45. International Mediterranean Survey Workshop

45. International Mediterranean Survey Workshop

Organisatoren
Günther Schörner, Universität Wien
Veranstaltungsort
Institut für Klassische Archäologie, Universität Wien
Ort
Wien
Land
Austria
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
01.12.2023 - 02.12.2023
Von
Ines Guth, Institut für Klassische Archäologie, Universität Wien

Der International Mediterranean Survey Workshop fand im Dezember 2023 bereits zum fünfundvierzigsten Mal statt. Organisiert wurde der halbjährlich stattfindende Workshop dieses Mal von Günther Schörner (Wien) mit Unterstützung zahlreicher Studierender. Nach den letzten Treffen in Groningen (NL) und Brüssel (BEL) trafen am Institut für Klassische Archäologie der Universität Wien und im Online-Konferenzraum über 40 Landschaftsarchäolog:innen und Studierende zusammen, um neueste Ergebnisse ihrer Forschungsprojekte zu präsentieren und methodologische Überlegungen auszutauschen. Hohen Stellenwert hatte dabei die gemeinsame Diskussion, welche sich besonders dem Umgang mit Datensätzen und der Durchführung von Survey in schwierigem Terrain widmete. Der großen Bedeutung entsprechend, welche die Förderung von Nachwuchswissenschaftler:innen im Rahmen des IMSW einnimmt, wurden auch vier Abschlussarbeiten vorgestellt.

Die erste Session war Ansätzen zum Umgang mit Surveydaten und Methodik gewidmet. MARTIJN VAN LEUSEN (Groningen) eröffnete die Reihe der Vorträge mit einem Bericht über die Fortschritte der FIDO- und SEMAFORA-Projekte. FIDO ist der Erstellung einer best-practice Guideline gewidmet, deren finaler Entwurf in Zusammenfassung präsentiert und für Kritiken freigegeben wurde. Das Dokument ist über academia.edu abrufbar. SEMAFORA beschäftigt sich mit der Erstellung einer Software, welche die Verarbeitung von Surveydaten in leicht zugänglicher und vereinheitlichter Form ermöglichen soll. Das Projekt steht aktuell kurz vor dem Abschluss der ersten Phase, wobei noch Überarbeitungen notwendig sind, um die Software allgemein verfügbar zu machen.

Im Anschluss stellte VICTORINO MAYORAL HERRERA (Mérida) jene Maßnahmen vor, welche in Zusammenarbeit mit Privatfirmen zur Etablierung von surveyarchäologischer Methodik gemäß modernstem Standard in der Extremadura angewendet werden. Dabei standen vor allem die konkreten Vorgehensweisen und die Kooperation mit nicht-akademischen Institutionen im Vordergrund. Hierdurch soll es nach der Meldung von Anträgen zu landwirtschaftlichen Förderungen und Grundstückumwidmungen innerhalb kurzer Zeit ermöglicht werden, Samples zu nehmen. Dabei sollen Felder, die in einem Abstand von 5m begangen und auf diagnostische Artefakte abgesucht werden, den Standard darstellen.

VALENTINA LIMINA (Louvain-la-Neuve) leitete mit ihrem Bericht über die ersten Ergebnisse des RELOAD-Projekts die Session zu Forschungen in Italien ein. Ihre Untersuchungen widmen sich der Zenturiation im römischen Etrurien, wobei neben Artefakten und Befunden, welche im Survey dokumentiert werden, auch Toponyme, Schriftquellen und die spätere Siedlungsgeschichte berücksichtigt werden. Limina stellte die Ergebnisse der ersten Kampagne vor, welche sich besonders dem nördlichen ager Volaterranus widmete, und gab Einblicke in die Verarbeitung der neu gewonnenen Daten.

WIEKE DE NEEF (Bamberg) zeigte anhand ihres Pollino Archaeological Landscape Project, wie auch das besonders gebirgige Terrain in Kalabrien und der Basilikata durch gezielte Surveys erfasst werden kann. Sie stelle die Ergebnisse der vierten Feldforschungssaison vor, welche in Verbindung mit ethnographischen Untersuchungen alte Routen durch die Berge von Pollino belegen konnten, die erstmals Zugriffe auf die paläolithische Bevölkerung der Höhenlandschaft und deren pastorale Wanderungsbewegungen ermöglichen.

