Die Auftaktveranstaltung der neuen Kölner Kolloquien zum Nationalsozialismus und seiner Nachgeschichte bot sowohl eine Bestandsaufnahme der bisherigen Forschung zum Nationalsozialismus in Köln und der Region als auch eine ertragreiche Suche nach Desideraten für zukünftige Forschungen und Kolloquien. Kölner Universitätsprofessor:innen und das NS-Dokumentationszentrum (NS-DOK) als zentrale Gedenkstätte und archivnahe Forschungseinrichtung in Köln organisierten das Kolloquium mit dem Ziel, in Zukunft mehr zusammenzuarbeiten. Gesprächsformate brachten dazu etablierte Historiker:innen mit neueren Kolleg:innen und Perspektiven in einen fruchtbaren Austausch. Dies entsprach dem Vorhaben der Veranstalter:innen, in deren Namen HENNING BORGGRÄFE (Köln) einleitend die Hoffnung auf neue Impulse zur Erforschung der NS-Herrschaft in Köln formulierte und die Bedeutung der kommunalen und Mikroebene als Erkenntnisraum hervorhob.
Die Basis des Kolloquiums legte das Gespräch von HENNING BORGGRÄFE (Köln) mit HORST MATZERATH (Köln) und JOST DÜLFFER (Köln) zur Entwicklung der NS-Forschung in und über Köln. Aus eigener Erfahrung konnten beide – Matzerath als Gründungsfigur der archivarischen und musealen NS-Dokumentation und Dülffer als Professor an der Universität zu Köln ab 1982 – von Entwicklungen und Widerständen der frühen NS-Forschung berichten. Mit Geschichtswerkstätten, begangenen Jahrestagen und politisch-linker Bewegung zeichnete vor allem die Zivilgesellschaft noch vor der institutionellen Forschung für kritische Beschäftigung mit der Kölner NS-Vergangenheit verantwortlich. Durch Ausstellungen wie die Monumenta Judaica 1963 sei vor allem das Interesse einer jüngeren Generation an der nationalsozialistischen Vergangenheit gewachsen. Davon beeinflusst habe der Fokus – auch der öffentlichkeitsbezogenen Arbeit in Archiv und NS-DOK – zunächst bei Widerstand und Verfolgung gelegen. Eng verzahnt seien dementsprechend die öffentlichen Debatten wie die Kontroverse um die Edelweißpiraten mit geschichtswissenschaftlicher Erkenntnis gewesen. Zugleich habe in der öffentlichen Debatte von Beginn an ein Selbstbild der Stadtgesellschaft dominiert, das eine weitgehende Immunität gegen den Nationalsozialismus durch Kölns katholische Prägung vorschützte und Zerstörung sowie Wiederaufbau unter dem Schlagwort Colonia Deleta als personalisierte Leidens- und Erfolgsgeschichte auffasste, was eine kritische Beschäftigung erschwerte. Die universitäre Forschung habe sich nach punktuellen Untersuchungen erst mit einer jüngeren, sozialdemokratisch geprägten Assistentengeneration Ende der 1970er-Jahre einer umfassenderen Stadtgeschichtsforschung zugewandt.
Damals wie heute – so wurde während des gesamten Kolloquiums wiederkehrend betont – sei die disparate Quellenlage in Köln ein großes Hindernis, dem selbst durch umfangreiche Arbeit mit Zeitzeugen nur teilweise begegnet werden konnte. So seien seither zwar einige Ergebnisse erzielt worden, aber essenzielle Fragen noch immer nicht bearbeitet. Während Matzerath mangelnde Materialien und Untersuchungen zu Willensbildungsprozessen und Meinungsverschiedenheiten innerhalb von Partei und Verwaltung bedauerte, betonte Dülffer die Notwendigkeit einer Gesellschaftsgeschichte Kölns im Nationalsozialismus. Trotz der schwierigen Quellenlage sei eine differenzierte Darstellung möglich. Durch Nachfragen wurden zudem Kirche und lokale Wirtschaft als Akteure im Nationalsozialismus mit wichtigen Quellenbeständen herausgearbeitet, die sich aber besonders im Fall der Unternehmen auch in Köln lange Zeit durch Verschlossenheit auszeichneten. Wohlgemerkt gibt es trotz einiger Kontinuitäten durchaus einen verbesserten Quellenzugang – etwa durch Akteure wie das Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsarchiv. Kritisch angemahnt wurde aus Reihen des Publikums zudem eine Öffnung zur Stadtgeschichte als (über)regionale Verflechtungsgeschichte, für die noch viel unangetastetes Potential ersichtlich wurde.
