Land und heute. Zwei Jahrzehnte Institut und Jahrbuch für Geschichte des ländlichen Raumes

Land und heute. Zwei Jahrzehnte Institut und Jahrbuch für Geschichte des ländlichen Raumes

Organisatoren
Institut für Geschichte des ländlichen Raumes, St. Pölten; Niederösterreichisches Landesarchiv, St. Pölten
PLZ
3109
Ort
St. Pölten
Land
Austria
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
23.11.2023 - 24.11.2023
Von
Reinhard Bodner, Institut für Volkskultur und Kulturentwicklung (ivk), Innsbruck

In einer zweitägigen Veranstaltung am 23. und 24. November 2023 setzte sich das Institut für Geschichte des ländlichen Raumes (IGLR) in St. Pölten mit zwei Jahrzehnten seiner Tätigkeit auseinander. Gegründet und geleitet wurde das Institut Anfang der 2000er-Jahre durch den Sozial- und Wirtschaftshistoriker Ernst Bruckmüller. Von Beginn an als Mitarbeiter dabei, für die Ausrichtung des Instituts prägend und 2011–2016 dessen Leiter war Ernst Langthaler, auch er Sozial- und Wirtschaftshistoriker. Auf vielfältigen geschichtswissenschaftlichen und disziplinübergreifenden Tätigkeitsfeldern aktiv – von der Quellenerschließung über Grundlagenforschungen bis zur Wissenschaftskommunikation – entwickelte sich das IGLR zu einer internationalen Drehscheibe einer modernisierten Agrargeschichtsschreibung beziehungsweise weiter ausgreifenden rural history. Das Organisator:innenteam der Veranstaltung hatte Kolleg:innen aus den Geschichtswissenschaften und angrenzenden Fächern eingeladen, um über die Geschichte des Instituts und seine Einbettung in die Wissenschaftslandschaft zu diskutieren. Dass die Reflexion darüber nicht nur retrospektiv sein sollte, deutete der Veranstaltungstitel „Land und heute“ an, der – das Begriffspaar „Land und Leute“ minimal verfremdend – Momente des Gegenwärtigen und der Vergegenwärtigung betonte. Mehr noch, die Veranstaltung führte auch an Zukunftsperspektiven des IGLR heran.

