Slawenkongress anhand dreier Generationen tschechischer Historiker:innen auseinander. Dass die Geschichtsschreibung und die Interpretation der Ereignisse bis heute von Relevanz sind, wurde in der anschließenden Diskussion sehr deutlich. DANIEL BARÁNEK (Prag) lenkte den Fokus auf die Juden in der Habsburgermonarchie und riss damit Fragen der gemeinsamen Nationalität und der besonderen Bedeutung der Religionen an.

Einen weiteren Schwerpunkt der Sektion bildete die Frage nach der Rolle verschiedener Volksgruppen. Wesentlich war, wie JAN RYCHLÍK (Prag) feststellte, dass es innerhalb der Habsburgermonarchie „keine Minderheiten“ gab, „weil es keine Mehrheit gab“. Als zentrales Thema verhandelten die Delegierten des Prager Slawenkongresses daher nicht die Minderheiten-, sondern die Nationalitätenfrage. Diskussionsbeiträge über mögliche politische Kooperationen von Slawen mit verschiedenem Nationsbewusstsein zeigten, dass diese unterschiedliche politische Ziele verfolgten, die zum Teil miteinander unvereinbar waren. Zwar wurden auf dem Slawenkongress viele Pläne vorgestellt, aufgrund unterschiedlicher Prioritäten resultierten daraus jedoch keine tiefgreifenden Wirkungen. JANA OSTERKAMP (Augsburg) erweiterte die Perspektive, indem sie mit der Bukowina den Blick auf historische Regionen des Jahres 1848 richtete, die heute zur Ukraine gehören.

In seinem Vortrag über die Inhaftierung politischer Gegner 1848/49 zeichnete PAVEL HEŘMÁNEK (Prag) die zeitgenössische Atmosphäre im Kaiserreich nach, während PETER URBANITSCH (Wien) den Fokus auf Konzepte zu Revolution und Reformen um 1848 legte. Die Einschätzungen von Einzelpersonen aus der Revolutionszeit beleuchteten JAN KAHUDA (Prag) mit Hilfe von schriftlichen Hinterlassenschaften der Fürstin Melanie Zichy-Metternich und FRANZ ADLGASSER (Wien) anhand des Tagebuchs von Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg.

Aufbauend auf den in seiner Studie „Metternich – Stratege und Visionär. Eine Biografie“ von 2022 vorgestellten Erkenntnissen widmete sich WOLFRAM SIEMANN (München/ Adelzhausen) in seiner Keynote dem Verhältnis von Nationalität und Staat anhand der Einschätzungen des Fürsten Metternich. Dabei machte er deutlich, dass dieser den russischen Imperialismus, der sich unter dem religiös verbrämten Panslawismus verbarg, als ursächlich für die Gefahr nationaler Staatenbildungen einschätzte, während er die habsburgische Gesamtmonarchie stets als Schutzraum der einzelnen Nationalitäten verstand.

Die zweite Sektion, deren Schwerpunkte auf den Auswirkungen des Slawenkongresses und dem späteren Gedenken an ihn lagen, knüpfte thematisch an die Frage nach den divergierenden Interessen innerhalb der Habsburgermonarchie an. KRZYSZTOF POPEK (Krakau) ging zunächst auf das außerhalb der Monarchie gelegene Bulgarien ein, das mit dem Ziel, den russischen Einfluss auf dem Balkan im Zuge des bulgarischen Kirchenstreits zu reduzieren, Interessen mit der polnischen Delegation teilte. DANIEL KALINOWSKI (Słupsk) hob die Bedeutung von Literatur als emotionaler Faktor der Förderung des Nationalbewusstseins am Beispiel von Schriftstellern innerhalb der polnischen Delegation hervor.

