Visual Approaches to Cultural Heritage

Visual Approaches to Cultural Heritage

Organisatoren
ETH-Bibliothek Zürich; Consortium of European Research Libraries (CERL)
Ort
Zürich
Land
Switzerland
Vom - Bis
14.03.2018 -
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Von
Stefan Wiederkehr, Sammlungen und Archive, ETH Zürich, ETH-Bibliothek

Der „iconic turn“ lenkte seit den 1990er-Jahren die Aufmerksamkeit von Forschenden verstärkt auf visuelles Material und dessen Interpretation. In Kombination mit textbasierten Zugängen eröffnet dieser Ansatz vielseitige Perspektiven und führt zu neuartigen Fragestellungen in den Kultur- und Sozialwissenschaften. Bildbasierte Rechercheinstrumente und die visuelle Darstellung von Forschungsergebnissen haben sich demgegenüber weit weniger schnell entwickelt. Das von der ETH-Bibliothek und dem Consortium of European Research Libraries (CERL) organisierte Seminar „Visual Approaches to Cultural Heritage“ griff dieses Desiderat auf und bot ein Forum, um innovative Formen des Zugangs zu Bildquellen und die Visualisierung von Forschungsresultaten zu diskutieren. CERL ist der Verbund der wichtigsten europäischen Bibliotheken mit wertvollen Altbeständen und setzt sich zum Ziel, Handschriften und alte Drucke in zeitgemäßer Form zu erschließen und der Forschung zur Verfügung zu stellen.1

Nach der Begrüßung durch den stellvertretenden Direktor der ETH-Bibliothek, ANDREAS KIRSTEIN, und den Chairman von CERL, KRISTIAN JENSEN, führte STEFAN WIEDERKEHR als lokaler Organisator in das Thema des Seminars ein. Dabei wies er auch darauf hin, dass aufgrund des informationswissenschaftlichen Fokus der Veranstaltung ein zentraler Aspekt des „iconic turn“ – innovative Methoden der Bildinterpretation – keine Aufnahme in das Programm fand.

Im ersten Panel standen der Zugang zu Quellen und die Standardisierung im Zentrum. MEDA DIANA HOTEA (Zürich) stellte eine Auswahl einschlägiger Angebote vor, die die ETH-Bibliothek allein oder mit Partnern betreibt. Zu den Datenbanken, die die Recherche nach Bildquellen ermöglichen, gehören e-rara.ch 2, e-manuscripta.ch 3, der E-Pics-Katalog Alte und Seltene Drucke 4 sowie Kartenportal.ch .5 Auf Interesse stießen in der Diskussion aber insbesondere die kartenbasierte Rechercheplattform ETHorama 6 und die Konzeption des erst im März 2018 freigeschalteten E-Pics-Katalogs „Ex meis libris“ 7, der Provenienzmerkmale aus alten Drucken auf neuartige Weise zugänglich macht. Im Anschluss daran gaben WILLIAM O. DUBA und MARIA WIDMER (beide Fribourg) einen Überblick über e-codices 8 und Fragmentarium 9 und die Implementierung des IIIF (International Image Interoperability Framework)-Standards 10 auf diesen beiden Plattformen. e-codices, die virtuelle Handschriftenbibliothek der Schweiz, umfasste im März 2018 rund 1.950 Dokumente aus 79 Sammlungen. Fragmentarium dient der Publikation, kollektiven Erschließung und virtuellen Zusammenführung von Manuskriptfragmenten aus aktuell 16 internationalen Partnerbibliotheken.

Die in Kooperation mit dem Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut entwickelte Bildähnlichkeitssuche 11 erlaubt, so CLAUDIA FABIAN (München), die Suche in 49 Millionen automatisch erkannten Bildern aus 2,3 Millionen Digitalisaten der Bayerischen Staatsbibliothek. Sie führte die einzelnen Schritte der Indexierung (Text-Bild-Trennung, Extraktion von visuellen Deskriptoren, Ausfiltern von „nicht relevanten Bildern“), einige erstaunliche präzise Resultate der Ähnlichkeitssuche, aber auch die aktuellen Grenzen des Systems vor. Einen anderen Ansatz – das Aggregieren von aktuell ca. 500.000 Illustrationen aus verschiedensten Institutionen, die ICONCLASS 12 zur Bild- oder seltener Texterschließung verwenden – verfolgt Arkyves.13 Wie HANS BRANDHORST und ETIENNE POSTHUMUS (beide Leiden) in ihrer Präsentation erläuterten, bietet der Verlag dieses Produkt in hybrider Form an, so dass Teile der Daten im Open Access, andere nur im Subskriptionsmodell zugänglich sind. Ziel ist die Weiterentwicklung in eine kollaborative Arbeitsumgebung für die Digital Humanities, in der etwa Annotationen oder Transkriptionen geteilt werden können.

Das zweite Panel zum Thema „Visualisierung von Forschungsresultaten“ leitete der Soziologe MATTHIAS BIXLER (Zürich) mit grundsätzlichen Überlegungen zu Chancen und Grenzen des Konzepts Historische Netzwerkanalyse ein. Wenn Graphentechnologien im Forschungsprozess zum Gewinn neuer Erkenntnisse eingesetzt werden, seien die Visualisierungen oft unästhetisch. Die Darstellung von Forschungsresultaten als Netzwerkgraphen hingegen könne komplexe Sachverhalte auf einen Blick erkennbar machen. Von einer dritten Art des Gebrauchs von Graphen, die durchaus häufig zur Anwendung komme, riet Bixler ab: der Angeberei.