Das Auftaktpanel galt dem publizistischen Aushängeschild des Instituts, dem 2003 gegründeten Jahrbuch für Geschichte des ländlichen Raumes/Rural History Yearbook (JGLR/RHY). Seit dessen erster Band 2004 die Agrargeschichtsschreibung teils historisierte, teils neu konzipierte, folgten Bände zu vielfältigen Themen, zuletzt etwa zu Stadt-Hinterland-Beziehungen und genealogischen Praktiken. Sieben der Herausgeber:innen des Jahrbuchs beleuchteten vier Themenfelder beziehungsweise heuristische Aspekte, die darin bisher verschieden häufig beziehungsweise explizit vorkamen. Dem ersten davon, „Geschlecht“, widmeten DIETLIND HÜCHTKER (Wien) und MARGARETH LANZINGER (Wien) eine (selbst-)kritische Zwischenbilanz: Zwar würden Frauen im Jahrbuch als soziale Gruppe wahrgenommen und durch gendergerechte Schreibung formal mitgedacht. Doch fehle mitunter die Sensibilität für Zuschreibungen von „Geschlecht“ und deren Implikationen. „Geschlecht“ verschwinde öfters in „Containern“ wie „Haushalt“ und „Familie“, mehr Offenheit für neuere Ansätze etwa aus den Queer Studies sei wünschenswert. Im Umgang mit (auto-)biografischen Quellen ergebe sich in manchen Beiträgen ein „narrativer Bias“: Was bei Männern als selbstverständlich dargestellt werde, romantisiere man(n) bei Frauen als „Empowerment“, etwa wenn es um Erwerbsarbeit gehe. „Arbeit“ war zweitens auch das Stichwort für GEORG FERTIG (Wittenberg) und ERICH LANDSTEINER (Wien): Anders als die traditionell „bauernstandsfixierte“ Agrargeschichte habe das Jahrbuch auch nichtbäuerliche Arbeit als „normal“ begriffen und Unterscheidungen von „Bäuer:innen und anderen“ als politische Konstruktionen analysiert. „Land-Arbeit“ sei – in Abgrenzung zu Ansätzen im Gefolge des „cultural turn“ – als „sozialer Metabolismus“ konzipiert worden, bei dem naturale Umwelten und Gesellschaften einander transformieren. Die „Region“ erkundeten drittens MARTIN KNOLL (Salzburg) und ERNST LANGTHALER (Linz): Wie die Regionalgeschichte wolle auch die Geschichte des ländlichen Raumes territorialistische Raumkonzepte „relational“ und „praxeologisch“ überwinden. Entsprechend engagiert habe das Jahrbuch Debatten zum „spatial turn“ aufgegriffen und unter anderem Studien zu konfliktträchtigen Handlungsspielräumen zwischen Staat und Gemeinden Raum geboten. Komplexe Ruralitäts-Urbanitäts-Beziehungen würden auch künftig einen Schwerpunkt bilden, „globale Räume“ seien bislang noch zu wenig berücksichtigt worden. Zumal Langthaler auch Landschaftswahrnehmungen thematisierte, waren gedankliche Verbindungen zum vierten Input möglich: Der Aufgabe, über „Natur“ nachzudenken, begegnete MARKUS SCHERMER (Innsbruck), indem er einen Index diesbezüglicher Denk- und Deutungsmuster im Jahrbuch präsentierte, darunter zum Beispiel „der Mensch als Störfaktor in der Natur“ oder die „Unterwerfung der Natur durch Technik“. Auch das Jahrbuch habe aber durch hybride Denkmodelle die Dichotomisierung von „Natur“ und „Kultur“ infrage gestellt, die eine „unmögliche“ sei – so sehr man sie auch als notwendige Komplexitätsreduktion im Prozess der Moderne verstehen könne.

Für die Abendveranstaltung – deren Titel „Ins Land reinschauen“ an die einstige ORF-Sendung „Ins Land einischaun“ mit ihren idyllisch-musikalisch unterlegten Landschaftsbildern denken ließ – war ein Festvortrag Ernst Bruckmüllers geplant. Eine Erkrankung hinderte ihn am Kommen, an seiner Stelle sprach daher ERNST LANGTHALER (Linz) über inter- und überregionale Vernetzungen am Paradebeispiel der Sojabohne im 20. Jahrhundert. Wie auf eine erste ostasiatisch-westeuropäische Warenkette der 1930er-Jahre zwei „great accelerations“ folgten – nach 1945 durch US-amerikanische Produktion und seit den 1980er-Jahren durch China als Importeur geprägt – verdeutlichte Langthaler durch beschreibend-analytische „Zooms“, welche verschiedene Orte in Beziehung setzten: ein herbizidbesprengtes Sojabohnenfeld in Mato Grosso (Brasilien) um 2010 etwa mit einem Schweinebasar in Guangdong (China). An die offene Frage, ob Soja eine sozioökonomische Wende hemme oder ermögliche, schloss sich zuletzt ein niederösterreichischer Blick „ins Land hinein“ an: Ein Bild zeigte den Forscher mit Kollegen „im Feld“, im übertragenen Sinn und zugleich konkret, im größten Soja-Versuchsfeld Österreichs bei Tulln stehend. Primär auf Niederösterreich bezogen war anschließend eine von BRIGITTE SEMANEK (St. Pölten) präsentierte Zusammenstellung von Ausschnitten aus Amateur:innen-Schmalfilmen (Gestaltung: Stefanie Bachmann, Tabea Söregi und Lea Struck) aus Niederösterreich. Circa 70.000 Rollen wanderten seit 2013 aufgrund eines Sammelaufrufs des Landes Niederösterreich ins Filmarchiv Austria (Wien); derzeit werden sie vom IGLR katalogisiert. Die Präsentation konzentrierte sich auf das Schmalfilm-Universum der 1950er- bis 1980er-Jahre, dessen Masse seit den 1960er-Jahren durch Super 8 anwuchs: Die Ausschnitte berührten Themen wie „Reisen“, „Heim und Garten“, „Landwirtschaft und Erwerbsarbeit“ und erwiesen sich als relevante zeithistorische Quellen. Eine methodologische Diskussion dazu folgte am zweiten Veranstaltungstag.

