Hochschuljubiläen zwischen Geschichte, Gegenwart und Zukunft

Hochschuljubiläen zwischen Geschichte, Gegenwart und Zukunft

Organisatoren
Anton F. Guhl / Gisela Hürlimann, Department für Geschichte am Karlsruher Institut für Technologie
Ort
digital
Land
Deutschland
Vom - Bis
19.06.2020 - 20.06.2020
Url der Konferenzwebsite
Von
Karen Bruhn, Historisches Seminar, Abteilung Regionalgeschichte, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Hochschuljubiläen stellen heutzutage meist massenwirksame Events dar, die, mit einem eigenen Projektmanagement versehen, zahlreiche finanzielle und personelle Ressourcen binden und die jeweilige Institution öffentlichkeitswirksam in das beste Licht rücken sollen. Dass Hochschuljubiläen allerdings durch die Jahrhunderte hinweg als „zentrale Triebfeder für die Hochschulgeschichtsschreibung“ (Anton F. Guhl) dienten und somit schon immer in der Lage waren, erhebliche Finanzmittel und Aufmerksamkeit zu generieren, verdeutlichte der Workshop des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Die Veranstaltung, die gleichsam als Auftakt des anstehenden 200-jährigen Jubiläums des damaligen Polytechnikums Karlsruhe (heute: KIT) im Jahr 2025 verstanden werden kann, beschäftigte sich mit Hochschuljubiläen der vergangenen Jahrhunderte im europäischen Kontext als eigenem Forschungsgegenstand und fragte nach dem Status quo sowie den Perspektiven einer zeitgemäßen Hochschulgeschichtsschreibung.1

Bereits der Festvortrag von PIETER DHONDT (Kuopio) lenkte über den Zugang der Hochschuljubiläen den Blick auf das größere Thema der Universitätsgeschichtsschreibung. So wurden Jubiläen häufig als Waffe von Propaganda oder als Antwort auf Krisensituationen instrumentalisiert, um das Ansehen, die Ausstattung etc. der jeweiligen Alma Mater zu stärken. Dhondt skizzierte die Herausforderungen an eine zeitgemäße Universitätsgeschichtsschreibung, die gewährleisten müsse, dass sich diese nicht solitär auf die eigene Institution fokussiert, da dadurch die Gefahr einer unreflektierten Betrachtung bestehe. Darüber hinaus dürfe die kritische Geschichtsschreibung nicht öffentlichkeitswirksamen Formaten geopfert werden. Dies verdeutlichte, dass Jubiläen bis heute als Aushandlungsprozesse zwischen verschiedenen AkteurInnen verstanden werden können und dass deren Ziele nicht immer deckungsgleich sein müssen.

Die Tagung folgte dann einer chronologischen Vorgehensweise und präsentierte im ersten Panel zunächst Universitätsjubiläen aus dem 19. Jahrhundert in vergleichender Perspektive. Unter anderem diskutierte MATTHIAS BERG (Berlin/München) Jubiläumsreden als essentielle Quellengattung für die Hochschulgeschichtsschreibung von traditionellen Volluniversitäten wie Technischen Hochschulen (TH). Darüber hinaus konnte ANTON F. GUHL (Karlsruhe) anhand der Jubiläumsfeierlichkeiten in Dresden (25 Jahre im Jahr 1853), Hannover (25 Jahre im Jahr 1856) und Prag (50 Jahre im Jahr 1856) zeigen, dass Polytechnika diese Feierlichkeiten dazu nutzten, um ihren Stand im Emanzipationskampf gegen die traditionellen Volluniversitäten zu stärken. So bedienten sie sich klassischer Praktiken wie beispielsweise der Durchführung von Festumzügen oder dem Abfassen einer Festschrift, suchten in diesen aber besonders die Bedeutung der Polytechnika für die Gegenwart und Zukunft zu betonen. Um nötige Ressourcen für die Zukunft zu generieren und politische Forderungen zu deklarieren, wurde an allen Standorten doing history betrieben, so Guhl.