Zur Vorgeschichte des Nationalsozialismus in Köln konnte CHRISTOPH NONN (Düsseldorf) durch Vorstellung seines kürzlich abgeschlossenen Buchprojektes über Köln in der Weimarer Republik für die Reihe „Geschichte der Stadt Köln“ (Band 11) neue Erkenntnisse beitragen. Köln wurde darin zum speziellen und zugleich exemplarischen Untersuchungsgegenstand für die Frage nach dem Scheitern der Weimarer Demokratie. Im Gespräch mit HABBO KNOCH (Köln) gab es Annäherungen an Antworten zu allgemeinen Debatten über das Scheitern der Weimarer Republik durch die Einbeziehung Kölner Erfahrungen. Etwa werde deutlich, dass Köln keinesfalls eine kommunale Demokratie ohne Demokraten war, wohl aber eine große Masse indifferenter Bürger:innen zu deren Absterben beigetragen habe. Die Demokratie sei nicht nur in Berlin gescheitert, sondern auch in Köln sei sie schon vorher am Scheitern gewesen. Dazu habe beigetragen, dass mit der NSDAP eine antidemokratische Partei gewählt worden sei, die nicht mehr wie andere zuvor einfach durch Neuwahlen hätte ausgetauscht werden können. Und dies, obwohl die Kölner NSDAP bis in die frühen 1930er-Jahre keine starke Mitgliederbasis oder Strukturen aufweisen konnte und keine große Rolle im politischen Geschehen der Stadt gespielt habe. Da sich das inhaltliche Programm der NSDAP seit den 1920er-Jahren nicht geändert habe, geht Nonn auf Grundlage der schwierigen Quellenlage maßgeblich von einer Unzufriedenheit mit den anderen Parteien als Ursache für das Wahlverhalten in Köln aus. Zudem stellte er die Bedeutung der Weltwirtschaftskrise als Hintergrund für den Wahlerfolg der NSDAP heraus.
Die Großstadtstellung habe bei den Entwicklungen der späten Weimarer Zeit weniger Einfluss gehabt als sozialstrukturelle Bedingungen. Überhaupt findet Nonn in Egodokumenten auffallend wenige Zäsurwahrnehmungen für den Januar 1933, was er mit einer Politikferne breiter Gesellschaftsteile erklärt. Auf die Publikumsfrage nach stadtpolitischen Reaktionen auf die Weltwirtschaftskrise und damit einhergehenden Extremisierungstendenzen erörterte Nonn die beschränkte sozialpolitische Handlungsfähigkeit Adenauers als Oberbürgermeister und verwies zugleich darauf, dass die Verelendungserfahrungen wesentlich geringer ausfielen als jene der vorangegangenen Nachkriegszeit. Wohl aber hätten enttäuschte politische Hoffnungen zur Stärkung der Ränder beigetragen, auch innerhalb der eigentlich lange stabil kooperierenden Parteien Zentrum und SPD im Kölner Stadtrat. Dennoch und auch mit der konservativ geleiteten Polizei in Folge des Preußenschlages sei es in Köln nicht zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen gekommen. Auch für Köln gelte: „Die Weimarer Demokratie stirbt nicht auf der Straße, sie stirbt in der Wahlkabine.“ Abschließend betonte Nonn wichtige Desiderate und Quellenbestände: Notwendig seien eine Kulturgeschichte des Politischen und eine Darstellung zur Zentrumspartei, die die gesamte Weimarer Zeit über stärkste Partei in Köln war. Gut zu untersuchen seien zudem Verfassungsfeiern als Symbol der Identifizierung der Kölner mit der Demokratie und Akten des Wohnungsamtes, die nicht nur die akute Wohnungsnot der 1920er-Jahre greifbar machen, sondern auch Zugriff auf eine Vielzahl an Lebensgeschichten ermöglichten.