Diesen eröffnete eine Diskussionsrunde dreier Vorstandsmitglieder des Trägervereins des IGLR zu Paradigmen und Perspektiven einer Erforschung des „Ländlichen“, da die dazu geplante Keynote von Peter Moser ebenfalls ausfallen musste: ERNST LANGTHALER (Linz) strich nicht nur die Europäisierung der rural history heraus, zu der das IGLR – aktuell Sitz der Geschäftsstelle der European Rural History Organisation (EURHO) – beigetragen habe. Zum „ländlichen Raum“ hielt er fest, dass man sich über den Schöpfer dieses Begriffs zumindest bei der Institutsgründung noch nicht bewusst gewesen sei: Der Raumplaner Konrad Meyer (1901–1973), der ihn in den 1960er-Jahren prägte, hatte im Nationalsozialismus vom „Lebensraum“ gesprochen. Dieser problematischen Tradition müsse sich das Institut stets aufs Neue stellen. MARGARETH LANZINGER (Wien) erinnerte aber auch an die für die Namensgebung des IGLR maßgebliche konzeptionelle Offenheit des „ländlichen Raums“: Hilfreich sei der Begriff zumal für eine Analyse frühneuzeitlicher – und mithin mehrheitlich ländlicher – Lebenswirklichkeiten. Die forschende Entdeckung ländlicher „Unterschichten“ als „Fremdes im Eigenen“ habe mitunter zu deren Idolisierung geführt. Grundherr:innen, Gewerbetreibende, Kreditgeber:innen und andere stellten oft noch eine Forschungslücke dar. Mit Übergangsbereichen von „Laien“- und Wissenschaftswissen setzte sich STEFAN EMINGER (St. Pölten) auseinander: Seit den 1980er-Jahren sei in Orts- und Heimatbüchern in Niederösterreich vermehrt der Einfluss der Regionalgeschichte, dann auch der historischen Anthropologie spürbar geworden. Neuere Beispiele dieses Buchtyps würden kleinstädtische beziehungsweise dörfliche Politiken und Konflikte berücksichtigen, auch wenn man bis heute weitgehend abgekapselt von internationalen community studies agiere.

Wie „attraktiv“ oder „abgehängt“ sind „ländliche Räume“ in der (Post-)Moderne? Ein Panel zu dieser Frage eröffnete IRA SPIEKER (Dresden), indem sie am Beispiel Sachsens ökonomische, raum- und landschaftsbezogene, historisch-politische sowie wissens- und akteursbezogene Aspekte analytisch verklammerte. Als Fallbeispiel dienten ihr Pläne zu einer Wiederaufnahme des Bergbaus an der deutsch-tschechischen Grenze aufgrund eines neu entdeckten Lithiumvorkommens. Das von Politik und Industrie beworbene Projekt werde an der vermeintlichen Peripherie – mitunter als Möglichkeits- und Wirklichkeitsraum des Rechtsextremismus in den Schlagzeilen – mit einer Mischung aus Akzeptanz, Fatalismus und Protest aufgenommen. Ähnlich multiperspektivisch näherte sich NIKLAS PERZI (St. Pölten) der tschechisch-österreichischen Grenze: Dass das Waldviertel heute vielen als Musterbeispiel einer frühen und gelungenen Regionalentwicklung seit den 1970er-Jahren gelte, verdanke sich einer Umcodierung von „abgehängt“ zu „attraktiv, weil abgehängt“. Hauptverantwortlich dafür seien externe Einflüsse, beginnend mit der Entdeckung der Region durch zugewanderte Künstler:innen. Im Wechselspiel mit endogenen Faktoren hätte die Regionalentwicklung die Phasen „Freiwilligkeit“, „Professionalisierung“, „Vermarktlichung“ und „Zentralisierung“ durchlaufen. BRIGITTE SEMANEK (St. Pölten) suchte das „Abgehängt-Attraktive“ in den vom IGLR katalogisierten Schmalfilmen und ging unter anderem den ihnen eingeschriebenen Fortschrittsnarrativen nach. Dörfliche soziale Umgebungen seien im Material ähnlich präsent wie die Metropole Wien, ein beliebtes Ausflugsziel; regionale Zentren dagegen – falls nicht das „Regionale“ überhaupt – bildeten eine Leerstelle. Reflexiv fragte sie, was die Filmenden (nicht) überliefern wollten, wie das Projektteam auf sein Material schaue und wie dieses sich heuristisch verfremden lasse.