ANDOR ÁKOS MÉSZÁROS (Budapest) behandelte die Absichten der ungarischen Delegation, die angesichts des Ziels eines ungarischen Nationalstaates den Panslawismus mit Sorge betrachtete. Während ein Teil der Delegierten die Habsburgermonarchie im Sinne des von František Palacký propagierten Austroslawismus als Hüterin der slavischen Völker ansahen, stellte ROMAN HOLEC (Bratislava) heraus, dass im Gegensatz dazu Vertreter der slowakischen Delegation eine Annäherung an Russland bevorzugten. In der slowakischen historischen Erinnerung werde der Slawenkongress tendenziell als reaktionäre Veranstaltung wahrgenommen, in der die Abgrenzung zum Deutschen und Ungarischen vordergründig war. MARTIN ROHDE (Regensburg) griff den zentralen Gedanken, dass die slawischen Völker in Prag keinesfalls homogene Ziele verfolgten, am Beispiel der ruthenischen Intelligenz auf. Die Ruthenen hätten an die Reformierbarkeit der Monarchie geglaubt und als Teilnehmer am Slawenkongress in ihrem Interesse „produktiv abgeschaut“. Mit Blick auf die nur zwei russischen Vertreter betonte GUIDO HAUSMANN (Regensburg), dass Bakunin als einer von ihnen die Slawen als Schicksalsgemeinschaft betrachtete. Im Anschluss an den Beitrag von VLASTA ŠVOGER und BRANKO OSTAJMER (Zagreb) über die kroatische Delegation stand die Frage nach der Verständigung zwischen den slawischsprachigen Delegierten, die nicht zwangsläufig gegeben war, im Zentrum der Diskussion.

In der dritten Sektion lag der Fokus auf der wissenschaftlichen Rezeption, auf politischen Ideen und auf ausgewählten, dem Slawenkongress nachfolgenden und mit ihm im Zusammenhang stehenden Ereignissen. Ein besonderes Feld der Betrachtung bildete zunächst die Entwicklung einer sich von der klassischen Archäologie der antiken Kulturen und der beginnenden Archäologie der Germanen unterscheidenden slawischen Archäologie. Eine wesentliche Rolle spielte dabei Prag selbst, wo Jan Erazim Vocel, über dessen Wirken VLADIMIR SALAČ (Prag) berichtete, im Jahr 1850 zum ersten außerordentlichen Professor der Archäologie und Kunstgeschichte an der Prager Universität ernannt wurde. Den damals einsetzenden archäologischen Untersuchungen auf den Arealen der Prager Burg in der Zeit eines Jahrhunderts (1850-1950) und der Entwicklung eines Konzeptes der slawischen Archäologie am Prager Archäologischen Institut (1919-1952) widmeten sich JANA MAŘÍKOVÁ (Prag) und MARCELA STARCOVÁ (Prag).

Drei weitere Beiträge thematisierten das Aufkommen archäologisch-slavenkundlicher Forschungen in slowakisch-ungarischen Zusammenhängen, nämlich PETER PODOLAN (Bratislava) über mögliche im Jahr 1848 erfolgte Anstöße für die slowakische Archäologie, PÉTER PROHÁSZKA (Nitra) in Bezug auf den Gelehrten Jan Kollár, der 1849 an der Universität Wien eine Professur für slawische Altertumskunde erhielt, und MÁRTA FONT (Pécs) über den etwas später wirkenden Historiker und Linguisten Antal Hodinka (1864-1946) mit seinem spezifischen Interesse an den Ruthenen. Die Diskussionsbeiträge griffen hier wie in einer parallelen Sektion wiederum Aspekte auf, die bereits zuvor von zentraler Bedeutung waren. So wurde in Anlehnung an PIOTR SZLANTAs (Warschau) Vortrag die in der polnischen marxistischen Historiografie nach dem zweiten Weltkrieg vorgenommene Einschätzung des Slawenkongresses als „mentale Gymnastik“ bezeichnet, da diese auf dem angeblich revolutionären Charakter und der tiefgreifenden Solidarität zwischen den slawischen Völkern fußte. In der Realität waren die revolutionären Elemente des Kongresses jedoch überschaubar und das Miteinander der slawischen Delegierten keineswegs solidarisch.