Die Reihe von drei Fallstudien eröffnete CRISTINA DONDI, die einen gemeinsam mit MATILDE MALASPINA (beide Oxford) erarbeiteten Vortrag hielt. Das Projekt 15cBOOKTRADE 14 untersucht die Zirkulation von Inkunabeln vom Drucker bis zum heutigen Standort durch geographische und chronologische Auszeichnung der Provenienzspuren in der Datenbank Material Evidence in Incunabula (MEI).15 Die Detailerschließung der Illustrationen in Wiegendrucken erlaubt es, die Wiederverwendung von Druckstöcken und Abbildungen nachzuvollziehen. In allen Teilprojekten von 15cBOOKTRADE kommen Visualisierungsmethoden zur übersichtlichen Darstellung der Ergebnisse zum Zuge. Ein fulminantes Plädoyer für das geplante FET Flagship Projekt Time Machine 16 hielt FRÉDÉRIC KAPLAN (Lausanne). Massendigitalisierung von Archivalien und Sammlungsobjekten in bisher nie dagewesenem Maßstab und die Anwendung modernster Technologien der künstlichen Intelligenz und des „machine learning“, so das Versprechen, erweitern das Feld von Big Data auf 2.000 Jahre europäischer Geschichte und werden den Kontinent auf neue Art zusammenwachsen lassen. ANNA NEOVESKY (Mainz) zeigte Beispiele von Anwendungen der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, die bereits implementiert sind. Dazu gehören virtuelle Rundgänge in Kirchenräumen zu den Inschriften, die das interakademische Kooperationsprojekt Deutsche Inschriften Online 17 ediert, und statische Visualisierungen von mittelalterlichen Netzwerken auf der Grundlage der Regesta Imperii (RI) ebenso wie interaktive explorative Formen des Zugangs zu den digitalen RI. Das Projekt Inschriften im Bezugssystem des Raumes 18 entwickelt eine Methodologie und diese unterstützende Software-Werkzeuge, mit denen sich Inschriften zum besseren Verständnis ihrer Bedeutung und Geschichte mit ihrem räumlichen Kontext in Beziehung setzen lassen.

Insgesamt zeigte die lebhafte Diskussion der rund 70 Teilnehmenden aus elf Ländern, dass der visuelle Zugang zu Information ein enormes Potential bietet und dass in jüngster Zeit zahlreiche Initiativen entstanden und Projekte begonnen worden sind, die der Forschung neue Impulse verleihen werden.

Konferenzübersicht:

Andreas Kirstein (Zurich) / Kristian Jensen (London) Welcome and Opening Remarks
Stefan Wiederkehr (Zurich), Introduction

Panel 1: Access to Sources

Meda Diana Hotea (Zurich): ETH Library’s Visual and Map-based Access to Selected Digital Information Resources

William O. Duba/Maria Widmer (Fribourg): e-codices and Fragmentarium. Building for and Building upon the Interoperability Paradigm

Claudia Fabian (Munich): Image-based Similarity Search at the Bavarian State Library
Hans Brandhorst/Etienne Posthumus (Leiden): Arkyves – a Serendipity Engine

Panel 2: Visualisation of Research Results

Matthias Bixler (Zurich): Connecting the Dots. The Use of Visualisations in Historical Network Research

Matilde Malaspina/Cristina Dondi (Oxford): Tracking and Visualising the Circulation of Books and of Illustrations: 15cV and 15cILLUSTRATION

Frédéric Kaplan (Lausanne): Why Europe Should Build a Time Machine

Anna Neovesky (Mainz): Visual Approaches to the Presentation and Analysis of Text Corpora. Case Studies on Digital Collections of Medieval and Early Modern Sources

Anmerkungen:
1https://www.cerl.org/ (18.06.2018).
2https://www.e-rara.ch/ (18.06.2018).
3https://www.e-manuscripta.ch/ (18.06.2018).
4http://ad.e-pics.ethz.ch/ (18.06.2018).
5http://www.kartenportal.ch/ (18.06.2018).
6http://ethorama.library.ethz.ch/ (18.06.2018).
7http://ad-provenienz.e-pics.ethz.ch/ (18.06.2018).
8https://www.e-codices.unifr.ch/de (18.06.2018).
9http://www.fragmentarium.unifr.ch/ (18.06.2018).
10http://iiif.io/ (18.06.2018).
11https://bildsuche.digitale-sammlungen.de/ (18.06.2018).
12http://www.iconclass.org/ (18.06.2018).
13http://arkyves.org/ (18.06.2018).
14http://15cbooktrade.ox.ac.uk/ (18.06.2018).
15http://data.cerl.org/mei/_search (18.06.2018).
16http://timemachineproject.eu/ (18.06.2018).
17http://www.inschriften.net/ (18.06.2018).
18http://www.spatialhumanities.de/ (18.06.2018).


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