CHRISTOF AICHNER (Innsbruck) lieferte mit seinen Ausführungen zu dem gescheiterten Jubiläum an der Universität Innsbruck im Jahr 1877 ein eindrucksvolles Beispiel für die Wirkungs- und Machtmechanismen innerhalb einer Universität. Hier tobte ein Kampf um die Deutungshoheit der Feierlichkeiten zwischen Studierenden und Professoren, sodass das Jubiläum zwar scheiterte und einen öffentlichen Skandal nach sich zog, heute aber ein gutes Untersuchungsobjekt für die internen Machtstrukturen der verschiedenen universitären Gruppen darstellt. Die anschließende Diskussion verdeutlichte, dass Jubiläen schon immer volatil waren und nur gefeiert wurden, wenn die inneren und äußeren Rahmenbedingen stimmten. Außerdem verdeutlichte das erste Panel den Mehrwert einer gleichwertigen Betrachtung von traditionellen Volluniversitäten und aufstrebenden Polytechnika bzw. späteren THs im Sinne einer integrativen Hochschulgeschichtsschreibung bei der Annäherung an die Praktiken sowie AkteurInnen hinter den Jubiläumsfeierlichkeiten.

Das zweite Panel thematisierte Hochschulen und deren Jubiläen während der NS-Zeit. MARTIN GÖLLNITZ (Marburg) zeigte zunächst mit einem Vergleich der Jubiläumsfeierlichkeiten zweier unterschiedlicher Institutionentypen von Hochschulen während des Zweiten Weltkrieges abermals, dass Jubiläumsfeierlichkeiten zumeist mehr Aussagen über die Jubelnden denn über das zu bejubelnde Ereignis zulassen. Trotz der Kriegsereignisse beging die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel im Jahr 1940 ihr 275-jähriges Jubiläum, während die TH Wien ihr 125-jähriges Bestehen zelebrierte. Göllnitz konnte verdeutlichen, dass beide Jubiläumsfeiern genutzt wurden, um die Legitimation der eigenen Institution im NS-Staat zu untermauern. Gleichfalls sind die Feierlichkeiten sowie die verfassten Festschriften eindrückliche Beispiele für die Selbstmobilisierung von weiten Teilen des deutschen Hochschulpersonals im Sinne des NS-Regimes.

Mit einem zeitlichen Sprung in die Nachkriegszeit berichteten MARIANNE HORSTKEMPER (Potsdam) und VIVIAN YURDAKUL (Berlin) über die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit in den Hochschuljubiläen der Technischen Universität Berlin. Diese Universität bot sich ganz besonders als Fallbeispiel an, da diese hochrenommierte Institution nach dem Zweiten Weltkrieg nicht einfach wiedereröffnet, sondern 1946 in direkter Konsequenz der Rolle ihrer Vorgängerinstitution — der Königlich Technischen Hochschule zu Berlin — und deren Bedeutung in der NS-Zeit umgegründet wurde. Das 30-jährige Jubiläum der TU im Jahr 1976 wurde dann weniger dazu genutzt, um die eigene Vergangenheit zu feiern, sondern vielmehr eine kritische Rückschau zu initiieren. Das Bedürfnis dazu hatte sich u.a. aus den Forderungen der 68er-Bewegung ergeben. Diesem wurde an der mittlerweile als Gruppenuniversität tätigen TU durch die Pionierstudie Reinhard Rürups entsprochen, die politische Unterstützung von außerhalb der Universität erfahren hatte.2 Die Vortragenden konnten zeigen, dass es der TU durch die Konstellation von Institutionen, AkteurInnen und Publikum gelang, neue Impulse für eine Veränderung des Genres Festschrift zu setzen.

CATHERINE MAURER (Straßburg) verglich die Jubiläumsfeierlichkeiten der Universität Straßburg aus den Jahren 1919, 1939, 1943 und 1945 und verdeutlichte, welch schwieriges Unterfangen die Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit für viele Hochschulen bis heute darstellt. So steht die bewegte Geschichte der von Deutschen und Franzosen umkämpften Hochschule in einem eklatanten Gegensatz zum heutigen europäischen Gedanken der Einheit, sodass der im Jahr 1919 prunkvoll begangenen Wiedereröffnung 100 Jahre später nicht feierlich gedacht wurde.