Dass gemeinsame politische Ziele dennoch im Vordergrund standen, verdeutlichten GIULIA LAMI (Mailand) und ANTONIO D’ALESSANDRI (Rom), die die Zuneigung der liberalen Katholiken in Italien für die Polen und die Gefahr eines revolutionären Italiens für die Habsburgermonarchie hervorhoben. Dem schloss sich thematisch MILOŠ ŘEZNÍK (Warschau) an, der die historisch einmaligen Umstände aufzeigte, durch die sich das austroslawistische Denken in der Politik um die 1850er Jahre deutlich manifestierte. Besonders prägnant analysierte er das scheinbare Paradoxon der slawischen Wechselseitigkeit, die die Entwicklung von gemeinsamen politischen Programmen zum Ziel hatte, und die gleichzeitig stattfindende gegenseitige Ausdifferenzierung einzelner slawischer Gruppen wie der Tschechen und der Slowaken, wodurch die Idee einer slawischen Nation immer weiter in den Hintergrund rückte. Übereinstimmend mit vorherigen Diskussionsbeiträgen konstatierte Řezník, dass der Austroslawismus nicht slawisch zentriert war, sondern die Kombinierbarkeit ethnisch-kultureller, nationaler Identitäten mit einer supranationalen Identität, in deren Mittelpunkt die Fortexistenz des Gesamtstaates stand, vorsah.

In der anschließenden Diskussion unterstrich Jana Osterkamp den transnationalen Aspekt, den sie in der Pluralität der Staatlichkeit verordnete, und zog dahingehend historische Parallelen zum föderativen Nationalismus in Deutschland und Italien. Ferner debattierten die Teilnehmer:innen besonders intensiv das Verhältnis von Sprachnation und Landesnation. Die Territorialisierung von Sprache sei erst in den Revolutionsjahren als Problem empfunden worden, wobei Sprache immer weniger als nationale Einheit, sondern vermehrt als ethnisches Abgrenzungsmerkmal verstanden wurde. Abschließend betonte Řezník die Bedeutung von Nationen als Schmelztiegel des 19. Jahrhunderts.

In seinem Beitrag über den als „Germanisator im Protektorat Böhmen“ unrühmlich bekannt gewordenen sudentendeutschen Historiker Josef Pfitzner lenkte STEFAN LEHR (Oldenburg) den Fokus auf die Förderung föderativer Elemente im Austroslawismus. ADAM ŚWIĄTEK (Krakau) behandelte die Ausdifferenzierung von Interessen einzelner slavischer Gruppen am Beispiel der Slawischen Journalistenkongresse zwischen 1898 und 1912. Während die Teilnahme der slowakischen Delegation durch Ungarn verboten wurde, stellte der polnisch-russische Konflikt ein weiteres zentrales Hemmnis dar. Zwar konnte die Union der Slawischen Journalisten im Jahre 1903 schließlich gegründet werden, aufgrund politischer Differenzen begann diese jedoch bereits vor dem Ersten Weltkrieg zu zerfallen.

In einer der erweiterten Perspektive auf Deutschland dienenden Keynote zum Berliner Friedhof der Märzgefallenen gelang es SUSANNE KITSCHUN und JOHANN GERLIEB (Berlin), die Ereignisse des Slawenkongresses in den europäischen Revolutionszusammenhang zu setzen und einen umfassenden Überblick über 175 Jahre Berliner Erinnerungskultur in Bezug auf die Ereignisse von 1848 zu vermitteln. Während sich das Gedenken zu Beginn bewusst gegen den preußischen Obrigkeitsstaat richtete, erfuhr der Friedhof in der Weimarer Republik eine Aufwertung, indem er Teil der offiziellen Erinnerungskultur wurde.

Die anschließende Diskussion griff die Frage auf, wie es sich in Zukunft verhindern lasse, dass der Märzfriedhof, der inzwischen als Ort der Forschung, Wissensvermittlung und Erinnerung fungiert, auf Grund seiner besonderen Konstellation von rechtsnationalen Gruppierungen instrumentalisiert wird.

