Early Modern Antitrinitarianism and Italian Culture: Interdisciplinary Perspectives

Early Modern Antitrinitarianism and Italian Culture: Interdisciplinary Perspectives

Organisatoren
Riccarda Suitner, Deutsches Historisches Institut in Rom
Ort
Rom (hybrid)
Land
Deutschland
Vom - Bis
10.05.2021 -
Url der Konferenzwebsite
Von
Sophie Kleveman, Kunstgeschichtliches Seminar, Georg-August-Universität Göttingen

Antitrinitarische Bewegungen, die sich parallel zu den reformatorischen Bestrebungen Luthers im 16. und im 17. Jahrhundert herausbildeten, durchzogen den europäischen Kontinent in unterschiedlichen Ausprägungen und beeinflussten auf diese Weise maßgeblich die Kultur und die Religiosität Italiens. In das frühe 16. Jahrhundert zurückblickend, war es ein wesentliches Ziel des Workshops vordergründige Entwicklungen zu den Glaubensgrundsätzen von Persönlichkeiten wie Fausto Sozzini und Miguel Servet zu untersuchen, die die Grundlage zu diesen neuen Strömungen bildeten. Hierbei galt es, die wechselseitigen Reaktionen der Akteure zu beleuchten und die religiös-philosophischen Glaubensrichtungen als fluide Phänomene zu skizzieren. Die Einflüsse dieser verschiedenen Perspektiven, die die Vorstellungen der Antitrinitarier über die Bibelexegese, Spiritualität, Taufe und die Trinität formten, waren für die Partizipierenden des Workshops von besonderem Interesse.

Im Rahmen der Begrüßung betonte der Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Rom, MARTIN BAUMEISTER (Rom), die Relevanz und Aktualität des Themas des Workshops „Early Modern Antitrinitarianism and Italian Culture: Interdisciplinary Perspectives“. Es lasse sich nicht nur örtlich und in seiner interkulturellen Struktur eng mit dem heutigen Sitz des DHIs verknüpfen, sondern eröffne darüber hinaus von Italien ausgehend und im Rahmen von neuen theologischen, esoterischen und philosophischen Denkmustern der Protagonisten breite Horizonte in ganz Europa. In ihrer thematischen Einführung akzentuierte die Initiatorin und Organisatorin des Workshops RICCARDA SUITNER (Rom), dass das Phänomen des Antitrinitarismus in Europa zur Zeit der konfessionellen Fragmentierung untersucht werden solle, welches eng mit einer ausgeprägten Internationalität verbunden sei. Die Antitrinitarier der Frühen Neuzeit seien hierbei durch das gemeinsame Schicksal von Verfolgung und Exil vereint gewesen.

Eröffnet wurde der Workshop mit dem Vortrag von EMESE BÁLINT (Urbana-Champaign) zu dem Thema “Influences, Networks and Circulation of the Radical Protestants in East Central Europe”, in dem sie die Bedeutung der italienischen Täufer und ihre Migration nach Osteuropa darstellte. Dabei unterschied sie zwei Personengruppen: jene Figuren, die aufgrund ihrer religiösen Ansichten agierten und Personen der Eliten, die die Zirkulation des Täufertums förderten. Ihr Augenmerk legte sie auf die Einflechtung und die Bewertung der Täufer und Antitrinitarier im nördlichen Italien, in Mähren, Polen und Siebenbürgen sowie auf die mobilen, transalpin reisenden Akteure. Den transnationalen Dialog im Blick behaltend, demonstrierte sie, dass die thematisierten Glaubenssysteme keine strukturierten, homogenen Doktrinen waren. Das Täufertum gleiche eher einer Kompositreligion, die durch die Fluidität von Ideen und Gedanken ihrer elitären Protagonisten in Europa – sowohl auf der Nord-Südachse, aber auch auf der Ost-Westachse – zirkulierte und dadurch ständig Angleichung erfuhr, die nicht ohne Folgen bleiben sollte und auch von der Inquisition verfolgt wurde.