Das dritte Panel widmete sich den langen 1970er-Jahren. Zunächst stellte SARAH KRAMER (Marburg) die Universitätsjubiläen in Marburg und Tübingen im „Jahr des deutschen Herbstes“ 1977 in einen direkten Vergleich und fragte, ob im Angesicht der zuspitzenden angespannten Lage an vielen Hochschulen Jubiläumsfeierlichkeiten überhaupt durchführbar waren. Auch hier stellten sich Jubiläen als Aushandlungsprozesse verschiedener AkteurInnen dar: Während in Marburg große Teile der Professorenschaft die Mitarbeit am Jubiläum verweigerten, da in ihren Augen der „Tiefpunkt der Geschichte“ ihrer Universität erreicht war, konnte in Tübingen ein Volksfest gefeiert werden, das aktuelle Hochschulprobleme zwar thematisierte, jedoch nicht die Möglichkeit gab, diese direkt zu verhandeln. Beide Jubiläen brachten Proteste, alternative Festschriften und politische Forderungen an den jeweiligen Hochschulstandorten mit sich und können rückblickend als Wendepunkte einer bis dato geltenden rein erfolgsgeschichtlichen Universitätsgeschichtsschreibung verstanden werden.

BEATE CERANSKI (Stuttgart) stellte die schwierige Zeit der 1970er Jahre für die Universität Stuttgart dar und fragte nach den Bewältigungsstrategien im Verlauf des 150-jährigen Jubiläums 1979. Sie konnte zeigen, dass die Universität das Jubiläum insbesondere als Kommunikationsform nach außen nutzte und damit zum einen die Steigerung der Sichtbarkeit und zum anderen die Identifikation mit der Institution fördern wollte.

GUNNAR B. ZIMMERMANN (Hamburg) widmete sich den bereits thematisierten alternativen Publikationen zu Hochschuljubiläen als aufschlussreiche Quelle für Jubiläumsfeierlichkeiten und deren Wirkungsmacht. Er identifizierte derlei Werke als sogenannte Gegenfestschriften, die zumeist von AutorInnen erstellt wurden, die nicht offiziell für die Jubiläumsschriften verantwortlich waren und häufig ihr Misstrauen gegenüber den offiziellen Bemühungen artikulierten. Während diese in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren noch klaren Protestschriften entsprachen und zumeist aus dem linken studentischen Milieu stammten, durchlief diese Quellengattung mit der Zeit eine Akademisierung, die primär aus den Sozial- und Kulturwissenschaften gespeist wurde. Spätestens seit den 1990er Jahren ergänzen die sogenannten Gegenfestschriften die offizielle Geschichtsschreibung in mittlerweile breiter thematischer Vielfalt. Die anschließende Diskussion nahm die Beobachtung auf, dass Gegenfestschriften an Technischen Hochschulen weniger verbreitet seien.

Das vierte Panel diskutierte den Umgang sogenannter nachklassischer Universitäten mit dem jahrhundertealten Phänomen der Jubiläumsfeierlichkeiten. Beide Vorträge stellten die Festschriften, die von der Hochschulleitung verantwortet wurden, wieder in den Fokus ihrer Betrachtungen. VERENA KÜMMEL (Darmstadt) zeigte, dass Jubiläen und die Festschriften an der Evangelischen Fachhochschule Darmstadt als Mittel zur eigenen Standortbestimmung und für Reflexionen über die Zukunft genutzt wurden und nicht als kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte. Die zahlreichen Festschriften können als hochschulpolitisches Instrument gesehen werden, um im Spannungsfeld aus Kontinuität und institutionellem Neuanfang aktiv Selbstvergewisserung zu betreiben. Dies machte die feierlichen Anlässe gleichsam beliebig und stand der Schaffung eines eigenen Traditionsbewusstseins an der Hochschule diametral entgegen.

