Places of Power, Orte der Herrschaft, Lieux du Pouvoir

Places of Power, Orte der Herrschaft, Lieux du Pouvoir

Organisatoren
Max-Planck-Institut für Geschichte, Mission Historique Française en Allemagne
Ort
Göttingen
Land
Deutschland
Vom - Bis
03.06.2004 - 05.06.2004
Url der Konferenzwebsite
Von
Caspar Ehlers, Repertorium der deutschen Königspfalzen, Max-Planck-Institut für Geschichte, Göttingen

Ausgehend von einer Präsentation des Repertoriums der deutschen Königspfalzen bei Professor Michael McCormick an der Harvard University wurde ein Grundlagenpapier zu der Fragestellung nach den Orten der Herrschaft entwickelt und an alle Referenten und Moderatoren der vom Max-Planck-Institut für Geschichte mit Unterstützung der Mission Historique Française en Allemagne ausgerichteten Göttinger Tagung verschickt. Dieses Papier sollte die Eckpunkte der Überlegungen markieren. In seinem einleitendem Referat legte Caspar Ehlers darüberhinaus besonderes Gewicht auf die Begriffe "Herrschaft", "Integration" und "Stabilisierung", denen grundlegende Beachtung bei der Erörterung der verschiedenen Ausprägungen von Orten der Herrschaft zuteil werden müsse.

Die Folge der knapp zwanzig Vorträge inklusive der Moderationen von Thomas Zotz, Otto Gerhard Oexle, Werner Paravicini, Helmut Flachenecker und Caspar Ehlers kann hier nicht referiert werden, zumal die Beiträge der Konferenz in den "Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte" im kommenden Frühjahr vorgelegt werden sollen. Vielmehr werden sie - der Zusammenfassung und Schlußdiskussion folgend - unter drei Oberbegriffen, die in jedem der Referate eine Rolle spielten, subsumiert.

1.) Herrschaft
Unter den Gesichtspunkten "Schreiben/Bauen/Darstellen - Sehen/Erklären/Lesen/Wahrnehmen", legten Matthias Untermann ("Architekturelemente der Orte der Herrschaft") sowie Bernd Carqué ("Orte und Zeichen der Herrschaft im spätmittelalterlichen Paris") dar, daß nicht nur Versatzstücke aus Architektur oder Stadtplanung in neuer Komposition den Ort der Herrschaft zieren, sondern daß es auf das An-Erkennen solcher Symbolik ankommt, dem durchaus nachgeholfen werden muß, wenn beispielsweise der französische König Karl V. seinem kaiserlichen Gast, Karl IV., die Bedeutung von Paris anhand der Schätze und der Architektur erläuterte. Carsten Juwig ("Die Macht der Imagination: Zur Bildhaftigkeit karolingischer Herrschaftsorte") zeigte anhand der Aachener Pfalzkapelle und einiger Parallelbeispiele karolingerzeitlicher Baukunst und Malerei in Verbindung mit Quellentexten des 8. und 9. Jahrhunderts die Problematik des Sehens und Verstehens und erläuterte die Vorgehensweisen bei der Annäherung an einen Bau mit bildwissenschaftlichen Methoden. Inwieweit sich Orte der Herrschaft sprachlos über die Zeiten hin erhalten, war einer der Aspekte der Darlegungen von Babette Ludowici, die am Beispiel "vorgeschichtlicher Grabdenkmäler als Orte der Herrschaft im frühen Mittelalter" die "ostfälischen Tumulusnekropolen" und deren Nachbelegung ab dem 6. Jahrhundert durch eine in ihren Bräuchen ‚frankisierte' sächsisch-thüringische Oberschicht erläuterte.