ANNE OVERELL (Durham) untermauerte in Ihrem Vortrag „Italian Nicodemites amidst Radical and Antitrinitarian Reformers”, dass Nikodemismus die einzige Überlebensstrategie für italienische Radikale in protestantischen Ländern gewesen sei. Anhand der drei italienischen Theologen Bernardino Ochino, Celio Secondo Curione und Lelio Sozzini, die aufgrund ihrer Glaubensmaxime aus ihrer Heimat emigrieren mussten, stellte Overell die Strategien der drei Männer – zu schweigen, zu verbergen und zu täuschen – dar, was in den überschaubaren Schweizer Städten unerlässlich gewesen sei. Die Verbrennung von Miguel Servet in Genf 1553 deutet exemplarisch darauf hin, dass Nikodemismus als wesentliche Option galt, um der Hinrichtung zu entkommen. In diesem Zusammenhang veranschaulichte Overell ihre These anhand der drei entscheidenden Quellenarten: der Briefe Curiones, der Dialoge Ochinos und anhand von zweideutigen Aussagen Sozzinis.

SVEN GROSSE (Basel) arbeitete in seinem Vortrag zu dem Thema „Melanchthon – Servet. Surveying a controversy“ mittels dreier Gliederungspunkte heraus, inwiefern Philipp Melanchton auf Miguel Servet reagierte, der die klassischen Lehren ablehnte. Es wurden Melanchtons Berührungspunkte mit Servets Schriften, die Bedeutung von Servets Lehre hinsichtlich der Trinität und schließlich die Kritik an Servets Doktrin einschließlich Melanchtons Argumentation dargestellt. Grosse bezog sich hierbei auf verschiedene Briefwechsel zwischen Melanchton – etwa mit Joachim Camerarius (Nürnberg), Johannes Brenz (Schwäbisch Hall) und dem Senatum Venetum – und untermauerte gleichsam die Vernetzung und den transnationalen, fluiden Austausch der religiösen Debatten sowie das Ausmaß des religiösen Disputs als Polemik.

Anschließend setzte sich STEFANO BROGI (Siena) in seinem Vortrag zu dem Thema „Arminiani e sociniani tra Grozio e Le Clerc“ mit folgenden sechs Kern- und Gliederungspunkten auseinander: nach einer einleitenden terminologischen Untersuchung der Sozinianer und Arminianer, untersuchte Brogi infolgedessen den jeweiligen Einfluss der Theologie Sozzinis und der Polnischen Brüder auf die niederländischen Remonstranten. Anknüpfend an die Fragestellung danach, inwiefern das Christentum eine nicht opfernde Religion sei – basierend auf dem theologischen Vorschlag Fausto Sozzinis und der juristisch-anthropologischen Verteidigung der Lehre vom stellvertretenden Opfer im Grozio-Crell-Streit –, stellte Brogi vor, inwiefern die Remonstranten im siebzehnten Jahrhundert an der offiziellen Beibehaltung der nizänischen Lehre festhielten. In einem fünften Schritt thematisierte Brogi den Weg des Grotianismus zur Religionsfreiheit und griff in diesem Zusammenhang den Bezug zu Crells Vindiciae pro religionis libertate (1637) und die zivile Toleranzfrage auf. Abschließend war die Arminianische Hegemonie hinsichtlich der letzten Nacheiferer des polnischen Sozinianismus vordergründig.

Die an die jeweiligen Vorträge anknüpfenden Diskussionen wurden von den Diskutanten GIORGIO CARAVALE (Rom), RICCARDA SUITNER (Rom) und PASQUALE TERRACCIANO (Florenz) maßgeblich durch Impulse und Ideen für die weitere Forschung bereichert.