JAN MERVART (Prag/Jena) erläuterte den Platz des Slawenkongresses in der marxistischen Historiografie und betonte, dass Marx und Engels den Kongress zwar mit Sympathie betrachteten, die Tschechen jedoch als Konterrevolutionäre und den Panslawismus als anti-historische Bewegung verstanden. In seinem Vortrag zum Anti-(Pan)-Slawismus im 19. und 20. Jahrhundert gelang es ADAMANTIOS SKORDOS (Leipzig), Fortentwicklung und Auswirkungen der Konzepte des Slawenkongresses auf gesamteuropäischer Ebene aufzuzeigen. Er hob die integrative Wirkung des Panslawismus bei den Nicht-Slawen hervor, die sich in Deutschland, Griechenland und Rumänien des 19. Jahrhunderts als „Antislawismus“ z.B. in einer Form von Angst vor russischen, bzw. in Italien, Griechenland und auch Österreich in einer Angst vor südslawischen Expansionsbestrebungen zeigte. In der nationalsozialistischen Ideologie fußte der Anti-Bolschewismus auf diesem Antislawismus und seiner langen Tradition antislawischer Rhetorik.

FRANK HADLER (Leipzig), der über den Neo-Slawismus in Zusammenhang mit dem Ausgang des Russisch-Japanischen Kriegs 1904/05 referierte, legte den Fokus auf geopolitische Veränderungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Hadler betonte dabei den transnationalen Charakter des Neo-Slawismus als direkte Reaktion auf die Niederlage des Zarenreiches. Der Neo-Slawismus sei im Gegensatz zum Pan-Slawismus nicht allein von Innen erklärbar und stelle kein regionales Phänomen dar. In der anschließenden Diskussion wurde der Aspekt bedacht, dass mit dem Aufkommen des Neo-Slawismus eine Fokussierung auf Moskau einherging. Auf der Basis einer Karte des tschechischen Archäologen, Anthropologen, Ethnographen und Historikers Lubor Niederle der „slawischen Welt“ (Slovanstvo) von 1912 verknüpfte Hadler seinen Vortrag mit vorherigen Beiträgen, worüber sich die Konferenzteilnehmer:innen rege austauschten. Anschließend zeigte JAN SZUMSKI (Warschau) auf, wie die Akademie der Wissenschaften der Sowjetunion mit Hilfe einzelner Monographien über die Geschichte Polens, Bulgariens und der Tschechoslowakei die ideologische Basis für ein „slawisches Commonwealth“ legte. Besonders hob er die Bedeutung der Slawistik hervor, die in der Sowjetunion neben der Sprach- und Literaturwissenschaft auch Sozial-, Geschichts- und Wirtschaftswissenschaften beinhaltete.

Die Prager Konferenz bot zudem Bühne und Gelegenheit für Vertreter:innen wissenschaftlicher Kommissionen, zusammenzukommen und sich über zukünftige Ziele und Herausforderungen auszutauschen. Den Anfang machte die Commission Internationale des Études Historiques Slaves (CIEHS), deren Mitglieder den historischen Gehalt des Slawenkongresses betonten und zentrale Gedanken der Konferenz mit der aktuellen weltpolitischen Lage verknüpften. Diese erfordere einen fruchtbaren Dialog innerhalb eines Netzwerks von Wissenschaftler:innen, die über slawischsprachige Regionen forschen. Die per Videobotschaft zugeschaltete Präsidentin des International Committee of Historical Science (CISH) CATHERINE HOREL (Paris) unterstütze die Idee, die Kommission mit Blick auf den kommenden Weltkongress der historischen Wissenschaften (2026 in Jerusalem / Tel Aviv) in Richtung eines International Slavic and East European History Network (ISEEHN) weiterzuentwickeln.