Zumal die um 2000 spürbare Begeisterung für „offene Grenzen“ in Europa inzwischen oft der „offenen Forderung nach Grenzen“ gewichen sei, thematisierte das folgende Panel die historische Kontingenz von Grenzregimen und davon tangierter Mobilitäten von Menschen, Kapital und Wissen. CORINNE GEERING (Leipzig) folgte den Spuren ruthenischer Saisonarbeiter:innen, die auf ihrem Heimweg aus den USA nach der Kriegserklärung 1914 als österreichische Staatsbürger:innen im englischen Hafen Falmouth festgehalten wurden. In die umgekehrte Richtung reiste ein russischer Agrarwissenschaftler namens Rozen, um Wissen über die Landwirtschaft Nebraskas zu sammeln. Darauf basierend entstand bei einer Landwirtschaftsausstellung 1910 in Ekaterinoslav, heute Dnipro, eine „amerikanische Farm“. Mit einem „kleinrussischen Bauernhof“ kontrastierend, erzeugte sie beim Ausstellungspublikum Wahrnehmungen von „Fortschritt“ und „Tradition“, welche die Veranstalter:innen so nicht intendiert hatten. Eigen- und Fremdwahrnehmungen thematisierte auch OLIVER KÜHSCHELM (St. Pölten), der die Aufmerksamkeit auf die Jahre nach „1989“ als „Vorgeschichte der Gegenwart“ lenkte: Er stellte ein von ihm am IGLR geplantes Projekt zur „Ostöffnung“ vor – einem Begriff, der in Österreich einerseits sich eröffnende Möglichkeiten für heimische Unternehmen in ehemals sozialistischen Ländern und andererseits Zuwanderung – vor allem Arbeitsmigration – aus diesen Ländern beschrieb. Mediendiskurse dazu beinhalteten stereotype Bilder des „Ostens“ und Österreichs als einer „Brücke“ dorthin. Gern wurden die neuen Mobilitäten nach 1989 auf die alte Folie der Habsburgermonarchie und ihres Herrschaftsbereichs projiziert. Zwei weitere Zugänge zum Thema neben dem text- und diskursanalytischen seien die kollektivbiographische Rekonstruktion von Netzwerken von „Ostexpert:innen“ und narrative Interviews zum „lokalen Vollzug“ der Öffnung in mittelständischen Unternehmen.