Mit der Betrachtung der Universitäten Bremen und Kassel konnten EDITH GLASER und ALEXANDER KATHER (Kassel) zeigen, dass, obwohl die Reformuniversitäten anfangs durch ihre Veröffentlichungen im Sinne eines kritischen Rückblicks die vordergründig klare Abkehr vom klassischen Festschriftformat und akademischen Traditionen suchten, sich diese im Laufe der Zeit den Praktiken der altbewährten akademischen Festkultur und einer werbenden Selbstdarstellung annäherten. In der Diskussion kam die Frage nach den Geschlechterverhältnissen auf, und es zeigte sich, dass an den Reformuniversitäten nicht immer eine differenziertere Geschlechterpolitik betrieben wurde und demnach nicht zwingend mehr Autorinnen und geschlechterspezifische Inhalte in den Festschriften zu finden waren. Der Rückgriff auf altbewährte Praktiken der Festkultur wurde abschließend als Versuch der Reformuniversitäten gedeutet, in den Kanon der Alma Mater aufgenommen zu werden.

Das fünfte Panel setzte sich mit der aktuellen Jubiläumspraxis auseinander. JULIANE MIKOLETZKY (Wien) skizzierte das 200-jährige Jubiläum der Technischen Hochschule Wien, das 2015 gleichzeitig mit dem 650-jährigen Jubiläum der Universität Wien und dem 250-jährigen Jubiläum der Veterinärmedizinischen Universität Wien begangen wurde. Mikoletzky konnte aufzeigen, dass alle drei Institutionen während der Feierlichkeiten versuchten, ihren Markennamen als Forschungsuniversität zu festigen, sich durch digitale Angebote um internationale Aufmerksamkeit bemühten und somit in eine direkte Konkurrenz um finanzielle Ressourcen und mediale Aufmerksamkeit zueinander traten. Hochschulen stehen heutzutage also unter einem zunehmend stärkeren Ökonomisierungsdruck, der auf die (inhaltliche) Gestaltung von Jubiläumsfeierlichkeiten einwirken kann.

Aktuell wird das 75-jährige Jubiläum der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz begangen. SABINE LAUDERBACH (Mainz) schilderte die Bemühungen um die Erstellung einer Festschrift, die sich einer zeitgemäßen Universitätsgeschichtsschreibung verbunden sieht. Im Fokus sollte daher die wechselvolle Beziehung zwischen Universität und Gesellschaft stehen. Neben der Finanzierung eines solchen Vorhabens stellte auch der Anspruch der Diversität der Inhalte und AutorInnen Herausforderungen an das Planungsteam. Dennoch kann das Jubiläum jetzt schon als Forschungsimpuls für weitere Themen wie die Erforschung der Geschichte der Universitätsbibliothek oder der Feminisierung der Universität Mainz gesehen werden. Beide Vorträge verdeutlichten, dass eine moderne Jubiläumspraxis kaum ohne eine mediale Darstellung im digitalen Raum erfolgen kann. Dass Universitäten heutzutage unter einem stärkeren Ökonomisierungsdruck stehen als früher und dies auch die Planung, Durchführung und inhaltliche Gestaltung von Jubiläumsfeierlichkeiten betrifft, wurde ebenfalls klar. Beide Vorträge betonten die immens wichtige Rolle von Archiven, ohne die eine Erforschung der eigenen Universität schlicht nicht möglich ist und deren finanzielle Ausstattung und Zugänglichkeit für Forschende gewährleistet sein muss.

Das sechste Panel nahm schließlich mit Beispielen aus Polen und Dänemark moderne Jubiläumspraktiken im internationalen Vergleich in den Blick. PIOTR MAJEWSKI (Warszawa) verdeutlichte anhand der wechselvollen Geschichte der Universität Warschau abermals, dass Jubiläen besonders im Angesicht aktueller politischer Entwicklungen volatil sind.