Das Reden vom Ort der Herrschaft meint zugleich meist auch den Raum - und schließt die Peripherie mit ein, was methodische Konsequenzen für die Behandlung der Orte der Herrschaft mit sich bringt. Joëlle Burnouf ("Les estimateurs archéologiques de l'interprétation sociale de la notion d'élite et la question des lieux centraux") unterstrich anhand der Ergebnisse großräumig angelegter Grabungen in Frankreich, daß nicht Herrschaft, sondern nur Vermögen archäologisch nachzuweisen sei und das wiederum erst mittels der Abstufung innerhalb eines größeren Bezugsraumes. Die Analyse Christoph Sonnlechners ("Die Etablierung eines Netzknotens im Südosten des Frankenreichs: Salzburg im Licht karolingischer Raumstrategien und Landnutzungsinteressen") der Raumerschließung innerhalb der Diözese Salzburg während der Karolingerzeit hob die besondere Funktion der im Raum eingerichteten monastische Zellen als gleichsam kleines Subsystem der Herrschaft im übergeordneten Konzept der diözesanen Raumerfassung hervor. Ein Befund, der sich in gewisser Weise auch auf das frühmittelalterliche Sachsen im 9./10. Jahrhundert übertragen ließe. Josiane Barbier ("Les lieux de pouvoir dans la Gaule franque") zeigte die Entsprechung anhand der merowinger- und karolingerzeitlichen Pfalzen in der Ile-de-France und deren engerer Umgebung, wobei sie betonte, daß die palais royaux eine Erfindung des 6. Jahrhunderts seien. Zugleich fragte sie nach dem königlichen Monopol, diese zu benutzen. In jedem Falle würde, so Barbier, durch das System der Orte eine Grenze gebildet und somit Raum gewonnen.

Christian Hillens Untersuchung "Heinrich (VII.), der gehetzte König: Orte seiner Herrschaft in Zeiten des Konflikts" beschrieb am Beispiel des Itinerars eines Königs in der Krise, daß im Grunde nur Raum aber keine Orte mehr zur Verfügung stehen, wenn Personal und Ressourcen knapp werden. Auf einen überraschenden Aspekt machte Bernhard Vogel ("Heilige Orte der Herrschaft in der Hagiographie") aufmerksam, der anhand von Heiligenviten beziehungsweise Mirakelberichten ebenfalls einen Raumbezug derjenigen Orte nachweisen konnte, die als Schauplätze von Wundern in den Texten namentliche Erwähnung fanden.

2.) Organisieren
Wie werden Orte der Herrschaft organisiert? Zum einen durch Umgrenzen. Dies schließt materielle Möglichkeiten (wie sie etwa im Beitrag Untermanns erörtert wurden) ebenso ein, wie immaterielle. Zu den letzteren gehört sicherlich die Verbindung bestimmter öffentlicher Funktionen für die Herrschaftsausübung mit dem Ort. Daß diese jedoch einem Wandel unterworfen waren, der bis zur Dysfunktionalität führen konnte, zeigte Magnus Ryan ("Vom Gerichtsort zum Herrschaftszentrum: Norditalienische Städte im hohen bzw. späten Mittelalter") am Beispiel Mailands und der Visconti innerhalb des Stadtadels. Das Referat Helmut Flacheneckers ("Zentren der Kirche in der Geschichtslandschaft Franken") arbeitete anhand der Diözesen Eichstätt, Würzburg und Bamberg die Möglichkeiten einer tragfähigen Struktur heraus, die sich in anderen Fällen (etwa Büraburg und Erfurt) nicht hatte etablieren lassen. Die Rolle funktionaler Eliten bei derartigen Prozessen war ein Aspekt des Vortrages von Michael McCormick ("From One Power Center to Another: Comparing Byzantine and Carolingian Ambassadors and their Respective Elites"). Das Schließen und Gestalten eigener Regionen durch den lokalen Adel und die daraus zu eröffnenden Möglichkeiten eines gleichsam direkten wie indirekten Aufstieges legte Jean Luc Fray ("Genese eines Ortes der Herrschaft: Das Beispiel von Moulins") dar, als er den Weg der prominenten Herren von Bourbon zu Herzögen und den Platz ihres gewählten Vorortes Moulins gleichsam zwischen dem Hausmachtszentren und der Zentrale Paris schilderte.