Eines der wenigen aktuellen Projekte, die Köln im Nationalsozialismus behandeln, stellte HANS-PETER ULLMANN (Köln) vor. Selbst Emeritus schreibt er an einer Geschichte der Universität zu Köln von 1919 bis in die 1950er-Jahre, deckt also einen Zeitraum ab, als diese noch städtisch war. Im Gespräch mit HABBO KNOCH (Köln) ging er der Funktion der Universität für Stadtgesellschaft und lokale NS-Herrschaft nach. Dabei wolle er sich nicht darauf beschränken, eine Wissens- und Wissenschaftsgeschichte zu bemühen, die den Beitrag universitärer Forschung und Lehre von Geistes- bis hin zu Naturwissenschaften zur NS-Ideologie oder der Kriegsführung aufzeigt. Drei Kerngedanken leitete seine Arbeit wesentlich: Erstens die besondere Beziehung der Stadt zur Universität. Die enge Verflechtung der Universität mit der städtischen Politik durch das politisch besetzte Kuratorium stellte er als wichtigsten Einflussort der zunächst demokratischen, schließlich aber nationalsozialistisch dominierten Kommunalpolitik heraus. Zweitens betrachtete er die politischen und sozialen Prozesse der Nazifizierung mit Berücksichtigung der 1920er-Jahre und der Entnazifizierung in der entstehenden Demokratie der 1950er-Jahre als längeren Prozess mit Kölner Eigenheiten. Drittens strebte er an, die Kriegszeit stärker als eigene Phase zu fixieren.
Eine nationalsozialistische Studierendenschaft sei lange – wie die lokale Partei selbst – klein aber lautstark gewesen und habe zudem in der Professorenschaft, etwa bei antisemitisch motivierter Einflussnahme, nur wenig Widerstand erfahren. Nicht nur angesichts dessen plädierte Ullmann für eine stärkere und weiter gefasste Nutzung von Michael Grüttners Typologisierung von Professoren in ihrem Verhalten zum NS. In der universitären Leitungsebene habe unter häufigem Rektorenwechsel das Bemühen um Unabhängigkeit auch in Köln und dort sogar auffallend früh hinter den Zugeständnissen zugunsten der Sicherungen des Universitätsbetriebes und schließlich einer (unter äußerem Druck forcierten) Selbstgleichschaltung zurücktreten müssen. Doch nicht nur für die Nachverfolgung von Nazifizierungsprozessen sei die Universität ein gut nachzuvollziehendes Untersuchungsobjekt, sondern auch zäsurübergreifend für die anschließenden Entnazifizierungsprozesse und als Ort der Demokratisierung schon in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Wie Nachfragen verdeutlichten, sind diese Befunde besonders für eine kontinuierliche Elitengeschichte geeignet, doch bereits Mittelbau, Verwaltung und andere Universitätsbeschäftigte sind bisher kaum erschlossen.
Entsprechend der Programmatik des NS-DOK lenkten dessen Mitarbeitenden BIRTE KLARZYK (Köln) und THOMAS ROTH (Köln) im Gespräch mit JAN NEUBAUER (Köln) den Fokus auf Widerstand und Verfolgung in Köln sowie die lokale Gestapo. Ebenfalls auf die defizitäre Quellenlage hinweisend, arbeiteten sie die enorme Bedeutung (auto)biographischen Materials von Opfern und ihren Nachkommen heraus, deren Erschließung fachlich, aber auch hinsichtlich von Vertrauensverhältnissen zwischenmenschlich besonderer institutioneller Arbeit bedürfe. Als noch zu bearbeitende Felder stellte Klarzyk in diesem Rahmen die Wirkung des Umgangs mit der eigenen Geschichte auf die nachfolgenden Generationen heraus, während Roth Wiedergutmachungsakten als unzureichend ausgewertete Quellen hervorhob, die beispielsweise Enteignungen als vernachlässigte Praktiken der Verfolgung sichtbar machten. Als ebenfalls großes Quellenpotential benannten sie Fotografien, deren Verwendungsweise und sich wandelnden Perspektiven alltagsnähere Erkenntnisgewinne versprächen; die bisher erschlossenen Bildbestände spiegelten allerdings fast ausschließlich die Täterperspektive wider.
Eine Geschichte des Nationalsozialismus in Köln sei – dies betonte die Gesprächsrunde – in vielen Aspekten nur mit einem Blick über die Stadtgrenzen hinaus zu betreiben. Archivbestände der belgischen Ausländerpolizei über Kölner Exilanten seien ebenso aufschlussreich wie die bisher vernachlässigte, aber mit relevanten Erklärungspotentialen ausgestattete Berücksichtigung von Erfahrungen und Handlungen Kölner Soldaten im Vernichtungskrieg. Die Gewalterfahrungen der Heimkehrenden hätten etwa deutlichen Einfluss auf die Brutalisierung der Kölner Gestapo gehabt, sodass die in Köln besonders stark ausgeprägten Endphaseverbrechen ohne diese nur ungenügend zu erklären seien. Vernachlässigte Quellenbestände seien zudem das regionale Parteiblatt mit seinen spezifischen Verfolgungssemantiken und Justizakten, anhand derer Prozesse der Verfolgung und Denunziation bis in die Gesellschaft hinein nachvollzogen werden könnten.