Anschließend führte RYSZARD GRZESIK (Posen) in die Arbeit der recht jungen, im Jahr 2018 in Belgrad gegründeten und nach dem polnischen Historiker Gerard Labuda benannten Kommission für die Erforschung der slawischen Frühgeschichte (Prof. Gerard Labuda Commission of Early Slavic History Affiliated to the International Committee of Slavists) ein. Zwei exemplarische Publikationen der Kommission, nämlich die Reihen der „Quellen zur ältesten Geschichte der Slaven“ (Testimonia najdawniejszych dziejów Słowian) und das „Lexikon der slavischen Altertümer“ (Słownik starożytności słowiańskich) stellten Grzesik und sein Kollege WOJCIECH MĄDRY (Posen) näher vor. Der regelmäßigen, institutionalisierten Thematisierung einer spezifischen Archäologie der Slawen in Form großer internationaler Kongresse diente die Union Internationale d’Archéologie Slave, deren Tätigkeitsfeld in Vergangenheit und Gegenwart SEBASTIAN BRATHER (Freiburg) über „Slavische Archäologie“ im sozialistischen Lager und ANDREJ PLETERSKI (Ljubljana) über Archäologie der Slawen heute referierten.

Zum Abschluss der Konferenz hatten alle interessierten Teilnehmer:innen am Morgen des letzten Konferenztags die Möglichkeit, die Wohnung František Palackýs und seines Schwiegersohnes František Ladislav Rieger zu besichtigen und somit jenseits der Konferenzräume in der Villa Lanna die Ereignisse und Folgen des Prager Slawenkongresses des Jahres 1848 an authentischen Orten „nachzufühlen“.

Konferenzübersicht

Milan Hlavačka (Prag), Christian Lübke (Leipzig): Welcome

Section 1: Prague, Bohemia, and the Austrian Empire in 1848. Events that Shaped the Monarchy

Zdenko Zlatar (Sidney): To Be One Once More: The Road to Prague 1848

Daniel Baránek (Prag): The Revolution of 1848 and Jewish Society in the Bohemian Lands

Milan Hlavačka (Prag): Die tschechische Historiographie über das Revolutionsjahr 1848 und die deutschen Konterpetitionen

Damian Szymczak (Posen): Die polnische Delegation in Prag 1848

Jan Rychlík (Prag): František Palackýs erster Vorschlag zur Vereinigung der Slowakei mit den böhmischen Ländern

Keynote: Wolfram Siemann (München/Adelzhausen): Metternich, die Slawen und die Habsburgermonarchie 1842–1849: über das Verhältnis von Nationalität und Staat

Peter Urbanitsch (Wien): Revolutionen und Reformen. 1848/49 im habsburgischen Mitteleuropa

Jana Osterkamp (Augsburg): The Habsburg Ukrainians. Becoming an Acknowledged Nation in 1848

Jan Kahuda (Prag): Die Tagebücher der Fürstin Melanie Zichy-Metternich aus der Revolutionszeit

Franz Adlgasser (Wien): Ein Blick aus Frankfurt nach Wien und Prag: Das Tagebuch von Viktor Franz Andrian-Werburg aus der Revolutionszeit

Pavel Heřmánek (Prag): Revolutionäre im Gefängnis: Die Inhaftierung politischer Gegner 1848/1849 als Barometer für die zeitgenössische Atmosphäre im Kaiserreich

Section 2: The Congress of the Slavs: Effects and Commemorations

Daniel Kalinowski (Słupsk): Ryszard Berwiński and Lucjan Siemieński – Polish Writers in Prague Discussions on the Fate of the Slavs

Andor Ákos Mészáros (Budapest): The Echo of the Prague Congress in Hungary in 1848

Vlasta Švoger, Branko Ostajmer (Zagreb): Political Paths of the Croatian Participants at the Prague Congress of the Slavs

Krzysztof Popek (Krakau): On the Sidelines or Outside the Prague Congress? The Polish Question and Bulgarian National Movement in the Middle of the 19th Century

Magdalena Pokorná (Prag): Havlíčeks Ansichten über den Slawenkongress

Roman Holec (Bratislava): Der Slawenkongress in der slowakischen historischen Erinnerung

Martin Rohde (Regensburg): Neue Möglichkeitsräume: Die ruthenische Intelligenz in Galizien und die Folgen des Jahres 1848

Guido Hausmann (Regensburg): Bakunin als politischer Redner

Section 3: Sciences, Political Ideas and Afterlife of the Congress (Part 1: Archaeology, Slavonic Studies)

Vladimir Salač (Prag): Jan Erazim Wocel – vor dem, auf dem und nach dem Slavischen Kongress

Péter Prohászka (Nitra): Jan Kollárs „archäologische“ Tätigkeiten in Ungarn

Jana Maříková: Die archäologischen Areale der Prager Burg und ihre slavische Interpretation (1850–1950)

Marcela Starcová (Prag): Das Archäologische Institut und das Konzept der slavischen Archäologie (1919–1952)

Peter Podolan (Bratislava): The year 1848 as a milestone in Slovak archaeology?