Ein neues Surveyprojekt im sizilianischen Vizzini stellten JOHANNES BERGEMANN und REBECCA KLUG (Göttingen) vor. Damit schlossen sie an ihre bisherigen Untersuchungen in Gela, Agrigento, Kamarina und Taormina an. Sie setzten sich in ihrem Vortrag zuerst mit der schwierigen Forschungsgeschichte der Mikroregion auseinander, bevor sie die Ergebnisse der diesjährigen Kampagne präsentierten. Dabei wurden besonders fundreiche Sites entdeckt, die einen Einblick in die antike Siedlungsstruktur bieten und als Ausgangspunkt für die eingehendere Diskussion von Streusiedlungen im südlichen Sizilien dienen können.

MICHAEL DONEUS (Wien) verließ mit seinem Vortrag Italien und widmete sich zu Beginn der Session 3 der kroatischen Insel Cres und ihren Trockenmauern. Zu deren Erforschung kommt eine Kombination aus Survey, Airborne Laser Scanning sowie daraus gewonnener Digital Feature Models und der Analyse historischer Katasterkarten zur Anwendung, die ermöglichen sollen, die chronologische Entwicklung der Trockenmauern und der landwirtschaftlichen Verhältnisse auf Cres von römischer Zeit bis zur Aufgabe der Strukturen im 19. Jahrhundert nachvollziehbar zu machen.

NIVES DONEUS (Wien) präsentierte im Anschluss die Arbeiten in der Bucht von Medulin nahe Pula. Die bereits bekannte villa maritima auf der Halbinsel Vižula bildet den Ausganspunkt für die Untersuchung der umliegenden Landschaft, wobei auf einer 24 km² großen Fläche Luftbildfotos und Airborne Laser Scanning zum Einsatz kamen. Dabei wurden unter anderem römische Pflanzgruben entdeckt, welche auf die Aufzucht kleiner Obstbäume hinweisen. Insbesondere sollte der Vortrag zur näheren Betrachtung solcher Strukturen auch an anderen Orten des Imperium Romanum anregen, da diese bislang wenig Aufmerksamkeit erfahren haben.

Den letzten Vortrag am Freitagnachmittag hielt PATRICK WILLETT (Buffalo, NY). Er zeigte Einblicke in seine diesjährige Kampagne in der albanischen Korça-Ebene, im Zuge derer die bergige Landschaft in umfangreichen off-site Surveys in erster Linie auf prähistorische Artefakte untersucht wurde. Dabei sollten die aus der Forschungsliteratur bekannten Sites, welche 2022 durch das Team erneut lokalisiert wurden, in ihrem Umfeld kontextualisiert werden. Zusätzlich wurde die Lokalbevölkerung interviewt, um Informationen über die Landnutzung der letzten Generationen zu sammeln. Am Ende der Untersuchungen soll es möglich sein, ein Modell für die Landnutzung im südöstlichen Albanien in neolithischer Zeit zu erstellen.

Im Anschluss wurde bei einem gemeinsamen Abendessen weiter angeregt über die aktuellen Forschungen diskutiert.

Am Samstag eröffnete ALEX KNODELL (Northfield, MN) Session 4 zu Forschungen in Griechenland mit Einblicken in den Arbeitsablauf im Small Cycladic Islands Project. Die Kampagne 2023 konzentrierte sich auf kleine bis mittelgroße Inseln im Bereich der östlichen Kykladen. Strukturen, die bereits aus LiDAR-Aufnahmen bekannt waren, wurden nun in einem extensiven Survey erforscht, wobei antike, mittelalterliche und moderne Bauten sowie Keramik dokumentiert werden konnten. Auch methodologische Schwierigkeiten und Probleme der praktischen Durchführung kamen zur Sprache.

MATTEO ROSSI (Rom) illustrierte in seinem Vortrag den großen Nutzen, welchen die Neuuntersuchung von Waldarealen nach Bränden für die Kenntnis der Landschaft haben kann. Im Zuge von zwei Kampagnen im Western Megaris Archaeological Landscape Project wurde die bereits vor der Brandkatastrophe von 2021 untersuchte Site Vrestiza (GR) erneut begangen. Dabei kamen nicht nur neue Artefakte, welche bessere Belege für alle bekannten Siedlungsphasen bieten, sondern auch architektonische Strukturen zutage. Das quantitative Verhältnis der einzelnen Phasen zueinander änderte sich dabei jedoch nicht. Diesen vergleichbaren Surveys wurde schließlich auch die Point-Sample-Methode gegenübergestellt, wobei sich ähnliche Scherbenanzahlen wie in einem Grid ergaben. Durch die erhöhte Sichtbarkeit wurden bei der Wiederbegehung jedoch wesentlich kleinere Gefäßfragmente aufgesammelt.