Der wiederkehrend betonten Notwendigkeit einer stärkeren Phasenorientierung entsprechend thematisierten KAROLA FINGS (Heidelberg) und MARTIN RÜTHER (Köln) im Gespräch mit NICOLE KRAMER (Köln) gezielt die Kriegszeit in Köln. Die Kriegszerstörung wurde als lange Zeit wichtiger Ausgangspunkt der Kölner Erinnerungspolitik und -mentalität herausgearbeitet, die in der Forschung auf Quellenprobleme stoßen. Durch Bombenkrieg, aber vor allem die gewonnene Zeit bei den Rückzugsgefechten von Aachen bis ins rechtsrheinische seien viel Verwaltungsakten zerstört worden und entsprechend wenig erforscht. Die Großraumlage Kölns werde so zu einem historisch relevanten Faktor für Quellenvernichtung und Endphaseverbrechen. Als Desiderat wurde zudem der Themenkomplex Zwangsarbeit markiert. Zwar gebe es durch das Besuchsprogramm ehemaliger Zwangsarbeiter von 1989 bis 2014 einen deutschlandweit einzigartigen Quellenbestand mit umfangreichen Interviews und weiteren Quellen. Doch Kölner Wirtschaft und Familien der lokalen Elite hätten einflussreich eine quellenfundierte Einbeziehung in die Forschung weitgehend verhindert. Dabei hätten auch Kölner Firmen Niederlassungen in den besetzten Gebieten betrieben und Zwangsarbeiter eingesetzt.
Für viele mögliche Forschungsfelder, etwa zur stabilisierenden Funktion der Feldpostkommunikation zwischen Front und Heimatfront, seien die Archivbestände nicht ausreichend systematisch erschlossen, um sie in kleineren Projekten für eine grundsätzlich mögliche Gesellschaftsgeschichte fruchtbar zu machen. In der Praxis seien sie individuell zunächst für Fallstudien zu Querschnittsthemen wie Antisemitismus händelbar. Angeregt wurde aus dem Publikum eine Beschäftigung mit der Erfahrung der Kriegszeit nicht nur als Katastrophenzeit, sondern auch als Zeit starker gesellschaftlicher Präsenz von Kulturangeboten. Propaganda und Egodokumente müssten dafür kritisch korreliert werden. Angesichts der zahlreichen Desiderate kam aus der jungen Zuhörerschaft zudem die Frage, welche Felder nicht nur generell unerforscht seien, sondern welche Fragestellungen durch die Problemlagen der gegenwärtigen Gesellschaft evoziert würden. Solche Fragen sollten die Gesellschaft kritisch konfrontieren, um mit ihren Themen Interesse zu wecken. Die Mobilisierung ganzer Generationen, besonders junger, sei – so die Gesprächsteilnehmenden – angesichts aktueller Krisen und Kriege ebenso drängend wie eine Öffnung für internationalere Perspektiven.
Einen Perspektivwechsel brachte der abschließende Roundtable. Erfahrungen aus umfangreichen Projekten zu Frankfurt und München im Nationalsozialismus konnten CHRISTOPH CORNELIßEN (Frankfurt am Main) und JAN NEUBAUER (Köln) einbringen. Als Perspektiven eines aktuell erarbeiteten Sammelbandes verwies Cornelißen auf eine vorgeschaltete Selbsthistorisierung der laienhaften, gesellschaftlichen und professionellen historischen Beschäftigung mit lokalem Nationalsozialismus. Hier liege die Vermutung nahe, dass sich auffällige Parallelen in der Inszenierung des städtischen Selbstbildes mit der Sichtweise auf die nationalsozialistische Vergangenheit herausarbeiten ließen. Außerdem identifizierte er Stadtviertel als wichtige Orte der Volksgemeinschaft, da dort durchinszenierte Choreographierungen einerseits und soziale Kontrolle andererseits zu deren Formierung beigetragen habe. Vereine und Städtebau seien ebenso unterbelichtete Einflussgrößen wie die sozialstrukturelle Entwicklung der städtischen Bevölkerung. Neubauer demonstrierte die Zusammenhänge von Arbeit und Betriebsgemeinschaft als integrative Kraft am Beispiel der Münchener Stadtverwaltung.