3.) Stabilisieren
Welche Möglichkeiten bieten sich, einen Ort zu etablieren und Herrschaft zu festigen? Soll er gehalten oder besser verlegt werden, ist die Bildung von unterstützenden Sub-Zentren (wie in den Beiträge Sonnlechners und Nazarenkos, s.u., gezeigt) sinnvoll? Stefan Schweizer ("Kassel und Marburg im 13. und 14. Jahrhundert: Konkurrierende Residenzen") folgte am Beispiel der hessischen Landgrafen und ihrer Residenzorte Marburg und Kassel der Frage nach der sinnvollen Verlegung und der daraus erwachsenden dualistischen Funktionskonkurrenz. Wie in Frankreich (siehe den Beitrag von Josiane Barbier), so sind auch in Polen und der alten Rus die Residenzen zahlreich, da diesen Gesellschaften eine ortsfeste Herrschaftspraxis im Gegensatz zum Reisekönigtum recht früh eigen wird, was in erster Linie an der Verwaltung und der ‚Hofkultur' festzustellen ist, weniger an den Gewohnheiten des Fürsten selbst, der sich auch weiterhin in seinen Bereichen bewegt. In allen Systemen ist eine Hierarchie der Plätze zu beobachten, wie auch Zbigniew Pianowski ("Wawel Hill as a Place of Power in Earlier Medieval Time") anhand der Entwicklung des Wawels in Krakau darlegte, was vor dem Hintergrund des Referates von Wojciech Falkowski ("Centres and Structures of Power in Late Medieval Poland"), der auf eine Art zweigeteilter Praxis in Polen hinwies, besonders deutlich wurde.

Um das Überleben der Orte der Herrschaft drehten sich auch die Beiträge von Fray und Flachenecker. Im auvergnatischen Fall war Flexibilität gefragt, bei den fränkischen Beispielen spielte die kirchenrechtliche Ortsfestigkeit und die Einbindung in die Reichskirche eine Rolle. Weitere Erfolgskriterien wären vor allem im Feld der Wirtschaft zu suchen, was vor allem in den Vorträgen von Burnouf, Ryan und Sonnlechner hervorgehoben wurde.

Mit der Formel "Erfolg haben - imitiert werden" ließen sich zahlreiche Einzelaspekte vieler Vorträge zusammenfassen, die die Vorbildfunktion einzelner Orte verdeutlichten. Vor allem die Beiträge Michael McCormicks und Alexander Nazarenkos ("Fürstliche Residenz und Hauptstadt in der Alten Rus") zeigten die Bedeutung von Byzanz für die Entwicklung einer west- und osteuropäischen Residenzen- und Hofkultur. Dagmar ó Riain-Raedel ("'Wie beim deutschen Kaiser': Krönungskirche und Sakraltopographie in Cashel") untersuchte die Vorbildfunktion der Gebräuche bei Wahl und Krönung des römisch-deutschen Königs für die Gestaltung einer hochmittelalterlichen Kirche in Südirland.

Die tragende Rolle der Eliten spiegelte sich in allen Vorträgen in verschiedener. Ausprägung; so wenn es um die Träger ging (Ludowici, McCormick, Burnouf, Fray, Nazarenko und Ryan), oder um die Indienstnahme des Religiösen durch Gruppen (Vogel). Thematisiert wurden Krisensymptome der Eliten (Hillen und in gewisser Weise auch Ryan) und auch die letztlich von diesen gestaltete Inszenierung mittels Architektur und Kunst (Untermann, Juwig, Schweizer, Carqué, ó Riain-Raedel und Pianowski) oder auch die durch Eliten bestimmte Raumorganisation (Flachenecker, Sonnlechner, Falkowski und Barbier).

4.) Erforschen
Neben bereits existierenden Programmen, wie der "Transformation of the Roman World" (4. bis 8. Jahrhundert), oder anderen Tagungen - es sei erinnert an jene französisch-polnischen der neunziger Jahre zu den "Lieux du Pouvoir au Moyen Âge et à l' Époque moderne" - dürfte das mit der Göttinger Tagung des Jahres 2004 auf den Weg gebrachte, aus der Pfalzenforschung am Max-Planck-Institut für Geschichte hervorgegangene Projekt Bestand haben. Mit besonderer Freude sehen Organisator und Teilnehmer den folgenden Konferenzen und weiteren Kooperationen mit den anderen Vorhaben entgegen, denn viele Aspekte des eingangs erwähnten Papiers sind noch nicht behandelt und harren der Zuwendung. Das Göttinger Kolloquium ließ sich nur mit Unterstützung von Otto Gerhard Oexle, Direktor am Max-Planck-Institut für Geschichte, aus der Taufe heben, dem das Projekt und die Tagung mit ihren zahlreichen Diskutanten und Zuhörern dafür herzlich danken.