Das folgende Panel thematisierte „Agrarrevolutionen“ und davon bedingte (Un-)Sicherheiten der Lebensmittelversorgung. FRANZ SINABELL (Wien) wagte eine agrarökonomische Prognose dazu, was aus der Landwirtschaft, wie wir sie heute kennen, künftig werde: Als Trends beschrieb er unter anderem die industrielle Erzeugung fleischähnlicher Produkte aus pflanzlichen Rohstoffen und die Produktion von Protein aus Tiefseeorganismen – Beispiele einer zunehmenden Verflechtung von Wachstumszyklen und fabrikmäßiger Produktion. Im Sinne eines rückwärtsgekehrten Propheten fragte ERNST LANGTHALER (Linz), wie die Landwirtschaft dazu geworden sei, was sie heute sei: Die Verlagerung agrarischen Wirtschaftens auf eine stark produktivistische Strategie seit Mitte des 20. Jahrhunderts sei durchaus keine „Erfolgsgeschichte“, habe sie doch Energieineffizienz und Ernährungsungleichheit hergestellt. Als Triebkräfte identifizierte er technische und institutionelle Wandlungen sowie widersprüchliche Ziele von Konsument:innen, Produzent:innen und der Agrarindustrie; als Gegenkräfte unter anderem regionale Protestbewegungen. Die „erste Agrarrevolution“ beleuchtete MARTIN BAUER (St. Pölten), der auf die Agrarintensivierung und -ausdehnung 1780–1910 in Niederösterreich einging: Prägend dafür war der allmähliche Übergang von der Dreifelderwirtschaft zu intensiveren Fruchtfolgesystemen vor allem im Alpenvorland und im Umland von Wien ab circa 1780. Ab 1880/90 löste der zunehmende Milchkonsum in Wien im Verbund mit dem Zuckerrübenanbau einen Entwicklungsschub im östlichen Flachland aus.

Wie Landwirtschaft zum Klimawandel beiträgt und davon betroffen ist, fragte das letzte Panel. CLAUDIA BIELING (Hohenheim) wies auf zwei ältere Forschungsparadigmen hin, die nach wie vor nicht gänzlich überwunden seien: Während das erste davon das Verhältnis von Nahrungsmittelproduktion und Klima- sowie Biodiversitätszielen als eines der Synergie beschreibe, thematisiere das zweite (mit dem ersten inkompatibel) dieses Verhältnis als eines der Konkurrenz. Zuletzt jedoch sei ein Paradigma der wechselseitigen Abhängigkeit einflussreicher geworden: Angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine argumentiere der internationale Expert:innendiskurs vermehrt, dass Ernährungssysteme nicht ohne Erfolge bei Biodiversität und Klima stabil zu halten seien. SIMONE GINGRICH (Wien) stellte die aktuellste, nämlich am selben Tag erschienene Publikation ihres Teams zu landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen – überwiegend durch enterische Fermentation – in Österreich vor. In einer auf agrarstatistische Daten gestützten sozialökonomischen Langzeitperspektive errechneten die Forscher:innen eine Zunahme solcher Emissionen von knapp 70 Prozent für die Jahre von 1830 bis 2018. Zum Klimaschutz trage die Landnutzung unter anderem durch den Schutz von Ökosystemen bei, die als „Senken“ Emissionen reduzieren. JESSICA RICHTER (St. Pölten) ging auf ein laufendes interdisziplinäres Forschungsprojekt – unter Mitwirkung des IGLR – über die mediale Rezeption des Klimawandels mit Fokus auf Soja und Windkraftanlagen in Niederösterreich vor. Organisationen würden ihren Standpunkten nicht nur durch finanzielle und andere Ressourcen sowie Netzwerkbildungen, sondern auch durch mediales „Framing“ Geltung verschaffen: Neben plausiblen Problemdiagnosen und Lösungsangeboten würden Strategien gesucht, um Menschen zur Zustimmung und zum Mitmachen zu motivieren. Umso deutlicher zeigte sich, dass das Panel insgesamt neben Fragen der Wissens- auch solche der Meinungsproduktion thematisierte.