Im abschließend Abendvortrag „Antitrinitarism in the 18th century“ knüpfte ANN THOMSON (Florenz) an den vorigen Teil des Workshops an, indem sie die antitrinitarischen Manifestationen, die entsprechenden Debatten und die Polemik aufzeigte, die sie evozierten. Dabei stellte sie die religiös-philosophischen Einflüsse dar und demonstrierte im Rahmen von Fallbeispielen die Wechselwirkungen der adressierten Strömungen anhand verschiedener Arten des Denkens. Anknüpfend an Stefano Brogis Ausführungen, spann Thomson einen Bogen zum Sozinianismus in England und in den Niederlanden. Auch die Gemeinsamkeiten des Sozinianismus mit dem Islam – eine Verbindung, die bereits zuvor während des Workshops hergestellt worden war – wurde von Thomson herausgearbeitet. Die Beobachtung, dass Manifestationen wie der Unitarismus mitunter eng mit dem Materialismus verbunden sein konnten, führte die Studie zu dem selbsternannten Materialisten und Sozinianisten Joseph Priestly. Priestlys christliches Leben setzte sich aus Materialismus, Sozinianismus und aus philosophischer Notwendigkeit zusammen, wobei die multiplen Formen des Antitrinitarismus und die Überschneidungen aus anti-religiöser und anti-trinitarischer Heterodoxie von Thomson am Beispiel Priestlys exemplifiziert wurden.

Kommentiert wurde ANN THOMSONS (Florenz) Vortrag anschließend von GIROLAMO IMBRUGLIA (Neapel), indem er die Thematik der Antitrinität und des Sozinianismus von einer anderen Perspektive ausgehend beleuchtete. Vordergründig war hierbei der primär philosophische Ansatz, dass der Sozinianismus nicht strikt mit dem Antitrinitarismus zusammenhänge, sondern verschiedene Metamorphosen durchlaufe. Bezugnehmend auf Edward Gibbons Decline and Fall (1776) untermauerte Imbruglia die religiöse Verankerung des Sozinianismus im Islam und betonte, dass aufgrund dieser Verbindung der Sozinianismus nicht auf christlichen Glaubensgrundsätzen basieren könne. Der Sozinianismus habe nur aus dem Grund Bestand gehabt, weil es Protagonisten gegeben habe, die ihn lebten.

In ihrer Zusammenfassung des Workshops betonte RICCARDA SUITNER (Rom), dass die Vorträge darauf abzielten, unterschiedliche Faktoren zum Antitrinitarismus zu reflektieren und interdisziplinär mit Studien aus der Theologie, der Philosophie und der Migration bis hin zu Debatten über die Toleranz zur Zeit der europäischen Aufklärung miteinander in Beziehung zu setzen. Im Fokus standen hierbei die italienischen Komponenten in dieser europäischen Debatte. Doch galt es auch neben berühmten Exilanten, wie Fausto Sozzini, weniger prominente Figuren und die Rolle der italienischen Kultur zu berücksichtigen, besonders in der theologischen Ausbreitung und Entwicklungen seit der Renaissance. Die intensiven und fruchtbaren Diskussionen, in denen auf die Themen der einzelnen Referenten immer wieder Bezug genommen wurde, eröffneten hierzu neue Perspektiven und zeigten die Relevanz dieses vielschichtigen Themenfeldes für zukünftige Forschungen auf.

Workshopübersicht:

Begrüßung: Martin Baumeister u. Riccarda Suitner (Deutsches Historisches Institut in Rom)

Sektion 1

Emese Bálint (University of Illinois Urbana-Champaign): Influences, Networks and Circulation of the Radical Protestants in East Central Europe

Anne Overell (Durham University): Italian Nicodemites amidst Radical and Antitrinitarian Reformers

Sektion 2

Sven Grosse (Staatsunabhängige Theologische Hochschule Basel): Melanchthon – Servet. Surveying a controversy

Stefano Brogi (Università degli Studi di Siena): Arminiani e sociniani tra Grozio e Le Clerc

Diskutanten: Giorgio Caravale (Università degli Studi Roma Tre), Riccarda Suitner (Deutsches Historisches Institut in Rom) und Pasquale Terracciano (Istituto Nazionale di Studi sul Rinascimento, Florenz)

Sektion 3

Ann Thomson (European University Institute): Antitrinitarianism in the 18th century,
Kommentator: Girolamo Imbruglia (Università degli Studi di Napoli L’Orientale, Neapel)


Redaktion
Veröffentlicht am
Klassifikation
Region(en)
Weitere Informationen
Land Veranstaltung
Sprache(n) der Konferenz
Englisch
Sprache des Berichts