Die Teilnehmenden regten an, Zugriffe und Methoden aus Nachbarfeldern wie soziologische Zugänge oder Perspektiven der Kolonialgeschichte stärker einzubeziehen. Ausgehend von einem Impuls aus dem Publikum diskutierten Cornelißen, Neubauer und Moderatorin Nicole Kramer schließlich, inwiefern angesichts der Breite der Forschungsthemen und des umfassenden Bestandes von Detailkenntnissen eine Theoriebedürftigkeit existiert. Während teilweise die ablenkende Wirkung zu bedenken gegeben wurde, betonte Kramer auch das bündelnde Potential. Abschließend eröffnete Cornelißen mit der Betonung eines Generationenumbruchs Ausblicke für die künftige Erinnerungspolitik, die weniger auf zivilgesellschaftliche Initiativen bauen könne, als die Tradition der 1980er-Jahre es ermöglicht hätten, und schlug als Reaktion vor, Bilanzen zu ziehen und die Frage zu stellen: „Was brauchen Städte für Erinnerung?“
Mitorganisator HABBO KNOCH (Köln) resümierte die deutlich gewordenen gegenwärtigen und künftigen Potentiale fruchtbarer Zusammenarbeit von Dokumentationszentrum und universitärer Forschung, zumal außerhalb des NS-DOK zurzeit nur geringe quellennahe Forschung zu Stadtgeschichte im NS stattfinde. Den vielen Ideen und herausgearbeiteten Desideraten stellte er einen diagnostizierten Rückgang der NS-Forschung gegenüber. Nach einer Ergänzung, die Nachkriegsgeschichte nicht dogmatisch als Erfolgsgeschichte zu interpretieren, sondern beispielsweise rekurrierende rechte Gewalt stärker in Synthesen einzubeziehen, bemühte er sich daher um eine Bündelung der aufgekommenen Ansätze. Erstens müsse die Stadtgeschichte stärker als Verflechtungsgeschichte mit regionalen und internationalen Bezügen aufgefasst werden. Zweitens solle stärker zäsurübergreifend gearbeitet werden, um die Perspektive über lineares Denken hinaus zu erweitern. Drittens sei die Alltagsgesellschaft stärker in den Fokus zu rücken.
Besetzung und Gesprächsformate des Kolloquiums ermöglichten einen umfassenden Austausch, der als Auftaktveranstaltung der Reihe und einer intensivierten Zusammenarbeit zwischen Universität und Dokumentationszentrum durchaus ergebnisreich war. Die Organisation in Form von Gesprächen mit anschließenden Publikumsbeiträgen hat dazu wesentlich beigetragen, hätte in der Zusammensetzung der jeweiligen Gespräche allerdings noch unmittelbarer etablierte und neuere Perspektiven in den Austausch bringen können. So hätten sich womöglich für Ansätze wie beispielsweise jene einer Stadtgeschichte als Verflechtungsgeschichte über die Stadtgrenzen hinaus gedeihliche Verknüpfungen ergeben. Die Herausforderung, die bereits vielfältigen Ansätze zu priorisieren und handhabbar zu machen, steht indes noch aus. Gerade hierbei könnte sich der vor Ort nur punktuell aufgenommene Impuls aus der Zuhörerschaft als übergreifend hilfreich erweisen, stärker gesellschaftliche Problemlagen aufzugreifen und so zumindest teilweise eine größere Breitenwirkung zu erzielen – freilich ohne sich beliebigen Trends vollkommen zu unterwerfen.
Konferenzübersicht:
Henning Borggräfe (Köln): Begrüßung und Einführung
Jost Dülffer (Köln) / Horst Matzerath (Köln) / Henning Borggräfe (Köln): Die Entwicklung der NS-Forschung in Köln
Christoph Nonn (Düsseldorf) / Habbo Knoch (Köln): Der Nationalsozialismus in Köln vor 1933
Hans-Peter Ullmann (Köln) / Habbo Knoch (Köln): Universität, Stadt und Gesellschaft im NS
Birte Klarzyk (Köln) / Thomas Roth (Köln) / Jan Neubauer (Köln): Verfolgung in Köln
Karola Fings (Heidelberg) / Martin Rüther (Köln) / Nicole Kramer (Köln): Köln im Krieg
Roundtable
Moderation: Nicole Kramer (Köln)
Christoph Cornelißen (Frankfurt am Main) / Jan Neubauer (Köln): Großstädte im Nationalsozialismus – Neue Perspektiven
Habbo Knoch (Köln): Ausblick