Session 5 zur Iberischen Halbinsel I wurde durch FELIX TEICHNER (Marburg) bespielt, der einen Teil seiner aktuellen geophysikalischen Forschungen vorstellte. Im seit 2021 in Kooperation mit der Universität Wien laufenden Projekt MiReg – Stadt und Land im Römischen Westen wurde das Umland des portugiesischen Miróbriga mit Georadar, Magnetik, Geoelektrik und line-walking Surveys untersucht, um die landwirtschaftliche Versorgung der gleichnamigen römischen Stadt sowie die Raumnutzung innerhalb des Siedlungskerns nachvollziehen zu können. Ähnliche Untersuchungen fanden auch im spanischen Casas de Reina (Regina Turdulorum) statt, um die Grenzen der Siedlung zu definieren. Dabei wurde festgestellt, dass die Stadt fast doppelt so groß war, wie bisher angenommen. In Verbindung mit Ausgrabungen konnten zudem mehrere Produktionsbereiche im direkten Umfeld der Stadt ausgemacht werden.

BIRGÜL ÖĞÜT (Berlin) gab in Session 6 (Türkei) Einblicke in das Land of the Stormgod Survey Project. Zum zweiten Mal wurde der Bezirk Şehitkamil untersucht, wobei auch geologische Untersuchungen, Remote Sensing und die Analyse von Satellitenbildern angewendet wurden. Das Untersuchungsgebiet wurde zudem auf große off-site-Areale ausgedehnt. Dadurch konnten Siedlungsnetzwerke dokumentiert werden, deren Überreste mittels Trackingapps festgehalten wurden. Während der Fokus zwar auf der Entwicklung von neolithischer bis hellenistischer Zeit lag, konnte dieses Jahr auch eine Bevölkerungszunahme in römischer Zeit für die Region belegt werden.

SARA RAPP (Bamberg) präsentierte die Ergebnisse ihrer Masterarbeit, welche sich der Auswertung der Surveys von Bozköy-Gilmandere im Hinterland des antiken Pergamons widmete. Von 2011–2022 wurde dabei, in Verbindung mit geophysikalischen Untersuchungen der Universität Kiel, die Siedlung im Detail untersucht. Dabei kamen sowohl eine große Anzahl an Marmorfragmenten als auch Fehlbrände zutage, welche eine intensive Keramikproduktion nahelegen. Die Masterarbeit widmete sich dabei der Frage, wie diese Stätte im ökonomischen Netzwerk von Pergamon operierte.

In Session 7 zu Zypern hielt POLTE DE WEIRD (Brüssel) einen Vortrag zu den spätbronzezeitlichen Sites von Hala Sultan Tekke. Von 2021–2023 wurden mehrere Surveykampagnen unternommen, welche gemeinsam mit den früheren Ausgrabungen das Verständnis der Beziehung zwischen Mensch und Landschaft ermöglichen sollen. Bislang konnten bereits Produktionsstätten, welche sich abseits der Streusiedlung befinden, und eine bislang unbekannte Nachnutzung der Stätten bis in die Eisenzeit nachgewiesen werden.

GÜNTHER SCHÖRNER und TOMÁŠ SOBIHARD (Wien) präsentierten in Session 8 (Iberische Halbinsel II) die Ergebnisse der Surveys, welche parallel zu den geophysikalischen Untersuchungen von Felix Teichner im Umland des portugiesischen Miróbriga stattfanden. Zuerst wurden die methodische Grundlage des Surveys und die Probleme in der Erforschung der Landwirtschaft um das antike Mirobriga beleuchtet, bevor im Anschluss das in einer Masterarbeit behandelte Fallbeispiel des landwirtschaftlichen Betriebs Herdade da Defesa vorgestellt wurde. Diese Site wurde 2022 sowohl geophysikalisch als auch durch intensiven Grid-Survey untersucht und bot zahlreiche Hinweise auf die Produktion in römischer Zeit.

INES GUTH und JULIA MIŠEK (Wien) gaben mit Günther Schörner einen Einblick in die Arbeiten im spanischen Regina Turdulorum (Casas de Reina). 2022 wurde bei der Ausgrabung eines Gebäudes an der Stadtmauer eine große Menge an Tafelwaren entdeckt. Diese konnten den zahlreichen Scherben, welche in der Siedlung am 3 km entfernten Cerro de las Nieves in zwei Surveykampagnen entdeckt wurden, gegenübergestellt werden, um die Unterschiede im Konsumverhalten von Feinkeramik zwischen Stadt und Siedlungen im Umland aufzuzeigen. Zudem konnte für den Cerro eine blühende Siedlung bis die flavische Zeit nachgewiesen werden.