NING DE CONINCK-SMITH (Aarhus) stellte am Beispiel von Jubiläumsfeierlichkeiten an dänischen Universitäten die aktuellen Entwicklungen in der universitären Geschichtsschreibung dar. So sei in Festschriften in den letzten Jahren zunehmend der aktuelle Zustand der Hochschulstandorte in den Fokus gerückt. Viele AutorInnen hätten sich gleichsam von dem Narrativ einer reinen Erfolgsgeschichte verabschiedet, um sich einer conflictural history zu widmen. Dies ginge einher mit einer Erweiterung des Blicks auf verschiedene Gruppen innerhalb der Universität, besonders auf Studierende, und mit einem Wechsel in der Autorenschaft: Statt emeritierter ProfessorInnen forschen und schreiben NachwuchswissenschaftlerInnen zur Geschichte der Alma Mater, sodass sich auch die Fragen und Zugänge zum Thema diverser gestalten. De Coninck-Smith artikulierte gleichfalls Ansprüche an zukünftige Themen und Fragestellungen einer zeitgemäßen Universitätsgeschichte. So müsse man beispielsweise die Geschichten weiterer universitärer Akteursgruppen außerhalb der Wissenschaft (SekretärInnen, Mitglieder der akademischen Verwaltung, GärtnerInnen etc.) stärker in den Blick nehmen.

In seinem Kommentar zur Tagung resümierte MITCHELL G. ASH, dass für die Forschung zunächst der Typus der Hochschule sowie ihre spezielle historische Entwicklung entscheidend sei. Beeinflusst durch diese Faktoren, hätten sich an den unterschiedlichen Standorten ganz verschiedene Narrative der Legitimation und Selbstvergewisserung sowie Strategien des Selbstmarketings herausgebildet, die es bis heute kritisch zu hinterfragen gilt. Er wies darauf hin, dass Hochschulen als Forschungseinrichtungen sowie Ausbildungsstätten schon immer multifunktional gewesen seien und sprach sich daher klar für den Ansatz einer integrated history of higher education aus, die klassische Volluniversitäten und Technische Hochschulen gleichwertig und vergleichend betrachtet. Zum Konzept der Jubiläumsfeierlichkeiten müsse gefragt werden, ob diese lediglich Ausdruck der Anpassung an äußere politische Rahmenbedingungen (beispielsweise unter Diktaturen) darstellten oder primär von internen Machtstrukturen vorgegeben waren. So hätten ProfessorInnen zumeist die beherrschenden AkteurInnen von Jubiläen und deren Feierlichkeiten dargestellt, allerdings seien Studierende schon immer involviert gewesen; entweder als Unterstützende oder als Opponierende. Ash plädierte dafür, den akteurszentrierten Blick zu erweitern und – trotz einer zumeist schlechteren Überlieferung – auch verstärkt das Engagement der Studierenden, des wissenschaftlichen Personals etc. kreativ und unkonventionell in den Blick zu nehmen.

DANIELA ZETTI (Lübeck) sprach sich besonders dafür aus, Jubiläumsfeierlichkeiten noch stärker als Teil eines medialen Wandels zu verstehen und zu untersuchen. Sie forderte, nicht nur Festschriften zu untersuchen, sondern auch die Riten der Feierlichkeiten in den Blick zu nehmen; beides sei eng miteinander verknüpft. Darüber hinaus sei die Frage entscheidend, wie im Zuge von Jubiläumsfeierlichkeiten an den einzelnen Standorten Kontinuitäten und Traditionen betont, hergestellt und weitergegeben wurden und werden. Um die Hochschulgeschichte an sich lebendiger zu gestalten, sollten auch neue Räume am Hochschulstandort (Gartenanlagen, Cafeterien, Mensen etc.) mitgedacht werden. Schließlich machte sich auch Zetti für die Erforschung und Schreibung einer integrativen Hochschulforschung stark, da Volluniversitäten und THs schon immer eng miteinander verflochten waren und Wissen zwischen beiden zirkulierte. Spannend sei es zu erforschen, wie beide miteinander in Kontakt standen und aufeinander Bezug nahmen.

Wie gezeigt, gestalteten sich die Diskussionen beim Workshop sehr lebendig und produktiv. Als Manko des Workshops wurde formuliert, dass eine Betrachtung von Universitäten und THs im Kaiserreich sowie in der DDR gefehlt hätte. Dies war angesichts des umfänglichen Programms mehr als verständlich und verspicht spannende weiterführende Fragestellungen und Untersuchungen.