Márta Font (Pécs): Antal Hodinka (1864–1946) – A Pioneer Fellow on Slavonic Studies

Section 3: Sciences, Political Ideas and Afterlife of the Congress (Part 2: Historiography – Historiosophy)

Piotr Szlanta (Warschau): The Congress of the Slavs in the Polish Historiography

Giulia Lami (Mailand) / Antonio D’Alessandri (Rom): Between History and Historiography. Italian Points of View on 1848 and the Slavic Congress in Prague

Stefan Lehr (Oldenburg): Josef Pfitzners Ansichten über den Slawenkongress 1848 und das Slawentum

Keynote

Susanne Kitschun / Johann Gerlieb (Berlin): Ort, Vernetzung, Forschung. Der Friedhof der Märzgefallenen im 175. Jubiläumsjahr der Revolution 1848/49

Section 3: Sciences, Political Ideas and Afterlife of the Congress (Part 3: Historiosophic and Political Ideas)

Martin Profant (Prag): Der Prager Slawenkongress im Spannungsfeld konkurrierender Konzepte des Slawentums

Miloš Řezník (Warschau): Der Slavenkongress und die Geburt des Austroslavismus

Adamantios Skordos (Leipzig): The Phenomenon of Anti-(Pan-)Slavism in Nineteenth- and Twentieth-Century Europe: From “Russian Pan-Slavism” to “Slavocommunismo”

Jan Mervart (Prag/Jena): The Congress of the Slavs as “Counter-Revolution”? Marxist Historiography Meets Journalism of Marx and Engels

Adam Świątek (Krakau): The Idea of the Slav Congress in Prague Fifty Years Later. Congresses of Slavic Journalists 1898–1912

Frank Hadler (Leipzig): Six Decades after Prague 1848 – The Phenomenon of Neo-Slavism in Relation to the Outcome of the Russo-Japanese War 1904/05

Jan Szumski (Warschau): Marxist Synthesis of History of Slavic Countries in the Eastern Block and in the USSR

Section 4: Contemporary Research in the History and Culture of the Slavs: Scientific Associations

Commission Internationale des Études Historiques Slaves (CIEHS)

Giulia Lami (Mailand): The Congress of the Slavs as a Moment of Reflection in the Studies of our Commission Yesterday and Today

Dušan Kováč (Bratislava): Reflections on Activities in Jinan 2015 and after

Frank Hadler (Leipzig): History, Objectives, Achievements, and Future of CIEHS in International Slavic and East European History Studies

Video message by Catherine Horel (Paris)

Komisja Wczesnych Dziejów Słowian im. Prof. Gerarda Labudy przy Międzynarodowym Komitecie Slavistów

Ryszard Grzesik (Posen): Idee und Programm der Kommission

Ryszard Grzesik (Posen): Testimonia najdawniejszych dziejów Słowian (Testimonies of the Oldest History of the Slavs) – the Sources Basis for the Lexicon of the Slavic Antiquities (Słownik starożytności słowiańskich)

Wojciech Mądry (Posen): Die Entstehungsgeschichte des „Wörterbuchs der slavischen Altertümer“ (Słownik starożytności słowiańskich)

Union Internationale d’Archéologie Slave: Internationale Kongresse und die Slavische Archäologie nach dem 2. Weltkrieg

Sebastian Brather (Freiburg): „Slavische Archäologie“ im sozialistischen Lager

Andrej Pleterski (Ljubljana): Archäologie der Slaven heute