Mathilde Vaerting – Signaturen einer demokratischen Pädagogik

Mathilde Vaerting – Signaturen einer demokratischen Pädagogik

Organisatoren
Sarah Ganss, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Ort
Jena
Land
Deutschland
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
13.11.2023 - 13.11.2023
Von
Sarah Ganss, Institut für Bildung und Kultur, LS Historische Pädagogik und Globale Bildung, Friedrich-Schiller-Universität Jena

1923 wird die erste Frau deutschlandweit auf eine Professur an einer Volluniversität berufen: Dr. Mathilde Vaerting wird Professor für Pädagogik an der Universität Jena. Die 1884 geborene Wissenschaftlerin, die an den Schnittstellen von Erziehungswissenschaft, Psychologie, Philosophie und Soziologie forscht, wird jedoch nicht mit offenen Armen empfangen. Das liegt sowohl am Streit zwischen dem Thüringer Bildungsminister Max Greil und der Universitätsleitung: Vaerting wird nicht, wie sonst üblich, von der Universität, sondern vom Ministerium berufen. Ihr schwerer Stand ergibt sich jedoch auch aus ihrer durchaus streitbaren Persönlichkeit sowie ihren Themenschwerpunkten: Die Beschreibung und Analyse von strukturellen Ungleichheiten, zum Beispiel im zeitgenössischen Bildungssystem, von geschlechtsspezifischen Vorurteilen oder dem Gender-Bias in der psychologischen Forschung.

Anlässlich des 100. Jahrestages von Mathilde Vaertings Berufung wurde im November 2023 von Sarah Ganss an der Friedrich-Schiller-Universität Jena im Rahmen der Aktivitäten des Instituts für Bildung und Kultur ein Symposium organisiert. Im Fokus standen die Auseinandersetzung mit und Bedeutung des Werkes von Mathilde Vaerting für aktuelle erziehungswissenschaftliche Forschung.

Als Festrednerin war MARGRET KRAUL (Göttingen) eingeladen, die bereits in den 1980ern und 1990ern maßgeblich dazu beigetragen hat, Vaerting überhaupt als Professorin für Pädagogik wahrzunehmen und anzuerkennen. In ihrem Festvortrag verknüpfte Margret Kraul Leben und Wirken dieser streitbaren, engagierten Wissenschaftlerin und zeichnete ihren Weg an der Universität und danach nach.

Vor dem abendlichen Festvortrag beleuchteten und diskutierten vier Vortragende in zwei Tandems unterschiedliche Aspekte von Vaertings umfangreichem Werk.

Das erste Tandem wurde eröffnet von ESTHER BERNER (Hamburg), die eine Einordnung von Vaertings Schriften in den zeitgenössischen Matriarchatsdiskurs vornahm. Dabei wurden sowohl interdisziplinäre als auch internationale Verknüpfungen in diesem Forschungsfeld rekonstruiert. Der Vortrag von ANNE STIEBRITZ (Jena) zielte darauf, Vaertings didaktische Analysen und Positionen inklusive ihrer Kritik am damaligen Stand der Mädchenbildung, insbesondere in Naturwissenschaften und Mathematik, sichtbar zu machen.

Das zweite Tandem stellte sich der Frage, in welchem Verhältnis Demokratie und Erziehung stehen. SUSANN HOFBAUER (Hamburg), untersuchte dafür ein Konvolut von nach 1945, meist in Zeitschriften erschienenen Texten Vaertings. Dabei nahm sie das schwierige Fortbestehen von Erziehung durch und für Demokratie in den Blick. Sarah Ganss beleuchtete exemplarisch einen jüngeren Text Vaertings aus den 1920ern zum Stand der zeitgenössischen Frauenbewegung. Sie diskutierte davon ausgehend Vaertings spezifische Vorstellung einer Verflechtung von Gleichberechtigung als Ziel und Mittel von Demokratieerziehung.

Vaertings für die damalige Zeit ungewöhnlichen und transdisziplinären Überlegungen bieten – wie auch die anschließenden Diskussionen zeigten – für ein heutiges Nachdenken über Demokratie und Pädagogik viele anregende Impulse. Bemerkenswert war an diesem Festsymposium, dass neben wissenschaftlichen und studentischen Teilnehmenden auch Familienangehörige Vaertings und Mitglieder aus Politik und Ehrenamt zu den Gästen zählten.

Konferenzübersicht:

Begrüßung, Grußwort

1. Vortragsslot

Esther Berner (Hamburg): „Männerherrschaft ‒ Frauenherrschaft: zur Einordnung M. Vaertings in den zeitgenössischen Matriarchatsdiskurs“

Anne Stiebritz (Jena): „Mathematisch-naturwissenschaftliche Bildung für Mädchen in Vaertings Schriften der 1920er Jahre

2. Vortragsslot

Susann Hofbauer (Hamburg): „Mathilde Vaertings ‚Die erzieherische Aufgabe in der Demokratie‘“

Sarah Ganss (Jena): „Geschlecht und Demokratie: Gleichberechtigung als pädagogisches Motiv nach Mathilde Vaerting“

Festvortrag

Margret Kraul (Göttingen): „Mathilde Vaerting ‒ Demokratie als pädagogische Herausforderung“

Abschluss