Konferenzübersicht:

Pieter Dhondt (Kuopio): How three Belgian (state) universities celebrated their anniversary in 2017. The challenging combination of jubilees and history writing in a broad historiographical perspective

Panel 1: Hochschuljubiläen im 19. Jahrhundert

Matthias Berg (Berlin/München): Münchner Universitätsjubiläen des „langen“ 19. Jahrhunderts im Spiegel ihrer Reden

Anton F. Guhl (Karlsruhe): Zukunft durch Geschichte? Zur Jubiläumspraxis von Polytechnika in der Mitte des 19. Jahrhunderts

Christof Aichner (Innsbruck): „Bei uns hat die 200jährige Jubelfeier viel Staub aufgewirbelt ...“. Universitätsjubiläen an der Universität Innsbruck im Jahr 1877

Panel 2: Jubiläen und Nationalsozialismus

Martin Göllnitz (Marburg): „Unter dem dröhnenden Abwehrfeuer unserer Flak ist die ‚Festschrift‘ entstanden“. Die Jubelfeiern der Universität Kiel und der Technischen Hochschule Wien während des Zweiten Weltkrieges

Marianne Horstkemper (Potsdam) / Vivian Yurdakul (Berlin): Die Thematisierung der NS-Vergangenheit in den Hochschuljubiläen der TU Berlin

Catherine Maurer (Strasbourg): 1919, 1939, 1943, 1945: Wie hat die Universität Straßburg diese entscheidenden Jahre in ihrer Geschichte gewürdigt?

Panel 3: Jubiläen in den langen 1970er-Jahren

Sarah Kramer (Marburg): „[K]ein Grund zum Feiern“? Die Universitätsjubiläen in Marburg und Tübingen 1977 zwischen Jubel und Krise

Beate Ceranski (Stuttgart): „Zwei Wochen lang ist Stuttgart eine wirkliche Universitätsstadt“. Das Stuttgarter Universitätsjubiläum 1979

Gunnar B. Zimmermann (Hamburg): „Gegenfestschriften“ zu Universitätsjubiläen als alternative Erinnerungsangebote zwischen Protest und wissenschaftlichem Anspruch

Panel 4: Jubiläen „nachklassischer“ Hochschulen

Verena Kümmel (Darmstadt): Sechs Festschriften in elf Jahren. Die Selbstvergewisserung einer kirchlichen Fachhochschule

Edith Glaser / Alexander Kather (beide Kassel): Wie und warum feiern sich Reformuniversitäten? Die Universitäten Bremen und Kassel im Vergleich

Panel 5: Aktuelle Jubiläumspraxis

Juliane Mikoletzky (Wien): 200 Jahre TU Wien: Vom Versuch, ein Jubiläum (fast) ohne Geschichte zu feiern

Sabine Lauderbach (Mainz): 75 Jahre Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Stand und Perspektiven der „Festschrift“

Panel 6: Comparing National Approaches

Piotr Majewski (Warszawa): Celebrations of the establishment of the University of Warsaw in 20th century and its impact on historiography

Ning de Coninck-Smith (Aarhus): Histories of Danish Universities – in the past – and in the (possible) future

Mitchell Ash (Wien): Tagungskommentar I

Daniela Zetti (Lübeck): Tagungskommentar II

Anmerkungen:
1 Aufgrund der Corona-Pandemie musste der ursprünglich als Präsenzveranstaltung geplante Workshop in den digitalen Raum übertragen werden. Das „Abenteuer Online-Workshop“ (Gisela Hürlimann), das in den vergangenen Monaten zahlreiche Veranstaltungen des Wissenschaftsbetriebs ereilte, im Sommer 2020 allerdings noch Neuland bedeutete, wurde in diesem Format erfolgreich erprobt.
2 Reinhard Rürup (Hg.), Wissenschaft und Gesellschaft. Beiträge zur Geschichte der Technischen Universität Berlin 1879–1979, 2 Bde., Berlin 1979.


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