Anders als es in einem der Grußworte der Abendveranstaltung hieß, war „Land und heute“ keine bloße „Erfolgspräsentation“ des IGLR. Der Versuch des Instituts, sich der eigenen kognitiven Identität zu vergewissern, war oft ein selbstkritisches Hinterfragen vermeintlicher Gewissheiten, etwa mit Blick auf das Jahrbuch des Instituts und den Begriff „ländlicher Raum“. Ein Gutteil der Referent:innen stand dem Institut nahe, ob als Mitarbeiter:in, Vereinsmitglied, Mitherausgeber:in, Kooperationspartner:in oder Angehörige:r fach- beziehungsweise themenverwandter Forschungscommunities. Vielleicht hätten etwas „fremdere“ Sichtweisen da und dort für noch mehr produktive Verunsicherung gesorgt. „Geschlecht“, „Arbeit“, „Region“ und „Natur“ waren plausible Aspekte zur Strukturierung der Jahrbuch-Diskussion, aber auch andere Kategorien hätten sich angeboten, wie sie am Folgetag öfters auftauchten, etwa „soziale Ungleichheit“ und „Wissen“. Die Diskussionen, für welche die Organisator:innen erfreulich großzügig Zeit eingeplant hatten, landeten öfters bei der Frage „Wer wird Agrarhistoriker:in?“ – und damit bei der mehr oder weniger „(r)urbanen“ Sozialisation der rural historians, einem offenbar noch wenig beleuchteten Thema. Aber vielleicht war auch dies, wie manches andere, ein Vorgeschmack auf künftige Forschungen – auf „Land und morgen“.

Konferenzübersicht:

Ernst Langthaler (Linz): Begrüßung

Agrargeschichte schreiben – und vieles mehr. Reflexionen zu 20 Bänden Jahrbuch für Geschichte des ländlichen Raumes
Moderation: Brigitte Semanek (St. Pölten)

Ernst Langthaler (Linz): Einführung

Dietlind Hüchtker (Wien) / Margareth Lanzinger (Wien): „Geschlecht“

Georg Fertig (Halle-Wittenberg) / Erich Landsteiner (Wien): „Arbeit“

Martin Knoll (Salzburg) / Ernst Langthaler (Linz): „Region“

Markus Schermer (Innsbruck): „Natur“

Ins Land reinschauen. Abendveranstaltung in Kooperation mit dem Niederösterreichischen Landesarchiv

Ernst Langthaler (Linz) / Brigitte Semanek (St. Pölten) / Oliver Kühschelm (St. Pölten/Wien) / Roman Zehetmayer (St. Pölten) / Hermann Dikowitsch (St. Pölten): Eröffnung und Grußworte

Ernst Langthaler (Linz): Soja – Licht und Schatten der „Wunderbohne“

Brigitte Semanek (St. Pölten): Filmpräsentation „Mit der Kamera durchs Land. Schmalfilmszenarien aus ‚Niederösterreich privat‘“ (Gestaltung: Stefanie Bachmann / Tabea Söregi / Lea Struck)

Geschichte und Gegenwart ländlicher Räume erforschen – Paradigmen und Perspektiven

Oliver Kühschelm (St. Pölten/Wien): Begrüßung und Einstieg

Ernst Langthaler (Linz): Statement

Margareth Lanzinger (Wien): Statement

Stefan Eminger (St. Pölten): Statement

Attraktiv oder abgehängt? Ländliche Räume in der (Post)Moderne
Moderation: Stefan Eminger (St. Pölten)

Ira Spieker (Dresden): Statement

Niklas Perzi (St. Pölten): Statement

Brigitte Semanek (St. Pölten): Statement

Öffnung war gestern? Zur Mobilisierung und Einhegung von Menschen, Wissen, Kapital
Moderation: Dietlind Hüchtker (Wien)

Corinne Geering (Leipzig): Statement

Oliver Kühschelm (St. Pölten): Statement

(Un)sichere Ernährung? Intensivierung der Landwirtschaft
Moderation: Margareth Lanzinger (Wien)

Franz Sinabell (Wien): Statement

Ernst Langthaler (Linz): Statement

Martin Bauer (St. Pölten): Statement

Gesellschaft und Landwirtschaft in der Klimakrise
Moderation: Thomas Kühtreiber (Krems an der Donau/Salzburg)

Claudia Bieling (Hohenheim): Statement

Simone Gingrich (Wien): Statement

Jessica Richter (St. Pölten): Statement

Schlussdiskussion, Resümee und Ausblick
Moderation: Oliver Kühschelm (St. Pölten)