Zum Abschluss sprach JOHN BINTLIFF (Edinburgh) in Session 9 über römische Urbanistik. Dabei stellte er die Ergebnisse des Roman Empire of 2000 Cities Project vor. Die Urbanisierungsrate des römischen Reichs setzt er sehr niedrig an, da im Gegensatz zur griechischen Agropolis die landwirtschaftlichen Flächen in der Regel nicht fußläufig erreichbar waren und somit die Bauernbevölkerung statt in Städten in ländlichen Ansiedlungen wohnte. Dennoch gab es wesentlich mehr Städte als bislang angenommen. Die literarische Evidenz umfasst beispielsweise kaum die small cities / agglomerations secondaires, welche jedoch die Merkmale städtischen Lebens umfassten. Sowohl archäologisch als auch literarisch dokumentierte Siedlungen wurden in ein GIS aufgenommen, welches eine Karte der Städte um 200 n. Chr. visualisieren kann.

Der Workshop endete schließlich mit einer kurzen Diskussion über den Urbanismus der antiken Welt, welche Probleme in der Erforschung der Landschaft um die Städte deutlich machte. Diese sollen bei einem der nächsten Workshops behandelt werden.

Konferenzübersicht:

Session 1 Approaches to survey data and methodology

Martijn van Leusen (Groningen) / Tymon de Haas (Groningen): Towards re-usability of survey data and documentation: Update on the FIDO and SEMAFORA projects

Victorino Mayoral Herrera (Mérida): Good practice vs real practice: How can we help to improve survey methods when time and money rule?

Session 2 Italy

Valentina Limina (Louvain-la-Neuve): Rethinking ancient landscapes in northern Tuscany: RELOAD, preliminary results from the first survey campaign.

Wieke de Neef (Bamberg) / Peter Attema (Groningen) – Antonio Larocca (Gruppo Speleologico ‘Sparviere’): High-altitude impact: The Pollino Archaeological Landscape Project

Johannes Bergemann (Göttingen) / Rebecca Klug (Göttingen): A New Project in Sicily: Vizzini (Catania) – Where Paolo Orsi did not receive a warm welcome

Session 3 Balkans

Michael Doneus (Vienna) Nives Doneus (Vienna) – Dave Cowley (Edinburgh): Spatio-Temporal Interpretation of a Dry Stone Walled Landscape on the Island of Cres (Croatia) Using Digital Feature Models from Airborne Laser Scanning

Nives Doneus Michael Doneus (Vienna): Roman land use and remote sensing survey data: Case study of Medulin Bay, Istria, Croatia

Patrick T. Willett (Buffalo) Edlira Andoni (Tirana) – Jana Anvari (Cologne): Contextualizing the Neolithic of the Korça Plain, Part II: Highland interfaces

Session 4 Greece

Alex R. Knodell (Northfield/MN) et al.: Regional Survey in the Eastern Cyclades: Island Size, Nodality, and Occupational History

Emeri Farinetti (Rome) / Matteo Rossi (Rome): (Re)surveying forested areas.: The effects of wildfires on survey data

Session 5 Iberian Peninsula I

Florian Hermann (Marburg) Felix Teichner (Marburg): "Where the land ends and the sea begins" (Luís de Camões, Os Lusíadas): Non-invasive fieldwork in the landscape of the western End of the Roman Empire

Session 6 Türkiye

Birgül Öğüt (Freiburg) / Matthias Lange (Berlin) – Murat Dirican (Austrian Archaeological Institute): The second season (2023) of the "Land of the Stormgod Survey" Gaziantep/Türkiye: What has changed?

Sara Rapp (Berlin) / Bernhard Ludwig (Berlin): Bozköy-Gilmandere. A Roman-Byzantine rural settlement in the Pergamon Micro-Region (Turkey). Geophysical prospection and field surveys between 2011 and 2022

Session 7 Cyprus

Polte de Weird (Brussels): Portrait of collective communities: The diachronic spatial configuration at the Late Bronze Age site complex of Hala Sultan Tekke, Cyprus

Session 8 Iberian Peninsula II

Günther Schörner (Vienna) / Tomáš Sobihard (Vienna): Suburbium and hinterland of Miróbriga: In search of agricultural production sites through on-site and off-site surveys

Ines Guth (Vienna) / Julia Mišek (Vienna) / Günther Schörner (Vienna): A City and its suburb: Fineware consumption in and around Regina Turdulorum

Session 8 Roman Urbanism

John Bintliff (Edinburgh) / Luuk de Ligt (Leiden): Rethinking the Roman City: Insights from the European Project